1897 / 261 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Nov 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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heit, dem Wohle des Staates zu dienen, vor allem aber die Verfassung in Schug zu nehmen. (Lebhafter Beifall, Händeklatishen rechts; Lärm links.) Der Abg. Schönerer beantragte darauf namentlihe Abstimmung über eine Petition, worauf eine zweite namentliche Abstimmung über einen ähnlihen Antrag des Abg. Herbst folgie. Nach drei weiteren namentlichen Abstimmungen unterbrah der Vize- Präsident Dr. Kramarz die öffentlihe Sißung und beraumte eine geheime Sißung behufs Richtigstellung des Protokolles der leßten geheimen Sißung an. Nachdem die geheime Sißung um 53/, Uhr unterbrochen worden war, begann gegen 71/2 Uhr die öffentliche Sißung wieder. Auf der Tagesordnung stand die Fortsezung der ersten Lesung des Ausgleihs-Provisoriums. Die Linke verlangte stürmisch die Fortsetzung der geheimen Sißung. Der Vize-Präsident von Abrahamovicz erklärte, das Präsidium könne bei allem Entgegenkommen nicht zugeben, daß die Geschäftsordnung dazu benußt werde, jede Thätigkeit des Hauses zu ver- e Auf sein Befragen beshloß das Haus mit großer

ehrheit, daß in der geger wärtigen Sißung ausschließlih das Ausgleichs-Provisorium verhandelt werden solle. Diese Abstimmung vollzog fich unter stürmishem Widerspruch und Lärm der Linken. Der Lärm steigerte sih, als der V ize- Präsident dem ersten Redner zur Tagesordnung Dr. Lueger das Wort ertheilte. Während des Schreiens und Lärmens haiten einige Abgeordnete der Linken, insbesondere der Abg. Wolf, auf der Tribüne des Präsidenten Posto gefaßt und waren E zu bewegen, dieselbe zu verlassen. Der Aba. chöônerer verlangte schreiend das Wort. Der Abg. Dr. Lueger war nicht im stande, seine Rede zu beginren, und wartete stehend, von seinen Partei- genossen umgeben, während der Abg. Schönerer unter stetem Lärm anfing zu reden und einen Zeitel vorzeigte, auf welhem mit großen Buchstaben stand: „Jch bitte ums Wort“. Die Abgg. Schönerer und Wolf hielten gleichzeitig unter großem Lärm Reden; s\chließklich hörte der Abg. Wolf auf, während der Abg. Schönerer fortsprah. Das wieder- holte Glockenzeihen des Vize - Präsidenten und ein Ordnungsruf an den Abg. Schönerer wurden von der Linken mit neuem Lärm beantwortet. Der Vize-Präsident verließ hierauf den Präsidentensip um 8 Uhr 10 Minuten. Nach 10 Minuten wurde die Sißung wieder aufgenommen, worauf der Vize-Präsident von Abrahamovicz wieder dem Abg. Dr. Lueger das Wort ertheilte, was abermals Lärm und Protestrufe der Linken zur Folge hatte. Der Abg. Wolf begann, einen Zeitungsartikel laut vorzulesen; dabei kam es zwishen vier Anhängern Schönerer's einerseits und den Christlih - Sozialen andererseits zu cinem heftigen Wort- wechsel. Die gegen den Abg. Wolf gerihteten Rufe der Christlih-Sozialen: „Hinaus mit dem Schandbuben !“ riefen einen gesteigerten Lärm und gegenseitige „Beschimpfungen hervor. Als der Lärm fih zeitweilig legte und der Abg. Wolf mit der Verlesung des Zeitungsartikels aufhörte, be- gann Dr. Lueger seine Rede mit der Bemerkung : fein chrliher Deutscher könne mit solhen Gassenjungen gemeinsame Sache machen. (Lebhafter Beifall und Händeklatshen rechts.) Damit im Hause Ruhe ein- trete, sci es nôthig, die Anhänger Schönerer's von den übrigen deutschen Parteien abzusondern. Dazu sei eine strikie Beobachtung der Geschäftsordnung erforderlih. Zu diesem Zwee beantragte der Redner die Fortführung der Verhandlung in geheimer Sißung. Der Vize-Präsident von Abrahamovicz erklärte, den Antrag nit zur Abstimmung bringen zu können, nachdem die Mehrheit die Fortführung der Berathung des Ausgleihs-Provisoriuums in öffentlicher S beschlossen habe. Hierauf unterbrah der Vize-Präsident dieSißung. Nah Wiederaufnahme derselben wiederholte der Vize-Präsident von Abrahamovicz seine leßte Erklärung und forderte den Abg. Dr. Lueger auf, weiter zu sprehen. Die Linke hinderte den Redner abermals durch großen Lärm am Sprechen. Einzelne Abgeordnete der Linken verlasen Telegramme, Zeitungsartikel und dergleichen mehr, sodaß der Abg. Dr. Lueger troß wiederholten Versuches nicht zu Worte kommen konnte, Der Lärm dauerte bis gegen 11 Uhr Nachts. Einzelne Abgeordnete der Linken sangen im Chor: „Schluß“, wozu die Abgg. Wolf und Tuerk auf den Pulten trommelten. Jnzwischen sprach der Abga. Dr. Lueger; er war zuerst infolge des Lärms unver- ftändlih. Allmählih wurde es ruhiger; man hörte den Abg. Dr. Lueger, der den Ausgleih mit Ungarn bekämpfte, weil, wie er sagte, die Judäomagyaren sowohl in die Säckeder Czechen als in die der Deutschen greifen wollten. Unter großem Beifall und Händeklatshen seiner Freunde verurtheilte Redner die An- hänger Schönerer's, welhe er Landesverräther nannte, und sagte, in Preußen würde man solcher Frehheit, wie sie der Abg. Schönerer entwickelt habe, längst ein Ende gemacht haben, „nur wir Geduldigen dulden einen solchen Schurken in unserer Mitte“. (Stürmisher Beifall und Händeklatshen bei den Christlih-Sozialen und rechts.) Ec, Redner, sei nicht gegen den Ausgleih, wolle aber einen gerehten Ausgleich, weshalb seine Partci gegen den gegenwärtigen Aus- leich stimmen werde. Redner bsprah sodann sein Ver- hältniß zur Regierung und erklärte: Graf Badeni habe von ihm nie etwas verlangt; er, Lueger, habe als Bürger- meister von Wien mit dem Grafen Badeni, als Minifter des Fnnern, viel zu besprehen und werde dies auch künftighin thun. (Lebhafter Beifall bei den Chrifstlih - Sozialen.) Der Abg. Gloeckner beantragte sodann den Schluß der Sißung, welcher in zwei namentlihen Abstimmungen abgelehnt wurde. Der Abg. Garapich beantragte den Schluß der Debatte; der Abg. Heeger wünscyte geheime, eventuell nament- lihe Abstimmung hierüber. . (Tumult links.) Der Abg. Wolf trommelte auf dem Pultdeckel, welhen ihm mehrere czechishe Abgeordnete zu entreißen suhten. Es entstand ein Handgéemenge; zahlreiche Abgeordnete der Linken klopften auf ihre Pulte. Unter ohrenbetäubendem Lärm fand sodann die namentlihe Abstimmung statt und wurde der Schluß der Debatte mit 179 gegen 118 Stimmen angenommen. Der Abg. Groß beantragte nun die Ueberweisung des Ausglcich#-Provisoriums an einen besonderen Ausschuy von 48 Mitgliedern und, im Falle der Ablehnung dicses Antrages, die Verstärkung des Budgetausshusses zur Berathung des Ausgleichs-Provisoriums um zwölf Mitglieder. Der Antrag wurde hinreihend unterstüßt. Der Abg. Groß wünschte ferner das Haus zu befragen, ob die Debatte infolge dieses Antrages wieder eröffnet werden solle. Der Vize-Präsident von Abrahamovicz ertlärte die Be- fragung für unzulässig. Nach kurzer Debatte über die Zu- läshigleit von Anträgen zur formellen Geschäftsbehandlung erhielt der Generalredner für die Vorlage, der Abg. Engel (Jungczeche), das Wort. Derselbe sprach unter fortwährendem

Lärm der Linken und führte aus : die Gründe der Obfiruktion lägen in der ungerehten nationalen Selbstüberhebung; das

ovisorium sei ein Uebel, aber doch ein fleineres, als jene

eihe von Eventualitäten, die in den leßten Tagen angedeutet worden seien Mit Rücksicht auf die Staatsnothwendigkeit sowie auf die Aenderung des Mahlverkehrs würden die Jung- ren für die Ueberweisung der Regierungsvorlage an den

udgetausschuß stimmen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen rets, Widerspruch und Unruhe links.) Der Generalredner geaen die Vorlage Abg. Prade (Deutsche Volkspartei) wandte sich gegen den Vorredner und behauptete, die Jungczechen seien für ihre Abstimmung durch die Sprachenverordnungen bezahlt. Bezüglih der Bankfrage wünschte der Redner an Stelle der jeßigen österreihish-ungarishen Bank eine österreihishe und eine ungarishe Staatsbanf. Sodann wies der Abg. Prade ein- geen auf die Nachtheile hin, welhe die Verlängerung des bestehenden Ausgleihs auf ein Jahr für die Jndustrie und Land- wirthschaft haben würde. Auf die Quotenfrage übergehend, bezeih- nete der Redner die Forderungen der ungarishen Quotendeputa- tion als höchst ungerecht. Was die politishe Lage angehe, so werde das deutshe Volk fich die Sprachenverordnungen nun und nimmermehr gefallen lassen. Es sei möglih, daß die Obstruktion jeßt niht durhdringe, \{hließlich aber werde das deutsche Volk in dem ihm auferlegten Kampfe doch fiegen. (Lebhafter Beifall, Händeklatshen links.) Der Abg. Ritter von Berks interpellierte darauf die Regierung, ob ste willens sei, sih den Bestrebungen anzuschließen, welche bezweckten, dem Rükgange des Silberwerthes entgegenzuwirken, und ob fie hierauf bezüglihe Verhandlungen mit der ungarishen Re- gierung gepflogen habe. Schließlih lehnte das Haus die Anträge des Abg. Groß ab und nahm mit großer Mehrheit einen Antrag des Abg. Jedrzejowitsch auf Ueberweisun des Budgetprovisoriuums an den Budgetauss{huß an. Na einer Reihe thatsähliher Berichtigungen und Anfragen an das Präsidium wurde die Sißung heute um 10 Uhr Vor- mittags geschlossen. E

In Wien wurde gestern eine von den Deutsh-Natio- nalen einberufene Versammlung nah kurzer Dauer unter heftigem Tumult von den Chrifstlih-Sozialen gesprengt. Nah dem Schluß der Versammlung entstand ein Handgemenge; der Saal wurde durch ein großes Aufgebot von N geräumt.

n Baden bei Wien verbündeten sich bei den gestern vorgenommenen Gemeindewahlen im dritten Wahlkörper die Deutsch - Liberalen mit den Deutsch - Nationalen gegen die Christlih - Sozialen. Jnfolge dessen wurden 5 fortschrittliche Kompromiß-Kandidaten und ein Parteiloser gewählt. Es sind 4 Stichwahlen zwischen Christlih - Sozialen und Kompromiß- Kandidaten erforderlich.

Der in Lemberg zusammengetretene Ruthenen-Tag ist heute von dem Regierungsvertreter aufgelöst worden, weil der Vorsißende sich weigerte, der Mahnung des Regierungs- vertreters nachzukommen, den ehemaligen Abgeordneten Ro- manczuk, welcher die parlamentarische Lage sowie die bei der Reichsrathswahl vorgekommenen Mißbräuche besprach, in seinen Ausführungen zu unterbrechen.

Im ungarischen Unterhause erklärte gestern der Minister-Präsident Baron Banffy in Beantwortung der Interpellation des Abg. Serban wegen der Verleihung eines rumänishen Ordens an den Ministerial-Rath Dr. Jeszensky: Wie er bereits am Tage Mer erwähnt habe, gehöre die Interpellation niht vor dieses Haus; er. wolle nur auf die Bemerkung des Abg. Serban eingehen, nach welher nicht zwishen Rumänen und Ungarn, sondern zwishen der rumänishen und der ungarishen Regierung Gegensäße beständen, und hinzufügen: Gegensäße beständen auh nicht zwischen der rumänischen und ungarischen Regierung, sondern es beständen nur Gegensäße zwischen der ungarischen Nation und den rumänischen Agitatoren, deren größter Theil die Agitation als Erwerbs3zweig betreibe. Die Antwort wurde zur Kenntniß genommen.

Großbritannien und Frland.

Der Erste Lord des Schaßamts Balfour hielt gestern in Norwich eine Rede, in welcher er, dem „W. T. B.“ ufolge, bemerkte: das europäishe Konzert, das von der Oppo- sition bekämpft werde, habe einen Weltbrand verhindert, Kreta die Autonomie gesichert und Griechenland davor bewahrt, einen iten seiner Bevölkerung der türkischen Herrschaft zu über- iefern.

Der Schagkanzler Sir M. Hicks Beach erklärte in einer Rede, die er gestern in Sheffield hielt: der® bloße Selbst- erhaltungstrieb rehtfertige hon die Politik der Ausdehnung des Neiches. Bezüglih der Forderungen für die Vermehrung des Heeres bemerkte der Schaßkanzler : er bezweisle, daß das Land willens sei, die vermehrten Lasten zu tragen, und er glaube, daß zunächst durchgreifende Reformen in der Heeres- verwaltung nöthig seien.

Bei der gestrigen Ersaßwahl zum Unterhause in Middleton (Sancasbire) wurde an Stelle des verstorbenen Konservativen Fielden der Liberale Duckw orth mit 5964 Stimmen gewählt. Der konservative Kandidat Mitchell erhielt 5664 Stimmen.

Frankrei. \,

Der Senat verhandelte gestern über die Vorlage, betreffend die Erneuerung des Privilegiums der Bank von Frank- reich. Nach kurzer Debatte wurde die Vorlage für dring- li erklärt, und die ersten 12 Artikel wurden angenommen. Die Deputirtenkammer berieth die Konvention über den Postdampferdienst mit Algier und Tunis. Die Deputirten Raiberti und Lockroy verlangten, daß nur solhe Packetboote subventioniert werden sollten, die im stande seien, im Nothfalle 23 Knoten in der Stunde zu- rückzulegen, damit sie in Kriegszeiten im Aufklärungsdienst verwendet werden könnten. Der Handels - Minister Boucher erwiderte, daß der Bau und die Unterhaltung von Schiffen mit besonderer Geschwindigkeit sehr theuer seren; die Kosten hierfür würden die zur Verfügung stehenden . Mittel über- schreiten. Der Antrag Lockroy's wurde sodann mit 310 gegen 907 Stimmen abgelehnt. Die Kammer beschloß ferner mit 330 gegen 156 Stimmen, am Montag die Berathung des Budgets zu beginnen.

Ftalien.

Der Minister des Aeußern Visconti Venosta ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern von Rom nach Mailand abgereist. Der Minister-Präsident di Rudini begiebt sih heute ebenfalls dorthin, um den Grafen Goluchowski, welcher C Abend daselbst eintrifft,zu empfangen. Auch der italienische Botschafter in Wien Graf Nigra wird bei dem Empfange

zugegen sein. Am Sonntag Vormittag werden der König und die Ag den Grafen Goluchowski in Monza empfangen, wo dieser als Gast der Majestäten Wohnung nehmen wird.

Spanien.

_Wie „W. T. B.“ aus Madrid berichtet, hat der Minister-Präsident Sagasta einer Abordnung der cubani- shen Partei der „konstitutionellen Union“ erklärt, daß das Kabinet infolge der neuen Politik auf Cuba der Faris niht mehr denselben Einfluß wie früher einräumen önne.

Türkei.

Die griechischen Bevollmächtigten haben, nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Konstantinopel, ihre Instruktion erhalten. Die zehnte Sißung zur Feststellung des endgültigen Friedensvertrages hat gestern Mittag stattgefunden.

__ In Konstantinopel werden Vorkehrungen für die Ueber- führung von 8000 Rekonvaleszenten der thessalischen Armee getroffen. Eine Sammlung zur Beschaffung warmer Kleider wurde eröffnet; der Sultan spendete 1000 Pfund.

__Aus Skutari ist in Cetinje die Nachricht eingetroffen, daß der Kaimakam des Mirtiditengebiets und einige andere albanesische Häuptlinge nah Diarbekir ver- bannt worden seien.

Amerika.

Dem „W. T. B.“ wird aus Washington berichtet, daß der großbritannische Botschafter Sir J. B anncstnie. wie daselbst verlaute, binnen kurzem mit dem Staatssekretär Sherman über die Wiederaufnahme der Verhandlungen be- treffs des Abschlusses eines Schiedsgerichtsvertrages zwishen Großbritannien und den Vereinigten Staaten fonferieren werde. Auf keiner Seite bestehe Neigung, die Angelegenheit zu Üüberhasten; Sherman habe aber die groß- britannische Regierung vor einiger Zeit wissen lassen, daß der Präsident Mc. Kinley einer Wiederaufnahme der Verhand- lungen niht abgeneigt sei.

Nach einer Meldung aus Havanna vom gestrigen Tage wird der Marschall Blanco heute einen vom Generalstabe ausgearbeiteten Runderlaß unterzeihnen, in welhem Maß- regeln angeordnet werden, die zum Schuße des ländlichen Eigenthums, zur Förderung des Viehverkaufs, der Kaffee- und Kakao-Ernte sowie zur Kultur des Zuckerrohrs und zur Verbesserung der Transportmittel dienen sollen. Der Erlaß zählt auch die Mittel und Wege auf, die behufs Beruhigung der Jnsel zur Anwendung gelangen sollen. Wahrscheinlih wür- den Bruzon und Vasallo, zwei bekannte Autonomisten, zu ntg von Havanna und Puerto Principe ernannt werden.

Aus Key West ist in New - York die Nachricht ein- getroffen, daß der Dampfer „Dauntleß“ vermittels des Schooners „Silverheels“ zwei Freibeuter-Expeditionen auf Cuba gelandet habe, die in das Jnnere gegangen seien.

Der „New-York Herald“ hat Meldungen aus Carácas erhalten, denen zufolge in den Staaten Lara und Bolivar Unruhen durch Aufständische veranlaßt worden wären. Zwei Kompagnien Jnfanterie seien nah Ciudad Bolivar geschickt und mehrere Hundert Personen verhaftet worden.

Afien.

_ Der „Kölnischen Volkszeitung“ wird aus Kaldenkirchen im Rheinland gemeldet, daß in der chinesishen Provinz SÜd- Schantung die Missionare des Missionshauses Steyl, Nies und Henle ermordet worden feien.

Afriïa.

Aus Prätoria wird gemeldet, daß der Volksraad mit 40 gegen 30 Stimmen eine Resolution gefaßt habe, welche besa, daß die Regierung ermächtigt sein solle, nah Befragung juristischer Autoritäten Maßnahmen zu ergreifen, um die Preise für Dynamit in Transvaal billiger zu gestalten. Jn er Resolution werde der Regierung auch anempfohlen, bis zur endgültigen Entschei- dung der Dynamitfrage die Einfuhr von Dynamit auf Grund von Erlaubnißscheinen zu gestatten, welche der Zahlung cines bestimmten Betrages oder einer anderen Be- dingung zu unterwerfen seien. Der Volksraad beshloß sodann mit einer Stimme Majorität, die Regierung anzuweisen, die Dynamitfrage dem General - Staatsanwalt und anderen juristishen Sachverständigen vorzulegen, um sich Gewißheit darüber zu verschaffen, was zu geschehen habe.

Das „Reuter she Bureau“ meldet: Sobald bekannt geworden sei, daß eine französische Truppenabtheilung die rege zwishen Dahomey und Lagos überschritten und Saki beseßt habe, sei von dem Gouverneur von Lagos eine Abtheilung britisher Truppen entsandt worden, bei deren Ankunft sich die Fran zurückgezogen hätten. Kishi sei noch immer von ranzösischen Streitkräften beseßt. -

Arbeiterbewegung.

Aus Frankfurt a. M. berichtet der Vorwärts", daß die Schriftgießer der dortigen Schriftgießerei von Ludwig und Mayer wegen Lohnstreits in den Ausftand getreten sind.

Aus Paris wird der „Voss. Ztg.“ zum Ausftand der Schlächtergesellen gemeldet: Der Pariser Stadtrath übernahm die Vermitteiung zwischen den ausftändigen Schlächtergesellen und den Meistern; man hofft auf friedlihe Einigung.

Aus Lens meldet .W. T. B.“: In den Kohlengruben von Carvin ist ein Theil der Arbeiter in den Ausftand eingetreten.

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Statiftik und Volkswirthschaft.

Maßnahmen auf dem Gebiete der landwirthschaftlichen Verwaltung in Bayern 1890—1897.

Von dem Königlich bayerishen Staats-Ministerium des Jnnern ist fürzlih eine „Denkschrift über die Maßnahmen auf dem Gebiete der landwirthschaftlihen Verwaltung in Bayern 1890—1897 veröffentliht worden, die sih dem trefflichen Werke vom Jahre 1890 „Die Landwirthschaft in Bayern“ und der 1895 erschienenen Denkschriff „Die Untersuchung der wirthschaftlichen Verbältnifse in 24 Gemeinden des Königreihs Bayern“ als werthvolle Ergänzung und Fortseßung anreiht, Die neue, 390 Seiten umfassende Denkschrift giebt neben der Darlegung der Maßnahmen auf dem Gebiete der landwirthschaftlichen Verwaltung einen ershöpfenden Ueberblick über die Entwicklung und den Stand des landwirthschaftlihen Gewerbes und feiner Nebenzweige im laufenden Jahrzehnt, indem es im erften Abschnitt die Ausnußzung der natürlihen Grundlagen der landwirth- shaftlihen Produktion und die Kulturunternehmungen (Moorkultur,

Sasserbauten, Wafserversorgun Flurbereinigung), im zweiten den Landwirtbschaftsbetrieb und die Verwerthung der Erzeugnisse, im dritten die landwirtbschaftlihe Versicherung, im vierten den Verkehr, im fünften das Kredit- und Genoffenshaftswesen, im se{sten die öffent- lien Lasten, im siebenten die Dienftboten- und Arbeiterverhältniffe, im ahten den landwirths{aftlichen Unterricht, im neunten das land- wirtbschaftlihe Versuhswesen, im zehnten das landwirthschaftliche Pereinswesen und im elften Abschnitt den Aufwand für landwirth- scaftlihe Zwecke aus öffentlihen Mitteln behandelt. Aus diesem reihen Inhalt mögen in Nacftehendem einige thatsählihe Angaben über die Kultur- und Betriebsverbältnisse mitgetheilt werden.

Fn der Einleitung weist die Denkschrift auf die auch im „Reichs- und Staats-Anzeiger“ bereits besprochenen Ergebnifse der Berufê- und Betriebszählung vom 14 Juni 1895 hin, nach denen die Zabl der im Hauptberuf landwirthsaftlih Erwerbethätigen gegen 1882 um 10,7% gesunken sei, diese Abnahme jedoch niht auf die selbständigen Undwirthe, deren Zahl vielmehr etwas ¿ugenommen habe, fondern auf die Zahl der Mat es Hilfspersonen fich beziehe. Diese Minderung werde übrigens theilweise dur die erhöhte Zahl der nebenberuflih mithelfenden Angehörigen ausgeglichen vnd sei zum tbeil au durch die veränderte Zählmethode erklärt. Die Denkschrift bemerkt am Schlusse der Einleitung: „Dur die in den leßten Fahren im Interesse der Landwirthschaft bethätigten Maßnabmen fonnte allerdings eine Besserung der Preise der landwirtbschaftlichen Produkte, wie sie zur Hebung der ungünstigen Lage der Landwirthe vor allem nöthig wäre, niht erlangt werden; allein eine Verbesserung und Grleihterung der Produktion, sowie des Absatzes der Erzeugnisse in mehreren Richtungen, dann eine befriedigende Gestaltung der Kreditverbältnisse, ein erhöhter Schuß der Landwirthe vor Verluften dur Viehseuchen, Hagelschlag 2c. und einige Erleichterungen bezügli der zu tragenden Lasten können doch als die erzielten Erfolge ver- zeichnet werden.“ : : :

Was zunächst den kulturteSGnischen Dienst anbelangt, fo ift derselbe in den meisten Regierungsbezirken erfreulich entwidelt und zweckmäßig organisiert. Es find jeßt im ganzen Königreich ftändig angestellt: 11 Kreis-Kulturingenieure und Kreis. Wiesenbaumeister, 10 Bezirks-Kulturingenieure und Assistenten, ca. 50 Wiesenbaumeifter, Kulturaufseber u. \. w. Ent- und Bewässerungs-Unter- nehmungen find in der Zeit vom 1. Januar 1889 bis 31. De- zember 1896 durgeführt worden 385 für eine Grundflähe von 15 009,26 ha mit einem Kostenaufwand von 1 007 129,42 Æ; ferner 35 Unternehmungen auf Grund des Wasserbenußung8gesetßes vom 28. Mai 1852 mit einem Aufwand von 51 741 4; sodann Vrainage-Unter- nehmungen für eine Flähe von 5367,05 ha mit 1 015 603 Æ Koften ; sonstige Kulturunternehmungen für eine Fläcbe von 13 379,88 ha mit 1294 870 A Kosten. Die Kosten ftellien sich für das Hektar im Durchsnitt auf rund 99 A Aus söffentli®en Mitteln (Staat, Kreise, Distrikte, Vereine) sind dazu an Zuschüssen 6,43 9/9 der Bau- fumme gewährt. Es is erklärlih, daß Geldmangel bei den Inter- essenten das Fortschreiten dies:r Kulturunternehmungen verlangfamt. Die Urbarmachung der Moore, die im Königreich 144342 ha umfafsen, wovon nit einmal die Hälfte zum Torfftih zu brauchen ist, wurde in den leßten Jahren namentlich durch die Einrichtung einer Landes-Moorkulturanftalt (1895 bis 1897: Landes-Moorkultur- kommission) befördert. Die Flußkorrektionen im Donau- und

Rheingebiet haben in der Lerichtéperiode der Landwirthschaft ein Verlandungsgebiet von zusammen 6359 ha zugeführt, welhes an Baargeld durch Verkauf und Verpachtung 474195 #, an Nußung shäßung8weise 261 585 4 eingebraht hat. Wasferversorgungs- Unternehmungen für reine Landgemeinden und für Städte mit überwiegend landwirthschaftlißer Bevölkerung sind nah den Ron und unter Oberleitung 1878 eingerihtete „technische

ureaux für Wafserversorgung* und unter Geldzushüssen aus dem „Wasserversorgungsfonds“ sind 214 in 274 Ortschaften mit einem Gesfammtaufwand von 7 000 000 Æ, unter Zushuß von 32,39% aus Staatsmitteln ausgeführt worden. Auch die Flurbereinigung hat in der Berichtäperiode befriedigende Fortschritte gemati. Es haben von 1889—1897 Erledigung gefunden 99 Zusammen- legungen und 187 Feldwegregelungen mit einer Größe der Bereinigunasflähe von 16 676 ha und einer Zahl der betheiligten Grundeigenthümer von 16 032. Der durch diese Bereinigungen erzielte Gewinn ift auf 5 116 410 #4 veranschlagt, die Kosten (ohne Wegebau, Grunderwerb 2c.) auf 10 # pro Hektar.

Bezüglih der Bodenbearbeitung und Düngung wird be- rihtet, daß man durch Belehrung und theilweise au dur ander- weitige Unterstüßungen bestrebt gewesen ist, den im allgemeinen nit günstigen Stard, wie ihn namentli auch die Untersuhungen der wirthschaftlihen Verbältnisse in 24 Gemeinden des Königreichs be- stätigt hatten, zu heben. Das landwirthschafili®e Bauwesen fand in der Bauordnung vom 31. Juli 1890 größere Berücksichtigung. Um die Verbreitung landwirth\chaftlicher Maschinen erwarben fich neben den landwirthschaftlihen Vereinen au die landwirthshaft- lihen Darlehnskafsen- und Konsumvereine anerkennenswerthe Ver- dienste, Ueber den Stand 1895 bezw. die Zunahme der Maschinen- benußung seit 1882 geben folgende Zablen Aufschluß. Von je 100 sämmtlicher Betriebe der betreffenden Größe

verwendeten 0—1 ha 1—10ha 10—100 ha 1 mebr

; " [1882 0,2 7,9 47,5 86,9 Maschinen überhaupt \1895 20 20 73:4 86,9 Dampspflüge 189% 0,001 2,9 A5 4 8 34,5 Säemaschinen e {1865 19:8

Drillmaschinen . . . 1895 49,3 Düngerstreumaschinen 1895 25,2 ckmaschinen . . .. 1895 20,9 ampf-Dresch- 1882 45,9 maschinen 1895 59,6 Andere Dresch- 1882 52,8 maschinen 40,3 Milchzentrifuge (Handbetrieb) . . . 1895 14,5 Milchzentrifuge (Kraftbetrieb) . . . 1895 0,02 5,0 29,6 ES « 34,3

Mähmaschinen . - {1895 0,01 y

Ueber die Beziehungen der Landwirthschaft zur Forstwirth- [haft theilt die Denkschrift hier u. a. mit, daß 1896 die ganze Forfst- flähe des Königreichs 2562 006 ha = 33,1% der Gesammtfläche umfaßte. Nach Abzug der rein forstwirthschaftlihen Betriebe standen 1895 in forstwirthshaftlider Benußung von 663 785 Betrieben 1339251 ha gegen 1400526 ha ron 681 521 Betrieben im Jahre 1882, Von der ganzen Betriebsflähe machte die forstwirthschaftlih benußte Fläche aus bei den Betrieben

unter 1 ha 43,14 9% von 20— 50 ha 23,93 9% von 1—10 ,„, 18/28 ,„ ¿50—100 „, 29,75 1020 „21/98 y 100ha u. mebr38,72 ,

„Die Gründe für die bemerkenêwerthe Abnahme ter Privatforfsten erblickt die Denkschrift in der fortgeseßten Ausdehnung des Eisenbahn- neyes, dem Ausbau und der Verkefserung der E in den Wald-

‘genden, dem lebhaften Holzhandel bei guten Erei en, der s{hwung-

aft betriebenen Fabrifation von Holzfiof, ellulose, Holzpflaster U. st. w., in dem wachsenden Bedarf von Grubenhölzern, der allerorts starken Bauthätigkeit, {ließli aber auch in der dur die gedrückten Preise der landwirthschaftliden Erzeugnisse herbeigeführten miß- ihen Lage der bäuerliten Waldbesiger, welche vielfah dadur ¿ur weitgebendfien Auënuzung ihrer Holzbestände genöthigt werden.

er stärkeren Abholzung entsprah die Wiederaufforstung nit. Regierung und Beiciùe sind um Abstellung dieses ¿ribverbältnisses bemüht. Die mit Getreide und Hülfen- früchten bebaute Fläche ist 1893 auf 1848036 ha = 60,4 9/9 des gesammten Acker- und Gartenlandes (66,3 9/6 der gesammten land- wirthshaftlih benußten Flähe ohne Weinberge von 4611523 ha) LUnLgE worden, und zwar mit den 4 Hauptgetreidearten eins{ließlich es Spelzes 1765263 ha = 57,7 9%. Gegen 1883 hat das

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Getreideland im ganzen Königreih um 7034 ha zugenommen. Nach den s{chäßungêweisen Ermittelungen bei der Ernteftatistik von 1896 war dagegen eine Abnahme um 3087 ha zu berechnen. Der Körnerertrag pro Hektar stellte sich (n Bann bei Weizen Spelz Roggen Gerste Hafer 1890 auf . . 830,4 29,6 28,8 31,3 28,3 1891 D 22,3 i 31,7 30,2 1892 E 30,4 30,8 L 1893 e 24/0 1894 Zie 0A 27,1 312 1895 Lie B 26,5 26,4 A e 2M 23,5 25,2 25,5 24,9 Besonders bemerkenswerth ift die in den leßten Jahren hervor- tretende genossenshaftlißhe Organisation der Landwirthe für den Getreideverïauf, namentli durch Errichtung der Lagerhäuser. Es sind bis jeßt solche errihtet worden Kosten Kosten

in M e e 0) O Stambah. . . . 4678 Oberröolau . «6500 S a e 24 10

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i - ¿2000 Guse. …- 6 Aus Staatsmitteln wurdes im Ganzen 20 800 #4 an Zuschüfsen

und 66 820 .46 an Vorschüfsen gewährt. Die Errichtung erfolgte in einem Falle seitens eines Produzentenvereins, in einem anderen dur den landwirtbschaftlichen Bezirksverein, sont durch Darlehnskassenvereine. In Ausficht stehen weitere Lagerhäuser in Bötting (Aufwand 5000 46), Geisenhaufen (13750 4), Enkenbach (8000 4), Nockenhausen (8000 4), Mitterteich (8000 46), Waldershof (4000 4), Wiesau (5000 4), Haag (4300 46), Rehbach (16 000 #4), Laufach (7000 #4) und Möttingen (10000 #4); ferner sind in rwägung solle in Mühldorf, Speyer, Landstuhl, WMaximiliansau, Neuforg, Tirschenreuth, Waldsassen, Münchberg und Uffffen- beim. Die Erfahrungen, welche bisher mit den Lagerhäusern emacht werden konnten, werden als günstige bezeihnet. Das n den Lagerbäusern aufgenommene Getreide erweist fi, wie der Be- riht sagt, weil besser gepußt, sorgfältiger behandelt und sortiert, als [eihter verkäufliÞh und wird auch meist mit höheren Preisen bezahlt. Noch sct hier der Hopfenbau erwähnt. Es waren mit Hopfen bebaut 1883 : 26 815 ha, 1893: 26226 ha. Im Durchschnitt ergab

sich ein Ertrag pro Hektar in Zentnern: 18900 ¿108 E S D

1E 8 1 190 R «96 18 107 O Ferner der Tabackbau. Hier hai am Anfang der neunziger Jahre gleihfalls ein Rückgang stattgefunden, in den leßten Jahren war eine Zunahme zu bemerken. Nachfolgende Zahlen geben ein

Bild davon: j Anbaufläche Ertrag auf 1 ha ha in 100 kg 1E Ce 3970 19,7 1E 3317 17,0 R e 2094 18,6 1E c es 2179 19,0 1B s 2778 20,8 I 4 3650 195 Endli der Weinbau. Derselbe wies folgende Anbau-

flächen auf 1883 1893 1895 ha ha ha

in M. Trosib@a . «14700 ittrihing . . . 10500 anböbut . . 268000 Hobnftadt. . . . 10000 S r mt e Es Ka

Oberbayern . . Niederbayern 2,39 2/92 0,3

1338811 13 903,01. 13 837

é 110,61 119,75 160 Oberfranken . . 46,98 28,15 89 Mittelfranken . 492,91 487,28 562 Unterfranken. 961652 911935 7860 Schwaben . . 189,61 131,96 144 Königreih . . 23 847,13 23 791,82 22 652

Im Jahre 1895 wurde in Bayern zum ersten Mal, und zwar in der Gemarkung Sausenheim, Bezirksamt Frankenthal, ein Neb- lausberd aufgefunden. Der Herd umfaßte 1895: 133 a und 1896: 163 a. Die Verrichtungs8arbeiten erforderten 1895 einen Aufwand von 11 390 4 und 1896 einen solch?z:n von 1896 4, der Gesammt- aufwand eins{chließlich Entschädigung der Besißer: 26 809 bezw. 34578 A4. Die Desinfektion ge mit Schwefelkohlenstof} und Petroleum nah dem Honnef’shen Verfahrer.

Auf die vielseitigen, allgemein interessierenden Mittheilungen dieses Abschnitts über Obst- und Gartenbau, Thierzucht und Veterinär- wesen, sowie die landwirthschaftlihe Industrie und Nebengewerbe (Molkerei, Branntweinbrennerei, landwirthschaftlihe Hausindustrie) gleichfalls hier näher einzugehen, verbietet die Rücksicht auf den Raum. In einem weiteren Artikel wird noch Gelegenheit genommen werden, einen flüchtigen Blick auf die Abschnitte 3 bis 11 der Denkschrift zu werfen, deren Inhalt bereits oben angedeutet ift.

Kunft und Wissenschaft.

Die erste Sitzung der Archäologishen Gesellschaft nah der Sommerpause eröffnete der Vorsitzende, Herr Schöne, Exc., mit einem Worte der Erinnerung an Wilbelm Wattenbach, der seit dem Jahre 1844 der Gesellschaft als Mitglied angehörte und ihrer Interessen zusammen mit dem ibm eng befreundeten Ernst Curtius sih stets aufs wärmste annahm. Nah Vorlegung und Be- \prehurg der zahlreihen neuen Erscheinungen der einschlägigen Literatur durch den Vorsitzenden und Herrn Wernicke nahm P Engelmann das Wort zur Besprehung einer Reihe kleinerer

enkmäler, insbesondere eines bisher unerfkflärten, zuleßt auf die Lackoonsage bezogenen Vasenbildes, das er auf den lokrishen Ajas und dessen Frevel an Kafsandra deutete: eine Deutung, die dem Wider- \spruh der Herren Trendelenburg, Wernicke und von Wila- mowiß-Moellendorf begegnete. Danach spra Herr Pernice über eine Wage aus Chiusi im Besiße des hiesigen Königlichen Anti- quariums, die zu falschen metrologisden Folgerungen Veranlassung gegeben hatte, weil man bisher ein als Ornament darauf angebrachtes Kerykeion für einen Buchstaben genommen und eine Gewichtszahl fals gelesen hatte. Herr Lehmann erkannte die Richtigkeit der Ausführungen des Herrn Pernice an, ohne jedo seine an die unzu- treffenden Voraussezungen En Folgerungen ganz fallen zu lassen. Zum Schluß entwidelte Herr Lehmann in einem infolge der vorgerückten Zeit etwas eingeschränkten Vortrage seine Ansichten über Herkunft und Bedeutung des Sarapis.

Am 2. November fand hier der Delegirtentag des Ver- bandes der deutschen Kunstgewerbe-Vereine unter Leitung des derzeitigen Vorsitzenden des Verbandévorortes, Architekten Hoffacker statt. Von 23 Vereinen waren 20 durch 27 Delegirte vertreten. Zum Vorort für die näcsten zwei Jahre wurde der Württembergische Kunstgewerbe- Verein in Stuttgart gewählt, dessen Vorsitz z. Zt. der Präsident der Zentralstelle für Gewerbe und Handel Dr. von Gaupp innehat. Der bisherige Vorort Berlin erstattete den Geschäftsbericht für die Jahre 1895 bis 1897 und legte den Etat für die folgenden zwei Gejchäftsjahre zur Genehmigung vor. Außerdem wurde einftimmig beschloffen, den auf dem leßten, im Januar d. J. Ee enes eta etage vertretenen Standpunkt festzubalten, wona das deutsche Kunstgewerbe auf der Pariser Weltausstellung 1909 in feinen hervorragendsten Leistungen, gesondert von der Marktwaare, au der kunstgewerblichen, geshlofsen auftreten wolle, und ale zur Ausftellung zuzulafsenden Gegenstände einer nah einheitlihen Gesichtspunkten zu vollziehenden Vorprüfung zu unterwerfen seien. Betreffs der im Jahre 1899 für Dresden geplanten „Deutshnationalen Kunst- und Kunst- gewerbe-Ausftellung“ ging die einftimmige Meinung dahin, daß im

r auf die Verpflichtungen, welhe die einheitlihe, all- eitige und glänzende Betheiligung des Deutshen Reichs an der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 den Kunstgewerbetreibenden auf- erlege, von einer solchen Veranstaltung dringend abzuratben sei. Ferner hat es der neue Vorort übernommen, die Regelung verschiedener die Pariser Ausstellung betreffenden, mehr geschäftlichen Fragen anzu- bahnen und dur einen späteren Delegirtentag event. zum Austrag zu bringen. Die Einstimmigkeit in der Beschlußfassung über diese wich- tigen Fragen ift um so bedeutungsvoller, als der Verband fo ziemli E E Deutschlands mit über 10 000 Mitgliedern umfaßt.

Am 2. November verstarb in Göttingen im 63. Lebensjahre der Geheime Regierungs-Rath Dr. Ernst Schering, ordentlicher Professor der Mathematik und theoretishen Astronomie und Direktor des Gauß’shen erdmagnetishen Observatoriums an der dortigen Universität. Er gehörte noch zu den Trägern der Gauß- Weber’schen Traditionen, denen die Göttinger Hobschule einen }o großen Theil ihres Ruhmes in den leßten sech8s Jahrzehnten ver- dankt, und hat diese Hinterlafsenschaft aus großer Zeit dur eigene gewihtige Untersuhungen über den- Erdmagnetismus und durch seine Forshungen auf dem Gebiete der Geopbysik redlich gemehrt. Als Herausgeber der Werke von Gauß, deren Publikation er im Auftrag der Göttinger „Geselishaft der Wissenschaften“ besorgte, hat er seinen Namen weit über die eigentlichen Fachkreise hinaus bekannt gemacht.

Literatur.

Ein neuer Roman von Georg Ebers, betitelt „Arahne*, wird noch im Laufe dieses Monats in der Deutschen Verlags-Anstalt zu Stuttgart ersheinen. Der Autor führt in dieser eigenartigen Er- zählung den Leser diesmal wicder nah Egypten, und zwar in ein ent- legenes Weberstädtchen, und von dort aus in die unter Ptolemäus L apotos i \chnell erblühte Heimstätte des Realismus, das alte

lexandria. Die Schiksale und Wandlungen des Helden, eines jungen griechischen Bildhauers, boten dem Dichter Gelegenheit, feine Ansichten über die wichtigsten Fragen der Kunst auszusprehen. Die bewegte Handlung kommt in jenem Pergamon zum Abschluß, das infolge der Auffindung der hberrlihen Bildwerke vom Altar des Attalos in neuerer Zeit \o viel genannt wurde.

Verdingungen im Auslande.

Dänemark.

18. November, 2 Uhr. Staatsbahn. Verwaltung, Statsbane- anlaegenes Kontor, Reventlowsgade 10, Ropenhagen: Lieferung von 45 000 Stück = etwa 12.2 Tonnen Winkel’ashen-Bolzen 1it Muttershrauben. 207 000 Stück = etwa 38,7 Tonnen Nägel für den Bau der Odense-Kjerteminde-Dalby:Eisenbahn. Bedingungen an Ort und Stelle und beim „Reichs-Anzeiger“ (in däntisher Sprache).

Verkehrs-Anstalten.

Buluwayo, 4. November. (W. T. B.) Die Eisenbahn, welche Buluwayo mit Kapstadt verbindet, wurde beute durch den Ober-Kowmissar der Kapkolonie in Gegenwart zahlreicher, aus allen Theilen Süd-Afrikas ers{ienener Festtheilnehmer eröffnet. Der Kommissar verlas ein Glückwunsch-Telegramm des Kolonial-Ministers Chamberlain, worauf die Versammelten ein Ho) auf Chamberlain und Rhodes ausbrachten.

Bremen, 4. November. (W. T. B) Norddeutscher Llovd. P: E 4. Novbr. Mrgs. Reise v. Neapel n. Port Said ortgeseßt.

5. November. (W. T. V.) PD. „Trave“ 4. Nov. Mrgs. in New-York angek „Heimburg“ 4. Nov. Mrgs. Reise von Oporto n. Lissibon fortges. „Ems“ 4. Nov. Vm. Reise von Genua n. New-York fortges. „Weimar“ 4. Okt. Mrgs. in New-York angek. „Kaiser Wilhelm der Große“, v. New- York kommend, 4. Nov. Nm. a. d. Wefer angek. „Werra“, von New. York kommend, 4. Nov. Nm. in Neapel angekommen.

Hambucg, 4. November. (W. T. B.) Hamburg-Amerika s- Linie. PD. „Columbia“ ist heute Mittag von Cherbourg abs gegangen.

London, 4. November. (W. T. B.) Castle-Linie. Dampfer „Roslin Castle“ is auf der Ausreise gestern in Kapstadt angekommen. L

Union-Linie. Dampfer „Mexican“ ist auf der Heimreise gestern von Kapstadt abgegangen.

Rotterdam, 4. November. (W. T. B.) Holland-Amerika- linie. Dampfer „Maasdam“ von Rotterdam am Mittwoch Nachmittag nah New-York abgegangen. :

5. November. (W. T. B.) Dampfer , Maasdam“, von Rotterdam nach New-York, hat heute Vormittag Lizard passiert.

Theater und Musik.

Neues Theater.

Gestern gab die italienische Gastspielgesellschaft ein deutshcs Schauspiel, G. Haupimann's „Einsame Menschen“, mit schönem Erfolge. Herr Ermete Zacconi spielte die Rolle des Johannes Vodckerat, jenes unschlüssigen, nervösen, „modernen“ Mannes, der, von Wifsensdurst und Zweifelsuht voll, sit über seinen engen Familienkreis binaus nach einer mitfüblenden, geiftes- verwandten und ftarken Seele sehnt und, als er gefunden, in dem Kampf zwisch:n Liebe und Pflicht untergeht. Die Willens\{hwäche des jungen Gelehrten hat der Darsteller fein und eindringlih wiedergegeben; daneben stattete er seinen Johannes mit einem festen Zuge gedankenvollen Grübelns aus, der nach dem \{hmerzensreihen Abschied von der Seelenfreundin sich bis zum Tief- sinn steigert und das jähe Ende erklärlih maht. Neben Pen Zacconi that sich wieder Fräulein Varini als die Dulderin Käthe hervor. Beiden Künstlern wurde bei offener Scene und nah den Aktschlüfsen reiher Beifall zu theil.

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== Im Königlichen Opernhause wird morgen Lorßing's Oper „Undine“ in folgender Beseßung gegeben: Undine: Fräulein Hiedler; Bertalda: Frau Herzog: Ritter Hugo: Herr Naval ; Kühleborn : Herr Hoffmann. Kapellmeister Sucher dirigiert.

Im Königlihen Schauspielhause gelangt morgen Shakespeare’s Tragödie „Hamlet" mit Herrn Matkowsky in der Titelrolle zur Aufführung.

Wilhelm Jordan, der Dichter der „Nibelunge“, wird na einer Unterbrehung von Jahrzehnten wieder einmal in Berlin als Rhapsode auftreten. Er wird an dem „Dichter-Abend" des Schiller- Theaters theilnehmen, der am Sonntag, den 7. November, im Bürgersaale des Rathhauses stattfindet. Das Programm dieses „Wilhelm JIordan- Abends“ if solgendes: Vortrag über Wilhelm Jordan von Reinhold Oct mann; Dichtungen von Wilhelm Jordan, vorgetragen von Mitgliedern des Schiller-Theaters; Gesangvorträge von Kompositionen Jordan? sher Dichtungen; Gesänge aus der „Sieg- friedsage“, frei vorgetragen vom Dichter.

Das Repertoire für die leßten Abende des verlängerten Bac O im Neuen Theater ist in folgender Weise estgestellt worden : Montag: „Disonesti“ und „Pietro Caruso“; Dienstag: „Pane altrui“ und „Diritti dell? anima“; Mittwo : „Kean“; Donnerstag: „PDisonesti“ und „Pietro Caruso“; Freitag: Abschiedsvorstellung.

In der ODreifaltigkeits-Kirhe findet am Mittwoch, den 10, November, ein geistliches Konzert zum Besten des seit mehreren Jahren erblindeten Familienvaters Hermann Werth statt. In dem Konzert wirken mit: die Konzertsängerin Fräulein Julie Müller-

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