1919 / 234 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Auf der gestern in Wien zusarmmengetretenen siebenten Länderkonferenz teilte der Staatekanzler Dr. Renner dem „Korresondenzbüro“ zufo'ge mit, daß über die Grundsäße der Verfassung zwischen den beiten Koalitionsparteien Uebereinstimmung erzielt worden sei; die Grundzüae des Ver- fafsungsentwurfs würden der Länderkonferenz zu Weihnachten vertiraulich zur Kenntnis gebracht werden. Deutsch: We st - ungarn werde als gleichbercchtia!es, selbständiges Land neben die übrigen Länder treten. Der Verfassungsentwurf dürfte in der Früjahcstagung zur ersten, in der Sömmer-, \pätestens Herbsitagung zur zweiten Lesung gelangen. QDester- reih werde ais Bundbessfiaat elingerihlet. Der Staa!8- sekretär für Volksernährung Löwenfeld-Reuß gab sodann ein Bild von der Lage der Ernährung, worauf der Staats- kTavz!er die Vertreter der Länder bat, den Forderungen des Ernährung8amts entgegenzufommen. Diese cailsrien, daß auch ihre Gebicie unter den traurigen Verhältnissen litten, vnd stellten Absperrungsabsihten in Abrede. Der Staatskanzler bemei fte, die Länder würden ihre beutige-Freihcit nicht ver- dienen, wenn sie ihre gegerwärtige Poliuik nicht ände: ten, die zur Katastrophe führe, und chlug Maßregeln zur Ernährungs- frage und Wirtschaftsorganisation vor.

Blättermeldungen zufolge wird Dr. Bauer von seivem Amt als Staatssekretär für Sozialisierung zuücktreten. Das Sozialisierungs8amt wird mit dem Staatsamt für Handel ver- einigt werden.

Ungarn.

Nach einer Meldung des „Ungarischen Telegraphen- Korre pondenzbüros“ teilt das Budapester rumänische Militärkommando mit, daß die rumänishen Truppen, die westilih der Donau beseßten Gebiete Ungarns geräumt und der urgarishen Armee übergeben haben.

Die Budapester Abendblälter melden, daß die eng-

lische und die amerikavishe Gesandtschaft den rumänischen Genezralstabechef ersucht haben, Versammlungen

der sozialdemokratischen, der demokratischen, der republikanischen

und der radikalen Partei nicht zu gestatten.

Grofß;britannien und Jrland.

Das „Neutersche Yüro“ meldet vom 10. Okflober, daß der König den Friedensvertrag ratifiziert hat und daß die Urkunde nah Paris abgesandt worden ift.

Dasselbe Büro „erfährt, daß der Admiral Beatty als Nachfolger von Noßlyn Nenths zum ersten Seelord ernannt werden wird.

Der Premierminisier Lloyd George hat den Ab- ordnungen der Gewertschaftsverbände auf ihre Forderung nach Verstaatlihung der Bergwerke einem Amsterdamer Preßbüro zufolge erkläit, die Regterung könne die Verstaat- lihung niht in Erwägung ziehen. Jn Airbeiterkreisen wird diese Aniwort als ungenügend angesehen. Die englischen Ge- werkschaften haben beshlessen, einen außerordentlihen Kongreß e nzuberufen, wenn die Regierung auf die Vorschläge des Ge- werkschaftskongresses bezüglih der Verstaatlihung der Berg- weite eine befriedigende Antwort nicht erteilt. Auf diesem Kongreß soll über die Maßnahmen beraten werden, “die zu treffen sind, um die Regieruvg zu zwiugen, dem Ansuchen der Mehrheit des Ausschusses stattzugeben.

Jm nationalen libéralen Klub in London hat eine vom Unterausshuß für auswärlige und foloniale Angelegenheiten einberufene Versammlung stattgefunden, an der die Abge- ordneten der südafrikanischen Eingeborenen, die nah England gesantt worden sind, um gegen die Behandlung der Farbigen zu protesrieren, teilrahmen und ihren Standpunkt ouseinanderseßten. Wie der „Nieuwe Rotterdamsche Couran1“ berichtet, teilte cin Eingeborenendelegierter mit, daß, troßdem die Gesezgebung den Farbigen verbot, am Kriege teilzunehmen, 94 000 Eingehborene nah den verschiedenen Fronten geschickt worden seien, von denen 4000 gefallen séien. Er legte ferner die ungerechte Behandlung der Eingeborenen in der Union dar. Die Eingeborenen besißen nur in der Kapkolonie das Stimmrecht, dürfen jedoch nur Weiße wählen. Sie dürfen nur von Einaeborenen Land kaufen, fo daß sie niemals Landbesi haben köaren, da kein Eingeborcnetr Land besißt. Der erste Mioiner sei ein Holländer, es sei aber von jeher die Politik der Holländer gewesen, die Eingeborenen zu Sklaven zu machen. Dos englische Parlamentsmitglied Ken - worth y erklärte, die öffentlihe Meinung in England solle fordern, daß die Eingeborenen gerecht behandelt werden, und \{hlug vor, daß die Protektorate der Union nicht übergeben werdén“ sollten, bevor die Eingeborenen besser behandelt werden.

Frankreich.

Der Fünsferrat seßte vorgesiern eine interalliierte Kom- mission ein, die die Kontrolle über die noch in Deutschland befindlichen russishen Kriegsgefangenen ausüben soll, sowie

eine weitere interalliierte militärishe Kommission, die in - Deutschösterreih die Aueführung der militärischen Klauseln durchführen soll. Der

des N Fünferrat besh‘oß auf Verlangen des Admirals“ Kollschak und d:s Generals Denikin, daß ihnen dos von den Deutschen während dées Krieges erbeutete ussishe Kriegs- aeráät überwiesen werden soll. Die Jnteralliierte Kosutroll- fommission in Deutschland wurde mit ter Du1chsührung und Ueberwachung der erforderlihen Maßrahmen betraut. Es wlirde ferner beschlossen, der 1umänischen Negierung eine Note überreichen zu lassen, in der die Hoffnung ausgesprochen wird, daß die rumärishe Regierung sich bemühen werde, die Schwierigkeiten - zu beseitigen, um im vollkommenen Einverständris mit den Alliierten zu handeln. Schließlich be- \chäftiate sich der Fünferrat mit einem Vorichlag der italienishen Delegation, der die Einfügurg einer Bestimmung in den zu erwartencken vngarischen Friedensvertrag vorsieht, durch die Ungarn auf alle Rechte in dén Jtalien zugesprochenen

ehemalig österreichish-ungarishen Gebieten verzichtet.

Der Senat bat dem Friedensvertrag mit 917 Stimmen bei einer Stimmenthaltung zugestimmt. Die Vérträge mit England und den Vereinigten Stoaten würden einstimmig mit 218 Stimmen angenommen. Ueber den Verlauf der Sißang am Freitag berichtet „Wolffs Teles- grapbenbüro“ wie folgt: E

Der Führer der Nadikalsozialisten Senator Debierre sührte aus, der Wölkerbund befinde sich noch im embryonishen Zustand. Frankrei müsse am Rhein in einem Augenbli® Wache halten, in dem es alle Kräfte nötig habe, um sich wieder aufzurihten. Deutsch-

land föônne während dieser Zeit den Gffektiyvbestand und eine be- trähtliche Bewaffnung behalten und sehr rasch eine Angriffsarmee organisieren.

Warum habe man es nicht am Tage nach dem

Waffenstilistand entwaffnet? Es hake senen Kaiser verloren, aber seinen imverialistisen Geift behalten. Vielleicht werde der franzésisck%e. Einfluß die deutsde Seele wandeln. Gr glaube für seinen Teil, daß Deutschland nit dazu verurteilt sei, ewig milt- taristish zu bleilen. Wenn die S&ußzve1träge mit England und Amerika auch rüßlich seien, gebe es do solidere, das seien die Alîiianzen der Völker und nicht die Allianzen der Regierungen. Die militärishen Garantien genügten nicht, au die Brückenföpfe niht. Das Palladium aegen den Krieg mede man nur in einer praktischen urd Filen Organ; sation des Völkervundes zu schen haden. Deshalb müsse er so gestaltet werden, daß er Deutschland zur Abrüstung führe. Der Rednér besprach alsdann die finanziellen Klauseln und fraate, wer die Bons Deutschlands zu Werten ‘mae. Er bédauere, daß die ersten 20 Millia: den nicht als privilegierte Schuld Frankreichs anerkannt worden seien, erwarte aber, daß die Regierung alles tun werte, um diese gerechte Wiedergutmahung für Frankreich zu erlangen. Von Deut'chland müsse Frarkri ih Baumaterial und Vieh etihalten. Bis jeßt babe man davon noch nichts gesehen. Wenn Deutschland nicht alles bezahle, darn werde die finanzille Lage Frankreichs bennrubigend werden. Er hoffe, daß die APiieiten dur eine finanzielle Konveution untereinander Frankrei retten würden. Der Senator Jenouvrier sagte, man befinde sih au heute noch einem Deutschland gegenüber, das ebenso sta:k tei wie im Jahre 1914. Die Gedanken ter Aus- núgung Rußlands und der 9evanche geaen Frankreich würden in Deutschland immer lebendig bleiben. Auch er sei der Ansitkt. daß die französi?the Sthuld allen anderen vorangehen müsse. Deutschland müsse militärish volisiändig entwaffnet werden, damit es keinen Krieg mehr beginnen könne. Er werde für die Nalifizierung stimmen, da er nicht wolle, daß Frankrcich und die Welt dem Chaos arbeimfielen. Dec sozialistishe Senator Flaissieres erklärte, doß er vit an einer galä@lihen Entwicklung Deutschlands verzweifle. Man müsse sh hüten vor jedem Geist der Nahe und dis. Zwanges, der Frankreihs unwürdig sei. D’ Esiournelles de Constant fand, daß der Vertrag nicht die Zukunft Frankreichs sicherstele. Der Vorsigzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten de Sèlves sagte, der Friedensvertrag rihte eine neue internationale Moral auf. Man müsse - aber die deutsche Mentalität aufs genaueste verfolgen. Der Vertrag mache eine auéwärtige Politik für Frankreih notwendig, die auf einer Allianz ‘der Großmächte aufgebaut sei Der Ministerpräfident Clemenceau, der darauf das Wort ergriff, nannte den Vertrag unvolikommen. Die Vertreter Frank- reichs auf der Friedenskonferenz bätten keine Wunder niken fônnen. Die ungeheure Katastropbe, die über die Welt bereingeklommen sei, abe Millionen von Menschenleben vernichtet. Ganze Länder seien in das Unglück gestürzt worden. Widerwärtige Verbrechen babe man begangen, die man - aus der* Liste der menshlichGen Ver- fehlungen ausgelöscht geglaubt habe. Aber troßdem habe si die Men|\chheit erboben, hakte si revoltiert und bis zum guten Ende ekfämpst. Derartige Ereignisse könnten niht durch geschriebene Mktenbogen, die man einfa urierzeid)ne, beendet werden. Und man dürfe, nachdem man- dies vollbraht habe, nicht einfa \{lafen gehen. Las ganze Leben bestche aus Wasamkeit. Zu dieser Wachsamkeit set auch Frankreich verurteilt. Die Friedens- konferenzen vom Haag hätten {ih auagedebnt und als eine Folge des Krieges zu einem Völkerbund ausgewachsen. Der Völkerbund sei aus dem Krieg herausgeboren worden, der eine fol@e Unmenge von Leiden gezeugt habe, daß sich die Notwendigkeit ergeben hätte, um jeden Preis den Vercsuh zu machen, darüber hinwegzukommen. Den Krieg der Deutschen habe Fiankreih seit einem halben Jahr- hundert erwartet. Die Franzosen seien einig in- zwei Gedanken gewesen, einmal darin, diesen Krieg niemals zu provozieren, und andernteils hätten se die Ueberzeugung gehabt, daß, wenn der ' Krieg käme, sie alle Lasten ertragen müßten. Aus diesem Gedanken heraus fei „die Allianz mit Rußland entstanden. Clemerceau besprach sodann das Verhältnis Frankreichs zu England und fubr fort, die Welt sei groß. genug, um- auh Frantreih einen Platz zu lassen. Wilhelm 11. hätte gesagt, die Zukunft Deut!Wlands liege auf dem W.sser. Heute liege seine Zukunft unter dem Wasser. England habe si erst nah dem Einfall in Belgien zum Eivgreifen ents{lossen. Es habe nur an Antwerpen gedaht. Heute wisse es aber au, daß es an Calais denken müsse. Heute bestünden Verträge. Er habe gesagt, daß selbst, wenn fie nit bestehen würden, er der Ueberzeugyng sei, daß England doch Frankreih zu Hilfe fommen werde. Man habe ihm zum Vorwurf gemacht, daß er das Parlament von den Verhandlungen ausgeschiofsen babe. Er habe nicht anders handeln können, tenn es sei cine Aufgabe gewesen, die Verfassung zu respektieren. Die Aufgabe si gewesen, den deutichen Mü'itarismus niederzusblagen. Was die deutsche Einheit betreffe, fo sei er gewiß kein Anhängec davon. Aber wenn man sich erinnern wclle, habe die Kommission, die die Vollmachten ter: Deutschen ge- prüft habe, die Frage aufgeworfen, ob Bay-rn nicht den Frketens- vertrag mitzeichnen müsse. Die alliterten Nechtslehrer hätten ein- stimmig geantworiet, doß die Unterschrift des Herrn Ebert das ganze Deutsche Neich verpflichte, die Deutschen seien bis zum äußersten des Partikulariêmus und bis zum äußersten der Zentralisierung ge- gangen. Das beweise ibre ganze Ge]chichte. Wie hâtte er unter dem Vorwand, die deutshe Einheit zerstören zu wollen, die Menscbenschlächterei fortseßen dürfen in dem Augenblick, in dem Deutschland den Waffenstillstand verlangte. Man hätte vielleicht noch 50 000 Menshen töten müssen, die glückiicherweise jept noch lebten. Die Niederlage. hätte die deutsche Cinheit naturnotwendig stärken müssen. Aber die Ereignisse marschierten. Unglücklicherweise hätten die Franzosen keine Geduld. Die tur den Vertrag geschaffene Lage würde sich in einer Weife entwnidckeln, die nicht nur von den Deutschen, sondern auch von den Franzosen abhänge. Frankrei wolle die Deutschen nit beherrshen. Die Franzosen wollten frei scin, um zu befreien. Die Deutschen aber knechteten \sich, um zu Tnebten (les ellemands s’assérvissent pour asservir). Die Einheit liege nicht in den Protokollen der Diylo- matie, sondern îin den Herzen der Menschen. Es gebe 160 Millionen Menschen, denen man \ich anpassen müsse, aber deren Freiheit man re)pektieren wolle. Aber man treffe die not- wendigen Worsichtémaßregeln, damit sie die Freiheit Frankreichs ebenfalls respefktieren. Es liege ntcht in der Absicht Frankreichs, in das Herz der Deutschen einzudringen. Was tie Frage der Ent- waffnung Dentschlants anbetreffe, so müsse er zugestehen, daß zwischen 5 Millionen Soldaten und 100000 ein Unterschied sei. Man habe die ‘Militärpflißt gegen die Vorschläge der militärischen Sacverständigen beseitigt. Man habe die ganze Artillerie von 9000 Stück auf 288 herabgeseßt. Warum habe man Deutschland diese Kanonen und die Festungen {m Osten gelassen ? Weil Deutschland cin Buica daan habe, si zu verteidigen, ‘und weil Frantreih fein Interesse daran habe, ein bolshewistisches Deutschland zu seben. Man türfe nit vergessen, daß Polen 550 000 bewastnete Männer habe mit einer Reseroe von 400 000. Wenn man fage, England und Amerika könnten nicht rasch genug zur Hilfe eilen, dann müsse man bedenken, doß Belgien 800 000 Soldaten unter Waffen habe. Auch die T\(echoslorvaken und die Südslawen b-fänden sich in einer ziemlich starken militärishen Lage. Gr müsse zugestehen, daß er bie Mentalität des Deutschen viht verstehe. In scinem Heim sei er ein liebenéwürdiger Mensch mit anerkennenswerten Gefühlen, aber es gebe Unterhaltungen, die man mit ihm rit pflegen könne. Die Sozialdemokraten seien Alliierte der milikaristischen Partei und regierten Deutschland. Er wisse niht. ob die Sozialisten fi militarifieren würden, aber er wisse, daß die Militaristen sich nit s\ozialisieren würden. Clemenceau fragte: Glauben Sie, taß die Zukunit des deutsGen Regimes ebenso sihergestellt is wie die unsrige? Es vollzögen sih in der deutschen A1 mee Evoluttoncn, deren Tragweite man nit voraussehen könne. Krisen seien unverweidlih. Wenn man thn frage, welches die Politik Frankreichs gegenüber Deutschland set, so antworte er: quan muß der Friedensvertrag ausgeführt werden. Das ist der Prüfsstein. Eine Kommission von 60 französischen Offizieèren befinde s beretts tn Berlin. Man werde siher versuchen, sie zu täuschen. Aber bis zu welhem Grad? Wenn man seit dem Waffenstillstand Millionen von

Kanonen fabriziert Bobe, dann werde man dfe erforderlichen Maß- n2bmey e1greifen. Man habe gesagt, die Kontrolle sei von be- {ränkter Zeitdauer. Das hei wab!. Er befürchte heute die wirt- \caftiiche Beherrsbung mebr als die mili ärische. Gestern seien dis Deutschen vor Niga - von den Letten geschlagen worden. Sie seiera nit mehr bewaffi.et. Die Mittel zum Handeln beißen fie nit mehr. Wenn man jür die Zukunft einen nüßlichen Auêgleih baben: wolle, dann müsse man die französische Oberberrsaft sicher stellen. Aber damit Deuts land bezahlen könne, müsse es arbeiten. Vîan müsse niemals vergessen, daß es fih um ein intelligentes, ordnungsliebendes und methodi)ches Volk bandle. Auch die Frage der Veran\wortlich- keit müsse ge)öst werten. Das werde in LDeutihland Tatsachen zeitigen, die mau nit kenne. Frankrei aber könne die witer- wärtigen Verbrechen, die man gegen es begangen babe, amnestieren. Mon müsse si des Manifestes der - 93 deutichen Intellektuellen er- innern, die erkiärt hätten, es sei nicht wahr, daß Deutschland den Krieg provoziat habe. Sie haben also gelogen, und das lasse daran zweifeln, daß si die Besserung, die Senator Debierre: angekündiat habe. vollziehen werde. Man müsse sabwarten.. Der Präsident Wilson, der nicht deutshfreundlich fei, habe ehofft, daß die Deutschen bald in den Völterbund eint1eten könnten. Tate diete Frage zur Debatte stehe, werde man sie befragen, was sie über das Manifest der 93 Intellektuelien däbten. Mit dem Haß löse man nichts. Die Deutschen seién von den Franzojen nur du p die Grenze getrennt. Sie hât!en Akte der Gewalt begangen, die die gesamte Menschheit nur einmütig tadeln könne. Deshalb würden mehrere*Fragen aufgeworfen, jo namentli die Frage der Wiedergtet- machung und der Garantien. Was die Wieder 'utmahung betreffe, #0 hätte man einen festen Preis festlegen wollen. Der sei aber so niedrig gewesen, daß ihn die französishen Parlamente niht argenommen hätten. Was die militärishe Sicherheit Fränkreichs betreffe. so sei der Rhein auf seinem linken Ufer neutralisiert und auch auf 50 Kilometer seines r{chten Ufers. Was die ständige Beseßung der: Nheinlande mit den Brückenköpfen anbetreffe, io hätte er sich dazu nur verstehen können, wenn er nihts anderes häâtté erreiwen können. Er habe darauf verzichtet, als er die englisde und amerikanische Allianz gehabt hate. Die französische wirtscaftlide Lage werde beute und morgen von dem Mangel an Arbeittkräften beherrscht. Hätte man unter diesen Umständen an eine ständige Beseßung des linken Rheine ufsers denken können? Die Wahrheit jet, (aß sich _Fravnkreich bei der linkärbeinishen Bevölterung Freunde schaffen müsse, indem man fie gut behandle und sie gegen den preußischen De)potismus hüBe. Die französishen Grenzer seien gut, wenn man ents{loss-n sei, sie zu verieidigen. Es gebe feine Grenzen, die sicher feien in sich. Was den Völkerbund anbetreffe, so sehe er Mit, lieder des Völkezbundes, die sich gegenseitig: mit der Pistole in der Hand betrachteten. Damit der Völkerbünd lt ben könne, müsse man Menschen haben, die fähig seien, ibm das Leben zu ermöglihen. Man suche nach einer Formel, die das Glüd der Menschheit. machen könne, aber, bevor man andexe refortnieren wolle, müsse man sich erst felbst re- formieren. Die Schaffung des internationalen Aibeiterparlaments sei ein großes Werk. Es {rage sich nur, wie es funkttionieren könne. Der Tag werde kommen, wo die Arbeiterklasse sich mit der Friedens- konferenz vereinigen werde. - Es gebe feine Gruppe von Menschen, die das wirtschaftliche Leben eines Landes zum Stillsiehen bringen könnte, ohne sih se!bst den größten Schaden zazufügen. Zum Schluß forderte Clemenceau die Franzosen auf, einig zu bleiben. Frankreid) müsse viele Kinder haben. Ohne diese, man könne in einen Ver= trag hineinsreiben, was man wolle, sei Frankreich verloren. Es sei ein Akt der Feigheit, ein Verzicht auf eine notwendtge Last, wenn man e:fläre, man wolle teiné Kinder haben. Augustus habe die Nômer zwingen - wollen, eine- starke Familie zu haben. Es set ibm nit gelungen, und man wisse, wie Nom geendet habe. Unsere Väter, s{hloß Clemenceau, haben uns die s{hönsie Geschichte hinter- lassen. Wir haben Frankreih für die Achtung der Völker reif ge macht. Dieses Erbe können wir unsern Kindern übermitteln. Sie werden zu gut sein, um es verkommen zu lassen.

Der Senat beschloß, Clemenceaus Rede im ganzen Land anschlagen zu lassen.

Die Kammer erörterte den Antrag, der die Ver* öffentlihung der Verhandlungsprotokolle aus den geheimen Siyungen der Kammer von 1914 bis 1918 verlangt. Laut Bericht der „Agence Havas“ er- hob Briand energisch Eiuspruch gegen den Antrag, da einmal nach politishem Brauch die Kanzleien darum be- fraat werden müßten und da andererseits eine erhebliche Erschweruna . der diplomaltishen Beziehungen die Folge sein würde, wenn solche Veröffentlihungen niht mit der ent- sprechenden Reserve aemacht würden. LTroß der Ausführungen Briands wurbe der Antrag anaenommen, allerdings mit der Abänderung, daß vor der Veröffentlichung der Verhandlungs- berichte die alliierten Regierungen befragt werden sollen, ob sie gegen die uneingeschränkte Veröffentlihung Einwände erheben. Jm Verlaufe der Sizung wurde der vormalige Minister=- präsident Painlevé wegen der Offensive im April 1916 angegriffen. Er verteidigte sich damit, daß die Offen- sive nah fünf Kampftagen scheitern mußte, weil es der jran- ösishea Artillerievorbereitung nicht gelungen war, die zweite beutste Linie zu zerstôren, und damit, daß er für sih die Ehre beanspruhte, Foch als Oberkommandierenden mit Pétain als Generalstabschef berufen zu haben.

Jtalien.

Der Minister des Aeußern Tittoni halte cine Unters redung mit dem englishen Botschafter, in deren Ver- lauf der „Agenzia Stefani“ zufolge jedes Mißvérständnis bes eitiat und mit Genugtuung die weselseitige herzlihe Zu- l aatenanbd der beiden Länder bei der Lösung der Friedens- probleme festgestellt wurde.

Nach einer Meldung der „Times“ haben italienishe Pioniere damit begonnen, den Hafen von Fiume gu unter- minieren. Sie drohen, ihn in die Luft zu sprengen, wenn die Stadt nicht an Jtalien abgetreten werde.

Albanien.

Die „Agence Centrale“ meldet, daß nunmehr ganz Al- banien im Aufstande gegen die italienischen Be- [Gan pen sei. Auch die Bevölkerung von Skutari, ie L am meisten zu Jtalien neige, habe sih der Erhebung angeschlossen.

Belgien.

Die Kammer witd dem „Nieuwen Rogotierdamschen

Courant“ zufolge spätestens am 23. Oktober aufgelöst werden.

Lettland.

Die provisorische lettische Regierung hat an die Friedenskonferenz in Paris ein Telegramm gerichtet, das der „Agence Hava3“ zufolge lautet:

Negieruna deutschen Truppen bei Niga, die dunh lettishe und estnishe Truppen eingeschlossen waren, sich nad Kurland zurückzuziehen "nit dem Versprechen, das Länd tn kürzester Frist zu räumen. Aber Deutschland benußte den Waffenstillstand, . um die Truppernbestända in Kurland zu verdoppeln, die fich. Verbrechen und Akte der Gewalt zu S({hulden kommen ließen. Die Trupven unternahmen alles, um

ie Organiscition der lettischen Armee und den Kampf gegen die Bolsche»

Auf De aven der Alliierten gestattete die provisorische lettische

G

| visten u verhindern. Als die lettishen Truppen kurz darauf die Ofersive wieder aufnahmen, befreiten fie bédeutende Gebletsteile. Hie Deutschen griffên fie im Nücken an und nahen die Feindselig- teiten wie äuf. Deutschland hat den Friedenévertrag gebrochen. Die lettiihe Regierung ersucht daher die Alüierten obne Veczug ‘inshneidende Maßnahmen zu ergreifen, um Deutshland zu zwingen, si an den Vertrag z1 halten. Das zwischen den deutschen und den russischen Deutshfreunden geschlossene Bündnis bedroht niht nur die Unabhängigkeit Lettlands, sondern auch den Frieden der ganzen Welt. F ist gegen die alliierten uvd assoziierten Mächte gerichtet. Die gtegie!ung protesliert vor der ziv!lisierten Welt geen den Angriff. Die lettiihe Nation wird ihre Unabhängkeit bis zum leßten Bluis- tiopfen verteidigen.

Dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge wird von zu- ständiger Stelle hierzu mitgeteilt :

' Die Behauptungen der proviforishen leitishen Negierung sind samt und sonders das Gegenteit der Wahrheit und kennzeihnen si deutlich als gebä!sige Treibereten. Deutschland hat nit den Frieden gebrochen, sondern es hat, wie aus den Maßnahmen der Reichs-

| regierung hervoraebt, alles getan, um den Bestimmungen des Friedens

hei den irregeleiteten Teilen der Truppen im Baltikum Geltung zu verschaffen. Daß gegenwärtig nicht die deutsch, baltishen Truppen die Angreifer sind, sondern daß die Nückbeförderung der Truppen hinter die deutihe Grenze durch A’ griffe und andere feindlidze Maß- nahmen der Letten und Esten verzögert oder gar verhindert „wird, t ht fest. Im übrigen sind es gerade die Letten, die dem Bolsche- wiêmus in jeder Weise Vorschub leisten, auh dadur, daß sie den russischen Truppen unter Oberst Awaloff-Bermondt den Weg zur Volschewistenfront verlegen.

Eine Meldung des „Daily Chronicle“ aus Riga vom 8. Oktober besagt: „Eine deut)he Truppenmacht von 20000 Mann greift die Letten auf einer Front von 10 Meilen einige Meilen außerhalb Nigas an.“ Wie „Wolffs Tele- graphenbüro“’ bemerkt, ist die Nachricht irreführend. Es handelt sich um dis russischen Truppen urter Bermondt: Awaloff. Deutsche Formationen sind an den Kämpfen nicht beteiligt.

Der amtliche Bericht der russishen Westarmee me!det:

Am 9. Oktober Abends haben unsere Truppen den Gegner auf die Vorstädte Rigas zurückgeworfen. Hartnäckige Kämpfe dauern fort. Tukkum- ist von uns genommen. Die Truppen des Obersten Awaloff haben nah harten Tag- und Nachtkämpfen den Gegner in die Vorstädte Rigas zurückgeworfen und am 10. Oktober früh Thorensberg im Sturm genommen. Die Dünabrücken sind in der Hand der Sieger. Die Esten und Letten leisteten zähen Widerstand. Teile der feindlihen Streitkräfte sind von ihrer Rückzugslinie abge- shnitten. ODb-rst Awaloff-Bermondt fordert nun von den Besiegten, daß sie endlibd den Durhmarsch zur Bolschewikenfront fret- geben und ruft sie zum gemeinsamen Kampf gegen den Lolschewis-

mus auf. Asien.

Nach einer Meldung der „Daily Mail“ hat der Friedens- aus\chuß des japanischen Parlaments den Friedensvertrag oon Versailles ratifiziert.

Statistik und Volkswirtschaft.

Ärbeitsstreitigkeiten.

Die Verhandlungen wegen. Beil-gung des Aut stands der Beamten der Halle-Hettstedter Gisenbahn baben, wie ,W. T: B.* meldet, am Freitagnachmittag zu einer Einigung getührt. Am Sonnabend 1st der Betrieb wieder auf- genommen worden.

Infolge eines A usstands der Elektrizitätgarbeiter in Eisenach lag, wie ,W. T. B.“ berichtet, für die Stadt die Gefahr vor, daß sie durch Aufhören der Beleuhtung in völliges Dunkel gehüllt würde, und außerdem die vom elektrishen Strom abhängigen Betriebe lahmgelegt würden, was einen großen «Schaden berursacht hätte. Deshalb hat die „Technische Nothilfe“ von Weimar aus eingegriffen und das Elektrizitätswerk wieder in Gang gebra&t, was die Arbeiter alsbald zur Wiederaufnahme der Arbeit veranlaßte.

Im Saargebiet ist elne fühlbare Entspannung ein- etreten. Die Eisenbahner haben „W. T. B.° zufolge die Arbeit wteder Wit net ebenso die meisten Gruben und die Metallarbetter; inSaarbrüdcken herrstt Nuhe. Vereinzelte Banden haben versucht, in der Umgegend von Saarbrücken Vóruhen hervorzutufen, wurden aber {nell auteinantergetricben. Die vorgenommenen Verhaftungen haben Uar gezeigt, daß diese seit mehreren Wochen eiwartete Bewegung ein Werk berufdmtkigen Heyer ist, die gerade in dem Augenblick ans Werk ginaen, als die Nati- A R Vricdensvertiags der Landethoheit Preußens ein Ende

en sollte. :

In Bre st haben ih, wie ,W. T. B.* erfährt, die Bäder dem allgemeinen Ausstand angeichlossen. Auch hat sih nah einer „Temps“ -Meldung die Ausstandsbewegung auf 2400 A x - beiter des Arsenals ausgedehnt.

“Nach Meldungen des ‘,W. T. B.“ aus Brüssel haben dort die Angestellten der Straßenbahnen mit 3466 gegen 291 Stimmen für den gestrigen Sonntäg den Ausstand be-

dlossen, weil ihnen die nah der leyten Arbeitseinstellung ver- prohene Lohnerhöhung noch nicht auteil gewordèn sei. Nah einer Reutermeldung aus London vom 11. Oktober ist der Ausstand der Cisengießer beigelegt worden.

Beim Landarbeiterausstand in der Provinz Ptacenza, der seit dem 6. d. M. ardauert, kam es, wie „W. T. B.“ meldet, zu {weren blutigen Zusammenstößen mit der be - waffneten Macht, desgleihen in Riesi beiCaltanisetta, wo aht Landarbeiter getötet, viele verwundet wurden. Auh die Gefahr eines nationalistishen Handstreichs ist nichr behoben.

Zum Ausstand der New Yorker Hafenarbeiter tieldet „Reuter“ vom 11. 10.: Die Besazungen aller Führ- ovote auf dem Hudson haben zur Unterstüßung der Forderungen der Hafenarbeiter m Mitternacht die Arbeib niedergelegt. Auch die Besagungen der Schleppdampfer und Leichter- ne, die bon den Eisenbahnen betrieben werden, feiern. Die Hafen- atbeitex haben eingewilligt, .alle Waren, die sort verderben würden, bon den Dampferpiers zu entfernen. Die „Times" meldet gus New Ywk, daß der Bergarbeiterverband beschlossen at, mit dem 1. November in den Aus stan d zu treten, wenn die ergwerksbesißer nicht in die Forderungen der Bergarbeiter ein- willigen. Die Bergarbeiter fordern eine Lohnerhöhung von 60 vH, Y deù 6 stündigen Atbeitstag und die 5 tägice Arbeilbwoche. Die Berg- arbeiter haben es, fo \chreibt die „Times“, mit. aller Gewalt auf. tinen Streik abgesehen und sind überzeuat, die Verstaatlichung er Bergwerke erzwingen zu köanen. Ferner meldet noh Ey T. B.°*, daß fast alle Maschinenarbeiter der Werk- lätten der Pennsylvaniabahn in Altoona îtn. ten Ausstand getreten sind. 7000 bis 8000 Mann feiern.

Laud- und Forstwirtschast.

a nig aon, s Daeber- (L ) Das A kerbaubüro ¡Pit den durhs@chnittiihen Stand von Mais auf 81,3 vH gegen 80 vH im Vormönat upd 68,6 vH im Vorfahr. Die Qualität von Früh- jabrêweizen wird mit ?7& t E gen 948 H im Voötjabre, und der durhschnittlihe Stand von Hafer beträgt \{chäzungêsweise

84,7 vH gegen 93,6 vH im Vorjahre. Das Nüro \chäut den durd- \amittltgoe Stand von Letnfaat auf 52.6 vH 2 nb de vH Er Vormonat und 70 vH im Vorphr. Der Ertrag der Maisernte wird mit 2 901 000 (00 Busbels angegeben gegen 2-850 (0) (00 Busbels im Vormonat und gegen ein trefi- nitives Ernteergebnis von 2 583 000 000 Bushcls im Vorjahre. Der Ertrag der Wiaterweizenernte wird» auf 715 Millionen Bu1hels wie im Vormonat ge'chäßt gegen 558 Miliionen Busbels definitives Ergebnis im Vojahie, der Ertrag vom Frübjahróweizen auf 203 Millionen Busbels gegen 208 Millionen Busbels im Vor- monat und 3599 Millionen Bushe1s im Vorjabue. Bei Hafer dürfte sih der Ernteertrag auf 1220 Millionen Bushels belaufen gegen 1225 bezw. 1538 Millionen Bushels, bei Gerfte auf 198 Millionen Bushels gegen 195 bezw. 2566 Mibionen Bushels. Die Leinsaateinte wird wahrsc;einlih 11 Millionen Busbels umfossen gegen 10 Millionen Buhels im Vonmonat ud 15 Millionen Busbels refinitives Er- gebnis im Voi) jahre.

Gesundheitswesen, Ticrkrankheiten und Abfsperrung®s maßregeln.

Gesundheitsstand undGang der Volkskrankheiten.

(Nah den „Veröffentliungen des Reichsgesundheitsamts*, Nr. 41 vom 8. Oktober 1919.)

Pee st. Niederländisch Indien. Im August wurden auf Xava A Sn eann 49 mit tödlihem Verlauf) h eeTbeT, und r in den Bezirken Temanggoeng 41 (41), j 8 (7) und Salatiga 1 (1). N s 7 S de Ras

Potcken.

Deutsches Reich. In der Wothhe vom 28. September bis 4. Oktober wurden 10 Erkrankungen gemeldet, A zroar in Godullahütte und Shwientochlowit (Kreis Beuthen i. Oberschl.) je 1, in Königshütte (Neg.-Bez. Oppeln) 2, in Grauhof (Kreis Goslar, Neg.-Bez. Hildesbeim) 3, in O - helden (Kreis Siegen), Herne ()Neg.-Bez. Arnsberg) und in berwürshniß (Amtshauptmannschait Chemuiß). je 1. Nachträzlich wurde -für die Woche vom 21. bis 27. September yoch 5 Erkrankungen angezeigt, nämlih in Lonsfkipieß (Kreis Schweß, R-g -Bez. Marienwerder) 2, in Teltow (Reg.-Bez. votódam), Horst-Emscher (Kreis Necklinghausen, Reg.-Bez. (ünster) urd Cöln je 1.

Fledfieber.

Deutsches Neich. In der Woche vom 28. September bis 4. Oktober wurden 8 Grkranfungen bei deutschen Soldaten fest- gestellt, und zwar in Heilsberg (Neg.-Bez. König: berg) # und inGumbinnen3. -

Nachträglich ‘wurde für. die Woche vom 21. bis 27. September noch 1- Erkrankung in Cöln angezeigt (bei einer aus Windau zu- gercisten Pe1 son).

Genidckstarre.

Preußen. In der Woche vom 21. bis 27. Siptember wurden 2 Erkrankungen (und 3 Todesfälle) gemtldet in folgenden Ne - gierungsbezirken [und Kreisen]: Neg.-Bez. Allenstein (1) [24], Arn 8berg 2 (2) \Dortmund Stadt, Dortmund Land je 1 (1)]); nachträglih für die Woche vom 14. bis. 20. Sep- tember: Wiesbaden 1 [Wiesbaden Stadt]. i

Nuhr.

Preußen. In der We@he vom 21. bis 27. September wurden 1613 Erfrankungen (und 163 Todesfälle) angezeigt in folgenden NRegierungs8bezirken [und Kreisen]: Landespolizeibezirk Berlin 120 (15) [Berlin Stadt 74 (8), Charlottenburg 5 (1), Berlin - Shhöneberg 19 (3), Neukölln 4, Berlin. Wilmersdorf 11 (1), Berlin - Lichtenberg 7 (2)], Reg.-Bez. Allen stein 20 (2) [Allen- stein Stadt 1, Lvck 3, Neitenburg d (1), Ortelsburg 9 (1), Osterode, MNöfsel je 1], Arnsberg 375 (35) [Altena 1, Bowum Stadt !6 (2), Bochum Land 47 (3), Dortmund Stodt 53 (8), Dortmund Land 55 (4), Gelsenkirhen Stadt 55 (9), Gelsenkirckt en Land 13 (1), Hagen Stadt 4, Hageo_ Land 2, Hamm Stadt 10 (2), Hattingen 15, Herne 44 (3), Hörde Stadt 2, Jserlobn Land 11 (1). Lippstadt 1, Lüdenscheid 6, Olpe 1, S{bwelm 23 (2), Wilten 13, Witt- genstein 3], Breslau 28 (5) [Breélau Stadt 5, Brieg Stadt 5 (l), Guhrau (1), Militsch 2, Neumarkt 10 (1), Oels 3, Schweidniß Land 1, Striegau 1 (1), Walzenburg 1, Wohlau (1)), Cas\ sel 28 (2) [Frankenberg 1, Hanau Stadt 5 (1), Hanau Land 11, Kirchhain 5, Meljungen 3- (1), Herr. Schmalkaden 2, Wolfhagen 1], C öln 61 (3) [Cöln Stadt 56 (3), Cöln Land 1, Mülheim a. Nh. 4], Danzig 2 [Karthaus, Neustadt t. Westpr. je 1], Frankfurt 65 (3) [Kalau 1, Cottbus Land 3 (1), Forst 1, Frankfurt a. O. 9, Lebus 3 (1), Sorau 3, Spremberg 42 (1), Weststernberg B Gumbinnen 4 (2) [Oleßko 1, Pill- kallen 3 (1), Tilsit Stadt (1)), Hildesheim 21 (4) rals b Stadt 1 (1), Osterode 4 (1), Peine 16 (2)], Königs-

erg 3 (1) [Königsberg i. Pr. Stadt 2, Königsberg i. Pr. Land (1), Preußisch Eylau 1], Liegniß 40 (7) [Bunzlau, Freystadt je 1, Goldberg-Haynau 21 (6), Hoyerêwerda 10 (1), Liegnip Stadt 1, Rotbenburg 4, Sagan 2], Lüneburg 11 (2) [N argpor, Celle Land, Gifhorn je 1, Lüchcw 7 (1), Soltau (1), Wi fen 1], Magdeburg 35 (4) [Kalbe 4, Halberstadt Stadt 3, Ferichcw 1 4 (1), Magdeburg Stadt 6 (1), Neubaldens- leben 1, Oschersleben 8, Quedlinburg Stadt 3 (1), Quedlinburg Land 1, Siendoal Land 5 (1)], Marienwerder 5 [Graudenz Stadt 1, Deutsch Krone 2, Marienwerder, Schwetz je 1], Merse - burg 117 (23) [Bitterfeld 10 (1), Delißsh 4 (1), Halle a. S. 1 (1), Liebenwerda 2, Mansfelder Gebirgókreis 64 (13), Mansfelder Seekr:is 1 (1), Merseburg 17 (2), Querfurt 4, Weißenfels 5, Zeiß Land 9 (4)], Minden 20 (1) (Bielefeld Stadt. 14 (1), Bielefeld Land 3, He: ford Land 2, Lübbecke 11, Münster 69 (3) [Borken 1, Buer 2, Cösfeld 1, Münster i. W. Stadt 23 (2), Recklinghausen Stadt 9, Necklinghausen Land 29 (1), Steinfurt 1, Telen- burg 3), Oppeln 422 (36) [Beuthen i. Obersbl. Stadt 6, Beuthen Land I 52 (2), Beuthen Land I1- 52 (1), Gleiwiß Stadt 21 (6), Gleiwiß Land 6 (1), Grotikau 4,. Hindenburg f. Oberschl. 123 (4), K ttowiß Stadt 8, Kattowiß Land 62 (13), Königshütte t. Oberschl. 24 (4), Kreuburg 2, Lubliniß 11 (3), Neustadt i. Ob rscbl. 1, Oppeln Stadt, Oppeln Land je 2. Pleß 7 (1), Ratibor Lad 6 (1), Rosenberg i. Oberschl. 1, Nydnik 24, Groß Strekliß 1, Tarnowiß 7), Osnabrück 29 (1) [£Lümmling 14, Osnabrülk Stadt 12 (1), Wiltlaae 3), P otsdam 74 (7) [Angermünde 2, Beeêkow-S!1orkow 1, Brandenburg a. H. ‘b, Niederbarnim 25 (2), Osthavelland 3, Potsdam 13 (1), Spandau 4 (1), Teltow 11 (2), Templin 7 (l), Westhavelland 2, Zauch-Belzig 1), Schleswig 43 (7) lAltona 26, Oldenburg 1, Pinneberg 16 (7)], Stade 1 [Achim], Stettin 20 [Randow 7, Stettin 11, Ueckermünde 2]; nachträglich für die Woche vom 14. bis 20. September noch 463 Erkrankungen

(und 29 Todesfälle) und zwar: Neg. -Bez. Aachén 35 (9) [Aahen Stadt 3, Nahen Land 32 (5), Brom- berg 6 [Bromberg Stadt 4, Czarnikau, Schneidemühl

Stadt je 1], Koblenz 23 (2) [Adenau 1, Ahrweiler 2 (1), Alten- firhen 4, Koblenz Stadt 5. Cochem, St. Goar je -1, Mayen 9 (1)], Düsseldorf 294 (17) [Barmen 4, Kleve 59 (4), Crefeld Stadt 20 (1), Crefeld Land 34 (4), Dinélaken 2, Se Stadt 15 (2), Düsseldorf Land 5, Dutsburg 25, Elberfeld 5, M.-Gladbah Stadt (1), M.-Glodbach Land 6, Grevenbroich 3, Hamborn 5, Lennep 23 (2), Mettmann 2, Mörs 1, Neuß Land 6, Oterhausen 4, Nemscheid 56, (3), Rheydt 2, Solingen Land 1, Sterkrade 13], Posen 15 [Kempen], Stettin 7 {Stettin}, Trier 66 (4) [Merzig 1, Ottweiler 3, Saarbrücken Stadt 28, Saatbrücken Land 7, Saarlanis 8, Trier Stadt 3, St. Werdel 16 (4)), Wtesbaden 17 (1) [Hö@st a. M. 1

(1); St. Goarshausen 2, Unterwesterwaldkreis, Wiesbaden Stadt je 7].

Vershiedene Krankheiten in der Wote, vom 21. bis 27. Seytember 1919, _Pod en: Bedapest 1 Erkrankung; Flecckfieber: Budapest 1 Eikrankung; Milzbrand: Reg,-LBez, Liegnitz, Hessen je 1 Er- kranfung; Tollwutktk: 9Neg--Bez. Stetiin 2 Erkrankunaen; Para-

typhus: Neg. - Bez. Arnsberg 10, Hessen 17 Erkran» kungen; Influenza: Berlin 1, Braunschweig Stadt 2, Stockbolm 1, Wien 2 Todesfälle, Reg. - Bez. - Düsseldorf

(Vorwoche) 5, Nürnberg 16, Hessen, Budapest je 2, Kopenhagen 60, Stockho!m 1 Erkiankungen: Genickstarre: Budapest 1, Kopen- hagen 2, GEnschede in ven Niederlanden (14. bis 20. September) 1 Erkrankungen; s\ptinale Kinderlähmnng: Kopenhagen 2 Erkrankungen; Ruhr: Nürnberg 1, Hessen, Mecklenburg- Schwerin, Sachien-Weimar je 2, Budapest 4, Krakau 7, Lemberg 3, Wien 32 To esfälle, Nürnbera 6, Stuttgart 26, Hessen 241 (davon im Kieise Offenbach 180), Mecklenburg - Schwerin 10, Sachsen-Weimar 13 (Vorwoche 7), Braunschweig 12, Bremen 11, Budapest 29, Wien 150 Erkrankungen; Malaria: Neg.-Bezirke Aurich 16, Oppeln 10, Braunschweig 9, Wien 108 Erkrankungen ; Krä zte: Kopenhagen 129, niederländishe{Orte (14. bis 20. Sep- tember) Haag 26¡Notterdam 51Erkrankungen; Na hrungsmittel- vergiftung: NReg.-Bez. Breslau, Marienwerder je 1 Todes- fall, Landespolizeibezirk Berlin 1, Reg.-Bez. Breslau 20, Aachen (Vorwoche), Düsseldorf (Vorwoche), Marienwerder je 1, Stade 4 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Ge- ]storbenen ist an Scharlach (Durhschnitt aller deutshen Be- rihtsorte 1895/1904: 1,04%) gestorben in Buer Erkrankungen wurden angezeigt im Landespolizeibezirke Berlin 120 (Berlin Stadt 80), in Breslau 25, im Neg.-Bez. Arnsberg 122, in Hamburg 59, Ämsterdam 33, Kopenhagen 53; an Keuchhusten gei\to1dben in Berlin-Reinitcken- dorf Grfrankungen wurden gemeldet in Budapest 54, Kopenhagen 157. Ferner wurden Erkrankungen testgestellt an: Masern und Röteln in Hamburg 35, Kopenhagen 26; Diphtherie und Krupp im Landeópolizeibezirte Berlin 233 (Berlin Stadt 150), in den Neg.- Bezirken Potsdam 170, Schleswig 149, in Hambura 82, Amster- dm 27, Cèeristiania 54, Kopenhagen 63, Stockholm 36, Wien 27; Typdus in den Neg.-Bezirkin Breslau 32, Arnbtberg 43, Magde- burg 37, Oppeln. 32,

Nachweisung über den Stand von Viehseuchen in Deutsch Oesterreich am 1. Oktober 1919.

(Auszug aus den amtlihen Wochenausweisen.) Maul

ä ns Schweine- Notlauf B Roß Klauen- (Schweine der S feuche seuche) Schweins L L 2abl der verseuchten Ö zl 2 M B 8 S S 2 E E 2E 2122 2? ZOIEQIE Q E D L P D S L 5 [3/415] 6 E7| 8 [9] 10 I} 1 Niederösterreih. . . . |—|— s 7 107 0 2 2 o 06-0 0 # 2 2 SEIE E 6 14 11 18 313 ü i O S 351 33! 79 414 5 Ï —|—1 1 2j —| 14| 23 6 | 1 Oberösterrei@ . ——|—| 4 4 7 14 6/2 s 1 \—— 7} 12] 7 10 713 ü é —|—| —| 17 37 8 Salut o os e —|—| 26| 169) 91 1: Steiermark .. e. —— 7 451 2 4l 5 16 10 2 x . e. N E A iet T 1 4 5 113 s 4 . . ——4 l l al 17 30 2 E amten C —|—} 9/ 16} 6| 12 1 1 M0 U —|—| 9| 36f —| ——|— 17 2 E E E S i a aria E L 13 Ee E R S R —|—/ 10 37 —— 20 Moratibeta. a uo e —|—{ 50/ 3641 —| —[— Zusammen Gemeinden (Gehöfte) : Not 3 (3), Maul- und Klauenseuche 119 (691), Schweinepest

(S{hweineseuche) 69 (132), Rotlauf der Shweine 106 (207). Außerdem Lungenseuche des Rindviehs im Sperrgebiete Nr. 12 in 3 Gemeinden und 6 Gehöften. Pocktenseuche der Shaje und Besihälseuhe der Zuchtpferde sind niht aufgetreten.

Theater und Musik.

Opernhaus.

___ Die erste künsitleris&e Tat der Staattcper unter der Leitung ihres neuen Intendanten Max von Schillings- war - die Aufführung von Hans Pfiyners mußkalisher Lègende „Palestrina“, deren Ruf als bedeutsames Bekenntniêwerk eines deut}chen Meisters bereits von den Festaufführungen in München hierher ge- drungen war. Und es darf gleih vorweg gesagt werden, daß das Weck, das am Sonnabend nah langer und liebevoller Vor- bereitung unter Mitwirkung seines Scöpfers, der die Spielleitung selbst übernommen hatte, in tes Neich 8 Hauptstadt zum ersten Mal in Szrne ging, diesen Nuf vollauf bestätigte. In der Tat bandelt, es sich hier um keine „Oper“ im gewöhnlichen Sinne, sondern um eine tiefsbürf.nde Dichtung in Worten und Tönen, die das Verhältnis des Schaffenden zur Kunst überbaupt und jenen geheimnis8vollen Zusammenhang mit dem Uetersinnlihen ofen. bart, welchder das inneiste Wesen aller wahren Kunst aus mat. Der von Stiller in die Worte . von dem in des höheren Herrn Pflicht stebenden und der gebietenten Stunde aehordenden Eänger gekli idete Sinn und Wagners in den „Meister- singern“ getaner Ausspruch, daß alle Kunst und Potterei im Grunde nur Traumdeuterei bed»-uten, dürfen wohl als der Grundgedanke an- gesehen werden, der Pfißners echt deutsch empfundene Dichtung be- berrscht. Echt deuts ist sie, auch wenn ein Meister der italienischen Renaissance in ihrem Mittelpunkt steht; denn niht geht es hier um äußeres Geschehen und nationale Besonderheiten, sondern um die höchste Blüte menschli#er Kultur, um die Kunst, wie se sich in ter deutshen Seele wiederspiege|t. Der Inhalt der Palestrinadihtung, die schon allein im Buche hohen Genuß gewäbrt, ist in kurzen Zügen folgender: Zur Zeit des Tridentiner Konzils um 1563, zu dessen Verhandlungsgegenständen auch die Frage einer Reform der Kirchenmusik gehörte, wirkt Giovanni Pierluigi Palesirina, der große Meister, als Leiter der Kapelle an St. Maria Maggiore in Nom. ‘Gram über den Tod seiner Gat!tin Lucrezia und Mißmut über unerfreulie Erscheinungen im Kunstleben haben iho einsam gemackht und feine Schaffens]ust geläbmt. Dennoch ist er durch seinen Freund, den kunstsinnigen Kardinal Borromeo, bet dem Konzil als Erneuerer der Kirhenmusik in Vorschlag gebracht worden; er soll im Auftrage des Kovzils eine Messe \chafen, die den Beweis liefert, daß „die Andokt im Gefühle, die unsern Geist zum Höchsten hebt, mit ho der Lust! am Wunder|piele der Töne“ zur Einheit vershmolzen werden kann. Meit beredten Worten sucht der Kardinal den Künstler für das Werk zu begeist-rn, das „zur Rettung der Musik in Rom der böchsten Sp!ge Kreuzecblume segt auf der Tône Wunderdom“ ; allein Palestrina lehnt in seiner bedrüdten Séelenstimmung ab und kränkt dadur seinen hohen Gönner, den

Kardinal, der \ih so warm für ihn eingesezt hatte. Im Dämmet