1897 / 156 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Jul 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Bekanntmachung.

Dur das auf Grund der Allerhöchsten Kabinets - Ordre vom 30. April 1830 erlassene Reskript des Königlihen Mini- steriums der geisilihen 2c. Angelegenheiten vom 5. Mai des- selben Jahres ist den evangelishen Glaubensgenossen, welche an einem Ort ihren Wohnsiß nehmen, wo mehrere der Union beigetretene Kirchengemeinden sich befinden, das Recht verliehen worden, die Gemeinde, welcher sie angehören wollen, zu wählen. Dieses Recht findet nach Maßgabe der an- geführten Verordnung, infolge des Beitritts der evan- elishen Kirhengemeinden in Berlin zur Union und unter

eziehung der allgemeinen Denman auf die besonderen Verhältnisse dieser Gemeinden, hierselbst in der Weise An- wendung, daß die den von auswärts zuzichenden Personen zustehende Wahl getroffen werden kaan zwischen, einerseits der betreffenden, mit einem örtlich abgegrenzten Kirhsprengel ver- sehenen Gemeinde und andererseits der Dom- oder der Parochialkirche. -

Da die Ausübung dieses Wahlrechts bisher an eine Frist nicht gebunden gewesen ist, so hat sih das Bedürfniß ergeben, den aus einer oft lange vershobenen Feststellung der Ge- meindeangehörigfeit erwachsenden Uebelständen für die Zukunft vorzubeugen.

Infolge der auf Grund Allerhöchsten Erlasses vom 6. Sep- tember v. J. von dem Herrn Minister der geistlihen An- gelegenheiten im Einverständniß mit dem Evangelishen Ober- Fircdenrath uns ertheilten Ermächtigung wird demnach hier- durch Folgendes bestimmt : 5

1) Alle von au3wärts nach Berlin ziehenden evangelischen Glaubensgenofsen haben ohne Rücksicht auf ihr besonderes Konfessionsverhältniß die Wahl, sih entweder derjenigen Lofkal- parochie, innerhalb deren sie ihre Wohnung nehmen, oder der Ge- meinde der Domkirche resp. der Parochialkirhe anzuschließen, deren Mitglieder an feinen bestimmten Wohnort in der Stadt ge-

unden sind und daher dur die Veränderung der Wohnung innerhalb der Stadt die Gemeinde und Kirche nicht wechseln.

2) Diese Wahl muß jedoch binnen Jahresfrist, von der Niederlassung in Berlin ab gerehnet, durch eine ausdrüdckliche Erklärung bei dem Kirchen - Ministerium und dem Vorstande der gewählten Kirche zu erkennen gegeben werden.

3) Wird diese Wahl in der bezeihneten Frist nicht aus- geübt, so werden solche evangelishe Einwohner als pflichtige Glieder derjenigen Lokalparochie, innerhalb deren sie ihre Wohnung genommen haben, angesehen und behandelt und gehen bei jeder Veränderung der leßteren in diejenige Parochie als Mitalieder über, in welcher die neugewäh!te Wohnung belegen ist.

Berlin, den 21. November 1859.

Königliches Konsistorium der Provinz Brandenburg.

C. von Voß.

Vorstehende Bekanntmachung wird hierdurch von neuem veröffentlicht. Berlin, den 1. Juli 1897. Königliches Konsistorium der Provinz Brandenburg, Abtheilung Berlin. I) Fabex.

Angekommen:

Seine Excellenz der Staats-Minister und Minister der geisilihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten D. Dr. Bosse und

Seine Excellenz der Staats - Minister und Minister für Landwirthshaft, Domänen und Forsten Freiherr von ammerstein-Loxten, aus der Provinz Schlesien.

Nicchtamfliches. Deutsches Reich. DVErÉNYER, Berlin, 6. Full

stät die Kaiserin und Königin empfingen um 7 Uhr auf der Station Wildpark Eitel - Friedrih bei deren Ankunft

Ihre Mejestät dem Staats - Minister Dr. von Boetticher und dessen Gemahlin sowie der Gräfin Schuwalow Audienzen. Um 51/7 Uhr Nachmittags reisten Jhre Majestät die Kaiserin mit den Prinzen und der Prinzesfin nach Tegernsee in Oberbayern ab. Jn der Begleitung befinden fich die Hofdame Gräfin Keller, der Kammerherr von dem Knesebeck, der Ober-Gouverneur General-Major von Deines und der Gouverneur Premier-Lieutenant von Rauch.

_Der Wirklihe Geheime Ober - Regierungs - Nath im Ministerium der geiftlihen, Unterrichts- und Mediziral- Angelegenheiten Dr. Schneider ist nah Bad Reichenhall abgzreiit.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlih württem-

vergische Ministerial-Direktor von Fischer ist nah Karlsbad abaereiit.

Vaden. Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die roßherzogin haben sich in der vergangenen Nacht von chloß Baden zu mehrwöchigem Aufenthalt nah St. Blasien ge

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Oesterreich-Ungarn.

Nach ciner Meldung des „Neuen Wiener Tagblatts“ aus Tetschen wurde dort in einer außerordentlihen Sißzung des Gemeindeausschufses einflimmig beshlofen, die Arbeiten in dem von der Regierung übertragenen Wirkungskreise mit dem 15. d. M. einzußftellen. Die versammelten Bürgermeister und Gemeinde-Vorsteher des Tetschener Bezirks haben den gleichen Beschluß gefaßt, ebenso nah einer Meldung desselben Blattes 31 Gemeinde-Vorsteher des Trautenauer Be-

firks sowie die Stadiveriretung von Kraßau, unweit eichenberg. 5

Das „Prager Abendblatt“ meldet: Jn Brüx fand vorgestern ein Fest des böhmishen Schulvereins statt. Obgleich das Fest infolge der Untersagung des Festzuges auf das Besedalokal beschränkt war, ereigneten sich doch Ruhe- RSE ages vor diesem Lokal. Da sih die Stärke der Orts- polizei als ungenügend erwies, mußte Militär requiriert werden. Sieben Personen wurden verhaftet.

Großbritannien und Jrland.

Jn der gestrigen Sißung des Unterhauses bemerkte der Parlaments-Sekretär des Auswärtigen Curzon, daß die Konzession der Mozambique-Gesellshaft kürzlich von 25 auf 50 Jahre ausgedehnt worden sei. Die Regierung habe aber feine Kenntniß von dem Bestehen irgend welcher Privilegien in Bezug auf die Delagoa-Bay, sie habe daher die Versicherung abgegeben, daß die Nachrichten hierüber unwahr seien. Sie habe auchkeine Bestätigung der Nachrichterhalten, daß Unterhandlungen im Gangeseien wegen der Erwerbung oder einer Konirole des Unter- nehmens der Mozambique-G« sellschaft durch ein ausländisches Syndikat. Der Staatssekretär für Jndien Lord Hamilton erklärte, die indishe Regierung betrahte die Unruhen in Chittpur als von rein lokaler Bedeutung. Die Berichte über dieselben seien übertrieben. Der Parlaments-Sekretär im Kriegsamt Brodrick führte aus, daß alle Operationen am Nil in diesem Jahre von der egyptishen Regierung geleitet würden und daß cs nicht beabsichtigt sei, den General Kitchener im Ober-Kommando zu ersegen. Auf Antrag des Ersten Lord des Schazamts Balfour genehmigte das Haus hierauf die erste Lesung der Vorlage, welche die Regierung ermächtigt, aus dem fkonsolidierten Fonds die Summe von ; Sterl. für Schiffsbauten zu entnehmen. Die Debatte hierüber wurde bis zur zweiten Lesung der Vorlage ausgescht. Das Haus genehmigte sodann die dritte Lesung der Finanzbill.

Frankreich.

In der Deputirtenkammer brachte gestern der Minister des Aeußern Hanotaux die Kreditforderung für die Reise des Präsidenten Faure nah Rußland ein. Bei der Begründung der Vorlage erinnerte der Minister daran, zu welchen großartigen Kundgebungen in Frankreich die Neise des Kaisers und der Kaiserin von Rußland Anlaß ge- geben habe: die damaligen Aeußerungen des - Kaisers und der Kaiserin hatten von dent esen Eit- druckd gezeugt, den dieser Empfang bei ihnen her- vorgerufen, und hätten {on zu jener Zzit voraus- sehen lassen, daß der Präsident der Republik werde eingeladen werden, den der französishen Nation gemachten Besuch zu erwidern Der Kaiser von Rußland, fuhr der Minister fort, habe soeben an den Präsidenten Faure ein Einladungsschreiben geritel, worin in nachfolgenden Worten der Befriedigung Ausdru gegeben werde, mit welcher der Kaiser den Präsidenten Faure seinerjeits die Gastfreundschaft Rußlands würde in An- \pruch nehmen sehen: „Die lebhaften Sympathien, welche mein Reich mit dem befreundeten Frankreih verbinden, sowie die Gefühle, welhe Jhnen, Herr Präsident, persönlich gewidmet find, müssen Jhnen zu bekannt sein, als daß ih nöthig hätte, Sie der Freude zu versichern, mit der Jhre Ankunft von ganz Rußland aufgenommen werden wird.“ Sogleih nach dem Eingange dieser Einladung, erklärte der Minister weiter, habe die Regierung beschlossen, das Parlament aufzufordern, dur sein Votum der Annahme derselben seitens des Präsi- denten der Republik fsih anzuschließen und „ihr so den Charakter ciner nationclen Kundgebung zu verleihen. „Wir find überzeugi“, {loß der Minister, „daß sämmt- liche Vertreter des Landes nicht zögern werden, bei diesem neuen Anlaß die Sympathien Frankreihs gegenüber Rußland zu bekräftigen und die Bande noch enger zu knüpfen, welche sie vereinen. Wir haben daher die Ehre, Jhnen eine Vorlage zu unterbreiten zu dem Zwcck, der Regierung im Hinblick auf dic Reise des Präsidenten nah Rußland den zur Durhführung derselben nöthigen Kredit zur Verfügung zu stellen.“ Die Vorlage wurde der Budgetkommission überwiesen. Alsdann trat das Haus in die Berathung der Vorlage, bctreffend die Reform der direkten Steuern, ein.

Die Budgetkommission der Deputirtenkammer hat die Kreditiforderung von 500 000 Francs für die Reise des Präsidenten Faure nah Rußland ohne Debatte angenommen. Der Abgeordrete Kranh wird heute in der Kammer über die Vorlage Bericht erstatten.

Rußland.

Der König von Siam is, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Mittag 12 Uhr mit dem Dampfboot „Alexandria“ aus Neu-Peterhof in St. Petersburg cingetroffen. Der König war von dem Großfürsten Alexander Michailowitsh, den Prinzen Svasti und Cyira und dem Gefoige begleitet und wurde bei der Ankunft von den Admiralen Avelan und Nazimoff sowie dem Präfekten und dem Kommandanten von St. Pe:ersburg empfangen. Nach Begrüßung der zum Emfange Er- schienenen schritt der König mit dem Großfürsten die Front der Ehren-Kompagnie ab und fuhr alsdann nah der Peter- Pauls-Festung, wo er die Grabmäicr der Kaiser besuchte. erau begab sich der König allein, ohne Gefolge, mit dem

roßfürsten nah dem Häuschen Peter's des Großen und bc- fichtigte dasselbe. Dann wurde im Winterpalais das Dejeuner eingenommen. Um 2 Uhr empfing der König das diplomatische Corps und kehrte gegen 5 Uhr nah Peterhof zurück. Abends fand in dem dortigen Hof-Theater eine Galavorstellung statt.

Der außerordeptlihe chinesishe Gesandte Yang-Jü, welcher an der Feier des Jubiläums der Königin Viktoria theilgenommen hatte, ist nah St. Petersburg zurückgekehrt.

Türkei.

Die Pforte hat, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel meldet, am Sonntag auf die gemeinsamen Vorstellungen der Botschafter ihre Antwort ertheilt. Gestern fand wieder eine Konferenz der Botschafter statt. Der bulgarische diplo- matishe Agent hat die Erlaubniß zur Errichtung von Handelsagenturen in Seres und Kawala verlangt.

Die „Times“ erfährt aus en vom 4. d. M.: nah Meldungen aus Arta verstärkten die Türken ihre Truppen an der Grenze und in der Nähe des Golfes von Ambrikia; bei Jsmaret und anderen Arta be- herrshenden Punkten seien \{chwere Geschüße aufgestellt. Die türkishen Truppen haben nach einer Schlägerei mit D E Kalambaka, im Norden von Thessalien, eseßt.

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Eine österreihische Kompagnie unter dem Kom- mando eines österreichishen Oberften wird, wie die „Agence e aus Kanea berichtet, auf dem Fort J ddin die Marinesoldaten ablösen, welche wieder an Bord der Kriegs- schiffe zurückehren sollen. Auf einer kleinen Jnsel vor Suda würden italienische Marinesoldaten bleiben. Die Admirale würden Suda verlassen, um sih nah der Rhede von Kanea zu begeben. Bei Kandia sei eine Barke mit Baschibozuks, welche Waffen und Munition bei fih geführt hätten, beshlag- nahmt worden.

Drei Kompagnien Bersagliezi werden, nah einer Meldung der „Agence Havas“ aus Kanea vom heutigen Tage, von Kandia nach Hierapetra abgehen und gemeinsam mit 30 türfishen Soldaten das dortige Fort beseßen.

Griechenland.

Nach einer Melèung der „Times“ aus Athen vom 5s. d. M. hat die griehische Regierung an die Gesandten der fremden Mächte eine Note betreffs der angeblichen Ausschreitungen der Türken in Epirus gerichtet.

Bei einem heftigen Zusammenstoß, welher am Sonn- tag im Piräus zwischen russischen Matrosen und Ein- wohnern stattfand, hat, der „Ager.ce Havas“ zufolge, der russische Offizier von Nelidow, ein Sohn des Botschafters in Konstantinopel, bei dem Versuch, den Streit zu \{lichten, ziemlich {were Verletzungen erlitten.

Numänien.

Da das Befinden des Prinzen Ferdinand jeßt vollkommen befriedigend ist, werden sich der König und die mi dts heute zum Sommeraufenthalt nah Sinaia be- geben.

Serbien.

Bei den Wahlen für die Skupshtina wurden im ganzen Lande 188 Radikale und 4 Oppositionelle gewählt. Durch einen Ukas sind 61 Krondeputirte ernannt worden. Von diesen sind 12 Liberale, 12 ehemalige Forilschrittler, 3 Neutrale, ‘34 Radikale. Durch cinen weiteren Ukas ift die Skupschtina für den 11. Juli zu einer außerordentlichen Session einberufen worden.

Bulgarien.

Wie die „Agence Balcanique“ meldet, ist der Minifster- Präsident Stoilow mit scinem Privatsekretär Stanciew und dem Kriegs-Minister vonSofia nah Turin abgereist, um sih dem Gefolge des Fürsten, welher dem König von Jtalien in Nom einen Besuch abstatten wird, anzuschließen. Der „Mir“ berichtet: der Fürst werde sih mit den Ministern von Rom nach Bukarest begeben, um dem König von Rumänien einen Besuch abzustatten.

Schweden und Norwegen.

Der König der Belgier traf am Sonntag inkognito in Christiania ein und seßte gestern früh die Reise nah Telemarken fort.

Amerika.

Der Senat hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, gestern cin Amendement zur Tarifbill ange- nommen, welches vom 15. Sepiember ab eine Stempelsteuer von 5 Cents per 100 Dollars auf Bonds, Schuldscheine 2c. und eine Gebühr von 2 Cents per 100 Dollars auf Transfer Certificates legt.

Afien.

Aus Kalkutta meldet das „Reuter he Bureau“, daß die Lage fortdauernd unruhig sei. Wie verlaute, sei eine weitere Bewegung im Werke: doch scheine es, daß den Ein- geborenen der Zusammenshluß mangele. Die Anzahl der bei den jüngsten Unruhen Getödteten werde auf 600 geschäßt.

Die Nachricht von dem Eindringen siamesischer Truppen auf französishes Gebiet und von der Tödtung eines Priesters (siehe Nr. 151 d. Bl.) ist, demselben Bureau zufolge, aänzlih unbegründet.

Heft 4 (1897) des „Archivs für Eisenbahnwesen“, heraus- gegeben im Ministerium der éffentlihen Arbeiten (Verlag von Julius Springer in Berlin), hat folgenden Inhalt: Erweiterung und Verrollständigung des preußishen Staats-isenbahnneßes im Jahre 1897 und Betheiligung des Staates an dem Bau von Kleinbahnen sowie an der Errichtung von landwirthfchaftlichen Getreidelagerhäusern. Die Berliner Stadtbahn (mit einer Karte). Die russischen Eisenbahnen im Jahre 1894, von Dr. Mertens. Zur deutshen Signalordnung, von Blum. Ueber Schrankenbedienung durch Frauen, von Schubert. Die Sisenbabnen in Dänemark. Kleinere Mittheilungen: Thätig keit der Königlichen technis@en Versuhsanfstalten zu Berlin im Etats- jahr 1895-96. Die Eisenbahnen in Brasilien im Jahre 1895. Eisenbahnbau in Ecuador. Bulgarishe Eisenbahnen. Betriebseinnahmen der franzöfishen Hauptbahnen. Statistisches von den deutshen Eisenbahnen. Re(htsprechung: Bürger- liGes Reht [Urtbeil des Reichsaerihts vom 17. Dezember 1894]. Wegerebt [Erkenntniß des Ober-Verwaltungêgerihts vom 1, Februar 1896]. Versfiherungsrecht [Urtheil des Neichsgerichts vam 6. November 1896). Gesetzgebung: Deutsches Reich; Denn Großherzogthum Hefen ; Desltbrellühtaen: Schwetz ; Italten.

Arbeiterbewegung.

Aus Düsseldorf wird der „Rh.-Westf. Ztg." unter tem 4. d. M. beridhtet, daßdie dortigen Zimmmergesellen die Arbeit eingestellt haben. Die Ausständigen verlangen 45 „4 Stundenlohn. Eine Anzabl von Meistern hat die Forderung zwar bewilligt, do haben die Gesellen diefer Meister erklärt, daß sie nit eber die Arbeit aufnehmen, bis sämmtlihe Meister die Forderung bewilligt haben.

Aus Speyer wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert: Der Maurerausstand ist beendigt; die elfffftündige Arbeitszeit und Accordarbeit werden beibehalten, eine Lohnerhöhung wurde zu- gestanden. 5

Aus Glückstadt wird dem „Vorwärts“ geschrieben : In dem Baugeschäft von Eggers u. Witt wurde am Sonnabend Morgen von fämmtlihen Maurerny, Zimmerern, Tischlern und sonstigen Bau- arbeitern die Arbeit niedergeiegt. Als Grund wird angegeben, daß die Ausftändigen die Entlaffung eines Architekten forderten, welche die Arbeitgeber E NTIET

Hier in Berlin haben nach demselben Blatte die Zimmer- leute gestern Abend in einer Versammlung befhlossen, heute an alle Arbeitgeber die Forderung eines Stundenlohnes von 60 S zu stellen und, wo diese niht bewilligt wird, die Arbeit niederzulegen.

Aus Budapest wird dem „W. T. B.“ zur Ausftands- bewegung der lTandwirthschaftlihen Arbeiter in Ungarn gemeldet: Die Ernte geht in den meisten Komitaten obne Störung von statten. Nach einzelnen Ortschaften, in welchen die Ar- beiter ausftändig waren, wurden von der Regierung fremde Schnitter, ira ganzen über 4000 Mann, befördert, durch deren Hilfe die Fortseßung der Arbeiten ermöglicht wurde. An mehreren Orten nahmen die Auê- ständigen bei Ankunft der fremden Scchnitter die Arbeit sofort wieder auf. Der Ackerbau-Minister bat verfügt, daß die der Arbeiter- reserve entnommenzn Mannschaften stets durch neue erseßt werden. Wie die „Wien. Abdp.*“ aus Budapest meldet, hielten am Sonntag etwa 800 Ziegelarbeiter eine Versammlung ab, in welcher sie ihre Lohnerhöhung betreffenden Wünsche darlegten. Menn die Arbeitgeber die Forderungen nit bewilligen, soll der Aus- Fand beginnen. i Ï

Aus London wird der „Köln. Ztg." zum Ausstand der Maschinenbauer telegraphiert: Der vollziehende Ausschuß der Vereinigung der Maschinenbauarbeiter bat für den Fall, daß die ver- einigten englishen Maschinenbau-Arbeitgeter auf den Ausftand eines Theils der Londoner Arbeiter, wie angedroht, mit Auésperrung von 25 9/9 ihrer Arbeiter antworten, bes{lossen, ten Ausftand der übrigen 75 9/6 anzu- ordnen, und erließ diesem Bes&luf entsprehende Weisungen. Vom gestrigen Tage wird ferner gemeldet, auf den Schiffswerften an der Themfe si am Sonnabend ein Arbeiterausstand verkündigt worden, der bereits viele Tausende von Leuten umfafse.

In Cremena durcbzogen geftern, einer Mailänder Meldung der „Frff. Ztg.* zufolge, Schaaren von Seidenspinnerinnen die Stadt und die Vororie und erzwangen überall die Einftellung der Arbeit. In Biella begann ein Theilauëstand der Arbeiter der Tuchfabriken.

Aus New- Vork wird der Londoner „Times" vom geftrigen Tage gemeldet, daß die Nachrichten über den Ausstand der amerifanishen Kohblenbergwerksarbeiter weniger ernst lauteten : die Keoblenarbeiter in Ohio seien nit einig.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Aus dem Rechenschaftsberi{t des österreihischen Post-Sparfkassenamts für 1896.

Der kürzlih veröffentlihte Rechenschaftsbericht des österreichischen Poft-Sparkafsenamts für 1896 weist für Ende des Berichtsjahres einen Bestand an Einlegern im Sparverkehr von 1174202 nah: das bedeutet gegen das Vorjabr eine Zunahme von 64 811. Der Beirag der Einlagen im Berichtéjahr einschließlich der kapitalisierten Zinsen bezifferte sich auf 39 892 581 Fl. 41 Kr., d. h. 5 443 674 Fl. 73 Kr. mehr, und der Saldo im Sparverkehr hatte am Ende 1896 die Höbe von 49 691 986 Fl. 67 Kr. erreicht. Auf 1000 Köpfe der Gesammtbevölkerung der österreidiswen NReichsbälfte entfielen 1896: 48 Besitzer von Post-Spa1kassenbüche:n, 1895: 46 und 1894: 44. Von den am S@&l[uß des Berichtsjahrs vorhandenen Einlegern waren

im Alter von

bis 10 10—20 20—30 30—49 40—50 5%50—60

19475 326340 2/8825 169850 #607 15477

60—70 70—80 80—90 über 90 Jahre

10 683 4171 190 6 Perfonen.

Dazu kommen 747 Personen unkekannten Alters und 10531 Vereine und juristishe Personen. Nah der Sprache waren von den physishen Perfonen 880 113 deutsch; 185 978 böhmish; 57 786 polnish; 1651 ruthenisch; 8470 slovenisch; 3853 kroatish; 36 740 italienis{; 311 rumänisch. Nah dem Stand und Beruf endlih waren von den Ende 1896 vorhandenen Einlegern von den Vereinen und juristishen Personen abgesehen 149 777 Kinder ; 346 901 Studenten und Schüler; 57398 Private; 57 742 Ebefrauen und Wittwen; 19058 Staats-, Landes- und Gemeindebeamte; 29 347 Privatbeamte; 6050 Geistliche; 23 433 Militärs; 14252 Sicherheits- organe und Finanzwache; 26 436 Gelehite, Professoren, Lehrer und Künstler; 1416 Advokaten und Notare; 2682 Aerzte, ärztliche Per- sonen und Apotheker ; 725 Dichter, Schriftsteller und Journalisten ; 21087 Kaufleute; 2605 Fabrikanten; 32759 selbständige Gewerbetreibende und Handwerker ; 156 012 Gewerbe- und Handwerksgehilfen und Lehr- linge: 13 413 selbständige Landwirthe ; 24 880 Handelsgehilfen ; 19 937 Fabrikarbeiter; 25588 Lohnarbeiterinnen; 9111 landwirthschaftliche Arbeiter: 99 534 Diener und Dienstboten; 12 365 Tagelöhner; 2458 Berg-, Hütten- und Forftleute (Besißer und Beamte); 5501 Berg-, Hûtten- und Forstarbeiter ; 1427 Seeleute; 2326 Personen unbekannten Berufs; 163 Sträflinge. | E

Das durchschnittlihe Guthaben eines Einlegers stellte sich Ende 1896, abzüglich der fog. reservierten Konten, die nur wenige Kreuzer Zinsen aufweisen, auf 48 Fl. 34 Kr. gegen 46 Fl. 20 Kr. und 43 Fl. 37 Kr. in den beiden Vorjahren.

Von Interesse sind ferner folgende Angaben über das Euthaben der Einleger und das Verhältniß derselben zur Einwohnerzahl ia den einzelnen Ländern am Schlusse des Jahres 1896 : Guitat : E T uthaven aus Gesammtguthaben 1000 Œinwobner

Fl. F.

15 241 746 5409 1 633 963 2029 Sa 710 318 3985 Tirol und Vorarlberg 4 087 083 4364 Se. e e 5 1 760 229 1339 A L Sue 777 067 2108 at 400 066 794 Küstenland s 3 414 530 4774 Dalmatien 1 668 425 3007 E i in 9 607 49s 1607 M e ee ere 3933 753 1685

1:0

2

Oesterreich unter der Enns Oefterreih ob der Enns

3 Schlesien . 68 317 2495 Galizien 007 887 434 DuioliA ae e 465 158 i 683

(Die Kreuzer sind in vorstchender Uebersicht nicht angegeben.)

Sebr erheblih bat au der Check-Verkehr zugenommen. Er erreidte im Berichtsjahre einen Umsay von 3 310 052 520 FI. 16 Kr. gegen 2 970 170 049 FI. 42 Kr. und 2730 952 273 Fl. 33 Kr. in den beiden Vorjahren. Das Einlagesaldo hatte sich_ 1896 um 9 613 069 Fl. 42 r. vermehrt. Checkfonti waren am Schluß des Jahres auf- rehterhalten 30 837, d. i. 2474 mebr als im Vorjahre. Von den am Checkverkehr theilnehmenden Personen stellten das verhältnißmäßig größte Kontingent die Kaufleute mit 11329, näâchstdem die Fabrikanten mit 4819, und außerdem nahmen unter Anderen theil 286 Apotheker, 382 Baugewerbetreibende, 349 Banken u. dgl., ferner Brauereien und Mälzereien 352, Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen 297, Buchdruckereien u. dgl. 293, Eisen-, Stahl-, Sensen-, Montanwerke 268, Gastwirthe u. dgl. 352, Mühlenbesiyer 526, Agenten u. dgl. 651, Ingenieure und Techniker 355, sonstige Gewerbetreibende 2121, Spar- faffen 240, Spar- und Vorschußrvereine 389, sonstige Vereine und Korporationen 1754. #

Von den Checkbuchbesißzern nahmen 22918 oder 74,3 %/ am Clearingverkehr theil, und die Gut- beziehungsweise Laftschriften in diesem Verkebr beliefen sich im Berichtsjahre auf 551 283 248 Fl. 41 Kr. gegen 482 031 950 FI. 31 Kr. im Vorjahre. Für die Theil- nehmer im Clearingverkehr wurden 2164988 Transaftionen mit einem Umsaß von 1 102 566 496 Fl. 82 Kr. vollzogen. e

Bezüglich des von der Post-Sparxkasse ausgeführten Staats- papiergeschäfts sei mitgetheilt, daß die Summe der für Rechnung der Einleger angekauften Effekten sih 1896 auf mehr als Millionen Gulden bezifferte und seit Bestand der Post-Sparkasse auf rund 57 in inlonen, wovon 25 900 000 Gulden nom. in Verwahrung des Amts

ieben.

Nach dem General-Gewinn- und Verlust-Konto stellte sich im Berichtejahr das Gesammterträgniß des Post-Sparkassen-

amts ouf 3196 278 Fl. 35 Kr. Hiervon wurden beftritten die Aus- lagen im Gesammtbetrage von 1 491 950 FI. 35 Kr., sodaß fih ein Reinerträgniß ergeben hat von 1704319 FL. Von diesem war nah entsprehender Dotierung verschiedener Fonds des Amts ein Ueberschuß von 1112265 Fl. 11 Kr. bestimmungêgemäß an die Postanftalt abzuführen.

Kunft und Wissenschaft.

Neuerwerbungen der Königlichen Gemälde-Galkerie und der Sammlung chrisiliher Bildwerke.

In der kleinen Vorhalle der Gemälde:Galerie im Alten Museum find feit kurzem wiederum die Neuerwerbungen zu einer reiben Gruppe zusammengestellt. Zwischen den Bildern ftehen einige Werke der Renaifsance- Plastik. Die meisten diefer neuen Ansckaffungen werden dem im vorigen Jahre begründeten „Kaiser Friedrit-Mufeums-Verein“ verdankt, einer Vereinigung, von deren energisdem Wirken zum Besten unserer ôffentliden Sammlungen {or die Gruppe der vorjäbrigen Erwerbungen lautes Zeugniß abgelegt bat. Stand bisber die Tafel Jean Fouquet's im Mittelpunkte der linken Wand des Borraums, so if nunmehr dieses merkwürdige und in feiner Art einzige Stück ein wenig bei Seite ges{oben, um dem „Holbein“ Play zu schaffen. Von diesem „Holbein“, der am 1. Mai d. I. in London auf der Nachlafauktion des berühmten englishen Malers I. E. Millais für den Kaiser Friedrih-Museums- Verein mittelbar für unsere öffentlichen Sammlungen angekauft worden ift, war schon bie und da in den Tages8zeitungen die Nede. Der lebhafte Kunsthandel der leßten Jahrzehnte bat sich mit Schöpfungen Holbein's fast garnicht beschäftigen können. Was außerhalb Englands an Werken dieses Meisters vorhanden ift, ruht seit langem als unverrückbarer Besiß in den öffentlihen Sammlungen. Die in England noch im Privatbesiß bewahrten Porträts sind fast sämmtlich in der Hand des boben Adels und gefichert vor den Wellen des Kunsthandels. Die Londoner National Gallery, die gewiß ein lebhaftes Interesse hai oder doch haben |ollte, Schöpfungen des größten Malers, der auf englishem Boden gearbeitet hat, zu erwerben, besißt nur ein Bild des Meisters, das fe freilih mit einm fo gewaltigen finanziellea Opfer an sih gebracht hat, daß wecbl die Meinung berrshen mag, damit fei die Ver- pflihtung gegen Holbein ein für alle Male abgelöst. Die 1891 von dem Earl of Radnor für die National Gallery erworbenen s\o- genannten Gesandten find ein zu ungewöhnliches und außerordent- lihes Werk unter Holbein’s Scköpfungen, als daß der Meister damit lehrreich vertreten wäre. Die „Gesandten“ sind kein Beispiel der Regek, sondern eine Ausnahme. Unser neuer „Holbein*, der auf der Dresdener Holbein-Ausftellung 1871 zuerst weitezen Kreisen bekannt wurde und seittem în der Literatur stets mit Ehren erwähnt worden ift, erscheint als ein rechtes Beispiel der Regel, als die gleichsam normale Schöpfung der mit erstaunlicher Sickerheit auf englishem Boden von Holbein geübten Porträtier- kunst. Keine Luft, keine Raumwirkung! Der Kopf stebt in halber Seitenansiht auf dem hellblauen Grunde, der neutral ersheint wie ein Reliefgrund. Die Hände sind nicht sihtbar; zum theil sind sie unterhalb der Bildflähe, zum theil find sie dur ein muffartiges Kleidungsstück verfteckt. Die rubigen, dunkeln Flächen der Gewan- dung, rothe Seide, chwärzlides Tuch, shwärzlider Damast, schwarzer Sammet bilden die glücklihste Folie für den Teint, der mit edeler reiner Klarheit leuchtet; dazu der mit hellen Fäden durhsponnene dunkele Bart, ein Wunderwerk und doch kein Virtuosenstück. Das Ganze erscheint ebenso groß und einbeitlich, wie das Einzelne genau und scharf. Die Erbaltung der Tafel ift vollkommen. Wer der dar- gestellte willensstarke und ¿ähe Mann ift, wissen wir nicht. Er scheint kein Würdenträger, kein Mitglied der englischen Hofgesellshaft zu fein, eher ein englischer Kaufberr, den das Leben ein wenig müde und etwas hart gemachht hat, der im Grwerben stark und noch stärker war im Festhalten des Erworbenen.

Neben dem „Holbein“ treten die anderen zum erften Mal aus- gesieliten Gemälde ein wenig zurück: ein Madonnenbildchen des Dirk Bouts mit cirem überaus individuell gestaltenen Christkinde; ein kÉlcines Frauenbildniß des Florentiners Bacchiacca, für den die neuere kunsthiftoris{e Literatur fich lebhaft intere!siert und der in der bescheidenen, neu erworbenen Tafel namentli koloriftisch eine höchst interessante Wirkung erzielt. Rechts bängt ein Bild des 17. Jahrhunderts, das durch feine kühne und freie Malweise ih neben den rubigeren Werken der früßeren Perioden \türmisch bemerkbar macht: Nymphen im Bade, von Satvrn überrasht «ine Schöpfung des jungen, frübreifen Van Dyck, der seine große Begabung anspannte, es Nubens und Titian gleihzuthun. Auf der gegenüberstehenden Wand hängt ein merkwürdiges Dekoration®- tüd der italienishen Frübrenaiffance, eine Stadtansiht in lichter Färbung, mit genauer Anwendung der neu errungenen Kenntnifse der Perspektive gezeihnet. Es giebt nur ein Werk noch dieser Art, an- scheinend von derselben Hand, in der Sammlung zu Urbino, das dem Piero della Francesca zugeschrieben ift. Piero genießt den Nubm eines großen Theorctikers und Lehrers der Perspektive. In feiner Nähe mindestens, im Bannkreise seines Einflufses mögen die beiden interessanten Ansichten, die in Urbino und die unsrige ent- standen sein. j :

An Bildwerken sind unter den Neuerwerbungen zwei deutsche, be- malte und vergoldete Holzskulpturen, die dur den energischen Ausdrudck in den etwas groben Köpfen und namentlich dur bestimmte, ein wenig willkürlithe Bewegungen des Faltenwurfs sich _ als Arbeiten aus der Werstätte des Nürnberger Bildschnizers Veit Stoß zu erkennen geben. Zwei Marmorarbeiten, von denen die eine einem Meister aus der Gefolgshaft Donatello?’s, die andere, wenigstens dem Ent- wurfe na, dem Verrocchio angehört, und das Stuckcelief eines römischen Imperators bereichern erfreulich die Abtheilung der italienishen MRenaifsance-Plastik. Das Stuckcelief, das dem Donatello zugeschrieben wird, if merkwürdig durch die wohl- erhaltene ursprünglihe Bemalung, die sebr geshickt die harten Stein- arten, Porphyr und Verde antico, imitiert. i A

Das bedeutendste neue Bildwerk aber ist die breite, massige Thon- büste eines Mannes in mittleren Jahren, die unter dem Namen des Sperandio ausgestellt ist. Die alte Bemalung ift fast vollständig von der Oberfläche des röthlihen Thones verschwunden. Doch wirkt das Bildniß dieser Renaissance-Persönlichkeit mit ihrem vershmißten Behagen an der eigeren Klugheit und Lekenskunst noch jeßt fo er- staunlih lebensvoll und intim bei aller Monumentalität, daß wir uns faum vorstellen können, was die nun fehlende Bemalung dem Eindruck hinzugefügt hat. Ihr Meister, der in Bologna und Mantua thätige Sperandio, ift namentlich als Bildner Pee und her- vorragend breit behandelter Porträtmedaillen berühmt. Die unver- gleihlihen Florentiner Porträtbüsten, von denen unsere Sammlung ja cine besonders große Zabl besißt, übertreffen das neu erworbene Bildniß höchstens dur dic edle Strenge des Stils, sonst in keinem Betracht.

Ueber prähiftorishe Zeichnungen, die man in einer Höhle gefunden hat, wird der „Frankfurter Ztg." aus Paris vom 3. d. M. berihtet: Vor einem Jahre ungefähr untersuchte der be- fannte Paläontologe &. Rivière in der Dordogne bei dem Dorfe La Mouthe im Kreise von Sarlat eine zehn Meter tiefe Höhle, in welcher sh geschliffene Kieselste1ne und primitive Thonscherben fanden. Der Gelehrte erkannte bald, daß es sich da um zwei Schichten prähistorischer Ansiedelung handelte, von denen die obere der neolithishen, die untere der paläolithishen Periode angehörte. Die egc waren reichli und werthvoll, aber lehrten nichts Neues, Als aber Rivière an der hinteren Höhlenwand weiter grub, eröffnete sich ein {maler Schacht, durch welchen er kriehend in eine weit größere, 147 m tiefe Höhle gelangte. Niemand unter den Kindern des Landes hatte von dieser zweiten Höhle eine Ahnung gehabt. JFhr Zugang war offenbar hon seit Jahrtaufenden dur neue Kalk- und Tropfsteinbildungen vershlossen worden. Das Merk- würdigste war jedoch, daß die Wände dieser neuen Höhle mit zahl-

reichen, iwecifellos prähiftorischen Zeihnungen bedeckt waren. Diese Zeichnungen stellen ein Unikum in der Paläontologie dar, welches, wie es \cheint, nur in der noch nichi genügend erforschten Höôble von Altamira in Spanien eine Analogie besißt. Die Umrisse find einfa eingerißt, aber ftellenweise findet sich auh der Ansaß zur Malerei durch aufgetragene braune Ockerflecken. Mit großer Mühe gelang es dem Gelehrten, vier dieser Zeichnungen ge- nügend von ihrem Ueberzug von Tropfstein zu reinigen, uúm sie bei einer Beleuchtung von 140 bis 150 Kerzen und einer Exposition von viereinhalb bis sechs Stunden photographieren ¡u föônnen. Die „Revue Encyclopédique“ giebt in ihrer leßten Nummer diese vier primitiven Versuche bildliher Darstellung wieder. Der interefsanteste und relativ best ausgeführte läßt deutlich den in bifto:.isher Zeit in Frankreich au®geftorbenen Auerohsen erkennen, von welhem Knochenreste in der Högle selbs gefunden wurden. Freilich if der Höcker des Thieres zu groß gerathen. Statt blei die Shultern zu erböben, seßt er si fast bis zum Schwanzanjatze fort. Auch der Ansay der großen gebogenen Hörner ift niht der üblihe, aber die Kopfform stimmt, und auch der eigenthümliche Bart unter dem Unterkiefer ift durch zablreihe Striche deutlih angegeben. Die Beine sind richtig gebildet, aber viel zu klein im Verhältniß ¿zum Körper. Eine zweite Zeichnung stellt eine Hirschart da. Die Pose ift aus Absicht oder aus Ungeschick fehr ungewöhrlich. Die Vorderbeine find stark nah vorn aeftemmt und der nur in Spuren sichtbare Kopf stark zurückgebogen. Ob der tonnere Umrif des Bauches wirklich ein trähtiges Thier darstellen foll, mag dahingestellt bleiben. In dieser Figur ift eine Reihe von Ockerflecken offentar mit Absicht den Rücken entlang an- gebracht worden, um die Zeichnung des Fells anzudeuten, das den- nach einer Damhbindin oder einer NRenntbierkuh zuzuweisen wäre. Die dritte Thierfigur if ein räthselhaftes Mittel- ding zwishen Rind, Pferd und Schwein. Der Kopf scheint einem Pferde, der Leib und der Schwanz einem Ninde und die kurzen Beine einem Schweine anzugehören. Rivière sieht in dem Wunder- thier nur einen unglüdcklihen Versuch, irgend eine Rinderart darzu- stellen. Dem Umfang nah if diese Zeichnung die größte; denn sie mißt 1,38 m, während der Auercchse nur 1 m lang und 0,55 m hoch ift. Die vierte Zeichnung besteht, wie es scheint, nur aus \hräâgen Ockerstreifen mit cinem Ansaß zu Zickzackbewegung, die fich links oben in fleizerem Maßstabe wiederbolt. NRivière will darin êine zeltartige Hütte in Dreiviertel-Stellung und in den feinen Zickzacks ein Hüttenlager in der Perspektive erkennen, was wohl etroas gewagt sein dürfte. Der ornamentale Versuh genügt zur Erklärung. Der verdienitlihe Entdecker der Höhle von La Mouthe hat übrigens seine Untersuhungen noch lange niht abge- \{lofsen. Die Regierung leistet ihm bereitwillig Vorshub und hat ihn auch mit einer vergleihenden Untersuhung der spanischen Höblenzeichnungen zu Altamira beauftragt. Die Paläontologen seben jeinen weiteren Entdeckungen mit gespanntem Interesse entgegen.

Die Akademie der Wissenschaften zu Paris hat, nach einer Meldung des ,„W. T. B.*, den Geheimen Medizinal-Rath, Frotelor Rudolf Virchow zum wirklihen auswärtigen Mitgliede gewählt.

Aus Rom erfäkrt ,W. T. B.*, daß auf Wunsch des Königs der Ingenieur Marconi, welher gegenwärtig im Marine- Ministerium Versuhe mit dem von ifm erfundenen Verfahren der Telegraphie ohne Drähte anstellt, im Quirinal eine Reike von Experimenten mit seiner Erfindung in Gegenwart des Königs und der Königin vorführen werde.

Ueber Andrée’s Nordvol-Expvedition wird unter dem 28. Iuni von der Dänischen Insel telegraphish gemeldet, daß die Füllung des Ballons am 19. Juni Morgens begann und drei Tage dauerte. Die Herstellung des Gases verlief ausgezeichnet; die Dichtig- keit des Ballons war befriedigend. Die Winde waren bisber über- wiegend nördli, und es war alles bereit für den Aufstieg, der am 1. Juli erfolgen sollte.

Literatur.

Zu den 16 Bänden der vierzehnten Auflage des Brockhaus- schenKonversations-Lerikons erschien soeben ein Supplement - Band, der alles das ergänzt und nahträgt, was seit dem Beginn der Redaktion der neuen Auflage, ver vier Jahren, an Aenderungen oder neuen Ereignissen eingetreten ist Der Band, der das Werk somit eigentlich erf ¿zum Abschluß bringt, enthält nicht weniger als 5305 Stichworte, 1036 zweispaltige Seiten T xt scwie 59 Tafeln in Schwarz- oder Farbendruck und Karten. In dem Artikel „Deutschland“ ist bereits die Volks- zäblung von 1895 berüdsihtigt und die Tabelle der Octschaften des Deutschen Reis dana korrigiert. Neu binzugekommen sind die tabellarishen Genealogien der Häuser Hohenzollern und Habsburg. Der Kinematograpb, die Verhandlungen der in Venedig abgehaltenen Konferenz zur Berathung vos Abwehrmaßregeln gegen die Pest, die Ergebnisse der Anwendung des Diphtherie - Heil- serums, die Entdeckung des Würzburger Professors- RNöntgen und viele andere Erfindungen, tehnishe Verbesserungen 2c. sind in gedrängt abgefaßten, schnell belehrenden Artikeln behandelt. i Die Farbendrucktafeln und Karten sind in der Breckhaus'schen Kunst- anstalt mit der aus den vorangegangenen Bänden wohlbekannten künstlerischen und tehnishen Sorgfalt ausgeführt; den Vorwurf bil- den u. a. die „leuhtenden Thiere“, Spielkarten aus älterer und neuerer Zeit und verschiedenen Ländern, die Eishöhlen, die Eier unserer Sing- vôgel, farbige Ornamente, die Röntgenstrahlen 2c. Von den kartographischen Tafeln seien hervorgehoben die Karten der durch aktuelle Ereignifse in den Vordergrund des Interesses gerückten Länder 2c.: Japan und Korea, das osmanishe Reich seit 1683, Cuba, Delagoa-Bay, Sudan, ferner die Karten zur Veranshaulihung der Verbreitung von In- fektio:skranfheiten in Deutschland, des deutschen Welthandels und der Währuncçsverhältnifse. : .

Bon der neuen Subfkripticns- Ausgabe des populären Sammel- werks „Hausschay des Wissens* (Valag von I. Neumann, Neudamm) liegen jeßt die Hefte 10 bis 17 vor. Sie enthalten die Fortseßung und den Schluß des ersten Bandes, der das Thierr ei ch behandelt, nämlich den Schluß des sechsten Stammes oder Kreises des Thierreihs: ,Weichthiere“, von Profeffor Dr. Eduard von Martens, und den siebenten Stamm (Wirbelthiere) : Fische, von Dr. Ludwig Staby. Der zweite Band beginnt mit der Fortseßung des e Stammes (Wirbelthiere): Lurche, von Bruno Dürigen, Kriehthiere und Vögel, von Dr. Paul Matschie. Außer zahlreichen Tert-Jllustrationen von namhaften Thiermalern enthalten die vorliegenden Hefte folgende fünstleris ausgeführteBuntdrucktafeln: Zierfische imAquarium (Paradies- fish, Shleiershwanz-Golt fis 2c.), SpanischeEidehsen,Singvögel (Dom- pfaff, Buchfink, Stieglitz, Amsel 2c.). Die Darstellung ift für den Selbstunterriht gemeinverständlih und unterhaltend geshrieben. Sie bietet nit eine bloße Systematik, sondern es werden auch die Beziehungen zwishen Bau und Leben erörtert und aus diejem Ges» sihtépunkt die Thierwelt in ihren mannigfachen Formen erkennen und verstehen gelehrt. Jeder der 10 Bände des Werks wird etwa 50 Bogen, alfo 800 Seiten, umfassen und mit ca. 500 Abbildungen im Tert “sowie zahlreihen Tafeln in Shwarz- und Farbendruck ges \chmüdt sein. Die erste Licferung, welche eine reih illustrierte all- gemeine Uebersicht über das ganze Unternehmen, 9 Bogen Text und drei prächtige Farbendrucktafein enthält, wird von der Verlagsbuch- handlung umsonst und portofrei versandt. Jedermann kann ih dana über 2weck und Werth dieses Sammelwerks informieren. asfelbe ersheint in 192 wöchentlichen Lieferungen zum Preise von je 50 S.

„Sqchiffslieder* von Gabriele von Roch ow. (Deutsches Verlagshaus Bong u. Co., Berlin W.; Preis geheftet in farbigem Umschlag 1 Æ, eleg. gebunden in Taschenbuh-Format 2 M) Die in diesem Bändchen gesammelten Lieder besingen in gefälliger Form und mit warmer Empfindung das Leben der Seeleute in seinen mannigfachen Lagen. Theilweise sind sie im Versmaß fo eingerichtet, daß sie nah allbekannten Volksmelodien gefungen werden können, andere sind von C. Bohm leiht sangbar und melodiös fomponiert.