1897 / 291 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Dec 1897 18:00:01 GMT) scan diff

E E SSCC C4 Tr C T ER: E c S L ERERYE L

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P E A (ate D E C Bi G G A

diese Angst bei unseren deutshen Philiftern, wie Herr Shönlank ch4 vielfach Eingang findet. Man beruft sh auf unsere Er- ngen im Kriege von 1870/71. Allerdings hat damals die anzösishe Flotte unseren Küsten und Küftenstädten nur geringen Schaden zufügen können. Ift denn niht bekannt, daß die framzösisdhe nte damals in durchaus leistungêunfähigem Zustand war ? Rechnen ie dazu die von der framöfisihen Regierung ergehenden wider- prehenden Befeble an die Flotte und den Eindruck unserer fort- chreitenden Siege auf französishem Boden, so if es verständlich, daß die französishe Flotte unseren Küsten keinen Schaden zufügen konnte. Aber können wir darauf rechnen, daß wir in Zukunft in einem Kriege wieder einer so unzureihend ausgerüfteten Flotte gegen- überstehen werden? Die Flotte hat Fortschritte gemaht, die Schuüß- weite der Artillerie hat zugenommen. Um fo gefahrvoller ift die Aus- sicht, daß eine starke Flotte, der wir nicht ftark T entgegentreten Föônnen, unseren Küsten und Küstenftädten ¿cbébliben Schaden zufügen wird. Der französischen Flotte gelang es 1870, den deutschen Seehandel vollständig brach zu legen, unsere Handeleshife mußten sich in ihre Niies zurücfziehen, die franzsfishe Flotte teherrschte die Nord- und stsee. Allerdings müssen wir bei unseren Bedürfnissen und unserer Leistungsfähigkeit auf eine Offensivflotte in größerem Stil verzichten. Aber unzweifelhaft muß unsere zur Vertheidigung bestimmte Flotte aud star? genug sein, um einer feindlichen Flotte zur Vertbeidigung offensiv entgegentreten zu können. Zu meiner lebhaften Freude hat au der Redner des Zentrums anerkannt, daß, wenn unfere beiden Panzer-Geshwader fo stark sind, wie die Vorlage will, wir au den stärksten Feind zur See zurückwerfen können. Darauf kann und darf in NRüdcksicht auf unsere Küsten nicht verzichtet werden, daß unsere Flotte stark genug sein muß, einer feind- lihen Flotte au offensiv entgegenzutreten. Das if vor allem nothwendig zur Verhütung einer Effektivblockade. Herr Richter hat ees daß nicht jedem deuts&en Konsul und jedem Deutschen im uslande ein Schiff vor die Nase gesezt werden könnte, und daran erinnert, daf selbst die deutshen Reichsangehörigen im Inlande auf die Verfolgung ihrer Rechte lange warten müßten. An einen Zu- sammenhang dieser Dinge mit der Vorlage zu glauben, dazu sind wir do niht naiv genvg. Ih weise nur auf die jüngsten Vorgänge in Haiti hin. Ich verzihte darauf, Herrn Richter davon zu überzeugen, pas die Entwickelung unserer Flotie von großer Bedeutung if für unsere überseeishen Beziehungen. Herr Richter verstehi es, in geist- voller Weise die Dinge statistisch zu behandeln. Aber Jmponderabilien kennt er nit; was niht mathematisch bewiesen werden kann, ist für ihn nit vorhanden. Ich verzihte darauf, Herrn Richter zu beweisen, daß ein enger psychologisher Zusammenhang besteht zwishen der Machtstellung eines Reichs und der Art und Weise, wie die Kauf- leute ihre Geschäfte betreiben. Die Entwickelung des deuten Exports fteht unmittelbar im Zusammenhange mit der Entwicklung unserer politishen Machtstellung. Aber einem Sedanken is Herr Richter vielleiht nicht ganz unzugänglih. Die Machtfrage spielt eine bedeutende Rolle auch in solchen Fragen, wo es fich um rein ges{äft- liche Dinge handelt. Wenn der Staatssekretär Tirpiß aus der Zeit, wo er unfere Schiffe in den chinesishen Gewässern führte, erzählen dürfte, fo würde er bekennen, daß unser wirths{aftliher Einfluß in Ost-Asien im Zusammenhange ftand mit der Unbedeutendheit unserer dort vertretenen Schiffe. Die Bes&äftigung Deutscher in der Türkei steht im Zusammenhange mit der Gunst der türkischen R-gierung für Deutschland, welche lediglich auf dem Ansehen Deutschlands beruht. Wie oft haben sich die Deutschen unter den Schuß fremder Vertreter stellen müfsen! So wie früher entwickeln sh die Geschäfte nicht mehr, wo der Hanseate im Auslande si unter fremden Schuß stellte und feine Geschäfte mate. Die fremden Mächte werden niht mebr bereit fein, bei der veränderten wirtbschaftliden Lage die Deutschen zu süßen. rr Richter meinte, die Flotte müfse doch stark genug fein, wenn die Regierurg die Entsendung so vieler Schiffe na China ver- antworten könne. Kontre-Adwiral Tirpiß hat son erklärt, daß Deutsch- land dadur von allen Schiffen entblößt würde. Wir find augen- blickiih nit von einem Kriege bedroht ; aber wenn das der Fall wäre, fo würde die geringe Zahl unserer Schiffe bedenklich sein. Deutsch- land hat zur Zeit einen jährliten Export von 34 Milliarden, es nimmt in der Welt die zweite Stelle ein. Niemand wird bestreiten, daß auf die Entwickelung des Exvorthandels für Deutschlands Gegen- wart und Deutschlands Zukunft sehr viel ankommt. Herr von Marshall hat schon auf die Bedrohung dieses Erporthandels in Gegen- wart und Zukunft hingewiesen. Japan, Australien und die füdameri- fanishen Staaten sind bestrebt, fich gegen die fremde Einfuhr abzu- schließen. Wir müssen damit renen, daß nah Ablauf der Vertrags- periode die shußzöllnerishen Interessen ein erböhtes Gewicht erlangt haben werden. Mit der Thatsache, daß England eine bevorzugte Stellung in seinen Kolonien für seine Einfuhr erbält, müssen wir renen ; England will ein einheitlihes Gebiet mit seinen sämmtlichen Kolonien berstellen. Die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika haben si dur die Dingley-Bill geschüßt; dadurch wird unser Export geschwächt. Der Panamerikaniëmus is meines Erachtens noch bedeutender als die Monroe-Doktrin. Denn Amerika repräsentiert einen großen, dur afle Zonen gehenden Welttheil, der im ftande ist, sich von Europa vollständig zu emanzipieren. Ein Zusammenschluß sämmtlicher europäischer Staaten wird nothwendig sein, um erfolgreih fi gegen die bevorstehende Konkurrenz von Amerika zu wehren. Deutscland als dem Staate, welcher jeßt den größten Export hat, fällt die Rolle zu, für die Weltstellung einzutreten. Herr Swönlank kann nicht be- haupten, daß das romantishe Phantasien sind. Unsere Bevölkerung nimmt in jedem Jahre um 5000C0 Menschen zu; eine imwer \chwierigere Frage ift die: wie wird diese Bevölkerung ernährt? Es bleibt dem Deutschen Reihe nichts übrig, als Menschen oder Waaren auszuführen. In dem Strom unserer Auswanderung ist ein Hemmniß eingetreten, seitdem Amerika sih etwas abschließt egen - fremde Einwanderer. Darum erwächst für Deutschlands taatêmänner die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß seine Be- völkerung auf eigenem Boden ernährt wird. Ich könnte davon sprechen, daß durch die gegenwärtige Vorlage die Beschäftigung auf den deutschen Schiffewerften eize regelmäßige sein wird, und daß unsere Eisenindustrie und der Bergbau dadur gekräftigt werden; wenn man aber derartige Dinge hier rorträgt, so wird einem fofcrt das Unternebmerinterefse entgegengebalten. Ih kalte dieses Interesse für ebenso legitim im wirthicaftlichen Leben, wie das Interesse der bei der Industrie beshäftigten Personen. Herr Sch{öôn- lank ift darüker leiten Herzens binweggeganaen, ih sage Ihnen aber (zu den Soz.): Die Arbeiter, die hinter Ihnen fieben, werden in immer steigendem Maße die Empfindung bekommen, daß Sie sie \{lecht vertreten, wenn Sie ein solhes Geseg ablehnen. Was die formelle Seite der Frage betrifft, so stimme ich mit Herrn Richter darin überein, daß es sich bier niht um ein Septennat, sondern um ein Aeternat handelt; von 7 Jahren is nur in}ofern die Rede, als innerhalb derselben tie Schiffe gebaut werden follen. Nun wird gesaat: indem wir den j-ßigen Reichétag und den zukünftigen auf 7 Jahre für beftimmte Ausgakten verpflic;ten, geben wir wichtige Volksrehte auf. Tbeoretish kann ich mi dem nicht vershließen; ich verwahre aber meine politischen Freunde dagegen, daß wir die Gtatsrehte und Volksrehte ceringer shäßer, alé andere arteien. Es fann si aber bier nur im wesentlichen um die Praxis ndeln. War denn etwa die Bewilligurg der erften Rate für den Nord-Ostsee-Kanal etwas anderes, als was jet gefordert wird? In- dem wir der Regierung die erfte Rate von 10 Millionen zur Ver- fügung stellten, berehtigten wir sie tazu, Verträge abzuschließen für die Zukunft. Aehnlich verhielt sich die Sahe bei den Eiserbahn- bauten in Elsaß-Lothringen ; bei jedem Kasernenbau, der länger als cin Jahr dauert, ift dasselle der Fall. Herr Richter berief \sich auf England. Wir haben keine parlamentarische Tes wie England, und ih wüßte auh nicht, wie bei uns in diesem Augenblick ein parlamentarishes Minifterium zusammenzu-

seßen wäre. Ob man das beklagen oder sih tarüver freuen joll, f für Y

mich eine gleihaültige Frage. Nur eines weiß ih: mag in England oder Italien ein Minifterium sein, welches es wolle, wern einmal ein folhes Geseg erlassen würde zur Vertheidigung und wirthschaft- lien Sicherstellung des Landes, so würde später feine Regierung sich

weigern, die nötbigen Konsequenzen ziehen. Die Aufgaben, die dur dieses Geseg gelöft werten Een sind fo erf und s{chwer- wiegend, meine politischen reunde nicht anstehen würden, auch der Auferlegung neuer Steuern, neuer Einnahme- quellen, zuzustimmen. Nach dieser Richtung bin hat auch der Abg. Lieber die Bereitwilligkeit seiner Freunde ausge- sprochen. Ein Staat, der es si versagen müßte, nothwendige Be- dürfnisse zu erfüllen, weil ibm dazu die Mittel fehlen, würde eine bedenklide Schwäche an den Tag legen, eine Schwäche, die Gott sei Dank bei unserem deutsihen Volk noch nit vorhanden ift. Das deutsze Volk hat es niemals versagt, opferfreudig die Mittel bereit- zustellen, wenn es sich um die Erhaltung der Matktfstellung und die Sicherung der wirthshaftlicen Intereffen des Vaterlandes handelte. Deshalb hoffe ih, daß die große Mehrheit des Reichstages diesem Gesetz zuftimmen wird. Nach meiner innigen Ueberzeugung wird der Neichstag sich in der leßten Session seiner Legielaturperiode tadurch woblverdient machen um das Vaterland.

Abg. Ga ller (d. Volkép.) erklärt sich gegen die Vorlage, weil es nicht möglich sei, einen so tiefen Eingriff in die Rechte des gegen- wärtigen und des zukünftigen Reibstages gut zu beißen. Wie leicht si Nationen mit zu weit eniroickelter Flotte zu Abenteuern ver- führen ließen, das beweise Frankrei und dessen merifanishes Abenteuer. Angesichts der großen Landmawt Deutschlands habe die Flotte eine sekundäre Bedeutung. Durch Kanonen und Schiffe könnten über- seeishe Geschäfte niht verbefsert werden, dafür seien Handel8verträge besser. Die Reichsfchulden seiex hoch genug, als daß man leitherzig mehr Geld ausgeben könnte. Schließlich würden wieder neue Steuern nötbig werden. Die Stimmrng in Süddeutschland sei eine durchaus ablehnende und deéhalb werde au seine Partei diese Vorlage ablehnen.

Aba. Zimmermann (Reformp.): Die Volkérehte find meinen Freunden ebenso werthvoll wie allen anderen Parteien. Aber darauf kommt es hier nicht an, in der Nationalfrage der Landes- vertheidigung müssen wir eine gewisse Entsagung üben. Wir müssen um fo mebr eine günstige Stellung zu der Vorlage einnehmen, als aus den Ausführungen des Staatssekretärs der Marine hervorgeht, daß es Zeiten geaeben hat, wo wir die Küsten nit hüten konnten, wo wir die Nordsee haben aufgeben müfsen. Wir halten es für nothwendig, daß der Reichstag in eine wohl- wollende Prüfung eintritt. Auch Herr Richter hat anerkannt, daß eine Vermebrung der Panzer und Kreuzer für die Oft- und Nordsee vorgeseben sei; tas zeigi, daß es sih hauptsählih um die Vertheidigung Deutschlands handelt. So gerne wir der nationalen Seite der Vorlage Rechnung tragen, so muß do auch die wirthschaft- lihe Seite der Frage gründlih geprüft werden. Ob bei der {limmen Lage der Bauern, der Handwerker und Kaufleute die Vorlage An- nahme finden wird, if eine andere Frage. Die Vorlage bringt wieder eine große Verschiebung zu Gunsten der Großindustrie; darin liegt eine sckwere Schädigung des Volkslebens. Das zu verhindern, ersheint uns wichtiger, als die mechanisde Erhöhung der Ver- theidigungêmittel. Die selbständigen Cxristenzen im Handwerk und Gewerte sind im Nückgange begriffen. Herr Barth hat ja {on an die Regierung die Forderung geftellt, die Konsequenzen aus ihrer Vorlage für Seehandel und Industrie zu ziehen, d. h. zum Frei- handel zurückzufehren. Das ist das Böseste, was gegen die Vorlage gesagt werden kann. Wir find Gegner der Gründung unserer Volké- wirthschaft auf die Erportpolitik; wir wollen nach Möglichkeit das Gleichgewiht in Erzeugung und Verbrau im Inland herstellen. Jedenfalls flebt der Reichstag vor einer {weren Verantwortung, wenn er der Vorlage zustimmt; es müssen gewisse Garantien ge- fordert werden, ehe eine folche Zustimmung erfolgt. Die Limi- tierung der Ausgaben ersheint auch uns als einer der Punkte, um niht nur Reichêtag, sondern aub Regierung zu binden. Noch wih- tiger ist die finanzielle Seite. Es ift auf die drohende Taback- und Brausteuererböhung bingewiefen worden. Wir können unter feinen Umständen einer- solhen Steuererhöbung zuitimmen; sind neue Mittel nöthig, fo müffen sie von leiftungsfähigen Leuten aufgebradt werden, die von der Flotte einen Nutzen haben. Das deutsche Volk wird die Kosten {ließlih nit versagen, aber die nationalliberale Partei wird versagen, wenn wir die Lasten auf die leistungëfähigen Schultern legen. Es ergiebt sich für uns die Stellungnahme, daß wir der Vorlage mit großem Wohlwollen gegenüberstehen, weil fie das Ansehen des Reichs heben wird. Manche Bedenken find geschwunten, tur die Erklärungen des Herrn von Bülow. Wenn dieser Geist Platz greift, dann brauen wir um die nationale Zukunft niht bange zu sein. Urser Woblwollen für tie Regierung wird mindestens ebenso groß sein wie tas Wohlwcllen, das die Regierung für den Bauer {stets versichert hat. Wir werden seben, ob in der Kommission durch maß- gebende Kundgebungen unsere Betenken beseitigt werden können. Die Mehrbeit meiner Freude wird einer durch die Kommisfiorsberathung geläuterten Vorlage zustimmen fönnen.

Abg. Hilpert (b. k. F.): Ale Auétführungen baben mich nit von der Notbwexrdigkeit der Verlage überzeugen können. Ich habe 1893 ‘ür die Militärvorlage gestimmt aus patriotisher Ueber- zeugung. Anders liegt es mit der Flottenvermehrung, die große Opfer an Geld vnd Menschen verlangt. Wenn es gilt, für die Veteranen von 1870 emwwas zu thun, dann find keine Mittel vor- banden. Ich werde mir vorbehalten, ob ih für oder gegen die Vor- lage stimmen werde. i

Abg. Molkenbubr (Soz.): Die Vorlage muß doch von an- deren Gesichtépunkten als allein von den nationalen und wirtbs{aft- liden aus betrrahtet werden. Es handelt fich hauptsählich um die Vermebrung der Panzer, während die Agitation im Lande die andere Seite, den Schuß des Handels in den Vordergrun®* schiebt. Daran ist auch die Marineverwaltung nicht unschuldig, welche ja dafür die nöthigen Zablen und Materialien giebt. Wie foll die Flotte gegen den si auédehnenden Schußzoll anderer Staaten helfen? 1870 war auch eine Küstennade aufgestellt, aber niemand dachte daran, daß die fran- zösischen Schiffe erst in der nähsten Nähe von Hamburg aufgehalten werden follten: es gab vorher {hon Punkte genug, wo man fie zerstört hâtte. England hat für 76 Handeleschiffe ein Kriegsschiff, Deutsch- land würde bei 19 Sciffen auf 39 Handelsschiffe ein Kriegéschiff haben. Dabei sind unter den deutshen Schiffen noch Fahrzeuge, welhe ledigli als Kähne chne Mast bezeichnet find, tie für den eigentlihen Seeverkehr gar niht in Betreht kommen. Scheidet man diese kieinen Schiffe aus, so würde in England auf 34, in Deutsch- land auf 25,8 Seefahrerschiffe cin Kriegéschiff kommen. In England fommen auf 100 Mann Befaßurg der Handelsmarine 40 Mann Be- saßung der Kricgéschiffe, in Deutschland aber auf 100 Mann son 62 Mann. Die Werften und die großen Werke sind natürlich bereit, die \chône Arbeit, welche die Verm-hrung der Schiffe mit sich bringt, auézufübren, wenn sie auch bei der Arbeit selbst manchmal fehr inter- national verfahren, indem sie si die billigen Arbeiter aus Rußland und Ftalien kommen lassen. Die Steuern, welche zur Bezahlung der Schiffe nöthig sind, werden natürlich niht ron den großen Herren, sondern von den großen: Arbeitermafsen zu tragen sein und die Be- bôrden werden eingreifen, wenn tie Arbeiter versuchen jcllten, ihre Löhne durch Strikes aufzukcessern. Und woher will man die see- männischen Kräfte zur Bejetung der Kriegsschiffe nehmen? Darauf giebt die Vorlage keine Antwort. Zum Schuße des Handels gäbe es auch andere Wege, z. B. das Verbot des Seeraubes zur Kriegszeit dur internationale Verträge. Deshalb haben wir alle Ursache, die Va:lage abzulehnen ; denn der Handel ift hinreichend geschügt.

Abg. Dr. Graf zu Stolberg-Wernigerode (d.kenf.): Als Graf Limburg-Sti: um die Stellung meiner Freunde dargelegt batte, da wies er darauf hin, daß der Reichétag durch sein zustimmentes Notum die Stellurg der Regierung im Auslande stärken könne. Wir sind dem Ziele, ein zustimmentes Votum zu erreichen, ein gut Stück näher gefommen. Als im Frükßjahr neue Scchiffe ge- tordert wurden, entbrannten darüber hestige Debatten. Heute, bei der viel wichtigeren Vorlage, \ind tie Debatten in einem le:denschaf!slosen Tone gefübrt worden. Darin liegt ein er- freulicher Fortschritt. Die Stimmung im Bolke if eine ent- schieden flottenfreundlidere geworden, als fie es im Frütjahr war. Dazu trugen die überseeisden Konflikte bei und der Umjtand, taß wir eine gedrângte, maßvolle Vorlage haben, sowie die verbindliche Art

und Weise, wie die Vorlage vom Bundesrathstishe aus vertrete worden ist. Der Admiral Tirpiß hat es dur feine objektiven Aus, führungen den Gegnern ershwert, andere als fachlihe Gründe vor, zubringen. Durch die maßvollen Worte tes Staatssekretärs deg Aeußeren ift die nationale Temperatur erhöht worden. Dem Reichs, tage fehlt bei allen folhen Voclagen die nöthige tehnishe Kenntniß, Wir find auf das größere oder geringere Vertrauen zu den [leitenden Persönlichkeiten angewiesen. Ich finde es daher begreiflih, daß die

en vom Zentrum e nit lhräfsig gemacht haben. Für mi

d drei Fragen zweifelhaft: Ift die Verstärkung nothwendig? Können

wir die finanziellen Mittel aufbringen? Und ist der richtige Weg ein- geshlagen ? Die Vorlage nüßt zunähft dem Handel und der Industrie, Wenn au zwischen diesen und der Landwirtbschaft mancherlei Gegen- säße beftehen mögen, #o find Landwirthschaft und Industrie do auf- einander angewiesen. Die Schädigung der Indufirie in ihrer Kauf- kraft würde die Landwirthschaft ebenfalls s{hädigen, weil sie ihre Pro- dukte niht abfezen könnte. Auf der Solidarität aller Interessen beruht der franzöfis{e Nationalwoblstand. Die Bedeutung der Marine im Falle eines Krieges wird vielfach unterschägt. Die Entscheidung eines Krieges wird allerzings beim Landheer liegen Aber der Krieg von 1870 if sehr {nell und günstig für uns verlaufen. Wir müssen mit einem länger dauernden Kriege renen. Wenn wir während eines solhen Krieges auf längere Zeit bloiert werden, würden uns die Lebenêmittel und die Erneuerung der Mu- nition abgeschnitten werden. Die Thätigkeit der Marine würde dann von ausshlaggebender Bedeutung sein. Es hat sich überbaupt noch niemals ein Land ruiniert dadur, daß cs zuviel Geld für sein Heer und für seine Flotte ausgegeben hat; im Gegentheil, der Untergang von Staaten erfolgte, weil aus Bequemlichkeit und Sparsamkeit die Wehrhaftigkeit vernachlässigt wurde. Wenn wir die Nothwendigkeit der maßvollen Forderungen der Vorlaçe erkannt haben, können wir ihr ruhig zustimmen, zumal dadur eine Organisation geschaffen wird, welche die Flotte selbst einer an Zabl überlegenen gegenüber Ieistungs- fähig maht. Wir wollen wie die Regierung das Wohl des Vater- landes; daker können wir mit vollem Vertrauen die Vorlage an- nebmen. Sollte sih herausftellen, daß mit der Organisation das Richtige nicht getroffen ift, fo wird es nothwendig fein, eine Aende- rung herbeizuführen, und ih hoffe, daß der nächste Reichstag seine Hilfe dazu nicht versagen wird. Ich würde die Vorlage ohne weiteres annehmen. Wenn es gelingt, eine andere Form zu finden, die das- selbe erreit, fo wird sich darüber reden laffen. Möge über die wichtige Frage eine Einigung zu stande kommen.

Damit schließt die Diskussion; die Vorlage wird an die Budgetkommission überwiesen.

Es folgt nachstehende Jnterpellation des Abg. Basser- mann (nl.):

„Welche Maßregeln gedenken die verbündeten Regierungen zu ergreifen, um den auf Monopolisierung des deutschen Petroleum- handels geridteten Bestrebungen der Standard Oil Company erb gegenzutreten 2"

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner: Ich bin bereit, die Interpellation sofort zu beantworten.

Abg. Bassermann (nl.): 1862 begründete Herr Nockefeller eine kleine Raffinerie für Petroleum; er hat es sehr bald verstanden, eine Vereiniaung aller Raffinerien herbeizuführen, namentli au dur eine Vereinbarung mit den Eifenbabnen bezüglich der billigeren Verfrachtung von Petroleum. - Die Kämpfe gegen feine Bestrebungen baben ftets mit einem Siege des Herrn -Rockefeller geendet, der dadurch eine Weltmacht geworden ift, deren Vorgehen den Charakter der brutalen Rüsichtelcsigkeit trägt und selbs vor der Bestechung maßgebender Faktoren in Amerika nicht zurückschreck. Die Be- ftrebungen, Deutschland, dessen Einfuhr von Petroleum von großer Bedeutung ist, unter die Herrschaft der Standard Dil Company zu bringen, find bekannt. Man hat die . deutschen Interessen am arg g aufgekauft oder durch die Konkurrenz vernichtet.

nfang der neunziger Jahre wurde der Kampf aufgenommen gegen die bisher noch§ Widerstand leistenden Fabriken, Pbilipp Poth in Mannheim und Rofsow, Jung u. Co. in Bremen. Der Kampf bat mit dem Unterliegen der beiden Firmen geendigt, sodaß das Prirat- monopol durhgeführt is. Der Reichstag und die verbündeten Re- gierungen haben die Bedenklihkeit eines folhen Privatmonc- pols vollständig anerkannt. 1895 wies Staatssekretär von Boeitiher auf die Schädigung des deutfwWen Publikums bin, wele durch die Steigerung des Petroleumpreises entstehen würde; er erflärie, daß die Reichsregierung bereits in Erwägungen eingetreten sei; die Erwägungen follen na einer Aeußerung desselben Staatssekretärs Ende 1890 einen gewissen Ab- {luß gefunden haben. Die noch vorhandenen selbständigen Händler sucht man in die Macht der Standard Oil Company zu ziehen durs besondere Kontrakte, deren Inhalt der Redner mittheilt. Die Häntler würden dadurch nur Kommissionäre, ja eigentlich nur Beamte der Gesellschaft werden. Protestversammlungen haben sich mit Beschwerden an den Reichékanzler gewendet. Die Standard Oil Company hat daë Petroleum direkt an die Konsumenten gebracht und theilweise ift in meb reren Städten des Westens {hon der ganze Zwischenhandel vollständig au geshaltet worden. Es ist behauptet worden, daß der Konsument kei Interesse an der Auêgestaltung der Dinge habe, weil die Preise gegzr- wärtig sehr niedrig find. Als eine Fusion der Gesellschaften ent ftanden war, trat eine Preissteigerung ein. Als aber die Pure 21 Company den Kampf aufnahm, trat eine Preisermäßigung ein, 2 die Konkurrenz zu vernihten. Wenn einmal ein vollständiges N:5 der Organisation über alle Theile Deutschlands verbreitet ift, dan wird die Konkurrenz nicht. mehr eingreifen können. Danz tritt dos Interesse der Konsumenten neben dem der Händler in den Vordergrund. In Belgien ift das Monopol durch die T böbung der Preise um 25 % zu Tage getreten. Die Einfübrung von Gas und Elektrizität verursawt Kosten. Der Spiritus fzax

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dem Petroleum vielleiht Konkurrenz machen, -aber er tann es #5. B. bei ten kleinen Motoren niht erseßen. Wenn das Monopol dur#- eführt wird, wird es gelingen, die Notierung der Preife zu beseitigzn- 18 fonkurrierendes Land käme zunächst Rußland in Betracht ; je: sich aber ein geradezu fluchtartiges Zurückweichen der rusfischen Petroleum auéfubr. Man nimmt an, daß eine Verständigung mit der amerikani!@en Geseflshaft zu stande gekommen ist. Galizien fucht seinen Absay hauvtsächlih in Oesterreih. Ob die Puare Dil Company den Kam? zu führen im stande ist, ift zweifelhaft. Was muß geschehen seitens der Regierung, um den Monopolisierungsbestrebungen entgegenzutreten? Es wird für die verbündeten Regierungen {wer sein, durchgreifende Maßregeln zu treffen. Die Interpellation sol auch den Zweck haber, die chwankerden Elemente in dem Kampfe zu befestigen. Die Gin? fubr des russischcn Petroleums soll begünstigt werden fönnen dur Verkauf nah Gewicht, nit nah tem Füssigkeitsmaß. Ein weiter?! Weg wäre die Festsezung eines gewissen Minimums von Kernöl : ferner soll der Test in Deutschland von 21 Grad auf 28 Grad erhöht werter- Weiter ist darauf hingewiesen worden, man möge die Einfuhr russischen Petroleums bur ermäßigte Frahten erleichtern. Oesterreich-Ungarn ift mit einem Gesetzentwurf über die Kartelle vorgegangen, indem f die leßteren unter Staatsaufsicht stellt ; die Ausführung eines Kartells fann unt-rfagt und bestraft werten, wenn dadurch die Konsumk:a!: und die Erzeugung beeinträchtigt wird. Man wird sagen: alle solhez Maßregeln werten nichts helfen. Aber eines fönnte fiherlich errei werten, daß der Exiftenz- und Konkurrenzkampf auf eine Reihe vor Jahren hinaus verlängert würde. Die Gefahr ift nicht gering, dex? wenn das N-h der Organisation über ganz Deutschland auêge}p@?

sein wird, wird man nihis mehr ausriäzten können. j

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Die Fragçe ist in dem Ausgangspunkte, weler Veranlassung gegeben hat zu dieser Interpellation, cine ziemlich schwiert@f- Auf der einen Seite befindet sich ein mächtiger Produzent, wel gleihhzeitig Besitzer eines großen Theils des Rohmaterials ift, auf der

anderen Seite ftehen deutsche Käufer, welche in einem privatrecht- lien Vertragsverbältniß mit ter Standard Oil Company bezüglih deren Filialen in Deutshland stehen. Es fragt sih nun: ist die Gesezgebung in der Lage, einzuschreiten gegenüber einem solchen privaten Vertragsverhältniß, was man vielleicht na den Bestimmungen, die jeßt den deutshen Abnehmern vorgeshrieben \ind, juristisch als „conditiones turpes“ enthaltend zu bezeichnen geneigt ift. Man würde einem Verlangen gegenüber, daß die Staatsregierung sich in dieses Vertragéverhältniß einmishen sollte, vielleiht mit Recht den Einwand erheben können: daß es si eben Lediglih um ein privates Vertragsverbältniß bandelt, ein Vertragëverhältniß zwischen Käufer und Verkäufer. Es ist ferner fraglih, ob diese Bedingungen, wenn man sie auch seitens der Interessenten für „conditiones turpes“ hält, juristish die Auflöfung des Vertrags herbeiführen könnten. Andererseits steht aber au allen den Abnehmern, die solde Verträge noch nicht ges{lofsen haben, vollkommen frei, die Vollziehung der Verträge abzulehnen.

Meine Herren, wenn ih von dieser Grundlage aus zunähst auf die Wirkung übergehe, welhe die deutshe Filiale der Standard Oil Company, die Deutsch-AmerikanisGe Petroleum-Gesellshaft in Bremen auf die Preisgestaltung auêgeübt hat, so muß ih allerdings anerkennen, daß seit Begründung der Deutsch - Amerikanischen Petroleum-GesellsŒaft in Bremen die Preise für Petroleum in Deutschland zu Gunsten des deutschen Konsumenten fast fortgeseßt in absteigender Linie sich bewegt haben. (Hört, hört! Sehr richtig!) Im Jahre 1890 is die Deutsch - Amerikanische Petroleum - Gesellschaft begründet worden. Damals stand der Dur&schnittspreis für einen Doppelzentner Petroleum Standard Oil auf 13,3 #4 Der Preis sank im Jahre 1891 auf 12,6, im Jahre 1892 auf 11,1, im Jahre 1893 auf 9,5; im Jahre 1894 stieg er um eine Kleinigkeit, auf 9,7 M4 Dann kam das berühmte Jahr 1895, wo hier im hohen Hause zuerst die Petroleumfrage Gegenstand einer ziemlich eingehenden Erörterung wurde. Es if nicht aufgeklärt, ob es sih damals um eine Speku- lation der Standard Oil Company handelte, oder ob in der That die Standard Oil Company nit über die nöthigen Roh- materialien verfügte. Das kann man aber sagen: die Deut\ch- Amer ikanische Petroleum-Gesell saft hat nah der glaub- würdigen Versicherung ihrer Vertreter keinen Nußen aus dieser Preis- steigerung gezogen, sondern felbst, weil fie das nöthige Petroleum ihren deutshen Abnehmern nicht liefern konnte, sehr erhebliche Ver- {uste erlitten.

Bekanntlich stieg im April 1895 der Preis für den Doppel- Zentner auf 19 4; infolgedefsen war auch der Durchschnittspreis für das Jahr 1895 wieder ein erhebliher, das heißt 13,5, fast ebenso bo wie im Jahre 1890, als die Deutsch-Amerikanische Petroleum - Gesellschaft gegründet wurde. Im Jahre 1896 sank der Preis wieder auf 12,4, und jeßt in der Zeit vom Januar bis Oktober hat der Durchschnittspreis 10,82 betragen. Der billigste Preis, den wir überhaupt seit dem Jahre 1890 gehabt haben, war 9,28, und beute fteht der Preis in Bremen 9,80. Meine Herren, man wird also die Behauptung nit erweisen können, daß die deutsche Filiale der Standard Dil Company dazu beigetragen hätte, den Petroleumpreis in Deutschland zu steigern, selbst wenn man das Jahr 1895 in Betracht zieht. Daß der Preis fo gesunken ift, das ist, glaube ih, eine ganz natürlihe Erscheinung, die einerseits in der Konzentration des Petroleumhandels liegt, die ja fast den Charakter einer Monopolverwaltung trägt, und andererseits in der ausgezeichnet geschickten Art, mit der es die Deutfh-Amerika- nische Gesellschaft verstanden hat, das Petroleum in der denkbar be- quemsten Weise aklen Abnehmern zuzuführen.

Es wird indefsen die Debatte wesentlich abkürzen können, wenn i die Erklärung hier verlese, die ih auf Grund mündlicher Verhandlungen von einem Vertreter der Deutsh-Amerikanischen Petroleum - Gesellschaft erhalten habe. Dieser Herr hat mir gegenüber erklärt: „er Habe bereits Auftrag gegeben, keine weiteren solhen Verträge wie diejenigen, die zum Gegenstande lebhafter Beschwerden, namentlich von Mannheim aus, geworden sind, abzuschließen, und es liege nicht in der Absiht der Deutsch - Amerikanischen Petroleum- Gesellschaft, je wieder mit solchen Verträgen vorzugehen. Sie fönnten sich freilih nit feft binden, da es fie fonft lahm legen würde, wenn die Pure Oil Company demnächst mit solhen Verträgen vorgehen würde. Sie seien auG nicht in der Lage, der Mannheim- Bremer Petroleum-Aktiengesellshaft Vorschriften zu machen, doch wisse er, der Bertreter der Deutsh-Amerikanischen Gesellschaft, daß auch dieMannheim-BremerPetroleum-Gesellshaft keine weiteren Abschlüsse auf Grund dieses angefeindeten Vertragsformulars mehr {ließen würde, und er bezweisle auch nicht, daß auch ferner die Mannheim-Bremer Petroleum-Ge- sellshaft auf solhe verzihte; wenigstens würde die Deutsh-Amerika- nishe Petroleum - Gesellshaft alle Mühe anwenden, um die Mannheim - Bremer Gesellschaft zu einem folchen Verzicht zu bewegen.

Meine Herren, wenn hiermit das abges{chlofsen if, was ih über die private Seite der Frage zu sagen vermag, und was immerhin erkennen läßt, daß die bezeihneten Filialen der Standard Dil Company wohl selbst zur Erkenntniß gekommen sind, daß man folche Verträge dem deutschen Händler niht zumuthen follte und auf dem begonnenen Wege einhalten muß, so ist damit doch für die Reichs- regierung die Frage nit erschöpft, denn die Frage ift für sie wichtig, insoweit es fich hier auh um ein volkswirthschaftliches Interesse handelt. Bereits im Jahre 1895, als die große Preisfteigerung stattfand, bin ih in die Erwägung der Frage eingetreten, ob es mög- lih wäre, mit Mitteln des Reichs oder der Einzelstaaten die deutschen Outsiders, insbesondere die Firmen in Bremên und Mannheim, welhe noch nicht unter der Kontrole der Standard Dil Company standen, zu unterstützen. Es hätte das nur gesehen können, wenn man große Kapitalien flüssig gemacht hätte, um jene Herren in die Lage zu versetzen, an allen wichtigen Zentralpunkten des Eisenbahn- verkehrs große Tanks zu errihten und sich große Tankschiffe zu be- schaffen, nicht nur für den ozeanischen Verkehr, sondern au für den Verkehr die Flüsse aufwärts. Aber bei näherer Erwägung mußte man ih doch sagen, daß das cine Aktion is, welche eine Staatsregierung niht in Bewegung seßen kann; denn wer garantierte uns, selbst wenn wir diese große Verantwortung übernommen hätten, wenn wir uns so in Handel und Wandel, in Anzebot und Nachfrage gemischt hätten, daß nicht dann vielletcht die Standard Oil Company threrseits den Outsiders \olhe Offerte machte, daß leytere sich unter den ander-

weiten günstigeren Bedingungen für ihren Betrieb demnäthfi doch mit der Standard Oil Company verbunden Hätten und so unsere Anlagen entwerthet und damit unsere Kapitalien nußlos vergeudet wären ? Wenn ih deshalb in der Presse einen Angriff gegen die Reich8regie- rung gelesen habe, daß sie im Jahre 1895 nicht sofort ganz energisch zu Gunsten der Outsiders gegen die Standard Oil Company vor- gegangen fei und die deutschen Outfiders unterstüßt hätte, so, glaube ih, sind diese Angriffe vollkommen unberehtigt. Ih glaube nicht, daß fi das hohe Haus dazu bätte bereit finden laffen, der Reihs-Finanz- verwaltung Mittel in die Hand zu geben, um den Kampf der deut- {en Ouisiders gegen die ausländishen Trusts zu unterstützen, weil vorübergebend die Petroleumpreise gestiegen waren.

Wenn anan aber von der Voraussetzung ausgehen könnte, daß die Standard Oil Company ihr Monopol in Deutschland beabsichtigt noch weiter auszubilden, um demnächst eine unbillige Preiss- fieigerung des Petroleums herbeizuführen, so giebt es meines Erachtens nur drei Wege der Abwehr, die zum theil von dem Herrn Interpellanten {on angedeutet worden sind. Der eine Weg besteht zunächst in der Begünstigung des russishen Petroleums. Uns könnte es in vielen Beziehungen nur erwünscht sein, wenn fich das russishe Petroleum in Deutschland einen weiteren Markt suhte. Wir haben auch das russisGe Petroleum bereits dadurch begünstigt, daß wir die Zollabfertigung des russishen Petroleums na Volumen und iht nah Gewicht nachgelafsen haben, weil bekanntlich daëselbe ein größeres \pezifishes Gewiht hat, als das amerikanishe. Troß dieser Begünstigung zeigt aber die Statistik nit, daß die Einfuhr russishen Petroleums gewathsen is, wenn man auch von einer fluhtartigen Zurüdziehung aus Deutschland nicht sprechen kann. Ih gestatte mir, die Zahlen anzuführen. Im Jahre 1894 be- trug die Einfuhr von amerikanishem Prtoleum 7 574139 dz, während von russishem Petroleum nur 232091 dz eingeführt wurden. Im Jahre 1895 war die Einfuhr des amerikanischen Petroleums ungefähr die gleihez, die Einfuhr des russischen Petroleums stieg rund auf 550 000 dz; im Jahre 1896 sank sie auf 430 000 dz und im Jahre 1897, in der Zeit vom Januar bis Oktober, haben wir eine Einfuhr von rufsishem Petroleum von 296 000 dz gehabt. Es \cheint deéhalb, daß man in Rußland entweder niht den Werth auf den deutshen Markt legt, wie wir wünschten, oder daß das russische Petroleum mit dem Preis des amerikanishen Petroleums nicht wirks fam zu kTonkurrieren vermag.

Welche Mittel könnten wir nun weiter ergreifen, um dem russischen Petroleum die Versorgung des deutshen Markts zu erleihtern ? Zunächst ist es, wie hon der Herr Interpellant angeführt hat, mög- lih, den Testpunkt, d. b. Inflammungspunkt , zu erhöhen. Be- kanntlih beträgt der Testpunkt für das Petroleum, das vorzugsweise in Deutshland gebrannt wird, Standard White, 21 Grad Celfius, des theureren Water White dagegen 23 Grad; das russische Petroleum hat einen Testpunkt von ca. 30 Grad. Man könnte also in Deutschland den Tesipunkt erhöhen, damit namentlich das minderwerthige amerikanishe Petroleum aus\{ließen und immerhin das russishe Petroleum fo etwas fkonkurrenzfähiger machen. Aber eine Seite hat diese Erhöhung des Testpunktes, die uns bisher von diefer Moßregel zurückgehalten hat. Die Erhöhung des Testpunktes bedingt nämlich selbstverständlih eine bessere Raffination und eine solhe vertheuert den Preis dieses wichtigen Konsumartikels. Die Erhöhung des Testpunktes würde also unzweifel- haft mit Opfern verbunden scin für die deutschen Konsumenten.

Dann hat der Herr Vorredner von den Herzeigenschaften des Petroleums gesprohe«. Man solle Vorschriften erlassen, welche bestimmte Qualitäten des Petroleums bedingen, und fo geeignet find, das russishe Petroleum gegenüber dem amerikanishen zu be- günstigen. Auch darüber haben wir im Reichs - Gesundheitsamt fehr eingehende Versuche angestellt, find aber zu der tehnischen Ueber- zeugung gekommen, daß die verschiedenen Herzeigenschaften der ein- zelnen Petroleumforten nicht wesentli genug find, um daraufhin irgend eine Maßregel gegen ein bestimmtes Petroleum ergreifen zu können. Eine Maßregel, die wir schea ergriffen haben, ift die Zoll- abnahme nach dem Volumen anstatt nah dem Gewicht. Hierin liegt in der That {hon jeßt eine gewisse Begünstigung des rufsishen Petroleums gegenüber dem amerikanishen. Wir könnten nun, ‘da das Petroleum eingekauft wird nach dem Gewicht, und verkauft nah dem Volumen, das rufsische noch dadurch weiter be- günstigen, daß man geseßlih vorshriebe: Petroleum darf über- haupt nur nach Gewicht verkauft werden. Da das russische \{chwerer ist, würde es hierdurch einen Vorsprung erlangen. Jch bitte aber zu erwägen, daß diese Maßregel ebenfalls niht ganz ohne Be- denken ist. Zunächst wird selbstverständlih der Verkauf von Pe- troleum in Detailgeshäften nah Gewicht das Geschäft außerordentlich erschweren, während jeßt der Petroleumverkauf so glatt, ich möchte fast sagen, fo elegant reguliert ist, daß die Manipulation nichts zu wünschen läßt. Im Keller hat der Detailhändler sein Reservoir, oben im Laden füllt er es ab; es if eine Skala da, an welcher er genau ablesen kann, wie viel er verkauft, wie viel Bestand er noh hat. Dieser bequeme Berkauf des Petroleums würde wahrscheinli verschwinden.

Aber noch weiter. Erlassen wir eine derartige geseßlihe Vor- rift, so wird vor allen Dingen der ambulante Verkauf des Petroleums wefentlich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Denn das wird sich s{chwer machen lassen, daß der umherfahrende Wagen jedem Konsumenten auf der Straße oder im Hause das Petroleum zuwiegt. Eine sehr wichtige Frage würde die sein: Können wir die Raffination des Petroleums, oder vielmehr ist es praktisch, wäre es eine wirksame Maßregel gegenüber der Standard Oil Company, die Raffination des Petroleums für den deutshen Verbrauh nach Deutschland zu verlegen? Diese Maßregel hat zwei Vorausseßungen: erstens müßten wir selbstverständlih eine Zolldifferenz eintreten lassen zwischen Roh- petroleum und raffiniertem Petroleum. Diese Zolldifferenz könnten wir in zwiefaher Weise herstellen : entweder, indem wir den jeßigen Petroleumzoll von 6 4 pro Doppelzentner belassen, und den Zoll für Mohpetroleum ermäßigen. Damit wäre ein erheblicher finanzieller Verluft für die Reichskasse verbunden, oder, indem wir den jeßigen Zoll von 6 A für Rohpetroleum belassen und den Zoll für raffiniertes Petroleum erhöhen. Damit wäre selbstverständliz eine Vertheuerung des Konfumarktikels für die Konsumenten verbunden; denn wenn au die Petroleumraffinerie nah Deutschland für deutshen Verbrauch verlegt würde, so würden die deutshen Raffinerien doch niht billiger verkaufen, als wie um den

Preis des Rohprodukts plus Raffinadenzoll. (Sehr wahr!) Außerdem hat €s noch das eine Bedenken, daß, wenn wir die Petroleumraffinerie nach Deutschland verlegten, wir den Nebenprodukten der Braunkohlen- industrie eine sehr lästige Konkurrenz mahen würden. Aber über diese Bedenken würde man \{ließlich doch hinwegkommen. Zweierlei ist mir jedoch noch zweifelhaft. Erstens ift man bekanntli in Frank- reih mit großen finanziellen Opfern für den Staat den Weg gegangen, daß man den Petroleumzoll für Raffinade und Rohpetroleum differenziert, um die Raffinerie nach Frankreich zu ziehen. Die Wir- fungen davon sind niht sehr ermuthigend, denn während wir beispiels-- weise in Deutshland für den Kopf einen Petroleumverbrauch von 16,4 kg haben, hat Frankreich nur einen folchen von 5,8. Ferner wird von zuverlässiger Seite behauptet, daß au in den französishen Naffinerien die Standard Oil Company ihre Hand drin habe. Ich wüßte auc in der That kein Mittel, zu verhindern, daß die Standard Oil Company \ich eventuell in Deutshland entweder eigene Raffi- nerien anlegte, oder sich kapitalistisch an den vorhandenen Raffinerien betheiligte.

(Fs if von dem Herrn Interpellanten auf das österreichische Kartellverbot hingewiesen. Soweit meine Kenntniß der österreichi- \hen Verhältnisse reiht, handelt es si hier um eine gesezgeberische Vorlage, die bisher niht zur Verabschiedung gelangt if. Man hat aber meines Wissens in einer Anzahl amerikanisher Einzelstaaten Versuche mit dem Kartellverbot gemacht, aber gleihzeitig auh die Erfahrung machen müssen, daß ein solches geseßliches Verbot nit durchführbar ist, sondern an allen Ecken und Enden umgangen werden kann,

Ein anderer Weg, um das russishe Petroleum gegenüber dem amerikanischen zu begünstigen, ist noch der, die Eisenbahnfrachhten für das russische Petroleum herabzuseßen. Meines Wissens haben darüber bereits im Königlich preußischen Eisenbahn-Ministerium Erwägungen ftattgefunden und sind zu einem gewissen Abschluß gelangt. Einem Mißbrauch des amerikanishen Trusts könnte man endli dadurh begegnen, daß man durch eine Zoll- erhöhung eventuel das fremde Petroleum überhaupt ver- tbeuerte, um zu ermöglihen, deutsche Brennstoffe bei ung zu verwenden. Ich denke hierbei an die Versuhe auf dem Gebiete der Verwendung des Spiritus als Leuhhtstof. Wenn jeßt der Liter Petroleum den Preis von 20 „Z hat und der Liter 100% Spiritus zu 26 „S geliefert werden könnte, würde nah einem fsachverständigen Gutachten, welches mir abgegeben ift, der Spiritus mit dem Petroleum konkurrieren können. SJemehr si also eventuell der Preis des Petroleums erhöhen sollte dadurch, daß die Standard Oil Company von ihrem Trust einen rücksihtslosen Ge- brauh machte, desto mehr würde die Wahrscheinlichkeit steigen, daß der deutshe Spiritus als Leuchtmittel in eine erfolgreiche Konkurrenz mit dem Petroleum zu treten vermöhte. Db es aber jeßt möglich ist, daß die Landwirthschaft den Liter 100 gradigen Spiritus zu 26 H herstellt, ist mir zweifelhaft; im gegenwärtigen Augenblick geschieht es jedenfalls nicht. Sollten aber die amerikanischen Petroleumpreise gesteigert werden, so würde mit jedem Pfennig Steigerung die Möglichkeit wachsen für die deutsche Landwirthschaft, mit ihrem Spiritus die Konkurrenz mit dem Pe- troleum aufzunehmen. Das wäre allerdings nah meiner Ueberzeugung für die deutsche Landwirthschaft die glücklihste Lösung der Agrar- frage. (Heiterkeit.) Schon jeßt würden die deutshen Brennereien in der Lage sein, ihre Produktion zu verdopyeln (fehr rihtig! rechts), und wenn fie ihre Produktion an Spiritus vervierfahten, dann würde sehr wohl der Spiritus konkurrieren mit dem Petroleum auch in Bezug auf das Quantum (sehr richtig! rechts), und mir ist auch von sahverständiger Seite ih habe als Neihs-Schaßsekretär und jeßt von neuem die Frage einer Prüfung unterzogen versichert worden, daß zur Zeit Spirituslampen konstruiert werden, die voll- fommen exvlofionésiher find und allen Anforderungen des häuslichen Bedarfs genügen. Ich glaube also, wenn die Standard Oil Company ihre Trustrehte mißbrauchen sollte, so würde hierin ein twillkommener Anlaß für die deutsche Landwirthschaft liegen, die Spiritusproduktion zu vergrößern und wirklich einen ernsten Wettbewerb mit dem Petroleum zu bes ginnen. Wenn bisher dieser Wettbewerb nicht möglich gewesen ift, so liegt es vielleiht einestheils daran, daß man in der Konstruktion der Leuchtkörper noch nicht so weit gekommen ist, wie es wünschens- werth, daß diese Leuhtkörper noch zu zerbrechlich sind, namentlich für grobe ungewandte Hände, anderentheils aber auch daran, daß bei dem gegenwärtigen, verhältnißmäßig noch geringen Gebrauch von Spiritus- lampen dieselben noch zu theuer sind, weil fie in zu geringem Um- fange produziert werden. Würde der Spiritus in größerem Umfange als bisher als Leuchtmittel verwendet werden, so würde selbstverständlich auch die Produktion des Leuchtkörpers wie die Produktion der Lampen eine wesentlich billigere werden.

Meine Herren, ih meine, wir haben immer noch, wenn au, wie ih angedeutet habe, beschränkte Mittel, gegen eventuelle Mißbräuche der Standard Oil Company zu kämpfen, selbs wenn uns dieser Kampf vorübergehend gewisse finanzielle Opfer auferlegen follte. SI{ kann Ihnen deshalb versichern, daß, wenn die Standard Oil Company dazu übergehen sollte, in einer unbilligen Weise, spekulativ, die Preise dieses für uns so wichtigen Konsumartikels zu erhöhen oder fernerhin ungerehtfertigt hoh zu halten, wir alle diefe Mittel, die hier angedeutet find, rücksichtslos und sofort gebrauchen werden. (Bravo!) Jh wünsche aber vor allen Dingen, daß die russishe Petroleumindufstrie es sch mit allem Ernste angelegen sein läßt, ebenso wie die Ou!siders der Pure Dil Company in Amerika, auch ihrerseits in eine wirksame Konkurrenz mit der Standard Dil Company zu treten. Alles das, was wir thun können, um diese Konkurrenz zu erleichtern, wird von unserer Seite eventuell geschehen. (Bravo !)

Auf Antrag des Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.) wird be- \hlossen, in die Besprehung der Jutlerpellation einzutreten, die Besprechung selbst aber vertagt.

Schluß nah 5 Uhr. Nächste Sißzung Freitag 1 Uhr. G eauna der Interpellation Bassermann und erste Lesung es Etats.