1824 / 205 p. 5 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

IV

* “Es ist eine, eider! nicht mehr zweifelhafte That- saché, daß in Deutschland, wie in anderen Europäischen Staaten, mit planmäßiger Thätigkeit daran gearbeitet wird, in das unverdorbene und für jeden Eindruck em- pfänglihe Gemüth der Jugend, durch deren erste Leh- rer den Keim von Begriffen und Grundsäßen zu legen, welche sie in der Folge zu brauchbaren Werkzeugen jener volitischen Secte eignen sollen, deren Streben dahin ge- richtet ist, das Bestehende umzustürzen, um nach den sechen zieren. ] Die Turnanfsalten waren berufen, und die auf den Hochschulen errichteten engern und weitern Vereine, die Burschenschaftèn und mehrere Privat : Erziehungsanstal- ten sind noch heute berufen, jene der Jugend beigebrach- ten Grundsäße auszubilden und fruchtbringend zu ma- hen. Wenn man auch mit Beruhigung annehmen fônnté, daß- sowohl durch die Natur jener Theorien, als durch die Weisheit der Deutschen Regierungen das Re- sultat dieser Tendenz werde vereitelt werden; so bildet doch das Wirken solcher Lehrer dereinst unzufriedene, mit den bestehenden Verhältnissen und mit ihren Pflich- eén im Widerspruch begriffene, in sich selbst zerfallene Méènschen. 6 f Wenn der Lehrer schon dem unreifen Knaben und Aúnglinge für den Glauben in der Religion den Zweifel giebt; wenn er dessen Gemüth an das ideale Bild fettet, das er ihm von der Bestimmung des Men- schen und von seinen Verhältnissen zum Staate mit trü- gerischen Farben entwirft, statt ihm treue Schilderung

rzeugnissen ihrer unseligen Theorie selbst zu re-

des wirklichen practischen Lebens ‘vorzuführen; wenu der |

Lehrer, statt dem Knaben einen der jungen Denfkraft angemessenen Stoff hinzugeben, ihn zu selbstständiger Prüfung und Begründung solcher Materien auffordert, die oft dem gereiften Verstande des Mannes schwer zu lôsende Aufgaben darbieten; wenn der so vorbereitete und mit unverdautem Wissen angefüllte Jüngling end- lich in E e tritt , und dort Verachtung aller positiven Lehre, oder die Sucht, die esellschaftliche Ord- nung. nach eigenen, unversuchten Systemen umzuschaf- fen, vorfindet, sich in der Geringschäbung gegen alles Bestehende nur noch, genährt und befestigt sieht, und wenn er endlich, statt sich an Ordnung und Disciplin zu gewöhnen, mit Ungebundenheit und Zügellosigkeit ver- traut wird, und, statt ‘dén Handhabern der Geseße die schuldige Ehrerbietung zu widmen, - sih selbst in einem Ausnahmgesébe begriffen wähnt, welchés ihn über Lohn und Strafe erhebt; dann darf es nicht befremden, daß wir nicht bloß auf Universitäten und Hochschulen, sondern fast auf allen Lehranstalten die absprehendsten Urtheile über Religion und Staat, über das Höchste, wie über das Héiligste vernehmen; es darf nicht be- fremden, daß auf solche Art erzogene und unterrichtete Knaben, schlechte, unzuverlässige, dem Gehorsam abge- neigte Staatsdiener und mißvergnügte Staatsbürger

werden. | Was läßt \ch dann für die Erhaltung der Throne -

und der bestchenden Verfassungen, für die Ruhe Deutsch- lands hoffen, wenn die \o Gebildeten sih in allgemeiner

welche heute in mehr als Eitriem Deutschen. Staate eine traurige Nothwendigkeit den Regierungen zur * Pflicht gemacht hat, bietet für die Erwartung, die man sih von dem Gedeihen der heranreifenden Generation machen fann, ein zu trübes Gemälde dar, als daß Seine Ma- jestät geneigt seyn könnten, länger dabei zu verweilen. Aber Höchstdieselben sehen die Abhülfe dieser vielen Ge- brechen für einè der wichtigsten Aufgaben an, zu deren

Lösung die Deutsche Bundesversammlung verpflichtet ist, F und würden dem Vertrauen Jhrer erhabenen Deutschen welchem Seine Majestät das in der F Bundesversammlung Jhnen ÚÜbertragene ehrenvolle Amt F allein zu verdanfen wünschen, n‘cht würdig entsprechen, F

Bundesgenossen ,

wenn Sie diesen“ Gegenstand der besondern Beachtung

dieser geehrten Versammlung zu empfehlen, Sich nicht F

lebhaft gedrungen fühlten.

Die Verhandlungen, welche am Bundestage in der 13. Sißung vom 1. April 1819 durch" Seine Königliche Hoheit den Großherzog von Sachsen - Weimar - Eisenach und Seine Durchlaucht den Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg veranlaßt worden sind, haben hierüber bereits, wenigstens über den Zweig der Universitäten, shäßbare Materialien zu Tage gefördert. Die Commij- sion, welche damals aus der Mitte der Bundesversamm- lung bestellt worden ist, hat zur Conferenz vom 27ssten August 1819 einen Vortrag des zum Referenten ge wählten Bundestagsgesandten erhalten, an welchen die gegenwärtig nothwendig erkannten Erörterungen über das Schul- und Universitäts - Wesen mit voller Beruhi- gung angereiht werden fönnen. y

Der Antrag Sr. Kaiserlichen Maj. ist daher dahin gerichtet : i

daß zwar das provisorische Geseß, welches die Bun- desversammlung úber die Deutschen Universitäten beschlossen hat, selbstverstanden fortdauere, daß aber aus der Mitte der Bundesversammlung eine Commission von fünf Mitgliedern gewählt werde, welche, mit Rückblick auf die hinsichtlich der Uni- versitäten bereits vorliegenden Verhandlungen, die gegenwärtig hervortretenden Gebrechen des gesamm- ten Schul-Unterrichts- und Erziehungs-Wesens in Deutschland zu erörtern, und die Maaßregeln, zu welchen - diese Erôörtekung Anlaß geben wird, in Vorschlag zn bringen habe. 4) Mißbrauch der Preffe.

In den Eröffnungen welche Se. Kaiserliche Maje- ät am 20. September 1819 an die Bundesversamm- lung gelangen liessen, war der Mißbrauch der politischen, und insbesondere der periodisch-politischen Presse, als eine der ergiebigsten Quellen der in den Gemüthern herrschen- den, weit verbreiteten Gährung und däáraus erwachsen- den Mißverhältnisse bezeichnet. Die damals im Namen Seiner Majestät ausgesprochènen Bemerkungen trugen so sehr das Gepräge der Wahrheit und Evidenz, und wurden von den Regierungen sämmtlicher Bundesstaaten so vollständig anerkannt, daß über das Bedürfniß jenem Mißbrauche Gränzen zu seßen, keine Verschiedenheit der Meinungen obwaltete und daher auch der zu dem Ende vorgelegté Gese - Entwurf ohne irgend einein Wider-

Thätigkeit verbreiten? Ein Blick in die Untersuchungen, | spruche zum Bundesbeschlusse erhoben ward.

Dér 10. §. diéses Beschlusses sagt:

„Der ‘gegenwärtige einstweilige Beschluß soll, vom „heutigen Tage an, fünf Jahre in Wirksamkeit bleiben. Vor Ablauf dieser Frist soll am Bun- ¡„destäge gründlih untersucht werden, auf welche „„Weise die im Art. 18 der Bundesafte in Anre- ¡gung gebrachten gleihförmigen Verfügungen über „die Preßfreiheit in Erfüllung zu seßen seyn möch- „„ten, und demnächst ein definitiver Beschluß über „die rechtmäßigen Gränzen der Preßfreiheit în „Deutschland erfolgen“ ‘“

Da ein solcher Beschluß, dessen mannichfaltige Schwie- |rigfeiten feinem Sachkundigen verborgen sind, bisher nicht gefaßt werden fonnte ,. auch bei dem bekannten, in ‘iner so wichtigen Sache bloß von Justructionseinholung bhängigen Gange der Berathungen am Bundestage bis zum 20. September laufenden. Jahres, als an welchem das provisorische Préßge}eß erlischt, unmöglich herbeige- láhrt werden fönnte; da ferner, wenn man das provl- orische Preßgeseß mit Einemmale verschwinden lassen I wollte, ohne etwas anders an dessen Stelle zu seben, : Lúcke in der Bundesge]eß- ebung unausweihlich fühlbar werden, und auf die Grund- edingungen des Bundes die Einigkeit der Bundes- N lieder höchst verderblich zurückwirken müßte; so sind Seine Kaiserlihe Majestät keinen Augenblick im Zwei- fel, daß es dringend nothwendig sey, das provisorische IPreßgeseß bis zur Zeit, wo man sich über ein definitives Preßgeseß vereinbaren wird, förmlich zin erneuern.

| Seine Majestät sind zu vertraut mit den ächt föô- derativen Gesinnungen, von welchen die Deutschen Bun- desregierungen- in dieser wichtigen Bundesangelegenheit ch beseelt finden, als daß Höchstdieselben dem Gedanken Raum geben könnten, daß es möglich wäre, diesem, aus dem Fürstentathe Deutschlands hervorgehenden, gemein- samen Beschlusse mit dem Einwande eiuer Verleßung der Verfassung eines einzelnen Staates entgegen zu tre- Iten. Bei den engen Verbindungen, welche die Gemein- chaft der Sprache und der Schrift zwischen den sämmt- lihen Deutschen Volksstämmen gestiftet, der alte Reichs- [verband sanctionirt hatte, und der Deutsche Bund von neuem befestigt hat, kann der Mißbrauch der Presse nie als ein bloßes Localúbel,. folglih auch die Beschränfung desselben nie als ein ausschliessendes Object der innern Geseßgebung oder Landesverwaltung betrachtet werden. Eine solche Ansicht wäre nur zulässig, wenn ein Deut- her Staat sih gegen alle seine Nachbarn dergestalt ab- hlie}sen fônnte, daß das, was mit seiner Zustimmung zedrut wird, die Grenzen seines. eigenen Gebiets nie iberschritte. Da aber alles, was aus Deutschen Pressen hrvorgeht, sih sofort über alle Deutschen Länder ver- leitet, und Deutschland heute eluen auf Erhaltung ge- teinsamer Sicherheit und Ruhe gegründeten Staats- fôrper bildet; so fann es einzelnen Gliedern dieses Köôr- pers nicht frei stehen, die große Mehrzahl der andern Staaten mit einem stets erneuerten Vorrathe von a rúhrerishen Schriften zu übershwemmen, wodurch diese ihre eigene Sicherheit und

eine früher so richtig erfannte

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Ruhe, ja den Bestand und jdas hôchste Interesse des ganzen Vereins gefährdet oder

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verleßt glauben, und wogegen sie sh durch die stréngsten Verbote nur unvollkommen zu schüßen vermöchten: t j

Aus diesem Grunde ist bereits bei früheren Erörte-

rungen dieses Gegenstandes bemerkt: worden, daß die in geschlossenen Staaten gegen Preßvergehungen eingeführ- ten, zum Theile sehr harten Strafgesebe, wenn sie auch an und für sih dem viel mildern Censurgeseße vorzuzie- hen wären , in einem Föderativstaate, wie Deutschland, wo jedes einzelne Land seine besondere Gerichtsver fassung und Polizeiverwaltung hat, als Garantie für das Ganze durchaus unanwendbar seyn würden, und das Friede und Ordnung in einem solchen Vereine nicht anders, als durch vom Bunde ausgehende, von den Landesbehörden gehand- habte, im Nothfalle aber durch die Centralautorität zu ergänzende Aufsicht über die Erzeugnisse der Presse gesi- chert werden fönnen.

Mit vollem Vertrauen auf die Beistimmung der übrigen Deurschen Bundesregierungen , erlauben sich so- nach Seine Kaiserllche Majestät den Antrag :

daß das, mit dem 20. September laufenden Jah- res erlôschende, provisorische Preßgeseß so lange in Kraft erhalten werde, bis man sich über ein de- finitives Preßgeseß vereinbart haben wird.

5) Central-Untersuhungs-Commission. Der Zweck dieser Commission ist gemeinschaftliche,

möglichst gründlihe- und umfassende Untersuchung des Thatbestandes, des Ursprunges und der mannichfgchen Verzweigungen der gegen die bestehenden Verfassungen und innere Ruhe, sowohl des ganzen Bundes als einzel- ner Bundesstaaten, gerichteten revolutionären und dema- gogischen Verbindungen.

Diese Untersuchungs - Commission ist nicht auf be- stimmte Zeitfrist bestellt; es ist ihr ein bestimmter Zweck vorgeschrieben, und nur die vollständige Erfüllung ihrex Aufgabe fann daher ber den Zeitpunkt ihrer Auflösung entscheiden. . |

Die vorliegenden Berichte der Commission geben die leidige Ueberzeugung, daß dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen ist. |

Preussen. Allen in der so eben verlesenen verehrlihen Präsidialproposition enthaltenen Anträgen stimme ih vollkommen bei, indem mein hôchster Hof un- fehlbar, was besonders die Fortdauer des provisorischen Preßgeseßes betrifft, mit größter Sorgfalt für Auf- rechthaltung der verabredeten Grundsäße Sorge trägt, und daher mit gleihem Vertrauen wie der Kaiserl. Oesterreichische Hof entgegenkommender Vereinigung und Zujammenwirkung aller Bundesstaaten für diesein Zweck entgegen siehet. e

Baiern: ist mit den in der eben danfkbarlichst vernommenen Präsidialproposition enthaltenen Anträgen einverstanden, und stimmt insbesondere dem ad Ne. 4. wegen des Mißbrauchs der Presse gemachten Vörschlage bei, daß sämmtliche Bündesregierungen sich über gleich- förmige Verfügungen in Ansehung“ der Presse und des Buchhandels, auf den Grund des Artikels 18 der Bun- desafte, baldmöglichst vereinigen, in der Zwischenzeit aber die in der 35ssten Sißung des Jahres 1819 dieß-

falls beschlossenen Maßregeln in den Deutschen Bundes-