1919 / 232 p. 22 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Wir müssen die Strecken freibekommen, damit die Güterzüge un- geltórt verkehren können. Jeder Scnellzug, den wir einschalten, stört den Abfluß der Güterzüge und bringt den aufgestellten Plan wieder in Unordnung. Wir können dann nicht (leisten, was wir leisten müssen. Die Einstellung würde eine viel längere Periode andauern, wenn sie nicht vollständig wäre. Das kann ih Ihnen aber versprechen: wenn sich die Möglichkeit bietet, den Schnellzugverkehr auch nur in be- \{ränktem Maße wieder einzuführen, wird er sofort wieder eingeführt werden. Aber, meine Damen und Herren, 1h kann niht umhin, zu ságen, daß solhe Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten, fo hart sie den einzelnen und ganze Provinzen treffen werden, nicht zu vermeiden sind, weil wir heute niht einen so gesunden Staatseisenbahnkörper haben, der alles, was- bon ihm wverlangt wird, leisten Tann. Ich kann deshalb nur wiederholen und nr immer wieder dringend bitten, daß jeder einzelne si dessen bewußt ist, daß, wenn wir nicht in dem Maße der. persönlichen und sachlichen Leistungen recht bald eine Steigerung herbeiführen, die Verhältnisse nicht besser werden, als sie heute sind. Jch’ bemühe mich seit Wochen und Monaten, in diesem Sinne zu wirken. Jh würde mih sehr freuen, wenn ih auc darin die Unterstüßung dieses hohen Hauses finde, indem Sie fh in Ihren Beschlüssen wie in Jhrer Einwirkung nah außen, die 1ch sehr hoh schäbe, auf den Standpunkt stellen, daß wir ohne erbeblihe Steigerung vor allem auch ter persönlichen Leistungen, der Leistungen der Beamtenschaft wie der Arbeiterschaft, über die Krisis niht_hinwegkommen. Es muß deéhalb alles darauf abgestellt werden, die Steigerung dieser Leistungen herbeizuführen. Je eher flott und ordentlich gearbeitet wird, je {neller werden wir über die Krise hinwegkommen, und je weniger das geschieht, desto Tänger wird sie dauern.

62, Sißung vom 9. Oktober 1919. (Beriht von „Wolfs Telegraphenbüro“.)

Am Regierungstische: Der Staatsminister Deser.

Präsident Leinert eröffnet die Sizung nah 12,15 Uhr.

Das Haus seßt die Beratung des Haushalts der Eisenbahnverwaltung fort.

Es ist noch ein Antrag der Mehrheitspar teien ein- gereiht worden, der I. den Minister zur beshleunigten ründlihen Umgestaltung der Verwaltung auffordert, I. zur Behebung der gegenwärtigen {weren Transportkrise versuh8weise ein Lohnverfahren einzuführen empfiehlt, das die Arbeitershaft an gesteigerter Leistung durch Mehrbewêrtung interessiert, IIl. um unverzügliche Ver- handlungen mit den Gewerkschafien und einem Ausschuß von sechs Abgeordneten in dieser Richtung ersucht.

Der Antrag wird vor der Fortseßung der allgemeinen Aussprache begründet vom

Abg. Dominicus (Dem.): Mit der Einführung eines neuen

Lohnsystems soll selbstverständlih nicht ein Lohndruck, eine Herab:

drückung der jeßigen Lohnsäge beabsichtigt sein; im Gegenteil soll der Grundsaß gelten, daß fein Arbeiter weniger verdienen darf als nach dem jeßigen Lohnsystem. Ih hate das Zutrauen zu dem guten Sinn unserer Arbeiter in der Eijenbahnverwaltung, daß sie ohne jedes Mißtrauen an diesen Antrag herangehen und intolgedessen eine Ver- besserung der Lohnsäye herbeigejübhrt wird.

Abg. Dr. Shmedding (Zentr.): Ein geordneter Cisenbahn- verkehr 1} eine unbedingte Notwendigkeit für den Wirtschafteverkehr. Dié \hweren Beschuldigungen des Aba. Brunner aegen den früheren Minister Breitenbach muß ih auf das nachdrücklichste zurückweisen. Ich hâtte eine Kritik des Herrn Brunner an deim früheren System der Cisênbahnverwaltung verstehen können. Cinen Anariff auf die Person des. früheren Vteinisters ist mir aber unv:rständlih. Er hat als treuer Diener scines Königs alles getan, was er tun konnte. vâtte der Minister nah den Wünschen des Herrn Brunner gebändelt, dann wären erst recht schlechte Verbälinisse eingetreten. Wer die Verhältnisse näher kennt, der weiß, was Breitenbach für die Beamten und Arbeiter getan hat. Wenn «s \chließlih gelungen ist, der Eisen- bahnverwaltung eine größere Selbständigkeit gegenüber dem Finanzminitteriuum zu verschaffen, so ist das gerade das Werk des Herrn v. Breitenbah. Man kann überhaupt seine Verdienste niht hoh genug einshäyen. Wenn Herr v. Breitenbah unter günstigen finanziellen Verhältnissen bessere Eisenbahnverbindungen afen und die Tarife herunterseßen konnte, fo steht jeßt der neue Cisenbahnminister vor der Tatsache, die Tarife böhershrauben und eine ganze Anzahl von Zügen ausfallen lassen zu müssen. Zu ail den jeßigen Schwierigkeiten tritt aber noch die neue Auktgabe ‘hinzu, unter welchen Bedingungen das preußishe Staatsteisenbahnunternehmen an das Reich abgetreten werden tolle. Ueber die Zwecckmäßigkeitéfrage kann man ja verschiedener Ansicht sein. Es ist klar, daß der Besiß der Eisenbahnen in ciner Hand die Selbständigkeit der Einzelstaaten einshränken muß. Es fann allerdings nicht bezw*ifelt werden, daß inzwishen Erwägungen eingetreten sind, die eine andere Stellung- nahme“ notwendig erscheinen lassen. Auf dem Wege der Abgabe der Steuerhoheit und der Wasserstraßen haben wir bereits einen großen Schritt zurückgelegt. Die unglückfeligen finanziellen Verhältnisse Deutschlands erfordern eine wesentlihe Vereinfahung des ganzen Verkehrs. Dos Reih muß unter allen Umständen der Träger sämt- licher Lasten sein, und dieser Pfliht nachkommen, und dazu ist in erster Linie die Eisenbahnverwaltung da. Der bestehende Mangel einer Fahrplaneinheit zwisden Süddeutshland und Norddeutschland muß beseitigt werden. Wir fkrankten daran {on "vor. dem Kriege. Der Nuzen, der von der preußishen Staatseisenbahn- verwaltung gezogen wurde, tam lediglich Preußen zugute, er muß - unbedingt sämtlichen Bundesstaaten zugeführt werden. Alle diese Gründe \prehen für eine Verreichlihung der Eisenbahnen. Ein Ruhmesblatt der preußischen Etienbahnverwaltung war es, daß sie au solhe Babnen baute, die keinen Gewinn abwarfen, aber für die Erschließung des Landes Bedeutung hatten. Bei einer Abgabe unserer Cisenbahnen an das Reih muß dieses die sämtlichen Ver- pflihtungen Preußens übernehmen und dem preußishen Staate einen gerissen Einfluß hinsichtlich der örtlihen Verhältnisse und Bedürfnisse einräumen. Es muß unter allen Umständen für die preußischen Landes- teile nah wie“ vor Sorge getragen wérden, auch dann, wenn davon niht ein Nugen erwartet werden kann. Die Hauptfrage dreht sih nun darum, ob wir für die Abgabe unserer Eisenbahnen an das Reich eine Entschädigung in Gestalt einer Kapitalabfindung oder einer Rente fordern sollen. Aus verschiedenen Gründen ift nah meiner Ansicht eine Rente vorzuziehen. Jedenfalls käme man auf diesem Wege am besten über alle Schwierigkeiten hinweg. Dem Reiche wäre bei der Organisation der Eisenbahnen zu empfehlen, nicht eine zu weitgehende Zentralisation vorzunehmen. In Preußen hat die zu strafe Organisation des Cisen- bahnzentralamts die Selbständigkeit der Eisenbahndirektoren “sehr beschränkt und einen s{leppenden Geschäftègang herbeigeführt, der ja freilih auch tas Ergebnis der Verkoppelung der Eisenbahnen mit dem Staatshaushalt war. Das beste wäre die Eisenbahnen vom Haushalt des Neichs völlig unabhängig zu stellen und sie kaufmännisch zu verwalten, so daß sie nur vom Neinertrage an die Neichsverwal- tung abzugeben hätten. ¡Die Notwendigkeit von Ersparnissen muß auch im- Bereiche der Eisenbahnverwaltung immer wieder betont werden. Gs ist eine dur nihts gerehtfertigte Vershwendung, wenn z. B. die Beamten der Generalbetriebsleitung in Gssen [t A Tagegelder liquidieren, da sie zwac in Gssen ihr Amt, aber in Elberfeld ihren Wohnsiß haben. Die bereits bewilligten Ergänzungs- und

Umbauten bitten wir nah Möilichkeit zu bes{leunigen. Unter den Uitacen der bewigen ungünstigen Lage unseres Eisenbahu- wetens spielt auch die während des Krieges tingêtretene Perforal-' vermehrung von 450000 auf 671) 000 Köpfe ihre Rolle. Hier ist eîn Verlangen einer Verminderung insoweit berechtigt, a:s die Eisen- bahnen nit dazu da sind, bioße Arbeitsgelegénheit zu geben und Anwesenheit8gelder zu zahlen ; andererseits darf aber auch mit Neu- einstellungen da, wo sie geboten erscheinen, niht zurückzehalten werden. Die Kriegsfolgen haben auch in dieser Verwaltung die Arbeiten so vermehrt, daß sie nicht mehr mit der gleihen Zahl von Beamten bewäliigt werden können. Man hat die Nückkehr zum System des Afkkordlohnes empfohlen. Da der Landwirtschaftêminister in seinem Amtsbereih damit gutè Wirkungen erzielt hat, sollte auch bei den Eisenbahnen ein Versuch damit gemacht werden. Wir stehen demna auch unsererseits auf dem Boden des vorhin von dem Abgeordneten Dominicus befürworteten Antrages. Ob sich noch etn großer Nuteffekt von anderen zur Hebung der Einnahmen gemachten Vorschlägen erzielen lassen wird, als da sind anderweite Verpachting der Bahn- hofswirtschaften, anderweite Negelung des Bahnhofsbuchhandels und des Plafkatwesens, elektrischer Zugverkehr, \chnellere Eintührung der Knorrxbremle, intensive Verhinderung mißbräuchlicher Benußung höherer Wagenklassen, möchte ih heute niht näher erörtern, ich vertraue, daß in allen diesen Punkten die Verwaltung bereits eingeschritten ist oder es nächstens tun wird. Verschiedene Bahnhofsrestaurationen lassen sich durch ganz willtürlih hohe Preise für Speisen und Ge- tränke eine unverantwortlihe Ausbcutung der Passagiere zushulden kommen. Ueber die vom 12. d. Mts. erfolgende Einstellung des Schnellzugsverkehrs hat der Minister gestern Aufklärung gegeben, und ich.tann nicht anerkennen, daß der Minister mit der Maßregel eine politishe Dummheit gemacht hat. Wir bitten aber zum mindesten in die Personenzüge von Berlin nah dem Osten Schla]wagen einzustellen. Immer wieder ertönen die Klagen über die geringe Zahl und die übermäßig starke Beießung der Züge, über die zur Gewohnheit aewordene Unpünktlichteit, über die mangelhatte Ausstattung der Abteile und deren Unsauberkeit, über das lebensgefährlihe Ver- \stauen großer Gepäkstücke, über die s{hlechten An1chlüsse besonders an der Grenze der Direktionsbezirke, über die mangelhafte Gestellung von Güterwagen. An allen diefen Mißständen ist der gegen- wärtige Minister allerdings unschuldig. Sehr beklagenswert if die Machtlosigkeit der Eisenbahnveiwaltung gegen den Hamster; hier müßten ihren Organen die nötigen Machtmittel in die Hände ge- geben werden. Es is eine Chrenpflicht, diejenigen elfaß-loth- ringishen Eisenbahnbeamten, die niht von Frankrei übernommen werden, nicht ihrem Schickjal zu überlassen, sondern bei den Staats- bahnen aufzunehmen. Dazu sollten auch die süddeutschen Staaten die Hand bieten. Bei den Eisenbahnwirreu in Erfurt hat der Minister zur Beilegung des Streiks und zur Wiederherstellung der Ordnung von jeder Maßrezelung Abstand genommen und die Haupt- rädelstührer sogar in einen Beirat der Direktion zugelassen. Das können wir richt gutheißen. Dek dortice Beirat, als dauernde Ein- rihtung gedacht, ist deswegen verwertlih, weil er sih außerhalb der Meichsge]ete stellt, weil er die Verantwortlichkeit der Beamten beein- trächtigt und auch wegen der dort gebildeten Beamtenausschüsse und Arbeiterbetrieb8räte überflüssig erscheint. Auch untergräbt erx die Autorität und er\chw ert din Geschäftsgang. Wir wünschen nicht, daß folhe Beirâte auch bei den übrigen Direktionen errichtet werden. Dem Lobe, welches der Minister im Auss{uß den böheren Beamten ezollt hat, die der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht |eien, deren Frtahrung, Wissen und Tattraft die Verwaltung nicht entbehren könne,

wenn sie niht vor die Hunde gehen solle, chließe ih mi durchaus an. *

Damit will ih aber keineswegs einer zeitgemäßen Demokratisierung widersprochen haben, die ich im Gegenteil für durchaus notwendig halte. Den Anträgen des HLaushaltsauss{chu}ses treten wir bei. Bei der Zuteilung der Dienstwohnungen soll man gruncksäßlich das techni1he und das administrative Personal gleichstelen. Auch den Antrag, der die Regierung auffordert, mit allem Nachdruck für eine Verbesserung des VBerkehréwesens zu wirken, nehmen wir an. Wir Volksvertreter werden stets bereit sein, alle nötigen Mittel zur Hebung des Verkehrs zu bewilligen. (Beifall)

Abg. Dr. Frenyel (Dem.): Mit den preußischen Eisenbahnen geht das größte wirtschaftlihe Unternehmen, das in einer Hand ver- einigt war, das bisher die Welt gekannt hat, an das Neich über. Das preußtshe Eisenbahnwesen erstreckte seine Wirksamkeit weit über die preußischen Grenzen hinaus durch Europa und in den gesamten Welt- verkehr hinein. Wir find aber noch nicht am Begräbnis angelangt, es gilt also noch nicht das de mortuis nil nisíi bene, Jondern es kann noch Kritik geübt werden. Vieles von den gestrigen kritischen Ausführungen des Kollegen Brunner unterschreibe ih, aber seine Be|chuldigungen bestimmter Persoren lehne ih ab. Es geht nicht an, jede, auch die sachlihste Frage, unter dem Gesichtspunkte von Schuld und Sühne zu beträchten. (Zustimmung.) Dem Eisenbahn- system, welches 40 Jahre in Preußen geber:ht hat, fehlte es an \ozialem “Verständnis; in die'es System hatte man ein Kommando- wesen eingeführt, das ganz unnatürlih war und \ich mit einem im wesentlihen doch kaufmännishen Gewerbebetriebe nicht vertrug. Jn und um die Verwaltung waren Mauern, Zäune und Wälle gezogen, die thr die notwendige Beweglichkeit und Anpassungsfäbigkeit nahmen

und die fur technsche Neuerungen s{chwer zugänglich machten. Ler frische .

Wagemut des auf fich felbst gestellten Könnens hat ihr häufig getehlt. Trotz alledem war der Betrieb ein mustergültiger, deëgleichen der Ver- kehr ein Muster an Sicherheit, Pünktlichteit, Schnelligkeit und Billigkeit. Auch das Tarifsystem hatte seine großen Vorzüge. Leider spreche ih von Verhältnissen, die niht mehr find. Heute haben wir nicht einen folhen Betrieb und einen folhen Verkehr. Mit dém heutigen rohen System der ichematishen Tariferböhungen kann Handel und Wandel nicht auskommen. Wir müssen alle Kräfte auf- bieten, um in den gegenwärtigen trostlosen Zuständen auf diesem Ge- biete Abhilfe zu schaffen, bis es zur Uebergabe an das Neich komnit. Ta1fächlichh waren ja die preußischen CE1jenbahnen hon während der leßten fünf Jahre in die Hände des Reichs übergegangen und Preußens Verwaltung machtlos. Der Kri g ist es geweten, der unser Citenbahnwesen so heruntergebraht hat. Die preußische Eisenbahn- verwaltung war Kiiegstteilnehmer und ist aus dem Kriege als s{chwer Kriegsbeschädigter hervorgegangen, man weiß nur noch nicht, welche Nente er erhalten wird. Der Herr Eisenbahnminister hat ausgeführt, er habe sih niemals als politisher Minister betrachtet. Er ist aber in Wirklichkeit ein finanzpoliti\her und verkehrspolitisher Minister. Aus dem Minusposten der Eisenbahnen im Haushalt muß wieder ein Pluspostken werden. Erst nah Erstarkung unserer Bahnen dürfte eine Uebertragung auf das Neich vollzogen werden. Bet einer allge- meinen Elektrisierung des Eisênbahnbetriebes wü1de mit Leichtigkeit der jeßige Kohlenmangel ausgeschaltet scin. Es muß auch Heiz- material aus der Braunkohle und dem Torf gewonnen werden. Cs find genügend Torfgruben und Braunfkohlengruben dazu vorhanden. Ich hoffe, daß die Eisenbahnbeamten und Arbeiter jeßt. selbst zu der Einsicht kommen werden, daß an die Stelle des bisherigen militäri- {hen Drudes die Selbstzucht treten muß.

Minister der öffentli@en Arbeiten Oeser: Meine Herren! Meia Herr Vorredner hat eben in beredten Worten auf die Folgen hingewiesen, die vielleiht entstehen würden, wenn es nicht gelingt, die finanziellen Verhältnisse der Staatsei'enbahnverwaltung wieder gesund zu machen. Ich gebe ihm darin vollständig ret, daß es ganz gleih- gültig ist, ob die Eisenbahnen den Ländern verbleiben oder ob sie ans Neich gehen; der \{chlechte Finanzzustand würde d. eselben Wirkungen ausüben; ebenso wie der shlechte Betriebszustand auf die Bevölkerung wirkt, ob nun an der Spitze der Verwaltung ein Landesminister oder ein Neichsminister steht.

Bisher hat nun éine Besserung der Finanzverhältnisse leider noch nicht eingeseßt. Jch darf mir vielleicht erlauben, Ihnen die neuesten Zahlen darüber zu geben, die im großen Ganzen aker nur das be-

stätigen, was ih früher dem hohen Hause dargelegt habe. Es sind -

jebt reue Berehnungen ‘angcsiellt worden, die auf den Ergebnissen bis zum Oktober beruhen. Während 1918 die Betricbseinnahmen 3549 Millionen Mark betrugen und der Voranschlag für das laufende Sahr auf 4815 Millionen ging, lautet die Schäßung jeßt auf 4181 Millionen Mark. Gegen 18918 ist also zwar ein Plus von 632 Millionen Mark vorhanden, aber gegen den Voranschlag für 1919 ein Minderertrag von 634 Millionen. Ich brauche nit zu betoñen, daß diese Zahlen noch nit vollständig feststehen. Auf die Betriebs» einnahmen wirkt ja eine ganze Reihe von Umständen ein.

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: es ist mir Tag für Tag ein unsagbar peinlihes Empfinden, daß îo viele Mögkli@- Feiten für die Steigerung der Betriebseinnahmeu der Staatseisenbahnen vorliegen, ohne daß wir imstande sind, vün diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. (Hört, hört !) Es8 if zweifellos ein starkes Bedürfnis für den Personenverkehr vorhanden. Wir würden mindestens 20 Prozent Züge mehr fahren lassen können und würden diese Züge alle voll befeßt haben. Wir könnten dem Publikum etwas Bequemlichkeit bieten, “das Publikum wäre zu- friedener. Und was geschieht? Wir müssen den Verkehr abdrosseln, während do das finanzielle Interesse des Landes unbedingt darauf hinausläuft, den Verkehr zu steigern, niht nur, um die Einnahmen für das Land zu gewinnen, sondern auch, um das wirtschaftliche Leben lebhafter zu’ gestalten. Ganz ähnlih ist es mit dem Güterverkehr. Auch für den Güterverkehr haben wir gestern wieder eine Anordnung hinausgehen lassen müssen, daß nur noh die Hälfte der Gütérivägen für den gewöhnlihen Verkehr gestellt werden dürfen. (Hört, hört !) weil alle Güterwagen für Kohle und die notwendigsten Lebénsmittel gebraucht werden. Dabei merken wir, daß das wirtschaftlide Leben langsam wieder anfängt, ‘zu pulsieren, daß ein gewissér Unter- nehmungsgeist vorhanden ist, daß auch überall in den Betrieben die Arbeiterschaft williger zur Arbeit ist als vor Monaten, daß die Leistungen gesteigert werden. In dem Moment kann die Staats eisenbahnverwaltung aber die Anforderungen, die sie géstellt werden, aus den Gründen, die ih gestern darlegen mußte, nit er- füllen. Es entgehen uns nit nur die Einnahmen, die wir so dringend brauchen, sondern vor allen Dingen ist es auch unmögli, das wirtshaftlihe Leb-n des Landes \o zu befruchten, wie es ünbë- dingt sein müßte, wern wir aus den gegenwärtigen Krisen heraus- kommen wollen. | :

Meine Damen und Herren, man kann die Dinge ja verschieden darstellen. Ih könnte Ihnen eine wundershöône Rede mit den \{önsten Ausbliken auf die Zukunft halten und würde Sie vielleicht zu einem stürmishen Beifall himeißen. Ih würde es aber in der gegenwärtigen Situation nicht verantworten können. “Ich glaube, ih bin Ihnen volle Wahrheit \{chuldig. (Sehr richtig l) JIch würde auch meiner Natur nicht entsprehen, wenn ih über diese Dinge stillschweigend hinwegginge. Es g'bt einen Optimiemus, der da sagt: na, es sieht ja {chlecht aus, aber es wird {on besser werden. Ich halte das für einen falschen und ünigesunden Optimismus. Aber es gibt ‘auch einen gesunden Optimiëmus, der da sagt: ich muß erst einmal sehen, wie s{chle{cht es ist, ih muß mi voll von der Grundlofigkeit der Verhältnisse überzeugen Tassen, vnd wenn ih dann mit dem Willen zur Besserung borgehe, dänn werds ih es erreihen, daß es besser wird. Das ist“ ein ‘gesunder Optimismus, der den Willen hat, sich durchzuseßen und die Schwterigkeiten zu überwinden. Jch glaube, diesen? Optimismus braucht unser Volk, um weiter zu kommen. E

Die Betriebsausgaben sind ohne unseren Willen außer- ordentli f\teigerungstähig. Während sie im Jahre 1918 - noch 4778 Millionen Mark betrugen und nach dem “Voranschlag für 1919 4864 Millionen Mark betragen sollten, geht * die jepige Schäßung auf 7406 Millionen Mark. (Hört, hört!) Gs ist die unausgeseßte Steigerung aller Preise für Kohle, für Eisen, für Holzr für Petroleum, für Oel, für sonstige Schmiermittel "usw., die den Haushalt auseinanderreißen und denen wir mit ünseren Berechnungen kaum nachkommen können, \o eilig geht es voran. Der Betriebékoeffizient war im Jahre 1918 134,60 und ist nah den jeßigen Berechnungen auf 177,13 gestiegen, d. h. also: die Ausgaben übersteigen die Ein- nahmen um 77,13 vH. Der Fehlbetrag hat im “Jáhrée 1918 in Wirklichkeit 1894 Millionen Mark betragen ; die Schägung für 1919 geht augenblidcklich auf 3963 Millionen Mark. (Bewegung.) -

Ich brauche Jhnen die Steigerung der Preise im einzelnen nicht

vorzuführen, Sie werden darüber ja ungefähr unterrichtet sein. Die

Kohlen sind von 39,50 auf 79,40 /6 je Tonne gestiegen; sié steigen unausgeseßt weiter und wir müssen mit einer neuen großen Steige- rung rechnen, die für die Eisenbahnverwaltung Hunderte ‘bon Millionén an Mehrausgaben verursachen werden. Koks ist gestiégen von 40 auf 111,65, Mineralschmieröl von §50 auf 110, Schienen von 320 auf 750, eiserne Schwellen von 310 auf 750, l:ölzerne Shwellen das Stü von 11 auf 13 4, Eichenholz der Kubikmeter von 280 au 455 bis 617, Kiefernholz von 130 auf 236 usw

Die Umstände, die auf die weitere Einnähmegestaltung einwirken werden, lassen sich nicht klar übersehen. Es sind das einer seits die weitere Steigerung der Preise, andererseits diè Unsicher-

heit des Betriebes und der Zwang, den Betrieb einzuschränken, statt

ihn zu entwickeln. Es wird auch hinzukommen, taß wir infolge“ des Friedensvertrags einen gegen früher verkleinerten Be, trieb erhalten. In den Abtretungsgebieten find abzutreten 1941,47 km Hauptbahnen und 2618,78 km Nebenbahnen; in den Abstimmungsgebieten kommen in Betracht ' 1527 km Hauptbahnen- 1576 km Nebenbahnen und 170 km Schmalspurbahnen. Jn: den Abtretungsgebieten sind 51 Aemter, 893 selbständige Dienststelleüe 14 778 Beamte und Hilfsbeamte und 11600 Arbeiter. Es handelt fih also um einen sehr großen Apparat. Weiter kommen in" den Abstimmungsgebieten in Betracht 46 Aemter, 889 sélbständige Dienst- stellen, 17 (84 Beamte und Hilfsbeamte und 12946 Arbeiter. *

Von dem Personal wird ein großer Teil ‘in dás verbleibende

Preußen zurückströmen. Die Neigung im Personal geht’ ganz “alli gemein dahin, der Heimat erhalten zu bleiben ünd üicht in fternde '

Dienste zu treten. Wir nerden infolgedessen dämit réchnen müssen, daß die Zahl des Petrsona!s noch übek das Bedürfnis“ hikausgeht,

inóbesondere insoferû Beamte und Hilföbeamte in Békracht köinmen. | Es ist ganz selbstverständlich, daß wir diese Beamten ihk’ ini Stich lassen dürfen und wollen.“ (Sehr richtig! und Bravo!) M

wird sich eine allgemeine Vérschlechterung der“ Aufrücckuñgsa

zeiten für die Beamtenschaft wahrscheinli als unvermeibbär érgeben.

Wir versuchen, dur Ver{üngung ‘der BeainkensGäft “ju béflerii

Daß dieses Miltel aber nicht vollständig ausreicht, liegt auf der Hand. Wir werden durch eine Reihe von anderen Maßnahmen, die ih son bei früheren Gelegenheiten angedeutet habe, au die M ö g - richkeit dés Aúufrückens der Beamten “ir yverstäktem Maße schaffen. Um den mittleren Beamten den Uebergang in die höhere Beam! enschaft zu erleichtern, werden wir borautsichtlich dahin xommén,: gehobene mittlere Beamtenstellen zu schaffen, die gewisser- maßen als Btücke zwischen den beiden Kätegotien gedacht sind, in die die Testèn"“inittlêten Beamten “ausrüen Tóllen, ‘dué denen wir dann wieder die besten Köpfe in tie höhere Beamtenschaft über- nehmen können. Aber diese: Vorschläge sind mit den Beteiligten noch nicht besprohei worden ; weiteres behalte ih mir vor"

Heir Abg. Höfler hät“ geskèrn gemeint, für die unteren Beamten sei dabei nichts herau2gekommen. Grundsäßlih wäre es nit not- wendig, füc die Unterbean:ten hier eine Neuerung zu schaffen, da es ihnen auch heute {on durhaus möglich ‘ist, ïn mitilere Beaniten- {téllen aufjurücken. “Diè Schwierigkeiten für die Unteren Beamten Liegen darin, daß durch die Militäranwärter eine große Zahl dex Stellungen weggenommen sind, die “kraft Reichsgeseygebung ganz be- stimmte Nechte besißen, übér die man nicht himveggéhêèn kähn. Nún witd“ ja die Zahl der Militäranwärter, “die aügenblicklich besonders groß ist, aus bekannten Ürsachen in den 1ächsten Jahren allmählich sinken. Wir werden aber doch wversuhen müssen, um für die unteren Beamten das Aufrücken in mittlere Beamtenstellen nit völlig illusorisch zu machen, dafür zu sorgen, daß die be- fähigten Unterbeamten fo früh an die Grenze zur mittleren Heamtenschaft kommen, daß ihnen noch die Möglichleit eines weiteren Aufrückens bleibt. Jn dieser Hinsicht werden wir demnächst Beschlüsse zu fassen haben. Wix werden aber dann, um dieses ganze System auszubauen, das ja ganz neu aufgebaut werden muß, auch zu einer großen Erweiterung der Fahshulen, vor allem auch der Lehr- ling8\chulen schreiten müssen, um den Beamten die Möglichkeit der geistigen Fortbildung zu geben und sie dadur auc zu besähigen, ia höhere Stellen einzurücken. | M Nun haben verschiedène der Herren Vorredner auf die Ueber s- leitung der Eisenbähnverwaltuüng auf das Reich Bezug genommen. Jch will auf die Frage im einzelnen bei dieser Gelegenheit nit eingeben, ich will nur darauf hinweisen, daß in den Ausschüssen lebhaft an den Vorbedingungen für die Ueberfütrung auf das Reich gearbeitet wird. Insbesondere in zwei Ausschüfsen konzen- triert sich die wichtigste Arbeit, das ist der Finanzaus\@Guß, der die sehr \chwierige Frage der Abrehnung zwischen dem Reih und den Ländern lösen foll, und sodann der sogenannte Ueberleitungs- aÿ8\{uß. Damit am 1. April 1921 dié Eisenbahnen in der Hand des Reiches sofort funktionieren können, erweist es sih- als notwendig, gewisse Ausgleihungen vorzunehmen. Es müssen gegenwärtig schon Unterschiede in der Organisation und Verwaltung beseitigt werden, damit daraus niht Schwierigkeiten entstehen. Au für die großen Personale, die hier vereinigt werden und die ein Heer dvon über 1. Million Köpfen darstellen werden, müssen die Grundsäge fest- gestellt werden, es müssen die Re&hté der Personale gesichert werden. Ich weiß, daß der dringende Wuns der Beamten und Arbeiter be- steht, an’ diesen Verhandlungen beteiligt zu sein. Im gegenwärtigen Moment der Vorarbeit wird das noch nicht möglich: sein, denn diese Vorarbeit“ müß in einer“ möglist kleinen Kréise vorgenommen werden. Es {ind \sämtlihe Länder, und es ist das Reich beteiligt, und wénn von sämtlichen Vndern und vom Reihe nun noch solche Nebenausschüfse hinzugezogen würden, so würde es keine Arbeitsaus- {üsse mehr geben, sondern es würden große, rei beseßte Parlamente wérden. Aber sobald eine Klarheit über den Weg erreicht ist,

werden natürli auch die Beamten und die Arbeiter volle Gelegen--

heit haben, ihren Standpunkt zu wahren, sie werden rechtzeitig mit- zusprechen haben, *ebenso wie ‘ja selbstverständlich dieses hohe Haus au \sih nicht nur vorbehalten hat, jondern auf sein gutes Recht pocheñ kann, daft, bevor endgültige Beschlüsse gefaßt werden, das Haus oder der Aus\{chuß, der von dem Haushalt8auss{huß ernannt worden ist, gehört wird. / : i

Es wird ih wohl als notwendig ergeben, daß man \sich doch {on in weiterem Maße über die Organisation der künftigen Reichs- elsenbahnen ein Bild gestalten muß, als wir ursprünglih in Aussicht nahmen. Ursprünglih nähnien “wir an, man würde die Organisa- tionen im großen und gänjzen so. belassen können, wie sie jeßt sind, man brauche sie nur aneinanderzuschieben, und es set dann dem Reich überlassen, eine neue Organisation der Reichseisen, bahnen zu hafen. Wir nietken aber jeßt hon, daß insbesondére die Annäherung der verschiedenen Bahnsysteme aneinander wenigstens eine gewisse Kenntnis des künftigen Zustandes der künftigen Organisation voraussegt, weil ja sonft die Annäherung in einer ganz falshen Richtung vorgenommen werden könnte. Man muß ungefähr {on wissen, wohin die Reise geht, und ih hoffe, daß ih bet dieser sehr \{hwierigen und tief in alle Verhältnisse eingreifenden Um- gestaltung der Eisenbahnen zu den Reichseisenbahnen nit nur ' die Unterstüßung dieses Hohen Hauses finden werde, sondern daß auch die Praktiker aus allen Lagern bereit sein werden, uns dabei mit Nat und Tat zu unterstüßen. Se!bstverständlih wird die endgültige Be- {lußfafsung niht meine Aufgabe sein, sontern die des Reiches und des künftigen Reichsverkehrsministers. Es ist das aber eine Aufgabe

| von einer solchen großen, andauernden und entsheidenden Bedeutung,

daß man sie nicht früh genug in die Hand nehmen kann und sie auf ihre Bedeutung hinzuweisen hat. , E8 war in Frage gekommen, ob die Verreichlihung nicht früher eintreten könne als am 1. April 1921. Ueber diese Frage ist inner- halb der Landesregierungen in Bamberg mit dem Ergebnis verhandelt worden, daß allgemein ‘zugestanden wurde, eine frühere Ver- reihlihung sei technl{ch niht durhfübrbar. Es wird einer größeren und anslrengenden Arbeit bedürfen, um bis zum vor- geshriebenen Termin fertig zu werden. Wir bofen, das erreichen zu können, aber früher wird es kaum angängig sein. ' : : Meine Damen uad Herren, ‘es ist heute vom Herrn Abg. Shmedding und gestetn vom Herrn Abg. Sprenger eine Angelegen- heit Zier berühïit worden, von der ih mir vorgenommen hatte, eben- falls zu Ihnen zu \préhen. Das ist die ‘aüßerordentlih leidige Frage der Di ebst ä hle, der Schiebungen und der Hamster- fahrten. Diebstähle sind leidér in der Eisenbahn auch vor dem Kriege \{hon vorgekommen, und zwar in dem Umfange, dah vielleicht

im Jahre 3 bis 5 Millionen Mark Entschädigungen ju zahlen waren.

Während des Krieges hat sih hier ein Uebel eingefressen, das nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeutung

für die Staatsbahnen geworden ist. gestern vorgelegt werten ist, rechnen die Direflionen damit, daß im laufenden Betriebsjahr eine Ents{ädigungésumme von 160 Milltonen Mark für Diebstähle und verlorenes Gut zu zahlen ist. (Lebhaftes Hört, hört!) Im leßten “Jahre waren ez 120 Millionen Mark. Meine Herren, diése Zunahme ist viellelcht weniger eine qualiiative, áls eîne ‘quantitative ; sie hängt mit der Steigerung aller Preise zu- sammen, dié au dazu sührt, daß Ents{ädigungen in höherem Maße géiablt werden müssen. Aber kein Zweifel da1f daran gelassen

werden, daß ‘diesex Zustand ganz unerwünsht ist (lebhafte Zu- stimmung) und daß ‘die Verwalt 1ng die Pfliht und Schuldigkeit (Erneute lebhafte

hat, mif aller Schärfe dagegen vorzugehen. Zustiutmung.)

Ich habe früher als Abgeordneter den Standpunkt verireten, daß tie Verwaltung diesen Dingen nicht mit der nötigen Aufmerk. samkeit gefolgt sei. Man hat zunächst das Uebel untershäßt. Jett ist es groß geworden und muß mit besonderen Maßnahmen be?ämpft werden. “So haben “wir vor “lngerer Zeit die zuständigen Dejernerten der Direkiicnen zusammüéngerufen, um mit ihnen diese Frage zu besprehen. Es ist notweadig geworten, daß im Ministerium ein ‘besonderer Dezernent für diese Diebstähle, Schieberet und S@hleichhandels8geshihten ernannt wird, der seine ganze Kraft auf die Bekämpfung verwendet. Es werden in sämt- lihen Direktionen Ausschüsse errichtet werden, die diese Dinge zu ver- folgen haben und die sich aus geeigneten Männern tusammensezen müssen, die die Fähigkeit haben, entsprehend vorzugehen. J habe den festen Willen, hier mit aller Entschiedenheit dur{hzu- greifen. (Bravo!) Jh hoffe, meine Herren, Sie werden mich darin unterstüßen, denn es ist notwendig, daß alle Elemente, die sich solche Veifehlungen zushülden kömmen lassen, aus der Verwaltung heraus- kommen. (Lebhaftes Schr richtig!) Es muß der Grundsaß gelten, daß niemand wieder hineinkommt, der sch an dem ihm an- vertrauten Gut vergangen hat und der sih hat Lestehen lassen, um anderen besondere Vorteile zuzuwenden. Das ist der Mittel- punkt, der au Sie angeht, denn die meisten Anträge, solche Elemente wi: der hineinzunehmen, kommen voni dem guten Herzen der Abgeordneten, die sich sehr leiht bestimmen lassen, zu sagen: in. diesem Falle möchte ich eine Ausnahme gemacht haben. Der Mann hat sich gebessert, er ist ein braver Mensh. Wir müssen rüdsihtslos vorgehen und können eine Aenderung nur herbeiführen, wenn ohne Ansehen der Person von oben bis unten jeder, der ver- urteilt wird, aus der Verwaltung vershwindet. (Sehr richtig!) Jh habe daber* alle Direktionen angewiesen, mir regelmäßig zu berichten was auf dem Gebiete geschieht, mir sämtliche Verurteilungen mit dem Namen des Verurteilten anzugeben, und ih werde alle diese Listen in allen Amtsblättern verd ffentlichen lassen, damit man draußen merkt, daß hier durchgeg1 iffen werden soll. (Sehr richtig !)

Am Sonnabend der leten Woche war eine Abordnung aus Elberfeld bei mir. Jn Elberfeld, in der Nähe des beseßten Ge- bietes, sind die Schiebungen am allershwersten und haben ganz erstaunliGen Umfang angenommen, der nach meinem Dafürhalten nit Hätte erreiht werden können, wenn die zuständigen Stellen von Anfang an mit der größten Energie vorgegangen wären. “Jn Elberfeld wurde zur Bekämpfung des Schieberwesens ein freier Aus\{chuß aus Beamten und Arbeitern ge- bildet. Dieser Auss{uß hat, so gut wie er es verstanden hat, augen- \cheinliÞ ein )ehr beahtens8wertes Material gesammelt. Dieses Material ist der Staatsanwaltschaft überreiht worden, die es weiter zu prüfen hat. Die Kommission beschwerte sich bei mir darüber, daß anscheinend die Staat3anwaltschaft nicht mit der gebotenen Schnellig- keit die Angelegenheit weiter verfolgt. Ob das richtig ist, kann ich nit beurteilen. Wir müssen auch die Gegenseite hören. Man darf niemand verurteilen, bevor man ihn gehört hat, und eine Be- \chuldigung ist noch kein Beweis. ‘Erst wenn der Beweis erbracht, wenn eine Verurteilung erfolgt ist, haben wir das Necht, ein- ¡ushreiten. Aber da diese Meinung entstand, als ob dort nichi mit der Lebhaftigkeit vorgegangen wäre, die im Interesse der Satte ge- boten ist, habe ich mich mit den zuständigen Ministerien vereinbart, und wir haben am Dienstag eine Kommission herunterge\hidckt, die aus einem Vertreter meiner Verwaltung, einem Vertreter des Justiz- ministeriums, einem Vertreter des Neichswirtschaftsministeriums und einem Vertreter der Landespolizeibehörde bestand. Dieser Aus- {uß hat die Befugnis, mit aller Macht durhzugreifen, damit sie ein Ergebnis“ hat, und ich glaube, Sie werden nicht daran zweifeln, daß wir alle gebotenen Maßnahmen in Angriff nehmen, um diese Zustände zu bekämpfen, niht allein aus

finanziellen Gründen die Diebstähle sind heute für uns eine

finanzielle Frage geworden —, sondern wir müssen sie bekämpfen vor allem auch im Interesse der Moral unseres Volkes (sehr richtig !) und der Moi1al des eigenen Betriebes. Es ist ganz !elbstverständlich, wenn von einer so großen Verwaltung wie der Staatgeisenbahn- verwaltung, 8 im Lande herümraunt und wispert, daß man durch Bestehung Wagen bekommen kann, wenn kein anderer Wagen

bekommt; wenn man beob:chten kann, daß Wagen an eine bestimmte

Adresse ohne B gleitpapiere durhgeführt werden, Wagen, die nur Sciébergut enthalten; wenn die Güter, die der Staatseisenbahn an- vertraut sind, beraubt an ihre Adresse gelangen, daß dann natürli das weit hinauêswirkt auch auf die Moral der anderen Kreise. Im Interesse der Sauberkeit unserer eigenen Verwaltung, im Jhnteresse unseres Volkes muß mit aller Schärfe dagegen vorgegangen werden- (Sehr richtig !) Nun hat der Abg. Brunner gestern gesagt ih habe leider seinen Ausführungen niht folgen können, weil ich anderweit beschäftigt war —, daß in der Staatseisenbahnverwalturg auch heute noch Arbeiter und Angestellte wegen ihrer poli-

‘tishen Gesinnung verfolgt würden. Das geschehe nicht

{n den Direktionen, sondern draußen. Wenn derartige Fälle vor- kommen, bitte ih, mich es wissen zu lassen; ih werde eingreifen. Nah meiner Meinung haben wir wegen seiner politishen Ueber- zeugung niemanden zu verfolgen. Solange er seine Pflicht und Sghuldigkeit tut, muß uns der eine \sò willlommen sein wie der andere, und wir dürfen da au keinen Unterschied in den Parteien machen. (Sehr gut!)

Herr AbgeordneteBrunner hat dann auß Stellung genommen zu dem früheren Eisenbahnminister Herrn von Breitènbah. Meine Damen und Herren, ih verstehe es vollständig, wenn Herr Brunner seiner abweihenden politischen Veberzeugung Ausdruck gibt, und ih verstehe es von ihm insbesondere,

Nach einer Berechnung, die mir , | sein System sar} kiitißert bat, weun er auch heute sein System,

der ja hon, als Herr von Breitenbahß nech an dieser Stelle siand, das beseitigt ist, bier s{harf unter die Lupe genommen hat. Ih würde tarüber Éin Wort verlieren. Aber Herr Brunner hat weiterhin die Perton und den Charakter meines Herrn Azntésvorgängers in die Debatte gezogen und ihm in der schärfsten Weise Vorwlnfe gemacht, die nah meiner festen Ueberzeugung abso!ut unbegründet sind. (Sehr richtig !) Es geht nit an, Herrn von Breitenbach einen Lankeêverräter zu \{elten, weil er in ter Zeit, in der wir in s{hwers: em Kamxfe standen, es für seine Pflicht erackt-:te, alles zu tun, um tiesen Kampf zu éinem guten Ente zu bringen, und was er als Chef der Eisenbahnverwaltung leisten konnte, leistete er zur Unterstüßung der Trup ven draußen.

Wern Herr Brunner auf das Herausreißen der FEuers- büchsen Hingewiesen hat, so tarf er überzeu.t fein, daß Herr von Breitenbach das gewiß richt freiwillig getan hat (sehr r'chtig!) und es au nicht leichten Herzens getan hat, sondern eben unter det Drutck der Verbältnisse und, wle ih viellelßt noch binzufügen darf, nah einem harten Kampfe ivnerhz1b der Verwaltungen. Er ist dafür ebensowenig verantwort!lihß wie der Geistli®e, ter zugeben mußtee daß ihm die GloÆen vcmn Kirchtu1m hberuuntergeholt wurden, und #0 wenig, mte man den Geistlichen einen Krieaëverlängerer nennen darf, weil seine Glocken umgegossen werden sollten, so wenig darf man Herrn von Vreitenbach einen Kriegéverlängerer nennen, weil er pflidht- gemäß das ausführte, was von den zuständigen Stellen beschlossen wurde. (Sehr richtig !)

Wenn Herr Brunner weiter Herrn von Vreitenbach eincn Landegs verräter genannt hat, wie mir eben zugerufen wird, so ift ganz felbsiversz ständlih, daß das eine abwegige Kampfesweise ist (schr gut! und lebhafte Zurufe rechts), eine Kampfesweise, von der ih wünshte, daß sie nidt allgemein wind, daß fie in diesem hohen Hause sh nicht einbürgern möge. Wir wollen auch in dem Gegner noch den Menschen sehen und einem Mann wie Herrn von Breitenbach, ob man nun mit seinem System einverstanden war oder nit, die Hochachtung vor seinem Charakter, seinem Wescn, seinen Leistungen unter keine Umständen versagen. (Bravo! Zurufe links.) Daß die Arbeiter- schaft sih mit ihm im Kampse befand, ift ganz rihtig, Sie dürfen aber eine einzelne Frage nicht allein ausf{laggéebend sein lassen, fonbern wenn derartig {were Vorwürfe erhoben werden, müssen sie auch begründet sein. :

Meine Damen und Herren, nun li-gt Jhnen ein Antrag der Abgg. Gräf, Dr. Porsh und Dr. Friedberg vor, Nr. 965 der Drucks sachen. Für diesen Antrag bitte ich um Ihr Interesse aus Gründen- die ih bereits ausgeführt habe. Ih muß immer wieder darauf hin- weisen, daß unsere Betriebslage heute außerordentliche Maßnahmen erheisht, wenn nit noch \{chwerere Einschränkungen erfolgen sollen. Wir haben im Rußhrrevier vor dem Kriege 33 000 Wagen täglich ges stellt. Der gegenwärtige Normalbedarf im Ruhrrevier wird ungefähr 16 500 Wagen sein; wir stellen 12000 bis 14 0C0 Wagen, oft noch weniger. Es ist uns unmöglich, die volle Wagengestellung herbeizus führen. In Oberschlesien haben wir vor dem Kitege 12000 bis 13 000 Wagen täglih gebraucht, der normale heutige VBebrauh würde 6000 bis 6500 fein. Wir find zeitweise heruntergekommen auf 4000 Wagen; also auch in Oberschlesien die Unmöglichkeit, die bes nöôtigte Wagenzahl zu gesteüen. Nun aber stehen roir bor dem Zwange, daß die Ernte eingebracht ist und in den Verbrauch übergehen soll. Wir haben im Oktober v. J. für Kartoffeln, Mebl, Getreide, Ges müse, Obst, Nüben, Kali usw. 19 600 Wagen täglich mehr gebraucht. Wir können aber heute 4000, 50C0, €000 Wagen, die: wir mehr brauchen würden für Kohlen allein, nicht aufbringen. Wir haben im November 25 200 Wagen täglißh mehr gebrauht. Wenn die Rüben nit in die Zulkerfabriken kommen, was geschieht mit ihnen ? Das Getreide wird notwendig gebraucht. Jeßt follen die Kartoffeln* abbefördert werden. Wenn Frost eingetreten ist, hat es keinen Zweck mehr, die Kartoffeln zu fahren, sie ecfrieren. Der ganze Verkehr drängt sih erfahrung8gemäß in der Herbstperiode zusammen. Weshalb wir diese Wagen nicht fahren können, das ist Jhnen schon gestern von mir dargelegt worden, es ergibt fih das aus dem s{lechten Stand unserer Lokomotiven und aus den mangelhaften Leislungen auch des Personals. Wir haben die Lokomotiven früher au8genüßt mit 50 bis 60 km tägli mehr als heute. Wir haben heute vielleiht eine Ausnuzung von 150 km im Tage, während es früher 190 bis 200 km waren. Nechnen Sie das auf 12 000 Lokomotiven um, \o bekommen Sie eine täglite Minderleistung an Zugkilometern bet den Lokomomiven von 600 000 km. Da ist es ganz erklärlich, daß der Betrieb stockt und nicht leistungsfähig genug ist.

Nun hat man uns vorgeworfen, daß wir felbst nicht genügend Besiellungen herausgegeben hätten. Während des Krieges ist mit Ausnahme einer kletnen Shwankung fo viel an Material bestellt worden, als die Werke überhaupt leisten konnten. Heute haben wir noch Bestellungen an Lokomotiven, Personenwagen und Güter- wagen draußen, die für Monate reichen, die vielleitzt bis 1922 reihen, die aber nicht rechtzeitig geliefert werden. Am 1. September waren bei den Bauanfsialten rücksländ!g 640 Loko- motiven und 14914 Güterwagen.

Man fagt nun, wir sollten die Privatindustrie zu den Reparaturen stärker heranziehen. Wir haben sie in steigendem Maße an d?2n Reparaturen beteiligt. Ende August waren mit Lokomotivenausbesserungen 60 Werke, mit Kesselausbesserungen 597 Werke, mit Personenwagenausbesserungen 52, mit Güterwagen- ausbesserungen 142 Werke beschäftigt. Die Heranziehung der Privat- industrie hat gewisse Shwierig“eiten, weil fich jedes Privatunternehmen erst auf Meparaturen an Wagen einstellen muß und diese Einstellung natürlih v rschiedene Arbètten und Einrichtungen verlangt. Aber wir find gern bereit, Privatwerke auch noch in stärkerem Maße heran- zuziehen, wenn sie für Reparaturen geeignet find.

Es ist wiederholt gesagt worden, daß die Ausstattung der Werk- slätten zu wünschen übrig lasse, insbesondere die Ausstattung der Werkstätten mit Werkzeugen. Meine Damen und Herren, nun haben wir eine Reibe von Werkstätten, die seit 50 oder 40 Jahren im Betrieb sind, und da ist ohne weiteres zuzugeben, daß diese Werkstätten unzulänglih find. Sie siud zu eng, zu niedrig, haben den Raum nicht und bieten niht die Möglichkeit einer Moderni- sierung, und wir würden sie bereits aufgegeben haben, wenn der Reparaturstand augenblicklich nicht so groß wäre, daß wir sie noch benußen müssen. Was die Werkzeuge anbelangt, \o ist von Anfang an daxauf gedrückt worden, als der Achtstundentag und damit Doppelz \hihten eingeführt wurden, daß für jede Schicht das entsprechende