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0.2 E D E E L e A L L E
Waldeck und Pyrmont.
Der Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont wurde am 27. Oktober d. J., Mittags 12 Uhr, bei Anwesenheit sämmtlicher Abgeordneten durch den Landes- Direktor von Saldern eröffnet. An Vorlagen gingen dem Landtage u. a. zu:
ein Gefegentwurf, betreffend die Abänderung einiger Bestim- mungen des Klassensteuergesez-s vom 7. Januar 1865 in der Fassung der Bekannimahung vom 20. März 1893; nah demselben sollen zwischen die bestehenden Steuerslufen (bis zu eirem Einkommen von 3000 46) Zwischenstufen eingeschaltet und eine dritte Beschwerde- inftanz geschaffen werden,
Qui SEseyentwur,, betreffend die Ergävzung des Bargesetzes vom 19. Mai 1862, wonach dur Gemeindestatut bestimmt werden kann, daß bei der Anlegung neuer, zur Bebauung bestimmter Straßen sowie beim Anbau an {hon vorhandene, bisher unbebaute Straßen von dem Unternehmer die Freilegung, erste Einrihtung, Entwässerung und Beleuchtungsvorrihtung der Straße beshafft, sowie die zeiiweise, höchstens jedo fünfjährige Unterhaltung der Straße bezw. ein Beitrag oder der Erfah der zu allen diesen Maßnahmen erforderlichen Kosten geleistet werde,
die Staatskassen-Rehnung vom Jahre 1895,
die Uebersichten üher das Domanial-Stammvermögen,
ein Rechtsgutachten, betreffend die dem Domanium aus der Staatskasse zf verzinsenden Ablöfungskapitalien ¿u 829 670 # à 49/0 und 83959 M à 59/60,
die Gebührenordnung für das Reinigen der Schornsteine.
An die Eróffnungssizung {loß si die erste Plenarsißung, in welcher sih der Landtag konstituierte. Zum Präsidenten wurde der Gerichts-Nath Dr. Waideck- Korbah, zum Vize- Oen dec Gerichts - Rath Dr. Mommsen-Pyrmont gewählt.
Nachdem in der Zwischenzeit unter Theilnahme sämmt- licher Abgeordneten zahlreiche Ausschußberathungen stattgefunden hatten, wurde am 5. d. M. die zweite und leßte lenarsißzung ab- gehalten, in welher die oben erwähnten beiden Geseßentwürfe angenommen, die Staatsfkassen-Rehnung geprüft und von den Uebersihhten über das Domanial-Stammvermögen, von der Gebührenordnung für das Reinigen der Schornsteine und von der Verwendung der aus Domanialmitteln jährli herzugebenden 12 000 M zur Hebung der Pyrmonter Kur- und Badeanstalten pro 1896 Kenntniß genommen wurde. Ferner wurde be- schlossen, den Landes-Direktor zu ersuhen, wegen Herabseßung des Zinsfußes für die dem Domanium aus dcr S Cieta zu verzinsenden Ablösungskapitalien mit der Fürstlichen Domänen- kammer in Unterhandlung zu treten. Ein Antrag des Abg. Dr. Schücking, den Lanves-Direktor zu ersuchen, bei der König- lih preußischen Regierung dahin vorstellig zu werden, daß die Gehälter der waldeckishen Staatsbeamten im nächsten Etat auf gleihe Höhe mit den betreffenden preußishen Beamten- gehältern gebraht würden, wie sie seit dem 1. April 1897 gewährt werden, wurde angenommen, desgleichen ein Antrag, die waldeckishen Volksshullehrer und die Corbacher Gymnasial- lehrer durch den nächsten Etat mit den preußishen Lehrern gleichzustellen, und endlih ein Antrag des Abg. Klapp auf Ein- führung des preußishen Geseßes, betreffend den Erlaß polizei- liher Strafverfügungen wegen Uebertretungen, vom 283. April 1883 in die Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont. Des weiteren wurden noch einige Wahlen vollzogen und über mehrere Petitionen Beschluß gefaßt. Ein Antrag des Abg. Dr. Wal deck auf Bestehenlassen des vom Königlichen Pro- vinzial-Schulkollegium in Cassel aufgehobenen Sucatociunss des Gymnasiums in Korbah wurde dem Landes- Direktor mit dem Ersuchen überwiesen, die Angelegenheit zu prüfen und event. in weitere Verhandlungen mit den zu- ständigen Behörden einzutreten. Der Landes - Direktor von Saldern euklärte sodann nah einigen an die Abgeordneten gerichteten Worten des Dankes und dex Anerkennung, im Namen und Auftrage Seiner Majestät des Königs von Preußen den Landtag der Fürstenthümer für geschlossen, worauf der Vize- Präsident Dr. Mommsen auf Seine Majestät den König von Preußen und Seine Durchlaucht den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont ein dreifahes Hoh ausbrachte, in welches die Versammlung lebhaft einstimmte.
Neuß ä. L.
Seine Durchlaucht der Fürst ist am 6. d. M. von Schloß Burgk nach Greiz zurückgekehrt.
Oesterreich-Ungarn.
Bei der Eröffnung der geslrigen Sigung dcs oster- reihishen Abgeordnetenhauses kam der Vize-Präsident von Abrahamovicz auf die Vorkommnisse in der leßten Sizßung zurü und rügte die in derselben gefallenen Aus- drücke, welhe decn Parlamentarismus s\chädigten und die \härfste Mißbilligung erheishten. Der e sprach den Wunsh aus, daß endlich eine Gesundung des Tones eintreten möge. Es folgten darauf formelle Anträge und sodann eine namentlihe Abstimmung. Jm weiteren Verlauf der Sißung gaben die Abgg. Dr. Hosmann von Wellenhof im Namen der Deutshen Volkspartei, Groß im Namen der Deutschen Fortschrittspartei und Zeller im Namen der Sozialdemokraten Erklärungen gegen die legten Aus- führungen des Finanz-Ministers im Budgetausshuß ab. Die Redner bezeichneten ein eventuelles Aufdrängen des Ausgleihs- Provisoriuums mit Ungarn auf Grund des § 14 als ver- fassungswidrig. Dieselben Redner sowie der Abg. Kaiser deutshe Volkspartei) protestierten gegen das Vorgehen des
räsidiums und der Majorität in den leßten bciden Sizgungen und erklärten dasse:be für einen Bruch der Ge- \häftsordnung. Nach Verlesung mehrerer Jnterpellationen nahm das Haus um 1 Uhr 40 Minuten die am 4. d. M. unlter- brochene geheime Sißung wieder auf. Dieselbe wurde um 21/, Uhr geschlossen und die öffentlihe Sißung wieder auf- genommen. Das Haus ging nun zu dem Gegenstande der Tagesordnung, dem Antrage auf Verseßung der Minister in Anklagezustand wegen des Erlasses der Sprachen- verordnungen für Böhmen und Mähren über. Der Antrag- steller, Abg. Dr. Funke, begründete die Anklage in einer längeren Rede, in welcher er ausführte, daß dieselbe eine ernste und leßte Mahnung und Warnung der Regierung dar- stelle. Das deutsche Volk in Oesterreih werde in dem ihm aufgezwungenen schweren Kampfe niht zurückweichen. Auch in den Alpenländern mache sich das deutsche Nationalgefühl geltend. Bei einer Erörterung der Grenzen der Verordnungs- gewalt der Regierung gelangte der Redner zu dem Schlusse, daß die Sprachenfrage und die Nationalitätenfrage nur auf dem Wege der Geseßgebung geregelt werden könnten. Durch Verordnungen auf diesem Gebiet würden die Staats-
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ndgeseße verleßt. Die Deutschen würden fi die Vor-
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errshaft der deutshen Sprache in ihrem geschlossenen Sprachgebiete nicht rauben lassen, sondern würden so lange kämpfen, bis die Sprachenverordnungen beseitigt seien. Hierauf gab der Redner eine fritishe Darstellung des Ganges der Politik der Czehen seit 1848 und ihloß mit den Worten: „Die Deutschen kämpfen nicht En gegen die Sprachen- verordnung, sondern pa die Freiheit und den Fortschritt des Staates, die Ver assung und die Einheit des Reiches. Wir können also sagen: „in unserem Lager ist Oester- reih.““ (Lebhafter, andauernder Beifall links.) Nach der Rede des Abg. Funke, welche 6 Stunden dauerte, s{hritt der Vize- Präsident Dr. Kramarz zur Schließung der Sißung und beraumte die nächste für Mittwoch an. Der Abg. Pergelt beantragte, als ersten Gegenstand auf die Tages- ordnung der nächsten Sißung die Wahl des Präsidenten zu Len Der Vize - Präsident erklärte, er werde diese
ahl auf die Tagesordnung der zweitnähsten Sißung stellen, da die Parteien bis jet durch die Umstände verhindert gewesen seien, dazu Stellung zu nehmen. Das Haus beschloß im Sinne des Vize-Präsidenten, worauf um 8/, Uhr die Sißung geschlossen wurde. Unter den eingegangenen Interpellationen befindet sih eine solche des Abg. Kaiser, betreffend die Bestrebungen zur Sena des österreichisch- ungarischen Antheils vom Breslauer Fürstbisthum sowie die Ernennung eines General-Vikars in Teschen, bei der die nationalen Rücksichten zur Geltung gelangen sollen.
Die für gestern Abend anberaumte Sißung des Budget- ausshusses des Abgeordnetenhauses ist auf heute Nach- mittag verschoben worden.
Bei der gestern im Landgemeindebezirk Krems vor- etn Ersaßwahl zum Reihsrath wurde an Stelle es bisherigen Abgeordneten Vergani der Christlich - soziale Daschl mit 4068 von 6968 Stimmen gewählt.
__ Die gestern erschienene „Budapester Korrespondenz“ ver- öffentlicht folgendes Communiqué:
In der Rede, welde der Finanz-Minister Dr. von Bilinsfki im Budgetausshusse des österreichischen Abgeordnetenhauses gehalten hat, finden wir einige Aeuferungen, welche unbedingt rektifiziert werden müssen. Der Minister behauptet, daß, solange die im Jahre 1892 abgeschlossenen Handelsverträge niht abgelaufen seien, das ift also bis Ende des Jahres 1903, das gemeinsame Zollgebiet zwischen Ungarn und_ODesterreih mit Rüdsiht auf die kontrahierenden auswärtigen Staaten unbedingt aufrecht erhalten werden müsse. Diese Behauptung ist vollkommen irrig und steht in tiametralem Gegenfay zu jenen Geseßen, auf welchen die selbständige Staatlichkeit Ungarns beruht. Die Sache verhält sih so, daß Ungarn alle Pflichten, welche es als der eine Staat der Monarchie in den Handelsver- trägen auf sich genommen bat, den fremden Staaten gegenüber pünktliÞh einzubalten verpflichtet ist, folange diese Verträge niht abgelaufen sind. Doch können diese Verträge keinen Einfluß darauf haben, taß die Zollgemeinschast zwishen Oesterreichß und Ungarn aufrecht erhalten werde. Das Zollwesen i} eine gemein- same Angelegenheit, und eé kaun darüber in dem Falle, wenn fkein billiger Ausgleih mit Oesterreih zu stande komwt, Ungarn im Sinne des Ausgleichs von 1867 selbständig verfügen. In diefem seinem Rechte is es durch die wit den auswärtigen Staaten ab- geschlossenen Handelsverträge nur insofern beshänkt, als es die den fremden Staaten vertragsmäßig zugesicherten Nechte nah jeder Richtung hin zu achien gehalten ist. Jenen Männern, welhe im Jahre 1892 die mit den auswärtigen Staaten abgeschlossenen Verträge ins ungarishe Gescßbuw auf- genommen haben, ist es gewiß niht eingefallen, daß je die Ansicht entstehen könne, daß Ungarn fich durch diese Verträge die Hände be- züglich seines au in den Gesetzen von 1867 vorbebaltenen Selbst- bestimmungêrehtes auch nur im entferntesten gebunden hätte. Es ist daher überbaupt niht korrekt, dur die Verkündung folcher Lehren die öffentliche V ais irre zu führen. Wir müssen aber auch von der Warnung |prehen, welhe der Minister von Bilinski an seine österreichischen Abgeordneten-Kollegen gerichtet hat, die er ermabute, die Negierung nit zu zwingen, das Provisorium mit Hilfe des § 14 der österreichishen Berfassung ins Leben treten zu laffen. Wir müssen nämli vorausseten, der Minister habe Kenntniß davon, daß die Erklärung, welche bezüglich dieser Frage der ungarische Minister-Präsident tim ungarischen Abgeordnetenkause abgegeben hat, keine einseitige, sondern der Auétfluß einer gemeinsamen Vereinbarung war, und können daher nur unsere Verwunderung darüber ausdrüden, daß der österreihishe Finanz-Minister das Inslebentreten der Provi- \foriuums-BVorlage auf Grund des § 14 noch immer als im Bereiche der Möglichkeit liegend darzustellen sucht.
Das ungarische Unterhaus hielt gestern eine kurze Sißung ab, in welcher die Verordnung, betreffend die Ein- berufung der Delegationen, verlesen und beschlossen wurde, die Delegationswahlen heute vorzunehmen.
Frankreich.
Die Deputirtenkammer gee die Vorlage, be- treffend die Theilung des VI. Armee-Korps, ohne Debatte an und trat, nach der Genehmigung eines Ab- kommens, betreffend den Seepostdienft mit Algier und Tunis, in die Berathung des Budgets ein. Da keiner der Redner, welche sich für die Generaldebatte zum Wort gemeldet hatten, anwesend war, beschloß die Kammer, die Einzelberathung bei dem Etat des Jnnern zu beginnen. Die Sißung wude jedoch unterbrochen, weil der Minister des Innern nicht zugegen war. - Nach E der Sißung wurde auf Antrag des Präsidenten Brisson ent- schieden, den Beschluß, wonach zur Berathung der einzelnen Artikel des Budgets übergegangen werden sollte, rückgängig zu machen; hierauf eröffnete der Deputirte Laco mbe die Generalberathung. Derselbe vertheidigte die gegenwärtige Finanzpolitik. Nach der Rede Lacombe's wurde die General- berathung geschlossen, und es gelangte sodann eine Reihe von Kapiteln des Budgets des Jnnern zur Annahme.
Der am Sonnabend zur Vertheilung gebrachte Bericht der Budgetkommission übec das Marinebudget ftellt, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, unter Berücksichtigung des Gesetzes vom 9. August d. J. über die Flottenbauten, das Marinebudget für 1898 mit einer Gesammtausgabe von 2851/2 Millionen Franken, 20 Millionen mehr als im laufenden Jahre, auf. Der durch das genannte Gesey genehmigte Flotten- plan umfaßt Neubauten, die in den Jahren 1898 bis 1905 ausgeführt werden und 721 Mill. erfordern, sodaß auf jedes der aht Jahre durhshnittlich 90 Mill. kommen, mit der stärksten Mehrausgabe, 120 Mill., im Jahre 1901. Für Umbauten sollen während der nächsten drei Jüähre jé 20 Mill. ausgegeben werden. Die Hafenbauten in Biserta sollen 1 Mill. kosten. Jm Jahre 1898 sollen für Neubauten 102 Mill, für Unterhalt und Ausbesserung 301/24 Mill. aus- gegeben werden. Der Bericht beleuchtet sodann die gegen- wärtige Lage der Marine mit einer Reihe kritisher Bemer- kungen. Frankreich besige nicht die nothwendi e Hal von Schiffen, und gewisse Schiffe hätten an Leistungsfädig eit eingebüßt. Die Verschiedenheit der Typen sei so groß, daß faum zwei Schiffe von ‘einem Typus wären. Auch hake der Bau 20 bis
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Æ% Proz. mehr gekostet als in England. Dhne deu Werth dee
verschiedenen Sb kfiafsen zu erörtern, könne man sagen, daß es Frankreich an Kreuzern fehle. England habe deren 195 verfügbar und 42 im Bau, Frankreih 46 im Dienst und 16 im Bau; daher sei es nothwendig, neue Kreuzer noch in Auf- trag zu geben und zu vollenden.
Ls Das Sas E D Ie A COO O im Monat ober weist einen Mehrwerth von 1 r. gegen Oktober 1896 auf. M JFtalien.
Der öfterreichisch - ungarishe Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski ist, nach huldvollster Verabschiedung von Seiten des Königs und der Königin, gestern Abend 10 Uhr 45 Minuten in Begleitung des Minister- Präsidenten di Rudini, des Ministers Hes Auswärtigen Visconti Venosta, des italienischen Botschafters in Wien Grafen Nigra und des Palast-Präfekten Grafen Gianotti von Monza in Mailand eingetroffen und hat um 11 Uhr 25 Minuten mit dem österreichishen Sektions-Rath Merey von Kaposmère die Reise nah Wien fortgeseßt.
Vor dem Kassationshofe in Rom wurde gestern über den Rekurs verhandelt, den Crispi gegen den Beschluß der Anklagekammer am Appeihofe von Bologna, durch welchen ein ordentliches Gerichtsverfahren gegen Crispi für zulässig erklärt worden war, eingelegt hatte. Der Beschluß der Anklage- kammer wurde vom Kassationshofe aufgehoben.
Türkei.
Die deutsche Kolonie in Pera gab, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend in den Räumen der „Teutonia“ dem bisherigen deutshen Botschafter Freiherrn von Saurma- JFelts\ch ein Abschiedsfest. :
Griechenland.
Die „Agence Havas“ meldet aus Athen, daß das Pro- tokoll, betreffend die Rückkehr der Thessalier, A ait unterzeihnet worden sei. Außer den bereits bekannten Be- dingungen sei festgeseßt, daß eine Abgabe von 60 Para auf je 40 Hammel erhoben werde, fetuer sei den ent- lassenen Reservisten die Rückkehr verboten. Diese Be- dingungen habe der Vertreter Griechenlands nur unter Vor- behalt unterzeichnet, und die griehische Negierung werde sich wegen derselben an die Mächte wenden. — Mehr als 16 000 geflüchtete Thessalier seien bereits zurückgekehrt.
_Die Königin hat sih_ mit Unterstüßungsmitteln für die geflüchteten Thessalier nah Euböa begeben.
Amerika.
Die „Times“ mcldet aus Rio de Janeiro von gestern, daß dort am Sonntag die Redaktionen dreier oppositio- nellen Blätter von einer Volkêmenge zerstört worden seien. Man glaube nämlich, daß das Verbrechen vom vergangenen Freitag infolge heftiger Angriffe dieser Blätter auf die Regierung gewejen sei. — Der „Agence Havas“ zufolge wäre die Regierung fest entschlossen, gegen die Ruhesiörer mit Energie einzu- schreiten. Fünf oppositionelle Deputirte hätten sih der Re- gierung angeschlossen. Diese habe, da der Kongreß nicht versammelt sei, als Vorsihtsmaßnahme eine Botschaft erlassen, durch welche der Bundesbezirk Nictheroy in Be- lagerungszustand erklärt werde.
Die „Agenzia Stefani“ erfährt aus Victoria, im Staate Espirito Santo, daß cine Bande von etwa 40 Jn- dividuen aus dem Staate Minas Geraes in den Staat Espirito Santo eingedrungen sei und das Jnnere des Landes durchzogen habe; cine von Jtalienern bewohnte An- siedelung sei von ihnen angegriffen worden. Dabei seien 6 Jtaliener getödtet und 4 verwundet worden. Da am Thatorte eine genügende Polizeimaht zur Festnahme der Schuldigen fehlte, habe der italienishe Konsul energische Schritte bei der Regierung von Espirito Santo gethan, um s{hleunige Ent- sendung von Truppen herbeizusühren. Die italienishe Ge- sandtschaft in Rio de Janeiro habe die Thatsachen an die Regierung in Rom gemeldet und sofortige entsprechende Maß- nahmen seitens derselben erbeten.
Asien.
Ein Telegramm des „Reuter’shen Bureaus“ aus Sadda im Kurram:Thale meldet, es habe sich nach einem Auf- kflärungsmarsch, den die dortige Garnison am Sonntag unter- nommen, herausgestellt, daß 36 Sikhs nicht zurückgekehrt seien; man nehme an, dieselben seien von der Haupttruppe ab- geschnitten und sämmtlich getödtet worden.
Afrika.
Aus Tanger erfährt das „Neuter'sche Bureau“, daß der bereits gemeldete Tod eines von den Riffpiraten gefangen ge- nommenen Franzosen (\. Nr. 257 d. Bl.) Verdacht erweckt habe. Das französische Kriegsschiff „Cosmao“ sei mit dem Kanzler des General-Residenten an Bord nah Alhucemas abgegangen, um die Angelegenheit zu untersuchen.
Die Verhandlungen gegen die Häuptlinge aus dem Betschuana-Lande, welche des Aufruhrs angeklagt waren, sind, wie aus Kapstadt gemeldet wird, gestern beendet worden. Die Angeklagten bekannten sih s{huldig und wurden zu zwei- bis sechsjähriger Gefängnißhaft und Zwangsarbeit verurtheilt.
Urbeiterbeweguug.
Fn München-Pasing sind, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, in der Kehlleistenfabrik von Gersdorf und Brandenburg die Arbeiter wegen Lohnkürzung in den Au. stand getreten.
Aus Paris wird der „Rhein.-Westf. Ztg.“ zum Ausstande der Schlächter (vgl. Nr. 261 d. Bl.) berichtet: Die auéständigen Arbeiter in dem städtischen Schlahthof s{hicken sh an, die Arbeit wieder aufzunehmen, nahdem die Meister ihren Wünschen entgegen- gekommen sind, indefsen hat bereits eine Anzahl von Fleischern ch Gehilfen aus ter Provinz und selbst aus dem Auéland kommen laffen.
Statistik und Volkswirthschaft.
Die landwirthschaftliden Versiherungs-, Kredit- und j Steuerverhältnisse 2c. in Bayern.
Im Anschluß an die Besprechung der landwirthschaftlichen Kultur- unternehmungen, des landwirtbshaitlihen Betriebs und der Ver- wertbung der landwirthschaftliden Erzeugnisse im Königreich Bayern in Nr. 261 d. Bl. seien noch die weiteren Abschnitte der „Denkschrift über die Maßnahmen auf vem Gebiete der landwirthschaftlichen Verwaltung in Bayern 1890—1897*“ kurz erwähnt.
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wirthschaftliwe Versicherung. In der Gebäude- deatasiletang — der staatlichen Immobiliar - Brand- versicher ungs-Anstalt — hat die Versicherung „auf dem Lande“, d. b. im Unterschied von den Gebäuden in den fog. unmittelbaren Städten rechts des Rheins und den 11 größeren Städten der Vfalz, in pen legten 6 Fahren um 232 000 000 (G zugenommen. Sie betrug 1895/96 : 2791 000 000 « An Entschädigung für abgebrannte Ge- bäude auf dem Lande wurden im gleichen Zeitraum 24 531 083 Æ ge- zahlt. Die Mobilar, FénernetsiWernag wird z. Z. in Bayern von 26 zugelaffenen Privatversicherungsgeselschaften wahrgenommen, unter denen fi 3 bayerische und 3 außerdeutsche befinden ; 4 sind Gegen- feitigkeitsgesellsdaften. Es waren 1895 61,9%/0 der Haushaltungen mit 4958 468 680 „G versichert, wovon 508 024 mit 2 818 836 403 4 auf das Land kamen. Für leßtere, die ländlichen Versicherungen wurden durchschnittlih 1,78 9/00 an Prä mie gezablt und dafür in 4624 Brandfäßlen zusammen 4 437 850 # = 92 9/6 der gesammten ämieneinnahme an Schäden vergütet. Ueber die Hagel- versiherung in Bayern ift erst fürzlih im „Reichs- und Staats - Anzeiger“ berichtet worden. Für die Viehversicherung cheint die mit dem 1. November 1896 ins Leben getretene „Bayerische Landes-Viehversicherung8-Anftalt“ cine große Bedeutung zu erlangen. Sie hat die Aufgabe, den in threr Vereinzelung nit [eistungsfähigen, aber in ihrer zriliGßen Fürsorge \{chwer zu ersegenden Orts - Vieh versiche- rungsvereinen tur entsprechende Zusammenfassung eine sichere Grundlage zu geben, indem sie die Hälfte der Schadendeckung über«- nimmt und die andere, vom Ortsverein aufzubringende Hälfte bis zum Ende des Versicherungs8jahres vorschießt. Auf Grund des vor- geschriebenen Normalstatuts waren bis Ende September bereits 810 Ortsvereine gegründet worden. Bis jet umfaßt das Versicherungs- fapital 36 424 780 #& Unter Einrechnung des Staat3zu | usses von 40000 M zur Deckung der Schäden is anzunehmen, daß im Durch- shnitt 1 “/a E genügen wird. ; Verkehr. An vorzug8weise im Interesse ter Landwirthschaft angelegten Lokalbahnen sind im Staatsbetrieb seit 1890 eröffnet worden 616,0 km mit einem Bauaufwand von 37 100 000 46 und im Pré vatbetrieb 1147 km mit 7 900000 Genebmigt find weiter 448,4 km Staats-Lokalbahnen mit 25 600 000 4 Bau- aufwand und 47 km Privat-Lokalbahnen mit 3 900 000 „#6 i Kredit- und Genossenshaftswesen. Auf dem Gebiete des Realkkredits is die am 1. April 1897 erfolgte Eröffnung der Bayerishen Landwirthschaftsbank, eingetragenen Genofsen- schaft mit beschränkter Haftpflicht, zu erwähnen. Sie ist vom Staate subrentiontert durch 1 000000 M unverzinslic)es, aber später zurü- zuerstattendes Betriebskapital, ferner durh nach Betarf zu gewährende weitere 1000 000 A gegen 3 9/0 Zinsen und einen Verwaltungskofsten- zushuß für die XXIIk. Finanzperiode von 69000 Bis Ende August 1897 waren von der Bank ausbezahlt 401 Darlehen mit 3365 000 A und 14 Kommunaldarlehen mit 260900 -« Die Darlehen sind unkündbar und mit 9/0 zu amortisieren. Ueber das ‘Personalkredit- und Genofsensbaftswelen in Bayern ist in den leßten abren im „Reihs- und Staats - Anzeiger* wiederholt tericktet ‘worden, und es kann daher von einem näheren Eingehen auf die aus- führlihen Mittheilungen der Denkschrift darüber abgesehen werden. Das Gleiche gilt hinfichtli der Aufnahmen der Hypothekarversuldung und der Vergantungsfstatistik. i Oeffentlihze Lasten. Die Grundsteuer war für 1896/97 auf 11 494 000 Æ veranschlagt, d. i. auf 36°%/6 des gesammten Steuerauffommens. Sie beträgt z¿. Z. 34 %/ der gesammten Staatseinnahmen. Vom Jahre 1819 bis 1896 haben f{ch die Grund- steuern, wie die Denkschrift bemerkt, nur um 5 %/o, die übrigen Steuern um 282 9/9 vermehrt. Ueber zu große Belastung des landwirthschaft- lihen Grundbesißzes mit der Grundsteuer an fich und insbesondere
über eine unverhältnifmäßige Steigerung derselben könnten somit be- ründete Klagen niht erhoben werden. Erheblih fühlbarer sei die Be- lastung durch Umlagen, vor aflem durch die Gemeindeumlagen. Diese betrugen, auf 1 Einwohner berechnet, durchschnittlich in allen Gemeinden (Stat und L
G 18900 1891 1892 1893
h h Á P M.
Rechts des Rheins …. 2,39 2:67 2,79 266 2/82
O82 6,57 6,94 Tal 7,39
DiiatiO c 202 3,38 3,46 3,98 3,56 Die Distriktsumlage iff im ganzen Königreih von 1,04 H pro Kopf im Jahre 1890" auf 1,14 (A vnd die Kreisumlage in ähnlihem Verhältniß gestiegen. Durch die Armengeseznovelle
. vom 8. Februar 1888, dur die Heimath- und Armengeseßnovelle
vom 17. Juni 1896 und andere Maßnahmen der legten Jahre ist auf eine Erleichterung der Gemeinde- und sonstigen Umlagen, zum theil durch Zuweisung ‘beträchtliher Mittel aus Staatsfonds, Bedacht genommen worden. : : :
Dienstboten- und Arbeiterverhältnisse. „Die Klagen über den Mangel guter, zuverlässiger landwirth{haftlicher Dienst- boten und Lohnarbeiter“ — sagt die Denkichrift — „sind allgemein. Sie find ja allerdings nit neu, allein der Schärfe, mit welcher sie jeßt auftreten, scheinen sie früher entbéhrt zu haben“. (Cine Abhilfe gegen ‘diese Mißstände sei — heißt es weiter — s{chwierig. Der z. B. in Preußen beschrittene Weg, dem Mangel ländlicher Arbeiter dur Erleichterung der Seßbhaftmachung solcher entgegen zu wirken, komme für Bay?rn im Hinblick auf die Vertheilung der land- wir1hschaftlichen Besitverhältnisse nicht in Betracht. Außerdem liege hier der Schwerpunkt des Mißverhältnisses noch in der Dienstbotenfrage. Veber die nah eingehenden Erhebungen über die Arbeits- und Dienft- vermittelung in Angriff genommene Organisation bes Arbeitsnach- weises ist bereits ¿m ¡Reichs- u. Staats-Anzeiger“ ausführlich be- rihtet worden.
Für den landwirth\chaftlihen Unterricht forgen außer der „landwirthschaftlichen Abtheilung der Technislzen Hoch|hule“ in München, der „Akademie für Landwirthschaft und Brauerei sammt Gartenbausbule“ zu Weihenstephan, der „Kreiëlandwirth- \hafts\chule“ in Lichtenhof und den „Kreisackerbauschulen“ zu LandsbLerg, Schönbrunn, Bayreuth und Triesdorf die land- wirth\{aftlihen Wintershulen in Verbindung mit landwirthschaftlichem Wandexunterriht. Seit 1890 sind wesentliche Deaa bezüglich diesec Anstalten niht zu registrieren gewesen. Die erst neuerdings eingeleitete Neuorganisation des Winters{ul- und Wanderunterrichts unter Aufwendung größerer Mittel aus Staatsfonds wird erst in nächster Zeit wirksam werden. Die ländlichen Haus8haltungs- chulen haben sich auf 8 vermehrt, die Zahl der land- wirthschaftlihen Fortbildungsschulen is dagegen zurück- gegangen. Sie bezifferte fich 1895/96 auf 445 mit 7617 Schülern. Als landwirthsc(aftlihe Spezialshulen nennt die Denk- chrift a. die Thierärztlihe Hochschule in München; b, die Hufbeschlagshulen in München, Würzburg, Zweibrücken, Regensburg unh Augsburg; e. die Schulen zur Förderung der Ma ee P und zwar erstens für Weberei (Münthberg, Passau, Lambrecht), zweitens für Korbflechterei (Lichtenfels, Pfaffendorf), drittens für Holzshnizindustrie (Parten- Uirhen, Berchtesgaden, Oberammergau, Bischofsheim, Neuhaus, Kupferberg, Köging und die Geigenbauschule in Mittenwald), Zu Aen ist dann noch die Obst- und Weinbauschule in Kirchheim- oianDen.
Landwirthshaftlihe Versuchsstationen. Hier siad zu nennen die landwicthschaftlihe Zentralversuchsstation in München, deren Fuanspruchnahme von 621 Fällen 1890/91 auf 1205 Fälle im Jahre 1895/96 gestiegen ist; ferner die laadwirthschafiliche Kreis- versuhs\tation in Speyer; die Versuhé- und Samenkontrolstation in Triesdorf; die Kreis- und Weinbauversuchestalion zu Würzburg ; das landwirthschaftliche Laboratorium in Augsburg. Dazu kommen bas mit der Königlichen Technischen Hochschule in München verbundene landwirthschaftliche Versuchsfeld zebsstt Laboratorium und die Feld- versuchs\tation in Kaiserslautern, i
Das landwirthschaftlihe Vereinswesen, Eine be- merkenswerthe Etappe in der Entwickelung des Vereinswesens bildete die 1895 vorgenommene Reorganisation des „Landwirthschaft-
lihen Vereins“, der, unter dem Ehren-Präsidium Seiner König- lichen Hoheit des Prinzen Ludwig stehend, als Gesammtverein das ganze Königreich umfaßt und fih in Kreis- und Bezirksvereine gliedert. ‘ie Spiye bildet der Landwirthschaftêrath. Die Zahl der Bezirks- rereine hat si seit 1894 von 227 auf 232 im Jahre 1896 vermehrt, die Zabl der Vereinêmitglieder ist von 66040 auf 71 113 gestiegen, und faft alle Gemeinden haben von dem ibnen neu übertragenen Recht, einen Vertrauensmann in den betreffenden Bezirksverein zu wählen, Gebrau gemaht. Außer den landwirthsckaftlihen Vereinen R E E Spezialvereire und Genossenschaften für landwirth- astlice Zwede. Der Aufwand für landwirthshaftlihe Zwecke aus Siaatsmitteln is von 1880/81 bis 1896/97 von 1 847 229 # auf 2939 830 #4 gestiegen. Daneben sind für die gleichen Zwecke von 1890 bis 1896 aufgewendet worden von dea A o a # 6 200 746 M Dit A eas 2230778 landwirtbschaftlihen Kreisvereinen . . 915584 , landwirthschastlihen Bezirksvereinen __. 1210270 „ Zusammen . 10 560 378
Kunst und Wiffenschaft.
Bekanntlich hatte der Parthenon in Athen jüngst wieder durch Erdbeben gelitten. Seine Wiederherstellung und Sicherung war in Angriff genommen, es wurden aber mehrfach Stimmen laut, daß die Durhführung in Zweifel stehe. Es er- scheint jedoch gesichert, daß die Restaurationsarbciten noch in diesem Winter wieder aufgenommen werden. Die vor kurzem veranstaltete Lotterie der athenishen archäologischen Gesellschaft hat dazu hinreichende Mittel eingebraht. Es hat eine Sißung der für die Arbeiten eingeseßzten Kommission stattgefunden und es ist beschlossen worden, sofort wieder ans Werk zu gehen. Für den Erfolg ist es von großem Werth, daß sih inzwischen eine englishe Gesellshaft zur Ausbeutung der pentelischen Marmorbrüche gebildet hat, welhe im stande sein wird, die nöthigen großen Marmorblöcke zu liefern, deren Gewinnung bisher unübersteizlih scheinende Hindernisse im Wege standen.
Die Sitzung der „Berliner Gesellschaft für Erdkunde" am vergangenen Sonnabend gewann dur den angekündigten Vortrag des bekannten Forshungsreiseaden Dr. Sven Hedin aus Stockholm über die Ergebnisse seiner 34 jährigen, unter den größten Mühsalen und Entbehrungen ausgeführten Neise dur Zentral-Asien und Tibet ein bèfonderes Interesse. Wie der Vortragende, der „Nat.- 2tg.* zufolge, der zahlreihen Versammlung, in der sich auch der Minister der geistlichen 2. Angelegenheiten D. Dr. Bosse befand, darlegte, ging er in der bestimmten Absicht hinaus, das „Problem tes Lop-Noor" zu lösen, we.hes identisch if mit der Ergründung der Verhßältnisse jener wunderbaren, tiefen Boden- einsenkung Inner- Asiens, die, eingerahmt durch die höchsten Ge- birge der Welt, in geologisher Vorzeit wahrscheinlich das Bett eines Binnenmeeres von kaum geringeren Abmessungen als das Mittelländishe Meer darstellte. Gegenwärtig ist sie eine un- aebeure Wüste salzigen Sandes. Düne reiht sich an Tüne, der Anblick erinnert an den eines bewegten Meeres. Vegetation findet sch nur an den Flußläufen, Fortseßungen der früher von den umringenden Hochgebirgen dem Meere zueilenden Gewässer, welche im Kampf mit der Wüste ihre Wildbeit verloren haben, ihre Wasser nur im Sommer zur Zeit der Schneeschmel;e träge fortführen, während sie sich im Winter bestenfalls zu einer Reihe stagnierender Tümpel auflösen, bäufig aud ganz vertrocknen. Wo die immerhin beträchtlihen Wassermengen des größten dieser Stromsysteme, des der Donau an Auédehnung nichts nahgebenden Tarim bleiben, diese Frage ist als das .Lop-Noor-Problem“ in der wissenschaftlichen Welt bekannt. Lop:Noor ist der Name eines fabelhaften, großen Salzsees, den bisher allein die chinesishen Karten, als den Tarim-Strom aufnehmend, auf etwa 409 n. Br. und 909 ôftl. L. von Greenwich verzeihneten und der na Ansicht der Chinesen unterirdishen Zusammenhang mit den 1000 km füdöstli) davon entfernten Quellen des Hoang-ho haben follte. Diesen fabelhaften See hatten 1884/85 die Forshungen des russishen Reisenden Przewalski anscheinend von der Land- farte gestrichen, indem er den Tarim erheblich westliher von dem Punkte, an dem die chinesishen Karten den Lop - Noor verzeichneten, in den Süßwassersee Kara - Kurtshin mündend fand, der keinen Ausfluß besißt und besiten kann, weil ihm nah Süden die Gebirgsfkette des Altyn-tag vorgelagert ist. Die Ergebnisse der Przewaléki’shen Forschungen leß die geographishe Forshung indessen uicht als die Lösung des Lop-Noor-Problems gelten, und vor ollem war €s Professor Freiherr von Richthofen-Be:lin, welcher diese Ansicht vertrat, theils auf Grund der sonst festgestellten Zuverlässigkeit der cinesishen Karten, theils indem er nahwies, daß sih in den Kara- Kurtsin-See nah Przewalsfki’s Messungen erheblich pte Wasser- mengen ergießen, als der Tarim mitführt, theils weil bestimmt anzu- nehmen ist, daß ein See obne Aktfluß sih in einen Salzsee verwandeln muß. Freiherr von Richthofen {loß aus allem, daß sih vom Tarim, der weslöstlih strömt, ein oder mehrere Arme nah Osten abzweigen müsscn, die Przewalsfi nicht entdeckt hatte, und daß sie wahrscheinlich dem Lop-Noor ien Es is das Verdienst Sven Hedin's, diese Vorauésiht der Wissenschaft als wohlbegründet erwiesen und den Lop-Noor fast genau an der von ten chinesischen Karten angegebenen Stelle, wenn auch in wesentlih veränderter Form, gefunden und somit das Problem gelöst zu haben.
Zur Erreichung dieses Zieles hatte der Forscher, wie er in seinem durch zahlreiche Lichtbilder e:läuterten Vortrage ausführte, fich während der ersten Jahre seines Aufenthalts in Zentral-Asien erst in gewisserg Sinne für das Reisen in der Wüne trainieit und dafür Er- fahrungen gesammelt. Zu diesem Zweck mate er im Früh- jahr 1894 von Kascbgar aus mit einer fleinen Karawane einen Vorstoß in die Wüste, der beinche zur Vernichtung der ganzen Expedition geführt bätte. Als der Vortragende endli, nur noch von einem Diener begleitet, dem Verdursten nabe, den Uferwald des dem Tarim zufließenden Khotan erreicht haite, fand er den Fluß zu jeinem Schrecken wasserleer, bis eie aus dem Schilf auffliegende Ente ihn einen Wassertümpel entdecken ließ, aus dem er si er- quickte, um alsdann in seine Stiefel Wasser einzushöpfen und batfuß, auf den eigenen Spuren zurückehrend, den erschöpft liegen ge- bliebenen Begleiter zu laben. Zum Antritt setner großen Wüstenreise verließ Hedin, nahdem er inzwischen einen Auéflug nah dem Hindu- fus-Gebirge gemacht, Kaschgar erst am 14. Dezember 1895 auf demselben Wege, den 620 Jahre vor ihm Marco Polo in der gleichen Richtung gemacht hatte. Am 14. Januar 1896 war er mit einer kleinen Rarawane von 4 Mann, 3 Kameelen und 2 Efeln in Khotan, wo die eigentliche Wüstenwanderung ihren Anfang nahm. Einund- pierzig Tage dauerte diese Wüstendurchquerung, bis der Tarim erreicht war. Hatie Hedin früher von ungeheurer Hiße gelitten, so lernte exr jeßt die Schrecken des Winters în der Wüste kennen. Die Kälte erreichte zuweilen bis —22 Grad. Auf dem Wege zum Taxim begegnete er den Ruinen zweier alt-n mon olishen Städte, die, früher wahrsheinlih auf Oasen oder an Flüssen gelegen, jeßt unter dem Wüstensand begraben waren. Am Fluß wurde eine spär- liche Hirtenbevölkerung fragliher Nasse vorgefunden, die von der Außen- welt keine Ahnung zu haben s{ien. Den Lauf des Tarim in östlicher Nichiung verfolgend, beshritt Hedin, dem oben mitgetheilten Plan zur Auffindung des Lop-Noor entsprechend, stets den östlichsten der vielen Arme, in welche der träge zwischen Uferwäldern und Dünen- dämmen dabinfließende Strom sich theilt, bis man am 4. April, nahdem der Strom südliche Richtung eingeshlagen, annähernd an der dem Lop-Noor von den cinesishen Karten angewiesenen Stelle, eine see- artige Erweiterung des Flusses fand, welcher sich im weiteren Lauf noh drei solcher Seen anschlossen, zusammen in nordfsüdliher Richtung etwa
50 km lang. Diese Seengruppe, von den Eingeborenen Avullu-Köôll,
Kara-Köll, Tajek-Köll und Arka-Köll genannt, während der Name Lop-Noor atrgents bekonnt war, is unzweifelhaft der gesuchte See, dessen nach den inesishen Aufnahmen vom Anfang des 18. Fahr- hunderts von West nah Oft gerihtete Axe jeßt allerdings nord- südlihe Richtung hat, was si zwanglos aus der Richtung des dur- fließenden Tarims erklärt. Von der früheren abweihenden Gestalt des Sees legt au die Umgebung desselben Zeugniß ab, die östlich einen Sumpfgürtel bildet, auf den junger Wald und erst in größerer Entfernung hoher Wald folzt. Das Wasser der Seen ift süß, weil der Tarim nit darein mündet, sondern sie durchströmt, um erst weiterhin, ih in dünne Wasserfäden auflösend, von der Wüste ganz bewältigt zu werden. Südlich wandernd, kehrte Hedin am Gebirgs8- rande der Wüste entlang nah Khotan zurück, das er am 28, Mat erreichte. Bereits am 6. August brach er aufs neue auf, um über das Tibetanishe Hochplateau das östliche China zu erreichen. Auch diefe beschwerlihe und höchst gefährlihe Wanderung war von großen geographishen Erfolgen begleitet. Auf der Höhe des Plateaus wurden allein 23 Bitterseen bestimmt und kartographish festgelegt. Die Oede und Unwirthlichkeit diefer Gegenden spottet jeder Be- schreibung, die Unbilden der Witterung, Sturm, Schnee und Hagel, grenzten an das Unerträglihe. Zwei Monate lang fah man feinen Menschen, nur zweimal begegnete man ibren Spuren. Am 30. September traf man auf die erstea Spuren von Mongolen und bald au auf mongolishe Arsiedelungen,. Hier wird das Land wirthliher, man findet ein reihes Thierleben, ganze Herden wilder Naks (tibetanishes Rind) und Kulans (Wildesel), auch zahlreiche Bären. Am 20. November stieß Hedin auf Tempelbauten im tibeta- nishen Stil, am 23. November wurde cine stark befestigte Stadt erreicht. Nah cinem Abenteuer mit räuberishen Tunguten fonnten die Weibnactstage friedlich in einer englischen Mission verlebt und mit Europa Telearamme ausgetauscht werden. Ueber den gefrorenen Hoang-ho und nach viermaliger Kreuzung der chinesishen Mauer wurde im Januar endli Pekiag erreiht, wo der Reisende bei der russischen Gesandtschaft und dem diplomatischen Korps sowie von seiten Li-Hung- Tschang's die freundlicste Aufnahme fand. E Allgemeiner Beifall vankte dem Vortragenden füc seine inter- effsanten Mittheilungen, und der Vorsitzende Freiherr von Richthofen: überreichte tem For'cker hierauf als Chrung der „Gesellschaft für Erdkunde“ die Carl Ritter-Medaille. — Dr. Hedin will im nächsten Fahre in Gemeinschaft mit Dr. Holderer - Karlsruhe nochmals den zentralasiatishen Problemen an Ort und Stelle nachgehen.
Verdingungen im Auslande,
Belgien. :
50. Nevember. Börse in Brüssel: Konstruktionsarbeiten für den Südbabnhof in Antwerpen. Voranschlag 1631 279,599 Fr. Kaution 80000 Fr. Lastenheft im Zentralbureau für Lieferungs- aus\reibungen im Miristeriumter Eisenbahnen, Posten und Telegraphen in Brüssel, Rue des Augustins 17, zum Preise von 3,50 Fr.
94. November, 11 Uhr. Comité permanent du matériel, 38 Rue d'Italie, Jxrelles-Brüssel: Lieferung von Papier und Briefumsblägen für die Ministerien während des Jahres 1838. 90 Loose. Eingeschriebene Angebote sind bis zum 20. November ein- zusenden.
1. Dezember, 11 Uhr. Börse zu Brüssel: Lieferung von Blechen, Profileisen und Stahl für die Kriegsmarire während tes Jahres 1898. Kaution 800 Fr.
Rumänien.
18. November. Kriegs-Ministerium, Bukarest: 7837 Siülck wasserdihte Brotbeutel für das Arsenal dcs Heeres. ca. 2000 Tafeln Eisenblech verschiedener Größe und 120 009 Stück eiserne Nieten.
Verkehrs-Anstalten.
B remen, 8. November. (W.T. B.) Norddeutscher Llovd, PD. „Wartburg“, v. Brasilien kommend, 7. Nov. Vin. in Lissabon apygek. „Königin Luise*, v. New-York kommend, 8. Nov. Nm. a. d. Weser angek. „Aachen“ 8. Nov. Vin. Reise y. Vigo n. d. La Plata fortges. „Crefeld“, v. Bremen kommend, 6. Nov. in Galveston angek. „Darmstadt“, v. Australien kommend, 6. Noeov. in Aden angek. „Sachsen“, v. Ost-Asien fommend, 7. Nov. in Hongkong angek. „Aller“ 6. Nov. Vm. y. New-York n. Bremen abgegangen,
— 97 November. (W, L. B) PD. „Bremen“ 8, Nov. Reife v. Suez n. Australien fortges. „Fulda* 8. Nov. Nm. Reife v. Gibraltar y. Neapel rtael, „Ems“ 8. Nov. Nm. Reise v. Gibraltar n. New - York fortges. „Preußen“, von Ost-Afien kommend, 8. Nov. Reise v. Neapel n. Bremen fortges. „Kaiser Wilhelm Il.* 8. Nov. Abds. v. Genua in New - York angek. „Halle“, von La Plata kommcud, 8. Nov. Gravesend passiert, „Prinz Heinrich® 8. Nov. Reise v. Antwerpen n. Ost-Asien fortgeseyt. L:
London, 8. November. (W. T. B.) Castle-Linie. Dampfer „Avondale Castle“ is auf der Ausreise am Sonnabend von Southampton abgegangen. i :
Rotterdam, 8. Noyember. (W. T. B.) Holland -Amerika- Linie. Dampfer „Spaarndam“ von New-York am Sonnabend Vormittag nah Rotterdam abgegangen.
Theater und Musik.
Konzerte.
Das dritte Philharmonische Konzert, welches gestern unter der Leitung des Kapellmeistexs Arthur Nikisch stattfand, war, glei den früheren, ungemein zahlreich besucht und wurde mit Beethoven's Ouvertüre zu „Coriolan“ (op. 62) wirfungsvoll eröffnet. Die {nell befannt gewordene Sängerin Camilla Landi sang hierauf Recitativ und Arie „Ombra mai fù“ aus der Händel’shen Oper „Xerxes" und die Arie „Divinités du Styx“ aus „Alceste" von Gluck. Im Vortrag beider Arien kamen ihre klare, in allen Lagen leiht an- sprehende Stimme und ihre verständige Auffassung vortrefflich zur Geltung. Auch die Ausführung zweier Lieder von G. Fauré, „Lamento“ und „Roses d’Ispahan“, wmde mit fo leb« hastem Beifall aufgenommen, daß die Sängerin eine Zugabe be- willigte. Als Novität erschien eine Serenade für Streichorchester von dem bekannten Mitgliede des böhmischen Streichquartetts Herrn Foseph Suk. Dem vier Säße umfassenden Werke ist eine glänzende Instrumentierung nahzurühmen, leider ater steht der Gedanken- inhalt zu der chônen Form in keinem gleihen Verhältniß. Nur der erste und leßte Saß vermochten vorübergehend Interesse zu erwecken, während die beiden mittleren ihren Eindruck verfehlten. Der musi- falishe Werth des Ganzen is tahber nur gering. Das höchste Lob muß jedoch der Ausführung von seiten des Orchesters gespendet werden, welches auh Schumann’'s herrliÞhe Symphonie Nr. 2 in C-dur (op. 61) in muftergültiger Weije zu Gehör brachte und damit dem Konzert einen würdigen Abschluß gab.
Frau Carrefio spielte am Sonnabend vergangener Woche im stattlih gefüllten Saal der Sing-Akademie drei Klavierkomposi- tionen mit Orchcsterbegleitung, welhe leßtere von Mitgliedern des
hilharmonishen Orchesters unter Herrn Kapellmeister
ebicòk’'s Leitung ausgeführt wurde. Beethoven's Es-dur-Konzert gelang der Künstlerin vorzüglich; hon die ersten, wie freie Phantasie angelegten Eingangstakte wurden wuhtig mit glänzender Technik gespielt. Man weiß nicht, ob man bei Frau Carreño mehr die nie zur Härte ausartende Kraft oder den weichen Anschlag in ter Kauntilene bewundern foll, der dem hoben Disfkfant des Flügels Töne entlockt, die den Flageolettönen der Geigen an Schönheit nihts nahgeben. Um fo mebr mußte es aber befremden, daß die harfenähnlihen Accorde des Mendelsfohn*sccken „Capriccio* niht za1ter genommen wurden und zu rauhe Accente das Träumerische, Sinnende dieses Vorspiels beeinträhtigten. Im ersten Sah des noch wenig bekannten Konzerts von Mac Dowell, das an das Klavier bedeutende Anforderungen stellt, interessierte das Spiel
der Pianistin mehr als die Komposition. Die |chroffen Harmonien und