1919 / 244 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Vreußifhe Landesverfammkung. 69. Sikzung vom 22, Dktober 1919. Nachtrag. Dis Rede, die bei der Fortsezung der Aussprache über den Haushalt der. landwirtschaftlichen Ver- waltung der Minister me Landwirtschaft, Domänen und Forsten Braun gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren! Zu den Anträgen, die gestern hier begründet worden sind, kann i im einzelnen nit Stellung nehmen. Jum Teil gebört die Erfüllung der Wünsche und Forterungen, die 4n dessen Anträgen geltend gema worden sind, zur Zuständigkeit des Reiches. Jch werde sie bei der Reichsregierung unterstüyen, soweit das ‘bisher nit {on gesehen sein jollie.

Zur Frage der Zwangówirtschaft, die au Gegenstand der ver- \diédensten Anträge ist, wird si der Herr Staatskommissar für die Volksernährung äußern.

Nur wenige Worte möchte ich mir zu dem Antrage des Herrn Gräfen von Kaniß über die Aufhebung der Zwangswirt- \chaft in Ostpreußen gestatten. Jch bedaure, daß aus den Worten des Herrn Grafen von Kaniß herausklang, als ob die Re- gierung Ostpreußen bereits aufcegcben hate. Davon kann keine Rede fein: Die Regierung verkennt ke.rcéwogs die scckmwierige Lag 1 Ostpreußen und seine Bevölkerung tur die Absctnürung ver wird daber bemüht sein, die enge geistige und wirisckcaftlice Berbintung mit Ostpreußen, dem Stammlande des preuß.\cken Staates, aufreht- zuerhalten und allen Bemühungen unserer Feirde zum (Troß inniger zu gestalten. Die Regierung wird €s auc in Zukunft, wie es auch in der Vergangenheit war, nit bei Wortew bewenden lassen, sondern aud Taten zeigen. (Sehr gut! bei den Sczialdemokraten.) Durch die Tat wird sie beweisen, daß Ostpreußen eins ist mit Preußen, eins bleiben wird mit Preußen und dem gesamten deutsdew Vaterland. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Aber auh Ostpreußen muß be- roeisen, daß es sich nach wie vor eins fühlt mit den Brüdern westlich der Weichsel, und dieses gleichfalls dur die Tat zeigen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)

Nun, meine Herren, dur den Antrag, der hier vorgelegt worden ist, scheint das nicht voll zum Ausdruck zu kommen. Ostpreußen ist für Lebensmittel Uebersckußgebiet; es mußte in der ganzen Kriegsözeit und muß auch jeßt zur Ernährung der westlich der Weichsel liegenden Landesteile mit beitragen. Andererseits braubt Ostpreußen Kohlen, Brennstoffe, künstliche Düngemittel untd Jndustrieprodukte aller Art aus dem Westen. Hier muß also ein verständiger wirtschaftlicer Nusgleich dauernd fortbestehen, wenn beide Teile dabei gedeihen sollen. J bedaure daher den Antrag Kaniß auf Aufbebung der Zwangswirt- aft in Ostpreußen, da er -— die Motive der Antragsteller in allen Ehren gleichwohl einen separatistisden Einschlag erkennen läßt.

Wie liegen denn die Dinge? Ostpreußen muß seinen Lebens- mittelübershuß wirtshaftlih verwerten; es kann ihn nicht selbst lonsumieren. Was wünscht nun der Untrag Kamy und die Kreise, die hintor ihm stehen? Diese Kreise wünscen, daß ste von der ‘Preis- vesränkung und von der Lieferpflickt fuei werden. Meine Herren, #b das das Verhältnis zu dem übrigen TeFle unseres Staates und zu der Bevölkerung des ganzen deutsen Mos inniger gestalten wird, möchte ich billig bezweifeln. (Sehr ritig! boi den Sozialdemo- fraten.) Jch bezweifle au, meine Horren tas möchte ib zur Ehre meiner ostpreußischen Landsleute hier erklären —, daß die Mehrheit der ostpreußishen Bevölkerung hinter diesen Bestrebungen auf Auf- hebung der Zwangswirtschafb in Ostpreußen besteht. (Lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr Graf von Kamß meinte gestern, die Regierung verstobe es nit, die gesunden nationalen Jnstinkte im Volke zu wecken. Meine Herren, ob das Bestrebew än einem Landesteile, der Ueberschußgebiet ist, der zur Versorgung anderer Vandesteile mib beitragen muß, die Zwangêwirtschaft, die Preië- bheshränkung aufzuheben, die gesunden naticnalen Instinkie tatsächlich zum Auêdru® kommen läßt, möchte i gleichfalls billig bezweifeln (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten); ih bin vielmehr ber Auf- fassung, wir sollten alle Bestrebungen materiell eigennüßiger Art hinit- anhalten, um die idcellen Bande nationaler Zufsammengebörigkeit und Stammesgemeinscaft fester zu knüpfen und gegen den Ansturm feind- lier Mächte von Ost und West widorstandsfähiger zu gestalten.

Dann noch wenige Worte zur Einstellungdes Schnell- gugverkehrs. Jch verkenne koineswegs, daß die Maßnahme von der ostpreußischen Bevölkerung \ckwer empfunden wird; man darf aber richt die Schlußfolgerung daraus ziehen, die offenbar nach den Aus- führungen des Herrn Abgeordneten Kant daraus £ezogew werden. Denn erstens treffen diese Maßnabmen ja nit aur Ostpreußen, son- dern auch die Provinz Schlesien, überbaupt sämtlicde Gebiete östlich von Berlin. (Zuruf rechts.) Dio am weitesten von Berlin ent- fernten Landesteile empfinden sie natürli am allersdwersten. Es fann daraus nit gefolgert werden, daß die Regierang kein Interesse mehr für die Bevölkerung dieser am weitesten vom Zentrum entfernten Landésteile habe. Es handelb sich bei der Einstellung des Sckmell- gugverkehrs im Osten um eine unumgänglich nothwendige , Maßnahme. Meolltben wir nit die Versorgung der Bevölkerung im Westen mit Kärtoffeln, Getreide und andercrseits aud die Versorgung Ostpreußens mit Kohle und sonstigen notwendigen Produkten gefährden, dann mußte diese cinsnoidende Maßnahme ergriffen werten. Nur dadur wird es vielleicht möglich sein, die notwendige Abfuhr der Kartoffeln vom Dsten nah dem Westen zu bewirken, ebenso das Getreide redtzeitig aus den (Grzeugergebieten in die Bedarfêgebiete zu bringen. Es wird vielleicht dadurch aub nur möglich sein, dem Osten das notwendigste an Kohle und sonstigen Brennstoffen zuzuführen, die cr für den Winter unbedingt brgut.

S kann weiter mitteilen, daß Verhandlungen mit der poln Regierung \{weben, die darauf gerichtet sind, die alten Wege dur die preußischen Teile, die jeßt an Polen kommen, wiederberzustellen. Gs ift zu erwarten, daß diese Verhandlungen in einigen Tagen zum ‘Abfluß kommen. Fallen sie günstig für uns aus, so kann es möglich sein, dem Güterverkehr die alten Verckehrêwege, die er früher ge- gangen ist, wieder zu erschließen. Es wird dann mögli sein, auch im Osten wieder den allernotwendigsten Schnellzugverkehr einzu- führen, Î

Zu. dem Antrag der Herren Abgeordneten Jacoby-NRaffauf und Genofsen Nr. 806 kann ich nur bemerken, daß die Forstverwaltung im Uinksrheinishen Gebiet bemüht geroesen ist und noch bemüht ift, durch entsprehenden Wildab\chuß die landwirtschaftliche Bevöl- ferung vor übermäßigen Wildschaden zu bewahren. Diese Bestre-

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bilngen fink, wie ber finkärbeinisE Bevökkering bekann? iff, tr det lehten Monaten durch die Besaßzungsbehörden etwas behindert worden. Au diese Behinderung ist bereits beseitigt. Jch habe auch neuerdings wieder an die Forstbehörden die Verfügung ergehen lassen, mit allen Mitteln bdaranzugehen, insbesondere das Schwarz- wild auszurotten und au sonst im weitesten Maße den Wildabshuß zu fördern.

Die Neblausbekämpfung ist Gegenstand eingehender Er- örterung mit der Reichsregierung. Anfang November wird eine Konferenz im Reichswirtschaftsministeruum mit Sachverständigen aus den Weinbaugebieten stattfinden, wo diese Frage eingehend erörtert werden wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die gegenwärtige Bekämpfungsart eine tiefeinshneidende und mit starken wirtschaftlichen Nachteilen verbundene ist. Sie besteht darin, daß die Weinstöcke, die von der Reblaus befallen sind, radikal beseitigt werden, ebenso die Weinstöke in einem Sicherheitsgürtel von 10 Meter, und daß dort mehrere Jahre hindurh kein Wein angepflanzt werden darf.

Da nun aber die Reblaus doch erheblihe Verbreitung ange- nommen hat, da insbesondere die Winzer im Elsaß jeßt dieses Ver- fahren nicht mebr durchführen, sondern daran gehen, die widerstands- fähigere amerifanishe Rebe anzupflanzen, wird man ernstlich erz wägen müssen, auch in Deutschland das Verfahren zu- ändern. Jch möchte allerdings bemerken, daß der Uebergang zu der amerikanischen Rebe auch eine sehr wichtige finanzielle Frage ist. Es handelt sich dabei um Kosten von 10- bis 15000 4 auf das Hektar nah den jeweiligen Preisen. Wie weit es möglich sein wird, diese finanziellen Lasten aufzubringen, das muß Gegenstand der Erörterung mit der Neichsregierung sein. Jedenfalls wird diese Frage ernstlih im Auge behalten, und ih hoffe, daß sie so gelöst wird, daß auch die be- rechtigten Forderungen des Winzerstandes dabei Gehör finden. (Bravo! rechts.)

Zu dem Antrag Nr. 574 der Abgg. Jakoby-Naffauf und Genossen, betreffend die Aufbringung des Rindviehs und der Pferde im beseßten Gebiet, die nah dem Fricdensvertrag an die Entente abzuliefern sind, kann ich nur bemerken, daß diese Auf- bringung dort \o verteilt ist wie in allen anderen Landesteilen. Der Schlüssel für die Umlage der Pferde- und Viehlieferung ist so auf- gestellt worden, daß erstens der gegenwärtige Bestand an Pferden und Rindvieh in dem betreffenden Bezirk zugrunde gelegt wird, und daß zweitens die Abnahme vom 1. Dezember 1913 bis jeßt in Betracht gezogen wird. - Ist die Abnahme durch die Besaßungsbehörde, durch den Nüczug der Truppen dort größer gewesen, so wird das bei diesem Verfahren au die genügende Berücksichtigung finden. Außerdem fommt eine Erleichteruig für die Rheinprovinz noch insofern in Betracht, als dort in einer großen Anzahl von Gebieten Höhenvieh gehalten wird, und Vieh, dessen Rasse von Preußen nicht geliefert werden darf. Dadurch ergibt sich eine gewisse Erleichterung der Vieh- aufbringung im beseßten «Gebiet.

Zu dem Antrag Nr. 629 der Abgg. Bus, Dr. Heß und Ge- nossen, der dahin geht, die Staatsregierung möge bei der Neichs- regierung dahin vorstellig werden, daß die Besaßungstruppen gebeten werden sollen, Behöfte, Scheunen, Tennen, Stallungen usw., soweit selbige zur Sicherung der Ernte und Herbstbestellung notwendig sind, niht mehr in dem Maß in Anspruch zu nehmen, wie das bisher der Fall gewesen sei und wodur die landwirtschaftlichen Betriebe gestört worden sejen, kann id nur bemerken, daß Beschwerden über eine übermäßige Inanspruchnahme von Gehöften, Scheunen und Stallungen durch die Besaßungs- behörden vorläufig mir amtlich nmcht zugegangen sind. Jch bin jedo, soweit eine solche zu weitgehende und zu [Beschwerden Anlaß gebende Jnanspruchnahme eingetreten sein sollte, bereit, auf Abstellung dieser gerügten Uebelstände bei der Reichsregierung mich zu verwenden.

Dann noch ein Wort zu den Ausführungen des einen Herrn Ab- geordneten, die sich auf den Antrag über die Versorgung der Landwirtschaft mit Düngekalk bezogen. Der Herr Ab- geordnete ist sehr temperamentvoll mit den Vertretern der Landwirt- chaft ins Gericht gegangen und hat zum Ausdruck gebracht, daß er ibnen ein Mißtrauenévotum aussprechen müßte. Meine Damen und Herren, die Interessen der Landwirtschaft sind bet der Verteilung des Kalkes nab jeder Richtung hin gewahrt worden. Aber die Dinge liegen auf diesem Gebiet doch so, daß Kalk auch für andere, zum Teil augenblicklih etwas wichtigere Zwecke gebrauht wird. Kalk wird für Kalkstickstoff, für die Stahlfabrikation, für Bauten und ähnliike Zwecke gebraucht. Dazu kommt, daß Kalk als Pflanzennährstoff nicht so sehr in Betrackt kommt wie die übrigen künstlichen Düngemittel, Gewiß, von großer Bedeutung und wichtig ist Kalk für die Erschließung der im Boden enthaltenen Pflanzennährstoffe wie überhaupt für die Kultivierung von Land. Aber voran geht jedenfalls augenblicklih die Beschaffung ter notwendigen Mengen künstlicher Düngemittel: |Phos- phor, Stickstoff und Kali, und da wir für die Herstellung dieser fünstliden Düngemittel niht einmal genügend Kohlen haben, ganz zu s{weigen davon, daß wir nicht hinreichend Kohlen haben, um fie in die Bedarfsgebiete zu bringen, so muß natürlich die Versorgung mit Kalkdünger hinter die Versorgung mit diesen hohwertigen und für die Landwirtschaft wichtigeren künstlihen Düngemitteln zurücktreten.

Zu der- Angelegenheit der Landwirtschaftskammern, die im Antrage Nr. 491 der Abgeordneien Dr. Friedberg und Genossen behandelt wird, ftann ich uur bemerken, daß ich den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Schreiber im vollen Maße dahin zu- stimme, daß die Landwirtscaftékammern in ihrer derzeitigen Struktur nicht mebr entfernt den Ansprücken der heutigen Zeit genügen. Sie sind nicht eine Vertretung des gesamten landwirischafilichen Berufs- standes, wo. jedèr Teil dieses Berufsstandes sciner Zahl und wirtsaft- lihen Bedeutung na zur. Geltung kommt. Jch habe daher sckon seit längerer Zeit diese Frage in Bearbeitung gegeben, um dem Hause sobald wie möglich einen Geseßentwurf zur Neugestaltung der Land- wirtshaftskammern vorlegen zu können. Inzwischen hat die Reichs- regierung sib mit der Frage befaßt. Das Neichsroirtschaftsministerium ist augenbliŒich daran, für das Reich ein einheitlides Geseß zu \caffen, das allerdings nur ein Nabrmengeseß sein wird, innerhalb déssen den «einzelnen Lantesregierungen genügend Bewegungsfreiheit bleibt, die Organisation des landwirischaftliden Berufsstandes. so zu gestalten, wie es den landwirtschaftliden Verhältnissen der einzelnen Länder entspricht. Sobald die Geseßesvorlage des Reichs heraus8ge- geben sein wird, werde ich auch ‘in meinem Ministerium mit allem

Nacbdruck darauf- hinwirken, daß entfprebend dem neuen Reichsgeseß: |

für Preußen ein Gesehentwurf dem Hohen Hause zugeht. Damit ift

SuÆ Se Frage Fes Weres Dr. Nele Leanfinarkef, Ler Pie ollte, ob das Reich oder Preußen diese Materie regeln werde.

Zu dem Antrag 1027, der vou Frau Abgeordnete Hesberger begründet worden ist, ist nur zu bemerken, daß sich. heute noch nid übersehen läßt, welhe Gestaltung die Landwirtschaftskammern na dem neuen Geseß annehmen werden, sich demgemäß auch -noch nit übersehen läßt, ob weibliche Referenten in den Land- wirtshaftskammern angestellt werden. Das ist eine Sache der si selbst verwaltenden Körperschaften, sie haben zu entscheiden, wie sie thren Beamtenkörper gestalten wollen. Allerdings fordert der Antrag, daß diese Bestimmung im Geseß festgelegt werden soll, Damit werden wir uns aber beshäftigen müssen, wenn wir zu dieser Vorlage Stellung nehmen; ih möchte dem nicht vorgreifen. Grund- säßlich stehe ih allerdings auf dem Standpunkt, den ich auch früher vertreien habe, zu einer Zeit, als alle anderen Parteien dieses Hauses grundsäßlih das Frauenwahlrecht und die Zulassung der Frauen zu allen Aemtern ablehnten, daß die Frauen zu allen Aemtern zuzulassen sind, sobald sie sih für dieses Amt eignen. Das wird auch der Ge- sihtspunkt sein, der später bei der Beantwortung der Frage, ob weib- liche Referenten in die Landwirtschaftskammern und im weiteren Verfolg auch ein weiblicher Referent-ins Ministerium für Landwirt- schaft berufen werden sollen, maßgebend scin wird.

Ja Verbindung mit den Landwirtschaftskammern möchte 1h auch gleich ncch auf die Angelegenheit der Erlasse zurückommen, die ih an die Landwirtschaftskammern zur Regelung der

Beamtenverhältnisse habe ergehen lassen. Auch sie sind ja Gegen-

stand eines Antrages und eingehender Erörterungen im. Staatshaus- haltéauéshußwesen- gewesen. Meine Herren, zu den Erlassen vom 14. und 16. Juli habe ich mich {on im Ausschuß geäußert. Nachdem ich inzwischen eine gutachtliche Aeußerung des Herrn Justizministers ein- geholt habe, bin i bereit, die Erlasse im wesentlichen zurückzuziehen und von den Kammern bei der Anstellung und Entlassung von Ve- amten nur eine Anzeige zu verlangen. Jch tue das, um zeden An- schein zu vermeiden, als ob ih einen Eingriff in das Selbstverwal- tungsrecht der Kammern beabsichtigt hätte. Dabei möchte ih no erwähnen, daß bei der Handhabung meines Aufsichtsrechtes gegen- über den Kammern auch in diesen Grlassen nur dieselbe Praxis zum Ausdruck kommt, die meine Herren Amtsvorgänger unter Berufurig auf das Aufsichtsre{t stets geübt haben. Sie haben, wie ich aus den Akten festgestellt habe, fehr viel weiter in das Verwaltungsrecht der Kammern eingegriffen. Sie haben unter anderm ganz eingehende Vorschriften über das Kassenwesen erlassen, obwohl nicht nur in den Sagtungen, sondern sogar im Geseß, im § 19, ausdrücklich festgeseßt ist, daß die Kammern ihr Kassen- und Rechnungswesen selbständig ordnen. Wenn die Kammern speziell das Landesökonomiekollegium als Vertretung der Landwirtschaftskammern gegenüber dem Erlaß vom 16, Juli ds. Js., der dahin geht, die Unterbringung der in der Dst- mark freiroerdenden Landwirtshaftskammerbeamten sicherzustelien, dies Recht meines Cingreifens mit Entrüstung bestritten haben, so möchte ih darauf hinweisen, daß die Kammern nah meiner Gmpfeh- lung, diese Beamten einzustellen, niht hinreihend bemüht gewesen sind, diese Beamten unterzubringen. Von 47 in den abzutretenden Gebieten frei gewordenen Beamten sind bis heute erst 19 unterge- bracht, obwohl es möglih gewesen wäre, bei gutem Willen mehr dieser Herren als Winterschuldirektoren und Jnspektoren unterzu- bringen. Jch hoffe, auch wenn die Erlasse zurückgezogen sind, daß dic Kammern sich ihrer nationalen Pflicht beroußt sein werden und für die Unterbringung der in abzutretenden Gebieten freigewordenen Be- amten Sorge tragen.

Dann noch ein paar Worte der dringenden förmlichen Anfrage Nr. 796. Es beißt dort:

Nachrichten aus den verschiedensten Landesteilen lassen er- kennen, daß die Landwirtevereinigungen entschlossen *sind, die Be strebungen der Landarbeiter auf Erlangung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen mit allen Mitteln, insbesondere mit Lieferstreiks zu beantworten.

Was gedenkt die Staatsregierung zu tun, um

1) den Landarbeitern menshenwürdige Lebens- und Arbeitsbedin-

gungen zu sichern und

2) die durch VLieferstreiks der Bevölkerung drohenden \chweren

Gefahren wirksam abzuwenden?

Ich kann nur erklären, gemeinsame Beschlüsse von Landwirten, die Bestrebungen der Arbeiter auf Besserstellung durch Lieferstreiks zu bean!norten, sind mir bisber nit bekannt geworden. Allerdings ¿ist zu verzeichnen, daß man in verschiedenen landwirtschaftlichen Kreisen mit dem Gedanken des Ueferstréelks spielt, und ih mochte von dieser Stelle aus die Mahnung an die Landwirte richten, dieses Shiel zu lassen. Dies Shpiel ist ein Spiel mit dem Feuer; denn det Licferstreik der Landwirte bedeutet Hunger und Elend für die städtische Bevölkerung. Was ‘das in ‘der jeßigen Zeit zuv Folge ha!, darüber müssen si aub die Lantwirte, Élar fein, und ich hoffe, daß die verständigen Elemente der Landwirte von selchen Bestrebungen Abstand nehmen.

Zu, dem Punkt 2 der Anfrage kann i nur erklären, da3 das von jeber mein Bestreben gewesen is und daß eino Reibe meiner Mafß- nabmen, die ih getrcffen habe, darauf hinzielten, ‘diese gewünschten Verkbältnisse zu \ckafffen. AUerdings wird mir das von einem sahr vnverständigen Teil der Lanktwirte, die das Interesse der Arbeiter früber mcht in dem Maße zur Geltung kommen licßen wie es no? wendig mar, arg verdackit. Mün bit wegen meines Eintretens für die Landarbeiter das Schlagwort geprägt, ich sei der Minister für dis Landarbeiter. Ein weiteres Schlagwont lautet, ih sei der Minister gegen die Landnür!\ckaft. Diese, beiden Schlcigworte, bewsisen das Vorhardensein einer merkwürdigen Auffassung von dem Wesen der Landmirtschaft in einzelnen lantwirtscafilichen Kreisen. Wenn tr jenige Minister, der für tie Landarbeiter eintritt, der Minister gegen die Lantwirtsckaft it, dann stellt si in den Köpfen diéser Herre, die dieses Scblagwort prägtem, jedenfalls die Skaats so tar, daß zuv Leindwirtschaft die Landarbeiter nicht gehören. (Zuruf rechts.) Das bat niemand !behauptet; aber das ist die notwendige Sclußfelgeru# Wenn der Minister, der füv die Landarbeiter eintritf, Minister ges" die Landwirtsckaft fein soll, dann erachten Sie die Lañdarbeiter nit gur Landwirtschaft gehörig. (Sehr vichtig! bei den Sozialdemokrate!. Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei : Unglaubli che Unter stellung!) Sie haben bisher von dieser Stelle nur konservativè Pat

(Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

M 244,

S -

Zweite Beilager

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

teircden gehört, jeßt hören Eîe aub mal andere. Meine Herren, wenn das Eintreten für die Landarbeiter im Gegensaß zu dem Ein-

: treten für die Landwirtschaft gebraht wird, dann gibt es keine andere s Sckllußfolgerung, als daß Sie die Landarbeiter nit zur Landwirt- i schaft gehörend betrahten. (Widerspru rets) Nach meiner Auf- fassung gebören die Landarbeiter auch zur Lanawirt\ckaft. (Lebbafte

: Zustimmung rets.) Jhre ganze Tätigkeit seit Jahrzehnten ist dar- Ÿ auf hinauêsgegangen, die Landarbeiter niederzuhalten (lebhafte Zu- j stimmung links), und der Umstand, daß jebt eine Aenderung ein- «getreten ist în diesen Zuständen, veranlaßt Sie, mir den Vorwurf der Parteiliékeit zu maden. Weil ih nicht mehr parteilih in konser- watibem Sinne bin, sondern unparteilih bin (Laden rets), die Ar- ‘beiter ebenfo wie die Großgrundbesißer zur Landwirtschaft zähle, des- halb kommen Ihre gehässigen Angriffe. (Sehr richtig! links. Lebhafte Zurufe vects.) ' Damit komme ih auf die Erörterungen lber meine Verord - uung, betreffend die Sicherstellung der landwirt- \chcafllihen Arbeiten vom 2. September dieses Jahres, die meiner Meinung nach allerdings nah den Beratungen im Auéscchuß und cuch' nach den Erklärungen, die ih hier kürzlich im (Pléènum des Hauses abgegeben habe, eigentlich - abges{lossen sein (konnen, Da die Herren auf der vehten Söite dieses Hauses aber noc kein neues wirksames Reizmittel für 1hra Anbänger, die sie zum Kambipf gegen dem Landwi rtscaftemsinister öffentlich aufgerufen haben, besißon, müssen sie immer wieder auf dieses Neizmittel zurückommen. Das zwingt mich, erneut auf tiefe Angelegenheit mit einigen Worten ci ngugeben. Bei diefer Gelegenheit kann ih glei das umwahrhaftige Treiben einiger pommerscher Tarifvertragsgegner in der agrar-konser- vativen Presse beleubten. Die Sckimpfereien, die dort tagtäglich gegen mich gang und gäbe sind, übercehe ih. Sie sind wohl ledigli der Avêéfluß der gereizten Stimmung, von dèv 'der Herr Abgeordnete Mippel gestern in seiner Rede pro. Ih will mi darauf be- schränken, die von dem Grafen Westarp und von Herrn von Herz- berg-Lotlin und von anderen Herrsck{aften n der „Kreuzzeitung“ und in sonstigen agrar-konservativen Zeitungen auf den Kopf gestellten Tatsachen wieder auf die Beine zu stellen. Graf Westarp behauptet in Nr, 458 der „Kreuzzeitung“ vom 24. September TOTO, betreffend die mangelnde Notwendigkeit des Erlasses der Verordnung, die Arbeit- geber in Belgard haben den Abschluß von Arbeitsverträgen mit Ver- einigungen von Arbeilnehmern micht verweigert. Er bebauptet weiter, vie Arbeitgeber haben troß ‘dieses Sachverhalts den Abschluß des Tarifvertrages mit dem Landarbeiterverbande nit grund\äßlich ab- gelehnt und zu den Sohnforderumgen überhaupt nod midt Stellung genommen, sondern zunä} nur die Vorbedingung gestellt, daß die CGinhaltung des abzus4ließenden Vertrages aub wirkli eumgebalten werde, Der Landarbeiterverband war es, der diese Varhandlungen

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, , Berlin, Freitag den 24 Oftober nur die Vorbedingung gestellt hätten, 'daß die Einhaltung des ab- gusckließenden Vertrages auch wirklich gesichert werde. Vom 30. Juli wo die Forderungen eingereidt wunden, bis Ende August it über diese Forderungen beraten worden. Die Arbeitgeber ‘haben si be» müht, diese Beratung immer weiter hinzushleppen. Am 12. August ist von früh 9 Uhr bis nats 12 Uhr untev Leitung des Landrats verhandelt worden. Da erklärten tie Vertreter der Arbeitgeber, sie hätten keine Vellmackt abzuschließen, sie könnten nur verhandeln. Darauf ist die Sibung auf den 18. August verlag worden. Die Ver- treter der Arbeütgeber erklärten, sie könnten nicht früher verbahndbeln, obwohl die Sacke sehr pressierte, da die Ernte eimzubringen war. Am 18, Aveust wurde der Tarifrertraggentwurf fertiggestellt und oine Einigung soweit ‘erzielt. Da erklärten die Arbeitgebervertreter wieder, sio hätten keime Vollmacht abzu{ließen, sie könnten nur ver- handeln. (Hört! bört! bei den Sozialdemokraten.) Wundern Sie sich da, das angesidts sol&er Vorgänge boi den Arbeitnehmerver- tretern {ließlich die Empfindung immer stärker wurde, man wolle sie hinziehen, den Abschluß über die Ernto versckleppen und sei nicht ernstlih bemüht, zu arbeitsfricdlihen Verhältnissen zu“ kommen. Dann wurde den Arbeitgebern aufgegeben, bis zum 21. August eine Entscheidung berbeizuführen. Da möchte id ‘darauf hinweisen, daß bis zu diesem Augenblick von einer Kaution kdine Rede: wav. Niemand in den Verhandlungen hat ‘davon gesprochen. Graf Westarp will jeßt glauben machen, daß man über die Forderungen nit verhandelt habe, bevor nicht die Vorbedingung der Kaukions\tellung erfüllt worden sd. Sie mögen daraus ersehen, wie woit si diese Darstellung von der Wahrheit entfernt. Zum ersten Male ist die Forderung auf Stellung einer Kaution in einem Sreiben“ der Arbeitgeber vom 21. August zum Vorschein gekommen. “Als die Arbeitgeber am 21. August Auskunft geben sollten, ob sie den Tarifvertrag annähmen oder nit, rihteten deren Vertreter Graf Kleist und Juhnke an den Landrat ein Schreiben, in dem folgender Passus vorkam: Wenn ein Vertrag zustande kommen oll, müssen sich daher die egen sichern, daß er niht wieder sofort gebrochen wird, (Es ivird darum von ihnen die Stellung einer Kaution seitens des Landarbeiterv:-rbandes verlangt. a ist zum ersten Male die Forderung einer Kaution. Der Landrat, der die Sache niht scheitern lassen wollte, ersubte Herrn von Kleist um eine mündliche Besprèéhung. Um die Sache zu cinem Abschluß zu bringen, fragte er Herrn von Kleist, wieviel Kaution er fordere. Herr von Kleist hat 300 000 Æ gefordert. (Hört, hört!) Das sei das mindeste, was gezahlt werden müßte. |

Os. bro Arbeitgeber dage

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Der Landrat, der einsah, daß dadurch natürlich die [Verhandlungen unmöglich gemadt würden, teilte das den Arbeitnehmern gar nicht mit, um die «Gefahr des Streiks noh zu bannen, hinauszusckieben. Er versuchie mit den verständigeren Elementen untcr den Arbeitgebern zu_ verhandeln. Man kam aber nit weiter.

Am 23, August erhielt er folgenden Brief von Herrn von Kleist:

SCHRPR E B E D Ti C S TEZATET

zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsauzeiger.

_ 0919.

4

i L 4, 4 M

mittag eine Verhandlung festgeseßt, und der Nackmittag kam, die Arbeitgeber nicht. Ste sandten ihm ein Schreiben in dem es heißt: N Die wverhandelnde Kommssion bat ke:nen Auftrag erhalten : N | \ g erhalten, ua E O wetter gu verhandeln und erscheint daher nicht noch einmal. Dort, hört!) Die Arbeitnehmer lehnten die bejahende Beantwortung

2 : Z Ç : 23 : 7 A / E E ‘eler gei PaNis ab, erklärten sich aber bereit, am Sonntag mittag, den ôl., die Arbeit aufzunehmen, wenn die Arbeita ber den ‘“Tarif- D U IDY nts

Der Landrat v: suchte wieder zu vermitteln. Er hatte an Nacbs

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ortr bor Mpro: Art F o @ 7 Ç: T r T: of, vertrag, der vereinbärt war, chne Kaution gu stellen, ab ließen wollten,

V, T

io Narhortaokbns R (Cd : r : e Vie Arbeitgeber hielten Senntag in Kolberg eine Ver ammlung ab

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an der bezeihnenderweise auch Vertreter des Generalkommandos Kol-

| berg teilnahmen. (Hört, hört! links) Der Landrat \{lußfolgerte daraus,

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E l, daß turch diese Teilnahme und dur deren ZUustcberung HTAHE la I: G, L E T; s: CH ni M atenE der Wille der Arbeitgeber zum Widerstand gegen den Tarifabscituß g.härtt worden fei. Taisäcklih bescblossen die Arbeit- geber, nicht weiter zu verhandeln, sondern ‘sie erf

8 ich h : lärten nunmehr, sie stellten fest, und zwar der Wahrheit guwider, daß der Landarbeiter- verband die Verhandlungen abgebrochen babe (hört, bört! links!), nac- n am Mittag mitgeteilt hatten, sie verhandeln nicht weiter, wenn i Arbeit nit bedingungëlos aufgenommen merde. (Hört, hort! und Inrube nts) S Soria t A Oito T o M14

SNUE UnO) Meine Herren, daran sckeiterten sämtliche weifèren Verhandtungsvevsuche des Landrats, und angesichts dieser amtlich fest-

# +5 p t-A o s n E - x ( 19) i gestellten Tatsachen [reibt H.rr von Herzberg (Lottin) in dem er- wähnten Artikel:

O s D A Q ß C E Ke m Kreise Belgard stand man vor dem Avbsc(iuß dieses Tarif-

4

vertrages, Der Akbs{luß \chckeiterte nur an dem Widerstand der {0- genannten Vertreter der Landarbeiter. : i Las E damit die Arbeitgeber meint, bat ev Jed n chLiderstand das ist aktenmäßig festgestellt sceiterte der Versuch, (Sehr richtig! links.) Und dieser Mann Meine Herren, hät die Stirn, mir öffentlich in der Presse wisferitliche Zrreführung der Bevölkerung vorzuwerfen! (Andauernde Zurufé links.) Dch weiß nicht, wie man über Wahrhaftigkeit und Anstand “in den Kreisen des Herrn von Herzberg denkt; mir ist diese Auffassung, wie sis ich bier betätigt hat, jedenfalls sehr fremd, (Sehr ridtig! links) : Meine Damen und Herren, ih habe diese Vorgänge so áusfübrlids geschildert, weil ih keine andere Möglichkeit habe diese exbärmfie. un- wahrhaftige Kampfeémweise gewisser pommersder Cdelleute hrend nzunagein; denn bei der Presse dieser Herren geftellt si nämid E der Unwahrhaftigkeit ne die journalistisde Unanständigfkeit. Jud

tandig! Jch Ea E j | _ ( L Ad habe der „Kreuzzeitung“ auf den Artikel des Herrn bon Westarp eine e E : f T : Westarp eine ladlide Nichtigstellung mit der Bitte ¿ugt]andt, sie abzudruden. Dag

ijt bis beute noÞ nit gesehen, obwohl id der „Kreuzzeitüung“ dio

óTP 1.47 T; 4 T +

Vichtigstellung don am 9, Oftober zugesandt habe, (Hort, “horb! und Zurufe links.) Inzwisden hat man aber am 17. Öktober ne ten ermahnten Artikel des Herrn vo Herzberg, der die UnwahrheWta tes

d

Grafen Westarp unterstreiht, zum Vbdruck? gebracht. (Hört, hört!)

links.) Das ist der journalistiscke Anstand der deutschnationalen Presse, A io o 7 10 O f : ; die i hier gezwungen mar, an diesen Vorkommnissen einmal inù aller

durch den Streik abbrach.

(s heißt hier, die Arbeitgebev hätten zu dessen Lohnforderungen über- haupt noch nicht Stellung genommen. Demgegenüber erklärt ein Derr von Kleist, und zwar einer ver Vertreter der Arbeitgeber von der Gruppe Herzbe-g-Lottin und Genossen, der die Verhandlungen geführt hat, in der „Pommerscen Tagespost“ Nr. 276 vom 14. Ok. tober folgendes: :

Diess Darstellung entspricht nicht der Wirklichkeit. Vielmehr baben

die, Arbeitgeber die Forderungen des Landarbeiterverbandes niemals

anertannt | (hôrt! hört! Tintks),

sondern stets als unberechtigt angesehen, (bort! hört! Tinfs),

1md zwar Grundbesißer und Bauern einstimmig.

(&rneutes hört! hört! links.) Sieht as nicht dob wie eine Slellung- nabme zu pen Forderungen aus? Und ih glaube® Herr von Kleist, der bei den Verbandlungen zugegen war, wird offenbar dia Dinge no envas besser im Gedächtnis haben als Herr Graf Westarp, der aus aweiter Hard "seine Juformationen \{öpfte. Jedenfalls, wenn die, Derren sh bemühen, den Talbestand zu verdunkeln und die Oeffent- libfeit über die wahren Vorgänge irre zu führen, (dann sollten sie do vorher Fühlung miteinander nehmen (sehr richtig! links), damit nicht d crartige widersprechende Veröffentlihungen zu 1hrem Schaden in die Presse gelangen.

: Graf Westarp erklärt in seinem Artikel in der „Kreuzzeitung" wotler: Die Arbeitgeber haben troß dieses Sachverhalts den Abschluß eines Tarifvertrages mit dem Landarbeiterverband nicht grundsäßlich abgelehnt | und zu ‘dessen Lohnforderungen überhaupt noch nit Stellung genommcar, sondern nur zunächst die Vorbedingung gestellt, deß die Einfallurg des abzusiließenden Vertrages au wirklich scergestellt wird, d. h. durch eine Kaution. Demagegenüber erklärt wieder Derr von Herzberg-Lottin, einer der Treiber dort in dem Nroifie, wo der Streik auêgebrocken war, in einem Atikel, der am (. Oftober kn ‘der „Deutschen Tageszeitung“ veröffentlicht worden und E De ganze agraris Presse gegangen list, bezüglich dieses Punktes olgendes: L

D arifverträge mögen füv die Industrie notwendig und vorteilhaft

sein, für die Landwirtschaft sind sie nzwelkmäßig und nicht gleich- _ äßig durführbar. / 2 mm führt er im einzelnen aus, weshalb er guumdsäßlih Gegner der Tarifverträga ist. * Graf Westarp erklärt, daß die Großgrundbesißer e Tekifveriräge micht alblehnten, sie hätten noch nicht Stellung dazu genommen und wollten erst die Kautions- ‘rage regeln. Herr von Herzberg-Lottin ist mir da etwas glaub- wundiger, denn er ist der ‘Repräsemtant und Führer des Teiles der Greßgrundbesiger im Kreise Belgard, die sich gegen ldie Abschließung von Tarifverträgen wenden. i

Es ist aub unwahr, daß die, Arbeitgeber zu den Lohnforderungen

¿ Zu unserer neulichen Unterredung, betreffend Stellung einer Kaution dur den Landarbeiterverbhand, möchte ih noch bemerken, daß die damals genannte Summe von 300000 1 erst als aus- reichende Sicherheit gegen Vertranëbruch anzuschen ist, nicht aber die unabänderlide Forderung der Arbeitgeber dargestellt, diefe viel- mehr mit einer wesentlich niedrigeren Summe bis etwa 30000 6 hevunter zufrieden sein würden, falls der Landarbeiterverband nicht in der Lage ist, mehr als Kaution zu hinterlegen.

Nun, Herr von der Osten, Sie bestritten es neuli&, daß von 300 000 14 die Rede gewesen sei. Hier haben Sie das Schreiben des Herrn von Kleist, in dem er selbst erklärt, daß er diese Summe genannt habe, und sie auch nur als die ausreidende Sicherheit für den Bertrags- bruch ansehe; allerdings lasse man mit si handeln, man gehe eventuell bis auf 30 000 M4 herunter.

Nun war der Landrat mit seinen Bemühungen zu Ende und mußte den Beschluß der Arbeitgeber den Arbeitnehmern mitteien. Das hatte zuv Folge, daß am 28. August dey Stv:ik ausbrach, Nun haben wir ‘leider wieder dieselbe Ersckeinung erlebt, die sid aub bei den vielen anderen Streiks in Pommern gezeigt hat. Schon gegen Mittag des 28. August telephoniert: das Generalkommando in Stettin und teilte mit, daß die umliegenden |Garnisonkommandos angewiesen eien, jegliche militärische Hilfe auf Anforderung zur Verrichtung von Notstands- arbeiten zur Verfügung zu tellen. (Hört, hört!) Um 2 Uhr tefegra- phierte das Generalkommando folgendes:

Eine Eskadron der 4. Jufanteric-Divisioa wird besckleunigt ' _nach Belgard zugeführt. Garnisonkommandos Kolberg, Belgard, Neustettin, Köslin, Freikorps Hindenburg Kolberg und Kompagnie in Schivolbein sind angewiesen

ag ohne daß die Zivilbehörden sie angefordert hätten, wie seinerzeit in Stettin vereinbart wurde

Anforderungen der Zivilbehörden auf Gestellung militärischer Unter- stübung zu Schuß und notwendigen Arbeiten in weitestem Maße zu entsprechen. Bitte, sich sofort mit diesen Stellen unmittelbar in Verbindung zu setzen.

Sie haben aber ni&t die Anfordcrung der Zivilbehörde abgewartet. Der Landrat wollte fein Militär, weil ev wußte, daß das zu’ großen Komplikationen .führen würde und zur Vergrößerung der Ausdehnung des Streiks. Das Garnisonkommando in Kolberg hat ohne Anforde- rung und gegen den Willen des Landrats Militär in den Bezirk gelegt. (Hört, hört!) ‘Troß der Vcreinbarung, die damals anläßlich der Streitigkeiten in Stettin mit den Zivilbehörden getroffen worden

war, daß die Militärbehörden niemals ohne Anforderung der Zivil-

behörden Mütitär bei wirlscaftlihen Streitigkeiten einseßen sollten!

Der Landrat hat daraufhin erneut zu verhandeln ersucht. Aber

am 309. August, als der Streik s{on ausgebrochen war auf 40 Gütern

erflärten die Arbeitgeber, sie verhandelten nid& weiter, sondern Per-

langten Aeußerung über folgende Punkte: 1, Sind die Streikenden

bereit, sofort die Arbeit bedingungslos wieder aufzunehmen; 2. ist der

fw Arbeiter überhaupt noch nit Stellung genommen hätten und

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B E S E S C Ia ÁR S É A F E E E S O S A Ä E I É O

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E RE r A S-M O 2E e Pra E E R S Pa R E Aar; Dit ti:

N EREIanO bereit, Kaution zu stellen, eventuell in welcher Deo *

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Deutlichkeit aufzuzeigen. Angesichts dieses Verhaltens seiner Parteipresse verlangte ge der Herr Akgeordnete Nippel von“ mir, h sôlle die gercizie Sti.

mung in den landavirts{aftlichen Kreisen, vie nt zuleßt dur ies unwahrbaftige Stimmungsmache e «eugt 1 und angefächt 3

beben. (Zurufe rechts und links.) Meine Herren, das nur leine Meise, die ganze agreriscke Presse des Landes öbt in dieses Horn und beeinflußt in diesem Sinne die Leser der landmirt- schaftlichen Kreise. Solange iv der agrar-fonservativen Presse Mir für Unwahrheiten über mih und für Beschamvfungen meiner ‘Person Naum ist, die Wahrheit ater unterdrückt wird, darf man {nit roundern, wenn sich die Leserkreise dicser Presse in dieser geretzten

Stimmung befinden. (Sehr 1ictig! links.) : S OUO Nun noch einige Worte zu der Verordnung selb gegenteiligen Behaupfüng muß ich daran festhalten, da Weg bot, den ausgebrodtenen Streik beizulegen und vo 35 0

ß fi die drohende Weibzrverbreitung dos Streiks zu vereiteln. Jh Tann nich da auf den amtlicken Berit des Negierune8präsidenten stüßen, der über diesen Punkt \{reibt: | h Wenn am Abend des 2. September 1919

dem Tage des Erlasses

e Streik aufgehoben ist, so ist das aussckließlid; auf meine ‘ben Arbeitnehmervertretern am 2. Septembér 1919 gemachte Zuüsagé ge- schoben, daß ich nunmehr den von den Arbeitnebmern gcbiPigten Tarifentwurf als Zwangstarif erlassen würde. Der |Streik tär äm 2 September nech voll im Gang; obne meine vorenvähnto |r- Élarung wáre er fortgeführt und hätte die Einbringung dex Ernte wahrscheinli zu einem großen Teil in Frage gestellt.

(Hört, hört! bei den Swgzialdemokraten.) Auch der zuständige“ Länd- rat hat sih, wie ich Ihnen geschildert habe, alle erdenklicte Müihs gé- geben, den Streik zu vereiteln ‘und als er au8zebroden war, t Wege der Verhandlung \o \chnell als möglich beizuülègen. Seine Bemiüthün- gen scheiterten an dem Starrsinn der junkerlicen Tarifverttagêäegner. Dagegen ist ihm der ungeheuerliche Vorwurf gemacht worden aus ben- selben Kreisen heraus, daß er den Streik geschürt habe. Mit Recht nannte der so angegriffene Landrat diesen Vouvurf eine infame Unter- stellung. Er führt in seiner Entgegnung darüber folgendes aus:

J habe bei den ganzen Verhandlungen die Rolle eines Vermitt- Ters übernommen und im Gegenteil mit allen Kräften darauf Hins gewirkt, dem Streik vorzubeugen. Es ist mir au von den ver- schiedensten beteiligten Seiten, auch von den Vertretern des [Klein- grundbesißes, selbst von dem Vertreter des Pommerschen Lands bandes, verschiedentlih erklärt worden, daß ich mein Amt bei der Besprechung in durchaus loyaler, unparteiischer Weise geführt 4e. Inwieweit aber die Aeußerungen aus “Großgrundbestberkreisen: Lieber lasse ih mein Getreide auf dem Feld verfaulen, als baß ith einen Pfennig mehr gebe, ¿zur Weiterführung des Streiks und Gé- fährdung der Œinbringung der Ernte beigetragen habe, lasse i! da- hingestellt. T

Jch kann das, was der Landrat schreibt, nur in vollem Maße unter-

streichen. Jch nehme Veranlassung, den beiden Beamten, dem! Regie-