1872 / 89 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Apr 1872 18:00:01 GMT) scan diff

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werden kann. J glaube, meine Herren, daß die Aufgabe dex Sia- tistik im Allgemeinen cine so umfangreiche und so wichtige ist) Und daß innerhalb derselben wieder die NUIgae der Statistik; welche das nöthige Material zu \chaffen hat, für die Zwccke, welche dem Reiche dur die Verfasfung gestellt werden; eine To mfassende ist, daß cin felbständiges L für die Reichsstatistik sich vo.kommrcn rechttertigt, und daß neben demsclben, und in Ergänzung zu cinander die stati= stisben Organe der Einzelstaaten ebenfalls fruhtbringend werden fort- wirken fkênnen. Wen? nun der Herr Vorredner übcr dic Höhe der Forderung cine Bemerkung gemacht hat, fo beruht dieseibe; glaube id, auf einem Jrrtbum. Die Höhe der Forderung im Ordinarium beträgt im Nactrag8Letat 23,000 Thlr. und wird, da bicr die Gehälter nur für % Jahre ausgebraht sind, im Etat pro 1873 viellcicht 7000 Thaler höher ausfallen. Jedenfalls erreicht fie nicht die Grenze, welche der Herr Vorredner anzugeben, jedenfalls aus Jrrthum ver- anlaßt gewesen if.

Die dem Neichtage vorgelegte Uebersicht über die Gesehgebung, fo wie die Einrichtung und A Es erwaltung in Elsaß-Lothringen für 1871 /7: autet:

Die nachstehende Ucbersicht reiht bis zum April 1872. Sie is nah folgenden Gesichtspunkten geordnet: 1. Regelung der Bezichun- gen zu Frankreih; U. Beseitigung der dur den Kric herbeigeführ- ten Schäden; Uk. Miltlitärangekegei beiten ; 1V. Justizverwaltung; V, Innere Verwaltung; V1. Bauwesen, Verkehr8§anstalten, Handel, Landwirthschaft; V1l. Unterrichtsverwaliung und Kultusangelegen- beiten; VUIL Finanzverwaltung. |

1. Regelung der Beziehungen zu Frankreich. (Liquidi- rung der chemaligen Trésoreries générales.) Mit dem Eintritt der deuts{chen Verwaltung an den Hauptorten der Departements wurde die Liquidirung der französischen Tl'résoreries générales, der Departements angeordnet und durch Kommissare betricben. Baar- bestände waren fast gar nit vorgefunden worden; dagegen ecgas fi aus den Büchern, daß in die Trésoreries, den französishen Geseben entsprechend , cine große Menge von Fonds geflossen waren; welche die Departements, die Kommunen die Sparkassen und öffentlichen Anstalten jeder Art tbeils in die Trésoreries, theils in die mit den- selben unter einer Verwaltung stehende und verbundene caisse de dépôts et consignations azuilhren verpflichtet waren und welche die Staatskasse di:sen Korporatronen verschuldete. /

Ebenso waren schr erhebliche Depositengelder aus Fallissements, Kautionen, Adjudikationen und anderen Entstehung8gründen dorthin geflossen. Die Aufgabe der mit der Liquidirung beaustragten Kon- mission bestand veicublidh in der Klarstelung dieser Forderungen; um dieselben in den Frieden8verhandlungen zu sichern und demnächst gegen Frankrcich geltend machen zu können. Die Zahl dieser Forde- rungen beläuft fich auf mehrere Tausend und die Gesammthöhe auf mchr als 40 Millionen Franken.

Beim Jahres\{chluß waren in den ehemaligen Departemcnts des Ober- und Nieder-Rhein die meisten Forderungen klar gestellt; Und auch für das Departement der Mosel und die beiden abgetreteucn Arrondissements des Meurthe - Departements konnte wenigstens cin erheblicher Theil festgestellt werden.

Es ift dadur cine Vorarbcit für die nah Artikel 11 der Frank- furter Zusaß-Konvention zum Fricdensvertrage vom 11. Dezember 1871 (Gesebblatt f. Elsaß-Lothringen 1872, Seite 63) einzuseßende ge- mischte Kommission geschaffen worden, welche deren AufgaLe wescut- lih erlcichtern wird.

: Ueber die Bildung dieser Liquidations - Kommission; als deren Siß Straßburg in Aussicht genommen 1, sind Verhandlungen mit der französis{en Regierung eingeleitet, deren Abschluß bevorsteht.

Den Sparkassen wurden. auf ihre Guthaben Vorschüije aus Landesfonds zum Belaufe von 4,200,000 Franken; decn. Gemeinden von 14 Misllionen Franken gewährt. Frankreich hat auf die Schuld an die Sparkassen 10,(00,000 Franken abs{läglich gezahlt, womit die Miederaufnabme der Geschäfte der Sparkassen unterstüßt i}.

(Liquidation der französis{hen-Banfksufkursalen) Nach Uebergabe der Stadt Straßburg- verfügte der Civil-Kommissar die. Liqu.datien der dortigen Sufkfursale der Banque de France und demnâchst nah der Besißknabme von Mühlbausen und Meß auch die der beiden dor- tigen Sufkursalen. Die wichtigste. Arbeit war die allmälige Realisi- rung der Wecselportefcuilles , welche in Straßburg 17; Millionen, in Mühlhausen ctwa 2 Millionen und in Meß etwa 4 Millionen Franken bctrugen. Sämmtliche Liquidationen, für welche durch das Schlußprotofkfoll zu der Zusaß-Konvention vom 11. Dezember 1871 §. 9 cine Frist von drci Monaten vom Austausch der Natifikg- tionen ab. festgestellt war , * wurden. ohne Kreditershütterungen Und obne Verlust für die Banque de France, abgewidelt. Nur in Straßburg; wo die Aufgabe schr s{wierig war, zog sih dice. Becndi- gung noch kurze Zeit über den. 31. Dezember 1871 hinaus.

(Grenzregulirung, und Errichtung neuer Hoheitszeichen, Während die internationale Kommission die Absteckung der ncuen Grenze. gegen Frankrei vollendet und die definitive Versteinung und. Vermessung eingeleitet hat, sind die nöthigen Vorkehrungen getroffen, um. sowohl die Grenzvermarfkung gegenüber den anderen Nachbarstaaten zu reri- E e auch die bestehenden Grenzzeichen den neuen. Verhältnissen anzupassen.

Leßteres ist bereits überall da geschehen, wo solche Grenzzeichen an dfientlihen Straßen ftchen oder sonst sich als-auffällig. erwiescn,

_ Auf Staats- und sonstigen öffentlichén Gebäuden ind die fran- zösisben Aufschriften dur entsprechende deutsche. ericke

Mit Wiedercinführung- deutscher Orts. und. Sträßennamen. und ten. Bezeichnung ron Gemeinden- und, Stiftungs-Aystalten. ist

(Regelung der kirchlichen Sprengel.) Der Artikel 6 des Fricdens- vertrages, wonach die politische Grenze gigen Elsaß - Lothringen und Frankreich auch für die E er firhlichzen ehörden in beiden Ländern maßgebend scin soll, ist in Bezug auf die beiden cvangcekischen Kirchen Und die israelitischen Glaubeusgenosjen vollstän- an. urchgeführt. Dagegen hat eine die neue Grenze entsprechende Abänderung der katholischen Diszesenbezirke noch nit stattgefunden.

(Kriegergrabstätten) Die im Artikel 16 des Friedensvertrages vom 10. Mai v. J. von beiden Regierungen übernommene Verpslich- tung , die Gräber der auf ihren Ccbicten beerdigten Soldaten respek- tircn und unterhalten zu lassen, hat für Elsaß-Lothringen in dem Gescÿ vom 2. Februar 1872, betreffend die Kriegergrabstätten (Geseh- blatt Seite 123), cine Grundlage erbalten, welche die Erfüllung diejer Verpflihtung in einem „alle Rücksichten der Pietät wahrcnden Um- fange sicher zu stellen gestattet,

(Auslieferung der Fanbshea Strafgefangencn und. Geistes- kranken.) Jn den Strafanstanstalten zu Enjishcim (für Man) und zu Hagenau (für Weiber) befindet sich cine erheblihe Anzahl Ge-

angener, welche niht Angehörige von Cn FeaBIdrinaen und auch nicht von inländischen Gerichtshöfen verurtheilt sind.

Von diescn werden die Nationalfranzosen nach Artikel 4. der Zusazfonvention vom 11. Dezember 1871 an Frankreich ausgeliefert werden. Die Verhandlungen darüber {weben noch.

Auch die AuLllelerung der Frankreich angehörigen Geisteskranken hat noch nit zum Abschluß gebracht werden können,

Il. Beseitigung der durckch den Krieg herbeigeführten Schäden. (Entschädigung für Kriegsleistungen und Beschießung häden.) Unmittelbar nach der Einnahme Straßburgs wurde die Feststellung. der durch dic Beschießung der Stadt verursachten Schäden angeordnet und zu diesem Behufe unter dem Vorsiß. des Präfekten cine überwiegend aus. Straßburger Bürgern bestchende Kommission eingeseßt; welche in der Regel dur kontradiftorishe Verhandlung so- wohl die Jmmobiliar- wie die Mobiliarshäden nah Maßgabe einer durch den Civilkommissar erlassenen Justiruftion zu ermitteln hatte. Nach mehrmonatlichen Arbeiten konnte sie die Jmmobiliarschäden auf etwa 20 Millionen Franken, die Mobiliarshäden auf ctwa 30 Mil« tionen veranshlagcn. In ähnlicher Weise wurde an anderen Orten vorgegangen.

urch das Gescß, vom 14. Juni 1871 (Reich8gesebblatt 1871, Seite 247), betreffend den Ersaß von Kriegsschäden und Kriegsleistun- d adi cine feste Basis für die Gewährung der Vergütungen ge-

en. i

Der Vorschrift des Geseßes gemäß wurden für die Vergütux der Beschicßungsscäden Komtuissionen gebildet und in: der Weise zsammengeieoh daß die Hälfte der Mitglieder aus Landcs8angchörigen;

ie andere aus deutschen Beamten. bestand, der Vorsizende aber ent- weder der Präfckt oder der Kreisdirektor war.

Im Ober - Elsaß. wurde eine besondere Kommission für Neu- Breisach und cine für das übrige Departement in Colmar gebildet.

Im Unter-Elsaß wurden Kommissionen eingeseßt: In Sclett- stadt ür den Kreis Slettstadt, in Weißenburg für den gleichnamigen rers une in Straßburg für Straßburg und das übrige De- partement.

In Lothringen wurden Kommissionen eingescbt. für Diedenhofen Bitsch; Pfalzburg, Marsal und Meß, leßtere zugleich. für das Übrige Departement.

__ Es wurden im Jahre 1871 zur Zahlung auf festgesiellte Schäden überwiesen: ctwas über 42 Millionen Franken. Da dic Arbeiten der Kommissionen in Straßburg und Meß noch nit beendct sind, auch Überall da; wo die Retablissementspflicht bei Jmmobiliarschäden gus- esprochen wurde, Ratenzablungen zur Sicherheit der Berwendung der ntschädigungs8gelder stattfinden, so ift mit jener Summe noch. nicht ganz, die Hälfte aller festgestellten und noch zur Fesistelung gelangen- en Beschicßung8schäden gedeckt.

Zur Entscheidung über die Kriegs8leistung8vergütungen wurden. in den Bezirks-Hauptorten Kommissioncn für jeden Bezirk eingeseßt. Die mühßsame und detaillirte Arbeit. diesce Kommissionen war Ende 1871 noch _nicht so- weit gefördert, um erhebliche Zahlungen leisten. zu fönnen. Man begnügte fch in einzelnen dringenden Fällen, Vor- {üsse zu gewähren, welche indessen im Ganzen die Höhe von einigen hunderttausend Franken nicht übersteigen.

(Wiederherstellung der Beschädigungen öffentlicher Bauten.) Das

Bestrcben der Bauverwaltung ist dahin gerichtet gewesen; die Spuren des Krieges: überall mögli@f {nell zu bcseitigen. __ Man hat, dix Wiederherstellung der Straßen, die zum Theil überaus gelitten hatten, mit Eifer in Angriff genommen. Namentlich in Lothringen find die Straßen aber während des Krieges zum Theik in solchem Maße ruinirt worden, daß ert na Ablauf der diesjähri» gen Bauperiode. die nôthigen Wicderherstelungsarbeiten überall durch- gefübrt sein werden,

Di“ Kanäle sind im Septcmber v. J. gesperrt worden und. ss bergestelt daß die Schiffahrt scitdem. auf denselben im besten Be=- riche if.

Die Wiederherstellung der zerstörten Brücken, S meist becndet. Die. durch den Krieg. unterbrochenen Arbeiten. zur Schiffbarmachung der. Mst von- der Landesgrenze bis. Meß und zum Bau ceines- Ver- bindungsfanals- vom Saarkohlen-Kanal zu den Salinen von Dieuze

sind Fans wieder aufgenommen worden.

vom 14. Juli. 1871 (Geseßblatt, für Elsaß-Lothringen: Scite 18; 1) ‘das Sesesy betreffend. die Quarticerlcisiung. für die bewaffnete. Ma

während des Fricdenszustandcs, vom 25. Mai 1868 nebs dem ergänzen- ‘deñ: Erlaß: vom-3: Seidemder 1870 und der Ausfübrunganstrufktion vom 31. Dezember 1868, 2) das Edikt: über die Aufhebung der Na- turglfourage- u Brodlieferung; vom 30. Oktober: 181) nebst den

anwendbaxcen- ungen, des: Reglements über die Naturalvers

l, Militärangelcgenheiten. Nachdem. durch das, „189

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pflegung der Truppen im Frieden vom 13. Mai 1858 eingeführt waren, find dur das Geseß vom 23. Januar 1872 (Geseßblatt 1572 S. 83) die Artikel 57, 58; 59, 61; 63, 64 und 65 der Verfassung; welche das Reichskriegswesen ordnen, in Kraft geseßt. :

Gleichzeitig wurde das Reichsgeseß ; betreffend die Verpflichtung um Kriegsdienste; vom 9. November 1867 und das Gesctz; bctreffend Le Friedenspräfenzstärke des deutschen Heeres und die Ausgaben desscl- ben für die Jahre 1572, 1873 und 1874 publizirt. :

Die in §. 2 des Gesches vom 14. Juli 1871, betreffend die Ouartierleistung 2e. vorläufig angeordnete Servisklassen - Eintheilung der Städte ist far die Städte Straßburg, Mc§, Mühlhausen, Dieden- hofen, Saargemünd und Thann modifizirt durch das Gescß vom 13. Januar 1872 (Geseßblatt Seite 60).

Um die zum Schuße des Landes nöthigen Festungsbauten durh- zuführen, und den betheiligten Grundbesigern die Vortheile zu sichern; welche das Reichsgeseß, betreffend Beschränkungen des Grundeigen- thums in der Umgebung von Festungen, vom 21. Dezember 1571 gewährt, ist dieses Gescß dur das unterm 21. Februar 1572 Aller- höchsi, vollzogene Gescß (Geseß-Blatt S. 133) auf Elsaß - Lothringen ausgedehnt.

luf Grund des §. 35 des Reichsgefeßes is demnächst unterm 26. Februar cr. bckannt gemacht (Gesebblatt S. 147), daß die Er- weiterung der Festung8anlagen von Meß und Straßburg bezw. deren Rayons in Ausficht genommen sei.

Vim die Auszebung, welche zunächst im Oktober 1872 stattfinden {oll; vorzubereiten; sodann mit Rücksicht auf die zahlreichen; dem Beurlaubtenstande angehörigen Mannschaften aus anderen deutschen Bundesstaaten, welche sich in Elsaß-Lothringen aufhalten, ist die Ein- heilung in Landwehr-Bataillons-Bezirke, deren 11 gebildet sind, un- term 19, Februar 1572 angeordnet worden. Sodann is die Militär- Ersak - Instruktion mittelt Verordnung vom 26. März cer. cin-

führt; und find dabei Bestimmungen getroffen worden, um den

, 2 des Geseßes voi 23. Februar cr., welcher für die nächsten Jahre

eine billige Rücksihtnavme auf die besonderen De N des Landes

veuüglih der Ablcisiung der Militärpflicht in Aussicht stellt, durchzu-

ren.

o Für die Einführung der Militärgeseße und Verordnungen, welche

Artikel 61 der Ser ung des Weiteren nöthig macht, sind die er-

fterlic Vorlagen vorbereitet. Ein darauf bezüglicher Gesehentwurf iegt dem Vundesrathe: vor. j l

Es ift endlich unterm 28. März er. cin Gescß Allerhöchst voll- ogen worden; durch "welches Bestimmungen über den Waffengebrauch des Militärs im Fricdensdienste im Wesentlichen im Anschluß an die in Preußen: geltenden Vorschriften getroffen werden.

V. Justizverwaltung. Nach Besiznahme des Landes war ein fas aUgemeiner Gerichtsstillstand eingetreten, welcher den Abschluß des Friedens überdauerte. Die Mitglieder der Tribunale erster Instanz und der Appellhöfe hatten auf Weisung des gonvornement de la défense nationale beharrlih jede Fortseßung ihrer Thätigkeit ge- weigert; ihrenz Vorgange folgten die meisten Friedensrichter; während cine Minderzahl \sich auf Vergleichverhandlungen 1n Materien der friedensgerichtlichen Zuständigkeit beschränkte; von den bestehenden 4 Handel8gerichten sind nur zwei/ die in Mühlhausen und Colmar, in ununterbrochener, wenn auch zeitweise dur die Kriegsereignisse gestörter Wirksamkeit geblieben; die beiden andern haben die ein- gestellten Funktionen alsbald nach. dem Fricden wieder aufgenommen.

Für die fo allgemein au83gefallencn Organe der Rechtsprechung. in bürgerlichen Angelegenheiten provisorischen Ersaß zu {aff war un- thunlich. Der Versuch würde, selbst wenn zu richterlichen Gunf- tionen: geeignete: Personen in genügender Zahl alsbald sich hâtten finden lassen; an der Unwillfährigkeit des übrigen, in dem künstlichen Organismus: des Gerichtswesens erforderlichen Personals ge'cheitert fein. Polizei-Uecbertretungen und Forstfrevel sind in den erheblicheren Fällen von cingesezten Polizei-Kommissaren und Forstbeamten, politische und gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen von den Kriegsgerichten: in. Meß: und Straßburg verfolgt und abgeurtheilt worden.

Lastete ein l anomalex Zustand nachtheilig auf dem Lande, so erlcihterte er, andererseits die Durchführung verschiedener, durch die Erfahrung in deutschen Rechtsgebieten bewährter und mit den Prin- zipien- einer künftigen deutschen Civil -Prozcßordnung in Ein lang stehender Aenderungen der Gerichtsorganisation, welche in dem Gescbe/ betreffend Abänderungen der Gerichtsverfassung,, vom 14: Juli 1871 {Geseßblatt: Seite 175) und der si, anschließenden Kaiserlichen Ver- ordnung zur: Ausführung des Gesehes: vom nämlichen: Tage (Geseß- blatt Seite 169) niedergelegt sind. 416

Danach ist an. die Stelle der Appelllöfe in Meb- und Colmar ein einziges, in zwei Senate gethciltes Appellationêgericht! miL dem Size in letzterer Stadt: getreten; 12! k cinere, zum Theil, ganz unzu- reichend beschäftigte: Tribunale erster Jnstanz: sind zu 6" Landgerithten zusammengezogen; die Handelsgerichte! zu Meß, Straßburg - Colmar und Mühlhaujen: erhalten; die erweiterten: Sprengel der: an diefen Orten einzusezenden: Landgerichte, die Friedensgerichte werde ander- weitig abgegrenzt drei Schwurgericht8höfe periodisch: gebildet. Leiten- der Gedanke war: Personal: zu ersparen und den Kolleg1en durch Be- deutung; und- Größe mehr Tüchtigkeit: und geistiges- Leben uud die: übrigen Grundlagen: der: Gerichtsverfassung- dagegen mög.ichji un- D “tat del Landes- Justizverwaltung für die: Jahre: 1871 und

Der E ex Landes Justi J 1 187: 1872. ist: durch- das Geseß vom 14. Juli: 187E (Gésrhblatt: Seite: 173) Arordnet; ;

Als oberster Gcrichlsbof- r Elsaß-Lothringew: an. Stelle: des Kassationshofrs zu: Paris ist as Bundes-Oberhandelsgericht: in Leipz dburch das Geseh: vem 14, Juli: 1871 (Geschbiatt: Seite: 249) bestell Worden. ;

Die: Organisation: ist bei den Civilgerichtèen: vollständig durchge-

hrt; bezüglih der Handelsgerichte so weit gediehen, daß die Wahlere e Ee durch die Natabelnversammlungen bewirkt oder im ange sind.

Die Zahl der Fricdensgerichte beläuft sih auf 75; gegen 93 iw [R Zeit; ic konnten hon im Laufe des verwichenen Sommers

urh fommissarische Beseßung eingerichtet werden. Bei den Handels= gerichten hat die Hinausschiebung der Neuwahl nicht nachtheilig ge- wirft, da die bestchenden Kollegien in Thätigkcit bleiben konnten.

Das Appcllationsgericht in Colmar und die 6 Landgerichte, für deren Wirksamkeit durch Bekanntmachung vom 19. September 1871 (Geseßblatt S £38) der 1. Oktober 1871 als Anfangstermin bestimmt worden war; sind in der ersten Hälfte des Oftober vorigen Jahres eröffnct worden, und ihre Thätigkeit, die anfänglih s{chwach und bei- nahe auf Strafsachen beschränkt war; da die Advokaten, theilweise auch die Amwvälte, ihre Mitwirkung eine Zeit lang versagten , ist in geregelten Gang ay vage so daß von Justizstillstand nirgendwo mehr die Rede jein fann. _ ;

An die Fricdens- und kollegialischen Civilgerichte sind überwiegend deutsche Beamte berufen worden, insbesondere aus Gebicten mit im Wesentlichen gleider Gerichts - Verfassung und Geseßgebung. Von früheren französishen Justiz-Beamten sind verbältnißmäßig wenige in die neugeschaffene Magisiratur über. etreten Demungeachtet giebt sich der leßteren age Mißtrauen bei der Bevölkerung nit kund. haf die Mie A haben alsbald volle Anerkennung sich zu ver- *

affen gewußt.

Gleiches Vertrauen kommt Deutschen Advokaten, die sich bei den Landgerichten niedergelassen; entgegen. Eine Vermehrung des Sah- walterperjsonals wäre an einigen Orten wünschenswerth, da nur cin Theil der einheimischen Advokatur die Berufsthätigkeit wieder auf-

enommen hat. Hierin lag die Veranlassung zu Beschlüssen des

ppellationsgerihts, wodurch den Anwälten bei verschiedenen Gerich- ten die Befugniß zu plaidiren sonst nach gesecßlicher Negel das Recht des juristish. höher gebildeten Advokaten gewährt worden ist.

Schwurgerichts-Verhandlungen haben für das erste Quartal lau- fenden Jahres an den 3 im Gesche bestimmten Orten ohne irgend welche Störung stattgefunden. Jn Straßburg und Colmar; wo bei. der Anhäufung älterer , zum Theil aus der vordeutschen Zeit her- rührender, von den Kricgsgerichten nicht zu erledigender. Sachen , die Sißungsperioden von ungewöhnlich langer Dauer waren, haben die Verhandlungen sich selbst leichter, als in früheren Jahren abgesponnen, weil in deutsher Spracke verhandelt wer: en fonnte und der Dolmetscher nur ausnahm®weise zugezogen wurde, während er früher unausgeseßt, sowohl in Ucber- tragung des Deutschen ins Französische als des Lebhteren in Jenes thatig war. Die Geschworenen haben sich willig, aufmerksam, in ihren Wahrsprüchen gewissenhaft erwiesen. Eine vorübergehende Schwierigkeit lag darin, daß in Folge der Einführung des deutschen Sirafgesebbuhes Gescß vom 30. August 1871 (Geseßblatt S. 255) in zahlreiÆcn Fällen die Gragen doppelt gestellt werden mußten, um den Thatbestand der strafbaren Handlungen nach den alten und neucn Rechtênormen sestzustellen; Jrrungen sind daraus bei den Geschworenen, denen vermöge befricdigender Kenntniß des Deutschen die Erfassung der Begriffsbestimmungen des neuen Geseßes nicht {wer fiel, niht hervorgegangen. Jn Mésß erwiesen die Sprach- verhältnisse sch nicht in böherem Maße ershwerend, als chedem.

Da die Strafrechtspflege von den ordentlichen Gerichten in die Hand genommen is, \o konnte die Zuständigkeit der Krieg8gerichtes welche in Straßburg und Meß errihtct sind und über deren Fort- dauer der Artikel XVI1. des Einführung®gescße8 zum deutschen Straf- gescßbuch Bestinnnung getroffen bat, erhcblich beschränkt werden (Ver- ordnung vom 20. September 1871, Geseßblatt Seite O A

Bei den fkollegialischen Civilgerichten wird von den einheimischen Advokaten überwiegend Französisch plaidirt; was das Gescß_ vom 14. Juli 1871 §. 13 (Gescbblatt Seite 167) für cinige Jahre gestattet. Den meisten von ihnen ist zur Zeit der eordnete Vortrag in deutscher Sprache zu wenig geläufig, jedoch das Verständniß deutscher Urtheile und richterlicher Verhandlungen genugsam ermöglicht.

Auf die Beseitigung der mit deutschen Rechtsanschauungen un- verträglichen Verkäuflichfkeit der Aemter der sogenannten minijteriellen Beamten Anwälte, Notarien, Gerichtsschre ber und Gerichtsvoll-

ieber ist durch das die Abänderungen der GersMilversartng be- freffenide Gescß vom 14. Juli 1871 Bedacht genommen. Der ntwurf eines Gescßes, durch welches die Durchführung des Entschädigungs» verfahrens näher geregelt werden soll, liegt dem Bundesrathe zur Beschlußnahme vor. :

Die zuerst abgelchnten Wahlen zu ihren, nah dem Gesehe neu zu bildenden »Kammern4z denen die Handhabung der Disziplin und andere forporativen Angelegenheiten- obliegen; sind gegenwärtig an allèn' Orten: von den ministeriellen Beamten vorgenommen worden.

Bei den Landgerichten- und dem Appellationsgerichte wurden in Folge der neuen Organisation die geseßlichen Kommissionen für Be- willigung des! Armenrechts (bureaux d'assistance judiciaire) ohne erhebliche Schwierigkeit! neu gebildet. i :

Jm F: 16 des Geseßes vom 14. Juli v: J. sind die Bedingungen für fünftige: Anstellung im höheren Justizdienste ibren Grundzügen nach mit billiger Rücfsichtnahme auf erworbene Anf D pie Ae des Landes und ¿as Bedürfniß der nächsten Periode bestimmt. Jn Ausführung des- daselbs gemachten Vorbehaltes ist das Regulativ über die Vorbereitung zum höheren Justizdien| vom- 17. Februar 1872 (Gescbblatt Scite: 127 flg:) ergangen. Danach tritt, gegenüber den bisherigen Vorschriften 7 eine besonders“ wichtige Aenderung citir sowohl für Friedensrichter, zu deren Amt: als-formelle:Qualifikations- bedingung Le ein gewisses Alter erforderlich war , als für die Amwälte und Notarien, welche: im: Gegensäße: zu den: Mitglicdern der Magistratur und Advokatur nach-der französischen: Geseßgebung nur: des7 Nachzveises praftisher Geschäftögewandtheit; niht-der höheren