1872 / 87 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Apr 1872 18:00:01 GMT) scan diff

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{Bulletin des lois 516 No. 3930) die nadftchend bezeichnetcn Vor- rechte ertheilen : , i ; i :

1) die Gesellschaft kann ihren Schuldnern gegenüber alle Rechte und die speziellen Mittel zur Exekution anwenden, welche durch. das vorerwähnte Dekret und das dieses Dekret abändernde ' Geses vom 10. Juni 1853 (Bulletin des lois 56 No. 516) cingeführt find /

2) die Hypothekencinschreibungen zu Gunsten der Gesellschaft ge- nießen den Vortheil des Artikels 47 des Dekrets vom 28. e bruar 1852; : E.

3) die Gesellschaft hat das Recht; wenn sie es für zweckmäßig hält ; die Purgation der geseßlichen und stillschweigenden Hypotheken nach Artikel 1 des Geseßes vom 10. Juni 1853 zu erwirken ;

4) die von der Gesellschaft gegen Verpfändung von Pfandbriefen oder Kommunal -Obligationen geleisteten Vorschüsse unterliegen dem Geseke vom 19. Juni 1857 (Bulletin des lois 512 No. 4683).

Die Bestimmung im Artikel 46 des era e Dekrets vom 28. Februar 1852 findct auf die gedachten Pfandbriefe keine An- wendung. : i :

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei- gedrucktem Kaiserlichen Insiegel. |

Gegeben Berlin den 18. März 1872,

Ee 5) Wilhelm. Fürst v. Bis8mar ck.

* (Das in der notariellen Urkunde vom 8. Februar 1872 verlaut- barte Statut der Yttiengele wars für Boden- und Kommunalkredit in Elsaß-Lothringen wird dur die »Straßburger Zeitung und amt- lihe Nachrichten für Elsaß - Lothringen« und durch die »Zeitung für Lothringen« veröffentlicht.)

Nl S RERRTE (Dame

Reichstags - Angelegenheiten.

Berlin, 12. April. Der dem Reichstage vorgelegte Entwurf eines Gesetzes , betreffend die Recht8verhältnifse der Reich8beamten, lautet (Schluß):

6. 52, (Nachweis der Dienstunfähigkeit.) Zum Erweise der Dienstunfähigkeit eines seine Verseßung in den Ruhestand nachsuchen- den Reichsbeamten is die Erklärung der demselben unmittelbar vor- geseßten Dienstbehörde erforderlich, daß fie nah pflichtmäßigem Er- prag ia Beamten für unfähig halte, scine Amtspflichten ferner

u crfüllen.

y In wie weit andere Beweismittel zu erfordern oder der Erfklä- rung der unmittelbar vorgescbßten Behörde entgegen für ausreichend zu crachten sind; hängt von dem Ermessen der über die Verseßung in den Ruhestand entscheidenden Behöîde ab. y

F. 53. Die Bestimmung darüber, ob und zu welchem Zeitpunkte dem Antrage eines Beamten auf Verseßung in den Ruhestand statt- zugeben ist, sowie ob und welche Pension demselben zusteht, erfolgt durch die oberste Reichsbehörde. Bei denjenigen Beamten, welche eine Kaiserliche Bestallung erhalten haben, ist die Genehmigung des Kaisers zur Verseßung in den Ruhestand erforderlich. |

F. 54. (Zahlbarkeit der Penfionen.) Die Verseßung in den Ruhestand tritt; sofern nit auf den Antrag oder mit ausdrücklicher Qustimmung des Reichsbeamten ein früherer Zeitpunkt festaeseßt wird, mit dem Ablaufe des Vierteljahres ein, welches auf den Monat folgt, in welchem dem- Beamten die Entscheidung über seine Verseßung in den Ruhestand und die Höhe der ihm ctwa zustehenden Pension (§. 53) bekannt gemacht worden ist. U

F. 59. - Die Pensionen werden monatlih im Voraus gezahlt.

§. 56. (Kürzung, Einziehung und Wiedergewährung der Pen- sionen) Das Recht auf den qug der Pension erlischt durch rehchts- fräftige Verurtheilung zu einer Strafe, welche, wenn sie während der Dienstzeit des Beamten verhängt worden wäre, den Verlust des Amtes kraft des. Gesehes nach sich gezogen hâtte.

§. 57. Das Recht auf den Bezug der Pension ruht: 1) wenn ein Pensionär das deutsche Indigenat verliert; bis zu etwaiger Wieder- erlangung desselben; 2) wenn und so lange ein Pensionär im Reichs-, im Staats- o der im Kommunal-Dienste cin Diensteinkommen be- zieht, insoweit als der Betrag dieses neuen Diensteinkommens unter Hinzurechnung der Pension den Betrag des von dem Beamtcn vor der Pensionirung bezogenen Diensteinkommens übersteigt.

§. 58. Ein Pensionär, welcher in eine an sich gur Pension be- rechtigende Stellung des Reichsdienstes wicder eingetreten ist (Y. 57, Nr: 2), erwirbt für- den Fall des Zurücktretens in den Ruhestand den Anspruch auf Gewährung einer nach Maßgabe seiner nunmehrigen verlängerten Dienstzeit Und des in der neuen Stellung bezogenen Diensteinkommens berechneten Pension nur dänn, wenn die neu hin- zutretende Dienstzeit wenigstens cin Jahr. betragen hat. J j

Mit der Gewährung einer hiernach neu berechneten Pension fällt bis auf Höhe des Betrages derselben das Recht auf den Bezug der früheren Pension hinweg. e “A

F. 59. Erdient ein Pensionuär, welcher in eine an sich zur Pen- sion berehtigende Stellung des Staats- oder Kommunaldienstes ein- getreten ist, in dieser Stellung cine Pension, so findet neben derselben der Fortbezug der auf Grund dieses M gewährten Pension nur in. dem durch §..57 Nr. 2 begrenzten Umfange - statt. :

___§. 60. Die Einziehung, Kürzung - oder Wiedergewährung der Pension auf Grund der Bestimmungen in den §F§. 56 bis 59 tritt mit dem Beginn desjenigen Monats ein, welcher auf das, eine solche Veränderung nach sich ziehende TLGONME folgt.

Im Falle vorübergehender Wiederbeichästigung im Reich8-, im

Staats- odcr im Kommunaldienste gegen Tagegelder oder eine ander- E

weite Entschädigungy findet die im

e Cn chlußsaße des §. 39 enthaltene Vorschrift Anwendung. i

F. 61. (Zwangsweise Verseßung in den Ruhestand.) Ein Reichs-

beamtecr; wel@er durch Blindheit - E oder ein sonstiges förper-

lihes Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geisti-

en Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist; oll in den Ruhestand verseßt werden.

g. 62. Sucht der Beamte in einem solchen Falle seine Verseßung

in den' Ruhestand nicht nah, so wird ihm oder seinem nöthigenfalls

aa besonders zu bestellenden Kurator von der vorgeseßten Dicenst- | e

hörde unter Angabe des zu gewährenden Pensionsbetrages und der

Gründe der Pensionirung erössnet, daß der Fall seiner Verseßung in den Ruhestand vorliege.

L 63. Innerhalb sech8 Wochen nach einer folchen Eröffnung

(§8. 62) fann der Beamte seine Einwendungen bei der vorgeseßten

ienstbehörde anbringen. Js dies geiMeben ¡ fo werden die Ver-

handlungen an die oberste Reichsbehörde eingereicht, welche, sofern

nicht der Beamte cine Kaiserliche Bestallung erhalten hah über die |

Pensionixung entscheidet.

Gegen diese Entscheidung steßt dem Beamten der Rekurs an den Bundesrath binnen einer Frist von vier Wochen na Empfang der Entscheidung zu.

es Rekursrehts ungeachtet, kann der Beamte von der obcrftcn- q

Reichsbkehörde fofort der weiteren Amtsverwaltung vorläufig ent-

hoben werden. i L » Hat der Beamte eine Kaiserliche Bestallung erhalten, fo erfolgt die Entscheidung vom Kaiser nach Anhörung des Bundesraths.

F. 64. Dem Beamtew dessen Verseßung in den Ruhestand ver-

fügt ist, witd das volle Gehalt noch bis zum Ablaufe desjenigen |

Vierteljahres fortgezahlt, welchcs auf den Monat folgt, in dem ihm die \chlicßliche Verfügung (F. 63, Absaß 1, beziehungsweise 4) über die erfolgte Verseßung in den Ruhestand mitgetheilt worden ist.

. 65. Wenn der Beamte gegen die ihm gemachte Eröffnung F (F: 62) innerhalb sech8 Wochen feine Einwendung erhoben hat, so F derselben Weise verfügt, als wenn er feine Pensionirung |

wird in elbst nachgesucht hätte. f | ie Zahlung des vollen Gehalts dauert bis zu: dem im. §. 64

bestimmten Be 5 ¿ j . 66. Ist ein Beamter vor dem Zeitpunkt, mit welchem die

E Ras für ihn eingetreten scin würde; dienstunfähig F

geworden, so kann er gegen seinen Willen nur unter Beobachtung

derjenigen Ma welche für die Disziplinar - Untersuchung vor- | i

geschrieben sind; in den Ruhestand verseßt werden.

Wird es jedoch von der obersten Reichsbehörde mit Zustimmung des Bundesrathes angemessen befunden, dem Beamten cine Pension zu dem Betrage zu bewilligen, welcher ibm bei Erreichung des vor- gedachten Zeitpunktes zustehen würde, so fann die Penfionirung des- jelben nah den Vorschriften der §§. 61—C5 s Ae D

F. 67. (Bewilligungen für Hinterbliebene.) Hinterläßt ein Pen- sionär eine Wittwe oder eheliche Nachkommen, so wird die Pension noch für den auf den Sterbemonat folgenden Monat gezahlt. An wen die Zahlung erfolgt, bestimmt die here NReichsbehörde.

Die Zahlung der Pension für den auf

dann stattfinden; wenn der Verstorbene Eltern; Geschwister, Geschwister- kinder oder Pflegekinder, dexen Ernährer er gewesen ist, in Bedürftig-

keit hinterläßt; oder wenn der Nachlaß nicht ausreicht; um dic Kosten F

der lebten Krankheit und der Beerdigung zu decken.

Der übex den Sterbemonat hinaus gewährte einmonatliche Be- |

trag der Pension kann nicht Gegenstand der Beschlagnahme sein. F. 68. (Transitorische Bestimmungen.) Js die nach Maßgabe

dieses Geseßes bemessene Pension geringer als die Pension; welche F

dem Beamten hätte gewährt werden müssen, wenn er vor dem Er- lasse dieses Gesebes nach den damals für ihn geltenden Besiimmun-

gen pensionirt worden wäre; so wird die leßtere Pension an Stelle |

er ersteren bewilligt. i

F. 69. Tnsofern vor der Uebernahme eines Beamten in den Reichsdienst dinsichtlich der aus den früheren Dienstverhältnissen dem- felben erwascnden Pensionsansprüche mittelst eines vor dem Erlasse dieses Geseßes abgeschlossenen Staatsvertrages besondere Festsezungen getroffen find, sollen diese Festsebungen auch für die Berechnung der jenem Beamten demnächst aus der Reichskasse zu gewährenden Pension maßgebend sein. fo! t eren Bes mungen die im gegenwärtigen Gesehe enthaltenew Vorschriften inso- weit Anwendung finden, als sie für den Beamten günstiger sind.

F. 70. (Allgemeine Bestimmungen über Dienstvergehen und deren F Bestrafung) Ein Reichsbeamter; welcher die ihm obliegenden Pflichten |

(§. 10) verleßt, begeht ein Dicnstvergehen und hat die Disziplinar- bestrafung verwirft, : C. 71. Tm Laufe einer gerichtlichen Untersuchung darf gegen den

Angeschuldiglen ein Disziplinarverfahren wegen der nämlichen That- :

sachen nicht eingelèéitet werden.

Wenn im Laufe eines Disziplinarverfahrens wegen der nämlichen

Thatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten eröffnet wird, so muß das Disziplinarverfahren bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ausgeseßt werden. R

d, 72. Wenn von den gewöhnlichen Strafgerichten auf Frl sprechung erkannt ist, \o findet wegen derjenigen Thatsachen, welche in der gerichtlichen Untersuchung zur Erörterung gekommen find, ein Disziplinarverfahren nur noch injofern statt, als dieselben an fich und ohne ihre Beziehung zu dem geseßlichen Thatbestande der strafbaren Handlung, welche den Gegenstand der Untersuchung bildete, ein Dienji- vergehen enthalten : j

I} in ciner gerichtlihen Untersuchung eine Verurtheilung el- gangen ; welche den Verlust des Amtes nicht zur Folge gea hat so bleibt derjenigen Behörde, welche über die Einleitung des Dié- ziplinarvcrfahrens zu verfügen hat, die Entscheidung darüber vor-

en Sterbemonat folgen- | den Monat kann mit Genehmigung der obersten Reichsbehörde auch F

Indeß sollen statt der gedachten besonderen Bestim- |

i ob außerdem cin Disziplinarverfahren einzuleiten oder fort-

zusebven ci. : 3

§. 73. Spricht das Geseß bei Dienstvergehen, welche Gegenstand

eines Disziplinarverfahrens werden, die Verpflichtung zur Wieder- erstattung oder zum Sthadensersaße oder cine fonstige civilre{tliche

B aus, so gehört die Kläge der Betheiligten vor das ivilgeriht.

§. 74. Jf von dem gewöhnlichen Strafrichter auf eine Freiheits- firafe von längerer als éinjähriger Dauer, auf cine {chwerere Strafe oder auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsiht rrkannt, so zicht das Straferkenntniß dén Verlust des Amtes vön selbst nach fi.

§. 75. Ein Beamter, welcher sich ohne den vorsthriftsmäßigen Urlaub von seinem Amte entfernt hält, oder den ertheilten Urlaub überschreitet, is wenn ihm nicht besondere Entshuldigungsgründe zur Seite stehen, für die Zeit der unerlaubten Entfernung seines Dienst- cinkommens verlustig.

§. 76. Die Dienstentlafsung (§. 79 Nr. 2) tritt ein, wenn die unerlaubte Entfernung vom Amfte: 1) von besonders ers{werenden Umständèn begleitet is oder 2) über vier Wochen fortdauert, nach- dem der Beamte aufgefordert ist, sein Amt anzutreten -oder zu dem- selben zurückzukchren; oder 3) Über acht Wochen dauert.

§. 77. Die Disziplinarsträfen bestehen in Ordnungsstrafen, Ent- fernung aus dem Amte. E j

§. 78. Ordnungsstrafen sind: 1) Warnung, 2) Verweis, 3) Geld- buße/ 4) gegen unte Beamte auch Arreststrafe auf die Dauer von höchstens aht Tagen, welche jedoch nur in solchen Räumen zu voll- C nd die den Verhältnissen der zu bestrafenden Beamten ange- messen sind.

_Zu dieser Beamtenklasse werden gerechnet: Postconducteure, Briefträger, Wagenmeister, Postillone, Exekutoren, Boten, Kastellane, Dicner und die zu ähnlichen; sowie die zu blos mechanischen Funk- tionen bestimmten Beamten.

§. 79. Die Entfernung aus dem Amte kann bestehen :

V I in ein anderes Amt von gleichem Range, jedoch mit Verminderung des Diensteinkommens und Verlust des Anspruchs auf Uinzugsfkosten, odér mit einem von beiden Nachtheilen ; 1

2) in Dienstentlassung.

Die Dienstentlassung hat den Verlust des Titels und Pensions- anspruches von Re{tswegen zur Folge. Hat vor Beendigung des Disziplinarverfahrens aus irgend einem von dessen Ergebniß unab- hängigen Grunde das Amtsverhältniß bereits aufgehört, so wird an Stelle der Dienstentlassung auf Vexlust des Titels und Péensfions- añspruchs erkannt. Gehört der Angeschuldigte zu den Beamten), welche cinen Anspruch auf Yension haben, Und lassen besondere Um- stände eine mildere Beurtheilung zu; so ist die Disziplinarbehörde er- mä@tigt, in ihrer Entscheidung zugleich féstzuseßen, daß dem Ange- \{uldigten ein Theil des geseblihen Pensionsbetrages auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre als Unterstüßung zu verabreichen sei.

§. 80. Welche der in den §FF. 77 bis 79 bestimmten Strafen anzu- wenden sei, ist nah der größeren oder geringeren Erheblichkeit des Dienstvergehens mit Rücksicht auf die fonstige Führung des Angeschul- digten zu ermessen, Unbeschadet der befonderen Bestimmungen der §8. 75 und 76. J| auf die im §. 79 unter Nr. 1 bezeihnete Strafe E so wird die Verseßung durch die oberste Reichsbehörde an- geordnet.

___§. 81. (Von dem Disziplinarvetfahren.) Jeder Dienstvorgescbte ist zu Warnungen und Verweisen gegen seine Untergebenen befugt.

F. 82. Geldbußen können 1) von der obersten Reichsbehörde gegen alle Reichsbramte und zwar bis zu 30 Thalern oder bis zum Betrage des einmonatlichen Diensteinkommens, 2) von den derselben unmittelbar untergeordneten Behörden und Vorstehern von Behörden his zum Betrage von 10 Thalern ; 3) von den den lebteren unter- geordneten Behörden oder Vorstehern von Behörden bis zum Be- trage von 3 Thalern, durch eine mit Gründen zu unterstüßende schrift- liche Verfügung verhängt werden.

F. 83. Nur diejenigen Dienstvorgesebten , welche gegen die im §. 78 unter Nr. 4 bezeichneten Beamten Geldbußen verhängen fön- nen, sind ermächtigt, gegen dieselben Arreststrafen zu verfügen.

Diejenigén Vorgeseßten; deren Strafgewalt auf Geldbußen bis zu drei Thalern beschränkt ist, dürfen bei den Arreststrafen das Maß von drei Tagen nicht überschreiten.

h. 84. Gegen die Verfügung von Ordnungsstrafen findet nur Beschwerde im vorgeschriebenen Instanzenzuge statt.

__§. 85. Der Entfernung aus dem Amte muß cin förmliches Dis- ziplinarverfahren vorhergehen :

Dasselbe besteht in der von einem Kommissarius zu führenden \{riftlicen Voruntersuhung und in der mündlichen Verhandlung nah den folgenden näheren Bestimmungen.

F. 86. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens wird von der obersten Reichsbehörde vert t, Dieselbe ernennt auch den Unter- suchungs-Kommissarius und denjenigen Beamten, welcher die Verrich- tungen der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen hat. |

If Gefahr im Verzuge, so kann die Verfügung der Einleitung des Disziplinarverfahrens und die Ernennung des Untersuchungs- Kommissarius vorläufig von einer der im F. 82 unter 2 bezeichneten Behörden oder cinem der dort bezeichneten Beamten ausgehen. Es ist alsdann die Genehmigung der oberften Reichs8behörde cinzuholen Und, sofern diese versagt wird, das Verfahren einzustellen.

F. 87. Die entscheidenden Disziplinarbehörden, welche je nah Bedürfniß zusammentreten, sind 1) in erster Instanz die Disziplinar- kammern, 2) in zweiter Instanz der Disziplinarhof in Berlin.

Ç_ 28. An folgenden Orten: Potsdam, Frankfurt a. O., Königs- berg; Danzig, Stettin, Cöslin, Bromberg, Posen, Magdeburg, Erfurt, Breslau , Liegniß, Oppeln , Münster , Arnsberg, Düsseldorf Cöln, Trier ; Darmstadt ; Frankfurt a. M.,; Cassel, Hannover; Schleswig

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Leipzig , Karlsruhe, Schwerin ; Lübeck und Bremen wird je eine Disziplinarkammer érxichtet.

Durch E, des Kaisers können unter Zustimmung des Bundesrathes einzelne Disziplinarkammern auch anderen geeigneten Orten errichtet werden.

: É: 89. Die Bezirke der Disziplinarkammern werden vom Kaiser im Einvernehmen mit dem Bundesrathe abgegrenzt.

Zusländig im einzelnen Falle is die Disziplinarkammer ¡ in deren Bezirk der Angeschuldigte scinen dienstlichen Wohnsiß hat ; und wenn dieser Wohnsiß im Auslande si befindet, die Disziplinarkam- mer in Potsdam.

L 90. Jede Disziplinarkammer besteht aus einem Präsidenten und fes anderen Mitgliedern, von denen wenigstens drei in rihter- licher Stellung in einem Bundesstaate sein müssen. Zur Erledigung der Disziplinarsathen is bei den Disziplinarkammern die Theilnahme von wenigstens fünf Mitgliedern, mit Eins{hluß des Vorsißenden, er- forderlich , von denen wenigstens zwei in rihterliher Stellung in cinem Bundes|aate sein müssen.

F. 91. Wenn auf den Antrag des Beamten der Staats8anwalt- haft oder des Angeshüldigten der Disziplinarhof das Vorhandensein von Gründen anerkennt , welche die Unbefangenheit der zuständigen Disziplinarkammer zweifelhaft machen, so tritt eine andere dur den Disziplinarhof substituirte Disziplinarkammer an deren Stelle.

F. 92. Der Disziplinarhof besteht aus einem Präsidenten und acht anderen Mitgliedern ; von denen wenigstens drei zu den Bevoll- mächtigten zum Bundesrathe und wenigstens vier zu den Mitgliedern der im Reichs8gebiete befindlichen höchsten Gerichtshöfe gehören müssen.

Que Erledigung der Dis8ziplinarsachen ist bei dem Disziplinar- hofe die Theilnahme von mindestens fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsibenden erforderlih, von denen wenigstens zwei zu den richterlichen Mitgliedern gehören müssen.

F. 93. Die Zahl der Mitglieder, welche bei Fassung eines Be- \{lu}ses mitwirken; muß bei dèn Disziplingrkammern,; wie bei dem Disziplinarhofe (F. 90 und 92) immer eine Ungerade sein.

__ _§. 94. Die Mitglieder der Disziplinarkammern und des Dis- ziplinarhofes werden alle drei Jahre vom Bundesrathe gewählt, vom eTRi “aua und für die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amtes erpflichtet.

, Ein Mitglied, welches im Laufe der dreijährigen Wahlperiode ein- tritt, bleibt nur bis zum Ende dersclben in Thätigkeit. Die ausscheiden- den Mitglieder können wieder gewählt werden.

_§. 95. Jn der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mittheilung der Anschuldigungspunkfte vorgeläden und, wenn er er- s{eint, gehört; es werden die Zeugen nach Befinden eidlih ver- nommen und die zur Aufklärung der Sache dienenden fonstigen Be- weise herbeigeschafft.

Die Verrichtungen der Staat8anwaltschaft werden durch einen Beamten währgenommen, welchen die oberste Reichsbehörde ernennt.

F. 96. Die oberste Reihsbehörde is ermächtigt, mit Rücksicht auf den Ausfall der Voruntersuchung das fernere Verfahren einzustellen und geeigneten Falls nur eine Ordnung®strafe zu verhängen.

In diesem Falle erhält der Angeschuldigte Ausfertigung des dar- auf bezüglichen, mit Gründen zu unterstüßenden Beschlusses.

. 97. Wird das Verfahren nicht eingestellt; so wird nach Eingang einer von dem Beamten der Staatsanwaltschaft anzufertigenden Anschuldi- gungsshrift der Angeschuldigte unter abschriftlicher Mittheilung dieser Anschuldigungsschrift zu ciner von dem Vorsißenden der entscheiden- den. Disziplinarbehörde zu bestimmenden Sihung zur mündlichen Ver- handlung vorgeladen. A

F. 98. Beider mündlichen Verhandlung, welche in nicht öffent- liher Sißung stattfindet, giebt zuerst ein von dem Vorsißenden der Behörde aus der Zahl ihrer Mitglieder ernannter Referent éine Dar- Neun der Sache, wie sie aus den bisherigen Verhandlungen her- vorgeht.

Der Angeschuldigte wird véèrnommen.

Es wird darauf der Beamte der Staatsanwaltschaft mit scinem E s Antrage; und der Angeschuldigte in seiner Vertheidigung gehört.

Dem Angeschuldigten steht das lchte Work zu.

F. 99, Wenn die Behörde auf den Antrag des Angeschuldigten oder des Beamten der Staatsanwaltschaft, oder auch von Amtswegen die Vernehmung éines oder mchrerer Zeugen, sei es durch einen Kom- missar, oder ndlih vor der Behörde selbs, oder die Herbeischaffung anderer Mitt zur Aufklärung der Sache für angemessen erachtet, \o erläßt fie die erforderliche Verfügung und verlegt nöthigenfalls die Fortseßung der Sache auf einen andern Tag, welcher dem Angeschul- digten bekannt zu machen ist. i ;

F. 100. Der Angeschuldigte, welcher erscheint, kann sich des Beistandes cines Advokaten oder Rechtsanwalts als Vertheidigers bedienen. Der nicht erscheinende Angeschuldigte kann sich durch einen Advokaten oder Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Disziplinarbehörde steht es jedoch jederzeit zu, das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten , sofern erselbe seinen dienstlichen Wohnsiß niht im Auslande hat, unter der Warnung zu verordnen; daß, bei seinem Ausbleiben, ein Ver- theidiger zu seiner Vertretung nicht werde zugelassen werden.

g. 101. Bei der Entscheidung hat die Disziplinarbehörde, ohne an positive Beweisregeln gebunden zu sein, nach ihrer freien, aus dem ganzen Inbegriffe der Verhandlungen und Beweise ges{höpften Uceber- agu zu beurtheilen, inwieweit die Anschuldigung für begründet zu crachten.

Dic Entscheidung kann auch auf cine bloße Ordnungsstrafe lauten.

Die Entscheidung, welche mit Gründen versehen scin muß, wird in der Sißuüng, in welcher die mündliche Verhandlung beendigt wor- den ist, oder in einer der. nächsten Sißungen verkündigt und cine Aus- fertigung derselben den Angeschuldigten ertheilt.

Ç. 102. Ucber die mündliche Verhandlung wird ein Protokoll