1872 / 119 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 May 1872 18:00:01 GMT) scan diff

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widkelten Finanzfragen« verheißen und von einer Stei- gerung der Staats - Einnahmen, welche die Skteuernden nicht drücke, und von Ersparnissen in den Ausgaben, welche die Landesinteressen nicht beeinträchtigen, gesprochen. Dieselbe Aufmerksamkeit werde dex Kongreß den Geseßen zuwenden, welche die Regierung zu dem patriotischen Zwecke vorschlagen wird, »die heiligen Rechte der Bürger praktisch und fruchtbrin- gend zu machen, ohne den kostbaren Garantien der Konstitution Abbruch zu thun.« Der Reform des Strafgeseßbuches, der Gesetze betreffend die Civilehe und das Schwurgerichtsverfahren, wird dabei besonders gedacht. Die Adresse wendet sich dar- auf den Verhältnissen der Jnsel Cuba zu, deren Finanzzustände zu regeln eine von der Regierung angekündigte Vorlage be- immt ift. E N ende Abschnitt ist dem carlistüishen Aufstand ge- widmet, derselbe lautet: »Eine hartnäckig aufwieglerische, die Lehren der Erfahrung, der unbestreitbaren Ecrungenschaften der Gegempart, die Dekrete des \souveränen Nationalwillens und die öffentliche Stimme mißachtende Partei hat gewagt, die Lohe des Bürgerkrieges zu entflammen und die schon so oft dur die in der Nation lebendigen liberalen Kräfte gestürzte Fahne aufzurichten. Die Regierung rechnet auf die nöthigen Hülfsmittel, um im Keime den wahnsinnigen Versuch jener Männer zu ersticken, die, erfüllt von Haß gegen die öffentliche Ruhe, die Gescße und die Dynastie, welche si die Nation in Ausübung einer unbestritte- nen Souveränetät gegeben hatte, taub gegen die Stimme des Patriotismus und undanfkbar den Wohlthaten der Milde gegenüber, die an sie so oft ver- \chwendet wurden, Über Spanien die Gräuä cines brudermörderischen Krieges bringen. Diese Ten Hoffhungen zu vereiteln, wird Eo. Majestät das ganze konstitutionelle Spanien, die Armee, ein Muster der Disziplin und keiegerischen Tugenden, und die Vürger- miliz, cin treuer Spicgel patriotischer Opfer und liberaler Traditionen, u Jhrer Verfügung finden. - Der Kongreß wird seinerseits bereit a der Negierung die Mittel zu gewähren, deren sie bedürfen wird, wenn die gewöhnlichen Mittel nicht ausreichen sollten, um dic unver- ügliche Herstellung der Ruhe, des Friedens und die Aufrechterhaltung der Gescbe durdzuführen.« ; / H Wie aus Biscaya gemeldet wird, beginnen sich die car- listishen Banden dort in Folge von Unterwerfungen stark zu lichten; es sollen sih bei Millaro über 4000 Mann ergeben haben; eine noch 1000 Mann starke Bande i} in schr demo- ralisirtem Zustande und ohne Führer durch Segura (Provinz Guypuzcoa) gekommen. Der von Don Carlos mit dem Ober- befehl in der Provinz Biscaya betraute General Urribarri ist an den Folgen einer Amputation gestorben. General Mo- riones hat die Bande Cuevillas gezwungen, sich aufzulösen; da der Ort Alsasua als Mittelpunkt seiner Operationen ge- nannt wird, so ist dadurch konstatirt, daß in der Provinz Navarra noch immer ansehnliche carlistishe Banden vorhanden sind. Sonst wird noch gemeldet, daß der Carlistenchef Peralta in der Provinz Saragossa gefangen genommen und daß dice _ Bande des Pfarrers von Alcabon (Provinz Toledo) geschlagen wurde, wobei dieser drei Todte und mehrere Gefangene verlor.

Italien. Rom, 19. Mai. Ueber die gestrige Sizung der Kammer, rücksichtlih welcher bereits telegraphisch berichtet ist, liegt folgende ausführlichere Mittheilung vor:

Alshald nach Eröffnung der O ergriff der inzwischen aus Neapel zurücfgekchrte Binpradens anza das Wort, um der Kammer Königliche Dekrete mitzutheilen, durch welche die nadh- gesuchte Entlassung des Herrn Correnti von scinem Posten als Unter- rihts-Minister genehmigt, der Finanz-Minister Sella interimistisch mit der Führung der Geschäfte jenes Ressorts beauftragt und der Geseb- entwurf, betreffend die Verbesserung der Lage der Lehrer an den Sekundär- schulen rüctgezogen wird, Das Ministeriuny führte Lanza aus, habe ge- glaubt, daß bei der Lage der Geschäfte in der Kanmuner diese nicht noch mit einem Geseße sich befassen könne, welches wegen der wichtigen Frage, die es umschließe, (die Stellung von Staat und Kirche zur Schule) eine lange und schwierige Debatte mit sich geführt haben würde, ohne daß doch cine Aussicht für die. Errcichung seines praktischen Zweckes, die Verbesserung der Lage der Professoren vorhanden märe. Dieses seien die Gründe des Ministeriums füx die Zurückziehung des Geseßes gewesen. Der Unterrichts-Minister habe es nun mit seiner Ehre nicht vereinbar gehalten, cin von ihm eingebrachtes Geseß zurüzuzieheny und habe den Gegenvorschlag gemacbt, nur den Theil des Gesehes (Artikel 1) fallen, zu lassen, welcher sich auf die Beseitigung der geist lichen Direktoren bezieht, denjenigen Theil aber aufrecht zu erhalten, welcher die Verbesserung, der Lehrergehälter betrifft. Die Mehrheit der Minister glaubte jedoch nicht, daß dieser Ausweg zum Ziele führen werde; nichtsdestoweniger wurde die Kommission sondirt. Das Kabinct überzeugte sid) daß der von. ihm. zurückgezogene Artikel, 1 auf anderer Seite aufs Neue eingebracht werden, und al'o de politische Debatte do ihren Verlauf nehmen wü:de. Der Ministerrath bcharrie also dabei, daß der ganze Geseßentwurf. zurückgezogen werde; der Unter- rihts-Minister weigerte si, es zu thun, und reichte scine Entlassung ein. Das Ministerium beabsichtigte; den Geschentwurf wieder einzu- bringen, nachdem és ‘die s{wierige Frage des Religionsunterrichts nochmals disfutirt haben wird. Men“ müsse durchaus wissen, was an Stelle des Religionsunterrichts der Schule treten solle. Die Ver- besserung der Lehrergehälter werde sofort zum Gegenstand ciner be- ¿ sonderen Vorlage gemacht werden. Das Ministerium halte fest an scinem Programme.

Der frühere Unterrichts-Minister Correnti entwickelte nunmehr seine Gedanken über den Religionsunterricht; er räumte ein, daß diese Frage; nachdem die Aufhebung der theologischen Fakultäten an den Staatsuniversitäten beschlossen worden, zu ciner ernsten Prinzipicn- frage geworden sei. Schließlich versicherte Correnti, daß es ihm durch- aus ferne gelegen habe, der Regierung Schwierigkeiten bereiten zu wollen. Der Finanz-Minister Sella brachte darauf den oben an-

ekündigten Geseßentwurf über die Stipendien der an den Sekundär- hulen unterrichteten Personen und einen anderen Entwurf cin, welcher den in Nom wohnenden Verwaltungsbeamten eine Mieths- entschädigung gewährt.

Ueber die Mittheilungen der Regierung entspann sich darauf eine lebhafte Debatte.

Die Deputirten Ara und Pissavini beantragten folgende Re- solution: »Die Kammer, nachdem fie die Erklärungen des Minister- Präsidenten gehört hat, erflärt davon nicht befriedigt zu sein und geht ur Tagesordnung Über.«a Nach der Begründung dieser Resolution ur den Abg. Ara erklärte der Minister-Präsident Lanza, das Kabinet wisse sehr wohl, daß das Gerede gehe, es wolle cine klerikale Politik machen, es wolle aber nur eine vorsihtige Politik treiben. Den In- teressen der Klerikalen dienten gerade die am meisten, welche die Lösung der Schulfrage Überstürzen wollten. Er könne saacn,; daß er scinecrseits mit Unruhe sehe, wie die Laienschulen si entvölkern und die Schüler- zahl der geistlichen Schulen wachse. Die Resolution der Abgeordneten Ara und Pissavini wurde darauf mit 175 gegen 114 Stimmen ab-

gelehnt.

22. Mai. In der Deputirtenkammer wurde die Berathung über den Etai des Ministeriums des Innern fortgeseßt. Die amtliche Zeitu n veröffentlicht ein Köni g- lihes Dekret, wodurch die am 14. Januar d. I. von den Vertretern mehrerer Staaten zu Rom unterzeichnete inter- nationale Telegraphen - Konvention mit dem 1. Juli d. J. in Kraft tritt.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 21. Mai. Dex Kaiser ist am 18. d. Mts. Abends von Jarskoje - Sselo nach Livadia abgereist, am 19. Nachmittags in Moskau ecein- ania und nach einem Aufenthalt von 20 Minuten wieder abgereist.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 17, Mai. Der Schluß des diesjährigen Reichstages, des sechsten seit der Einführung der jeßigen Reichstag8ordnung und des leßten dex zweiten Periode deeihen, indem 1m September die Wahlen sämmilicher Mitglieder der Zweiten Kammer für die nächsten drei Jahre vorgenommen werden, fand, wie bereits mitgetheilt, gestern statt. Der Justiz - Minifier Adlercreuß, welcher laut Königlicher Verordnung, datirt: »Ulriksdal, 14. Mai« bevoll- mächtigt war, den Neich8tag zu schließen, verlas die folgende Thronrede:

»Gute Herren und Schweden!

Durch den Zuftand Meiner Gesundheit gehindert , zugegen zu sein, da Sie, nach Beendigung des Gottesdienstes in dem Tcmpel des Herrn , sich dem Gebote des Grundgeseßes gemäß zum Abschiede ver- sammeln, bringe Th Jhnen hiermit Meinen Gruß.

Der Frage, welcze Gegenstände Ihrer Ueberlegungen gewesen; sind viele und wichtige. Ueber cinige derselben sind, wie Th offe; zum Besien des Landes Beschlüsse gefaßt worden. Mit der Entschci«

ung Über andere, in denen die Ansichten einander allzu entgegengeseßt

befunden worden find, hat es fürs Erste noch anstehen müsen. In Ansehung dieser gilt es, mit der Mäßigung und der Achtung gegen die redliche Ueberzeugung Anderer , welche jenen geziemt, in deren Hände der Beruf der Geseßgebung gelegt ist, die Zeit abzuwarten, da durch cine allgemeinere Einigkeit in der Auffassung der Weg zu Glück bringenden Beschlüssen gebahnt worden ist.

Ihnen Glück und Segen wünschend in den Arbeiten, welche Sie jebt; Jeder in scinem besonderen Wirkungskreie , weiter fortzuseßen gchen , verbleibe ih Ihnen ; gute Herren und Schweden ¡ mit aller Königlichen Gnade und Huld stets wohl gewogen. «

Dánemark. Kopenhagen, 20. Mai. Das Befinden der Prinzessin Thyra is, laut einem. Telegramm der »Berl. Tid.« vom gestrigen Tage, jeßt so zufriedenstellend, daß man vielleicht schon heute Mailand wird verlassen können. Die Königliche Familie begiebt sich dann nach Genf, wohiua der Kabinets-Rath Dr. Lund heute von hier abgereist ist, um die Königin und die Prinzessin auf ihrex weiteren Rückreise zu begleiten. Der König gedenkt die Reise von Genf ohne Aufenthalt fortzusetzen, so daß er am nächsien Sonnabend in Kopenhagen eintreffen wird.

Amerika. Washington, 22. Mai. (W. T. B.) Horace Greeley (Redacteur der in New-York erscheinenden »Tribüne«), hat cinen Brief veröffentlicht, worin er erflärt, ex nehme die ihni angetragene Kandidatur zur Präsidentschaft an und werde sich, falls man ihn, wähle, nicht als Präsidenten blos einer Partci, sondern des ganzen Volkes fühlen. Greeley hebt in dem Schreiben noch besonders hervor, wie die Zeit gekommen sci, wo Norden und Süden das ernstliche Bestreben beseelen müsse, sich über dem durch den leßten Krieg geschaffenen Abgrund, welcher. fie schon zu lange tkrenne, friedlich die Hände zu reichen.

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Aus Valparaiso (Chile) wird unterm 14. April ge- meldet: Der Congreß tritt am 1. Juni inn Der Finanz-Minister hat wegen Kränklichkeit sein Amt niedergelegt. Im Distrikt Araucanien sind weitere Silberentdeckungen gemacht, und im Distrikt Valparaiso is salpetersaures Natron gefunden worden, In Montevideo kam am 27. April eine dem gelben Fieber ähnliche Krankheit zum Vorschein, in Folge dessen um den affizirten Distrikt ein mili- tärischer Kordon gezogen wurde. Die Häuser wurden geschlossen und die Einwohner zwang8weise in zwei Regierungsdampfern e &loras Js8land gebracht, um dort Quarantaine zu voll- ziehen.

Afrika. Berichten aus der Capstadt zufolge wurde das Parlament der Capkolonie am 18. April eröffnet. Der Gouverneur ermahnte die Kolonisten, eine verantwortliche Re- gierung zu adoptiren und will sofort eincn darauf bezüglichen Gesetzentwurf einbringen.

Prâjident Brand \{lägt in einer Depesche an Six H. Barkly vor, den niederländischen Gesandten in London zum Schiedsrichter Über die Eignerschaft der Diamantenfelder zu er- nennen, falls die von den Regierungen Großbritanniens und des Freistaates ernannten Schiced8richter sich nicht einigen können. Ein vom Gouverneur eingebrachter Geseßzentwurf verfügt die Annexion der Diamantcnselder an die Kolonie und giebt der Bevölkerung zwei Vertreter im legislativen Rath und sechs in der Assemblêe. Eine weitere Negierungsbill verfügt die Bildung eines neuen Gerichtshofes für die Felder. Wenn keine weiteren »yrusheos« entdeckt werden, erwartet man, daß \ich die aroße Bevölkerung in den verschiedenen Diamanten -Gräbercien bald zerstreuen werde, da für solche Massen die Beschäftigung nicht anhalten könne. y

Neichstags- Angelegenheiten.

Berlin, 23. Mai: Jn der gestrigen Sizung des Reichs- tags nahm in der Berathung über die Petition aus Husum 2. rücksichtlich der die Vieheinfuhr aus Deutschland betreffenden Verfügung des großbritannischen Ministerluums vom 28. De- zember v. J. der Staats - Minister Delbrück nach dem Abg. Frhrn. v. Zedliß das Wort:

Meine Herren! Wenn ih Sie bitten muß, dem eben entwickel- ten Antrage des Herrn Abgeordneten für Sagan nicht zuzustimmen, so wird mir das in der That schr schwer. Es ist ja sehr natürlich, daß man sich interessirt für die Beseitigung der Nachtheile, welche eine bestimmte Gegend in ihren gewohnten Handelsvertältnissen, wie die Thatsachen liegen, eigentlih ohne Grund erleidet. Es i| vollkommen richtig, wie hier ausgeführt ist, daß in den Gegenden von S{leswig- Holstein, um die es sich handelt, die Rinderpest nicht geherrscht hat, daß die ämmtlichen Beziehungen des Handels, wie fie augenblicklich bestehen, eine Garantie dafür bieten, daß sie auch nit herrschen wird, daß die Betheiligten gegen ihr eigenes Jnteresse handeln wlirden, ganz abge- ea von den Beschränkungen auf dem englischen Markt, wenn sie ich in die Lage verseßten; daß ihre Gegend der Heerd der Rinderpest werden würde. Es ist dics, sage i), Alles richtig und es liegt fehr nahe, aus diesen Prämissen die Forderung an die Neich8verwaltung herzuleiten, nun dafür zu sorgen, daß diese unschuldige Gegend nicht durch Maßregeln getroffen werde, die der Natur der Sache nach gar nicht auf fie gemünzt sein können. Jch erkenne das Alles vollkommen an, aber, meine Herren, in einer ähnlichen Lage sind auch andere Bezirke in Deutschland. Auch in Osifriesland ist dîe Rinderpest nicht gewesen, auch in Oldenburg ist sie nicht gewesen. Beide Gegenden sind be- kanntlich schr starke Viehexporteure nah Großbritannien. Beide Ge- genden leiden in ganz gleichem Maße, wie S{leswig-Holstein, unter derselben von der englischen Regierung eingeführten Beschränkung. Ich muß es überhaupt prinzipiell für hoöch{sst bedenklich halten; für cin- zelne Gegenden bei einer auswärtigen Regierung Handelserleichterungen zu beantragen. Wenn es fich auch aus der Sache selbst rec)tfertigen mag; o ist es dem allgemeinen Eindrucke gegenüber, so ift es im Verhältniß zu andern Betheiligten, die nicht die gleiche Begünstigung genießen, eine Bevorzugung, und eine Bevorzugung, von deren Begründetheit sich cin Theil der Jnteressenten und zwar ganz mit Recht nicht überzeugen können j weil sie der Meinung sind, daß es bei ihnen nicht anders Und bet ihnen nicht s{hlimmer steht. Das is der ganz allgemeine Grund, der es mir in hohem Grade bedenklich erscheinen läßt, den Weg zu betreten, welchen der Antrag Ihnen vorschlägt.

Es fommt nun aber auch noch Folgendes hinzu. Ueber die hiex vorliegende Frage hat, so viel ich mich erinnere mein Gedächtniß kann mich täuschen cine amtliche Kommunikation mit der britischen Regierung nicht stattgefunden ih meine über die spezielle Frage der Ausfuhr aus Husum und Tönning, wohl aber ist mir bekannt daß ciner Deputation von Betheiligten, welche sich in London selbst um Erleichterung bemüht haben, gesagt worden ist, ja, man würde nichts dagegen haben, die Beschränkung gegenüber der Einfuhr aus. diesen Häfen aufzuheben, wenn das Hinterland dieser Häfen in Beziehung auf die Vicheinfuhr gegen Deutschland abgesperrt werde. Ich habe nicht den allermindesten Ztveifelz daß: cine offizielle Anregung vei der britishen Negierung im Sinne de8Antrages nur dieselbe Antwort hevvorrufen woürde, also die Erklärung der Bereitwilligkeit/ die Beschrän- fungen fallen zu lassen unter der Bedingung, daß die Viehcinfubr aus Deutschland nach den betheiligten Gegenden verboten würde. Darauf

einzugehen würde ich für ganz unbedingt unzulässig halten; vir können nun und nimmermehr gestatten, daß im Handelsinteresse einzelner Gegenden , und seien diese Handelsinteressen auch noch so erheblih daß bei einem bloßen Handelsinteresse dieser Gegenden der {reie Verkehr innerhalb Deutschlands Schranken unterworfen werde, denen er geseblih nicht unterworfen werden soll. Jh bin sogar zwei felhaft, ob eine Beschränkung des freien Verkehrs" in dieser Hinsicht mit den Vorschriften der Verfassungsurkunde vereinbar sein würde; unvereinbar wäre sie jedenfalls mit den Grundsäßen, welche von Alters her innerhalb des Zollvereins gcherrscht haben und welche Übergegangen sind auf das Deutsche Neich.

Ich will hier gac nicht davon reden, daß die Durchführung einer folchen Beschränkung und wenn wan sich dazu entschlösse, so müßte man sie ehrlich durchführen daß die Durchführung einer ¡olchen Beschränkung mit erheblichen Kosten, mit erheblichen Schwierigkeit n verbunden sein würde. Jch will keinen Werth darauf legen, ih halte eine solche Beschränkung prinzipiell für verwerflih und um so mehr für verwerflich, als sie der Natur der Sache nach in den andern Gegenden, welche ich {hon vorhin erwähnt habe, gleichartige Anträge hervorrufcn würde.

Unter diesen Umständen fann - ich Sie nur bitten, den Antrag s Seitens des A

uf die Seitens des Abg. v. Behr hierauf gestellte Frage ob die Protokolle der Wiener Nileran dem Reich8tag M werden würde, antwortete der Staats-Minister Delbrü:

_ Meine Herren! Die Protokolle der Wiener Konferenz sind mir noch nicht zugegangen, ich kenne sté neh nicht und ich fanndeshalb von vornherein nicht E ob aus irgend einem Grunde der vollständigen Vor- lepun ieser Protokolle an den Reichstag irgend ein Bedenken ent- gegenstehen könnte. Jch bezweifle das in hohem Grade; jedenfalls nehme ich feinen Anstand, das zu erflären, daß die Protokolle, so- weit es irgend zulässig ist, dem Reichstage werden mitgetheilt werden.

t Ju Bette ‘der -durch):-dit Judenverfolgungen in Ru- máänien veranlaßten Petitionen erklärte der Bundeskommissar Geheime Legations-Rath Dr. Hepke nah dem Abg. Lasker:

Anknüpfend an die Worte des Herrn Vorredners, daß er sich unter der Vorausseßung befinde, es walte bei der Formulirung, welche der Herr Abg. Dr Bamberger seinem Antrage gegeben hat, die Befürchtung eines Mißverständnisses nicht ob; muß ih doch erklären, daß die Formulirung dieses Antrags, namentlich in ihrer leßten Wendung; welche der Herr Abg. Lasker niat berührt hat, nämlich in dem Aus- drudte: der Herr Reichskanzler möge aufgefordert werden: .…. Aus- \hreitungen u. s. w. vorzubeugen, allerdings Bedenken er- regen dürften. Jh könnte dem Antrage nicht beistimmen, ohne die- jenige e E zu präzisiren, welche das Auswärtige Amt mit dem Antrage diescr Formulirung verbindet.

Ich erlaube mir zurückzugreifen auf die Lage der Verhandlung überhaupt. Es liegen meiner Ansicht nah zwei verschiedene Punkte vor, nämlich 1} ein Antrag auf Erledigung einer bestimmten Petition; 2) cin Antrag, der noch hinzukommt und in die Folge hinübergreift.

Was den ersten Antrag betrifft Uebergang zur Tagesordnung mit dem Ausdruck der Anerkennung für die bisherigen Schritte des Reichskanzlers, so erlaube ih mir, daran zu crinnern 7 daß der Ver- treter des Auswärtigen Amtes in der Kommission ausdrücklich erklärt hat, daß mit denjenigen Schritten, welche von der Neichsregierung veranlaßt worden sind, in dem vorliegenden Falle alles erschöpft worden sci, was habe geschehen können. Jch kann zu denjenigen Mit- theilungen darüber, welche der Kommissionsbericht enthält; noch eine Ergänzung hinzufügen.

Es ist inzwischen dem Auswärtigen Amte der Text der lebten an die rumänische Regierung gerichteten Kollektivnote zugegangen. Im vorliegenden Falle haben also drei verschiedene Verwendungen oder Einwirkungen stattgefunden. Einmal mündliche Verwendungen und Aufforderungen an die rumänische Regierung, zum Schutze der Juden einzuschrciten, und zroar von allen Vertretern derjenigen Mächte, die später, und zweitens eine identische Note, nämlich die Note vom 10. Februar übergeben haben und unter welchen sih sämmiliche Großmächte befinden, mit Ausnahme Ruß- lands, sodann aber hat noch_ am 18. April die Uebergabe ciner Kollektivnote stattgefunden. Jn dieser Kollektivnote ist das tiefste Bedauern darüber ausgesprochen daß die jüdischen Angeklagten, Angeklagten, obwohl die Staatsanwaltschaft die Anklage zurück- gezogen, verurtheilt dagegen die Excedenten gegen die Juden frei- gesprocen feien. Es ijt daran die Befürchtung geknüpft worden, daß auch für das Osterfest noch dadurch neue Gefahr für die Juden heraufbeshworen werden könnte, daß die Geschworenen in “dieser Weise verfahren wären. Der Herr Abgeordnete Lasker hat; wenn ih nicht irre, bei der Verwendung und Einwirkung auf die rumänische Negierung zu Gunsten der Juden die Betheiligung Rußlands vcrmißt. Ich glaube aus der Rede des Herrn Abgeordneten Bamberger dagegen entnommen zu haben, daß er seinerseits die Betheiligung nicht ganz vermißt habe und ich kann hinzufügen, daß in der That eine Verwendung der russijchen Negierung stattgefunden hat, nur nicht in den Formen der anderen. Es haben sich übrigens an der identischen und der Kollektivnote nicht bloß die Mächte betheiligt, welche die Mitunter- zeichner des pariser Friedensvertrages vom März 1856 find, sondern auch zwei andere Staaten. Die’ russische Regierung hat jedenfalls ihre besonderen Gründe gehabt, die wohl auch zu würdigen sind, sich diescn formellen Schritten nicht anzuschließen, wogegen; wie uns be- richtet worden ist, ihr Vertreter sich auf das Wärmste in münd- licher Weise für die Juden verwendet hat, wie zuerst von unserer Seite auch geschehen ist. So etwa läge es mit dem vorliegenden Falle, auf den die lycker Petition fsich bezieht. laube die positive Erklärung abgeben zu können, daß für künftige älle die Reichsregierung in ähnlichem Sinne vorgehen wird, wie in