1886 / 10 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Jan 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, 12. Januar 1886.

Nachtrag zu den „Mittheilungen über den gegenwärtigen Stand der Saaten in der preußishen Monarchie“.

Provinz Brandenburg. |

Reg.-Bez. Potsdam: Die Bestellung der Wintersaaten ist troß der nassen Witterung im September und Oktober mit vereinzelten Ausnahmen rechtzeitig ausgeführt worden, und find die jungen Saaten im Allgemeinen, wenn auh nicht üppig, P doch gut bestockt in den Winter gekommen. Der Weizen steht fast durhweg gut, nur spät bestellte Felder be- reiten einen weniger befriedigenden Anblick, da der s{hon im November eingetretene Frost die später aufgegangenen Saaten im Wachsthum und in der Entwickelung gehindert hat. Dasselbe kann vom Roggen gesagt werden. Raps und Rübsen haben sih bei dem feuhten Herbstwetter vortrefflih entwidelt.

Provinz Pommern.

1) Reg.-Bez. Stettin: Die Bestellung der Wintersaaten ist überall rechtzeitig beendet worden, wenngleih dieselbe auf \{chwerem Boden durch die große Nässe des Ackers vielfach ershwert wurde. Der jeßige Stand der Saaten ist größten- theils als ein recht befriedigender zu bezeihnen, nur in einigen Kreisen haben dieselben durch übermäßiges Vorkommen der Feldmäuse stark gelitten. Auch die Vorarbeiten für die Früh- U haben überall rechtzeitig durhgeführt werden önnen.

2) Reg.-Bez. Köslin: Wenn auch der im Vorjahre reichlih gefallene Regen die rechtzeitige Vorbereitung des Bodens zur Aufnahme der Wintersaaten erheblih ershwert hat, sind leßtere dennoch unter der Wirkung einzelner günstiger Witterungsepochen fast durhweg gut bestodt und lassen einen guten Ertrag erhoffen.

rovinz Posen.

Reg.-Bez. Bromberg: Die vorjährige Herbstwitterung war für die Ausführung der landwirths aen Arbeiten im Allgemeinen günstig. Die Herbsteinsaat konnte in ungestörter

„Weise beendet werden. Die jungen Saaten zeigen fast durch-

weg einen recht befriedigenden kräftigen Stand, nur auf leich- tem Boden sind sie stellenweise gelb geworden. Wenngleich der Schneefall in diesem Winter bis jeßt kein reihliher ge- wesen ist, so haben die Saaten doch in der kalten Periode eine ausreichende Schußdecke gehabt und anscheinend bis jeßt niht dur Frost gelitten. Dagegen haben die Feldmäuse auf den Saat- und Kleefeldern große Verheerungen angerichtet. Provinz Schlesien.

Reg.-Bez. Liegniß: Der Stand der Wintersaaten kann im Allgemeinen ein günstiger genannt werden, soweit nicht dur die überaus zahlreihen Mäuse Schaden angerichtet worden ist. Auch für die Vorbereitung der Aecker für die Frühjahrseinsaat war die Witterung günstig.

Provinz Hannover.

Neg.-Bez. Aurich: Die außerordentlih nasse Witterung des Oktobers hat sowohl auf der Geest als in den Marsch-

egenden die Bestellung der Wintersaaten schr verzögert und stellenweise unmöglich gemaht. Soweit übrigens eine Be- tellung stattgefunden, ist fie im Allgemeinen ziemlih be- friedigend gelungen und sind auf e und möglichst zeitig bearbeitetem Boden die Saaten dem Anschein nah gut in den Winter gekommen. Provinz Westfalen.

1) Reg.-Bez. Münster: Die Entwickelung der Früchte ist durch die verzögerte Einsaat einigermaßen beeinträchtigt, immerhin aber soweit fortgeschritten, daß die Saaten den Wintex ertragen können, Da leßtere durch Schneckenfraß auch nur ganz vereinzelt gelitten haben, so darf die Bestokung im Allgemeinen als eine gute bezeichnet werden.

2) Reg.-Bez. Arn sberg: Die vorjährige Herbstwitterung war für die Ausführung der landwirth aftlichen Arbeiten Ra ungünstig, Die Herbstbestellung hat durch die an- haltende Nässe sehr gelitten und is besonders der Roggen Aelleivein let eingesäet und hat durh Schneckenfraß hier und da gelitten.

Provinz Hessen-Nassau.

Reg.-Bez. Kassel: Fn Folge des im Ganzen nassen Wetters haben si) die Wintersaaten in {werem und un- durlassendem Boden nicht besonders gut entwickeln können, in leihterem Lehm- und Sandboden aber ist der Stand be- O, D die verzögerte Aberntung der Felder und

ie ershwerte Bestellung sind in manchen Gegenden die Land- s gehindert worden, die planmäßigen Saaten in die Erde zu bringen, es sind viele zur Bestellung mit Roggen und Weizen bestimmte Felder der vorgerückten Fahreszeit und des nassen Bodens wegen nicht ausgesäet worden. Mit dem Um- brehen der Stoppeln und den sonstigen Arbeiten für die Os sind manche Landwirthe im Rückstand ge-

ieben. Rheinprovinz.

1) Reg.BVez. Koblenz: Die Bestellung der Wintersaaten ist oft durch regnerishe Witterung unterbrohen und hat erst während der eingetretenen besseren Herbsttage im November beendet werden können. Der Stand der Wintersaaten ist be- O Die Viehpreise stehen hoh, die Preise der Feld- rüchte dagegen sehr niedrig.

2) Reg.-Bez, Düsseldorf: Den Witterungsverhältnissen entsprehend konnten die BVestellungsarbeiten großentheils nicht mit der wünschenswerthen Gründlichkeit vor sich gehen, und die Wintersaaten nur so unregelmäßig untergebraht werden, daß ein Theil der Einsaat bis Anfang Dezember verschoben werden mußte. Die frühzeitig gesäecten Früchte haben sih zwar gut bestockt, spätere Saaten sind aber in der Entwickelung zurückgeblieben und zum Theil noch gar nicht aufgegangen.

3) Reg.-Bez. Köln: Die Saatenbestellung hat sich wegen der anhaltenden nassen Witterung recht verzögert und konnte in eimgen Kreisen nicht einmal vollständig zu Ende geführt werden. Jm Uebrigen sind die Wintersaaten im Allgemeinen gut aufgegangen und zeigen einen befriedigenden Stand.

S RNeg.-Bez. Trier: Die Witterung war der Entwicklung der Wintersaaten niht ungünstig. Die Bestellung der Felder ging bei dem nach Ablauf dex langen Regenperiode eingetretenen

günstigeren Wetter gut von Statten. Obwohl dieselbe an- er drei Wochen nah der gewöhnlichen Zeit erfolgt ist, haben sih die Saaten doch kräftig entwickelt und gut bestodt, und läßt ihr derzeitiger Stand die Hoffnung auf eine er- giebige Ernte nicht unberechtigt erscheinen. __Reg.-Bez. Sigmaringen: Die Saatbestellung is zu- friedenstellend ausgefallen und die Saaten find auch gut in den Winter gekommen.

Dem Beriht des „Archivs der Deutschen Seewarte“ (VI. Jahrgang M683) entnehmen wir betreffs der Einrichtung der Centralstelle, daß im Laufe des Sommers 1883 auf dem Nordthurm ein großes, von dem Mechaniker des Instituts Frank, von Liechtenstein, verfertigtes Universal-Instrument aufgestellt wurde. Es soll dasselbe zu Ema Gen Beobachtungen über Refraction Verwendung finden. Eine Uhr nebst Chronograpb ist in demselben Thurm aufgestellt. Das von dem Mechaniker C. Bamberg in Berlin angefertigte große Kathetometer nebst Objekt-Stativ wurde in den unteren Räumen

leihfalls um die Mitte des Monats April montirt. Das eigentliche dathetometer befindet ih in demselben Raume, in welchem {on früher eine feine Waage von Bunge (Hamburg) und ein Fueßshes Manometer - Normal - Barometer nach Wild aufgestellt worden waren; das Objekt - Stativ befindet fih im Laboratorium nebenan. In den Oster - Feiertagen wurde eine von Schmiers, Werner u. Stein in Leipzig gelieferte Steindruck-Schnellpresse in den unteren Räumen der Seewarte montirt und durch geeignete Transmissionen sofort mit dem in der Nähe befindlichen Gasmotor in Verbindung geseßt. Die Druckerei-Einrichtungen waren in wenigen Tagen zur Arbeit fertiggestellt, so daß am 13. April die täglichen Wetterkarten zum ersten Male innerhalb der Seewarte gedruckt werden konnten. Sn den Einrichtungen der Nebenstellen der Deutschen Seewarte an der Füste traten au in diesem Berichtsjahre wesentlihe Aenderungen nicht ein. Begreiflicher Weise mußte das Inventar an den Signal- stellen theils durh Neubeschaffungen, theils durh Reparaturen schad- haft gewordener Objekte im Stande gehalten werden. Eine nähere Darlegung darüber zu geben, dürfte kaum ein allgemeines Interesse haben und kann deshalb unterbleiben. Auch in diesem Berichtsjahre konnte wegen mangelnder telegraphischer Verbindung mit der Greifs- walder Oie die für den dort befindlihen Zufluchtshafen bestimmte

Signalstelle 1. Klasse ‘nit eingerihtet werden, obgleich dafür die |.

Mittel in dem Etat seit Jahren vorgesehen si befinden.

Gelegentlih eines Personenwechsels in der Bibliothekarstelle wurde eine Inventarisirung veranstaltet; nach derselben {loß die Bibliotheknummer mit der Zahl 8250 ab, und waren von der einst- maligen Dove'schen Bibliothek, außer den hinsichtlich der Katalogisirung bereits fertiggestellten Sammelbänden, in Zahl 474 mit 6069 einzelnen Nummern, 3006 Bände zur Vereinnahmung gelangt. Betreffs der Verwaltung sei erwähnt, daß ein, von der Direktion mit Vorliebe gepflegter Gedanke, die innerhalb des Institutes vorkommenden BSarae bi Wen Drucksachen und bildlihen Darstellungen, vorzugsweise aber die täglichen Wetterkarten O nicht mehr bei einer privaten lithographischen Anstalt anfertigen zu lassen, sondern im Selbst- Bewirthschaftungs-Betriebe herzustellen, zur Durchführung gelangte. Es wurden in dem Marine-Etat für das Jahr 1883/34 die zur Anschaffung einer lithographischen Schnellpresse erforderlichen Mittel eingestellt, wodur es, als man die Presse in Be- trieb seßte, nöthig wurde, die mit dieser Neu-Einrichtung ver- fnüpften Betriebs-Rehnungen der Verwaltung zu übertragen. Was den Umfang der Geschäfte des Verwaltungs Ressorts anlangt, so ist derselbe im Allgemeinen der gleiche, wie im vorigen Jahre, geblieben. Die Zahl der G A des Haupt-Journals beziffert sich auf 4053, von welcher 1698 Nummern (56 mehr wie im Vorjahre) der Verwaltung zufielen. Das a ournal ergab am Sdluß des Jahres 1883 486 Einnahme - Buchungen und 1144 Ausgabe- Buchungen. In Betreff der Versendungen von Publikationen trat eine wesentliche Veränderung gegen die Vorjahre niht ein. Die „Monat- liche Uebersitht der Witterung“ ging an einem jeden Monate an 190 inländische und 100 ausländische Institute, Gelehrte 2c. Außer diesen regelmäßigen Versendungen haben, abgesehen von einer großen Anzahl Postsendungen an die Nebenstellen der Seewarte, an die großen Glas- fabriken in Thüringen (geprüfte Thermometer), an Mechaniker 2c. noch 480 Empfänger des JIn- und Auslandes durch die E Veröffentlihungen verschiedener Art erhalten. Die Bibliothek wurde darauf nah einem ganz neuen Plane geordnet, und Spéezialkataloge angefertigt für 29 Spezialfächer. Die Ver- mehrung der Bibliothek u. Kartensammlung im Berichtsjahre ist so- wohl hinsichtlib der Geschenke als auch der Ankäufe. recht bedeutend gewesen, wengleich dieselbe auch hinter den Vorjahren nit unerheblih zurückblieb, Es sind im Ganzen 544 Nummern in Zugang gekommen, von denen 541 auf die Bücher und 3 auf die N ent- fallen, In diesen Zahlen spielen die Geschenke (329 Nummern) eine hervorragende Rolle. Die Benußung der Sammlungen war eine rege. Die im Lesezimmer ausgelegten Zeitschriften waren um einige werth- volle Erscheinungen vermehrt worden.

Weimar, 11, Januar, Die „Thüringishe Correspondenz“ meldet; Von Seiten Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs ist in sehr dankens8werther Weise den Bestrebungen, welche auf die Be- kämpfung des Fremdwörter-Unwe]ens gerichtet sind, Vor- \{chub geleistet worden. Schon im Jahre 1883 war die Regierung auf- gefordert worden, den Beamten die thunlichste Vermeidung von Fremd- wörtern anzuempfehlen; jeßt is ein weiterer Schritt in dieser Richtung geschehen: der Großherzog hat das Ministerium und den Kurator der Universität Jena angewiesen, die bisher in der amtlihen Sprache üblichen Fremdwörter zusammenzustellen und für eine, nah wissenschaftlihen Grundsäßen hergestellte Ver- deutshung derselben, die alsdann in den Gebrau übernommen werden soll, Sorge zu tragen. Nur wenn in Pee Weise, in unmittelbar praktischer Anwendung gewirkt wird, werden jene Bestrebungen den Erfolg haben, der ihnen so sehr zu wünschen ift: denn einmal , wird dadur wirklich dem Unwesen der Fremdwörter an sehr wichtiger Stelle entgegen getreten, dann aber wird dadurh auch Anregung für weitere Kreise gegeben, in gleichem Sinne fich zu betheiligen. Hier wird nun freie Vereinigung weiter wirken müssen. Als nothwendige O zu dem von dem Großherzog veranlaßten behördlichen Vorgehen ist gestern hier ein „Deutscher Sprachverein“ unter dem Vorsitz des Großherzogs und dem R des Erbgroß- herzogs begründet worden. Der Verein zählt die Mitglieder des Staats-Ministeriums, die E der Hof- und der Theater-Verwal- tung, sowie zahlreiche Persönlichkeiten aus der Mitte der Beamten- welt, der Geistlichkeit und der Lehrershaft Weimars, Eisenachs und Jenas zu seinen Angehörigen. Vom Großherzog is ihm ein bedeutender C gewährt worden; auch sind ihm für seine Ver- S die Raume der chemaligen Behausung der Herzogin snna Amalia zur Verfügung gee Man darf mit Be- stimmtheit erwarten, daß die auf Reinigung der R Sprache gerihteten Bestrebungen durch das im Geiste der Ueberlieferungen des Weimarischen Fürstenhauses gehaltene Vorgehen die beste Förderung erfahren werden.

Der Verein für Besserung entlassener Strafgefan- As Hielt gestern im Prâäsidialsaal des Landgerichts in der Jüden- traße die erste Aus\hußsitung des Jahres ab, in welcher der Vor- sißende, Geheime Ober-Justiz-Rath Starke den Jahresbericht vorlegte. Der Verein kann dana wieder auf recht erfreuliche Resultate zurück- blicken; er hat auch im abgelaufenen Jahr den Schwerpunkt seiner Thätigkeit darauf gelegt, die Entlafsenen in Arbeitsstellen unterzu- bringen, um ihnen Gelegenheit zu geben, selbs wieder den Kampf um das Leben aufzunehmen. Jnsgesammt haben 2998 die Hülfe des Ver- eins nacgesucht, und zwar 2726 Erwachsene und 272 Jugendliche. 2274 oder 75,8%/0 der Gesammtzahl konnte Arbeit nachgewiesen werden gegen 74%/% der Gemeldeten im Vorjahr. Unter den Erwachsenen belief sich der Prozentsaß der in Arbeit Unter- gebrachten auf 76,7%/o, bei den jugendlichen dagegen nur auf 66,9% weil leßtere zum Theil noch nicht kräftig genug waren, um jede ih vorfindende Arbeit annehmen zu können. In Berlin verblieben nur 29,9% der Untergebrahten, oder 503 Grwachsene und 88 Jugendliche; in auswärtige Arbeitsstellen gingen dagegen 74,1%, oder 1589 Er- wachsene und 94 Jugendliche. Was die Art der Beschäftigung an- betrifft, fo erhielten Stellen als Buchhalter, Verkäufer, Auffeher u. dgl. 69, als Portier, Kutscher, Gärtner und Hausdiener 104; als Handwerker wurden 363, als Fabrikarbeiter 377, als Ziegelei- arbeiter 363 und als Erd- und Feldarbeiter 998 untergebracht.

Volksküchenmarken zur Vertheilung. Auch unterhielt der Verein ei Anzahl von Schlafstellen, um denjenigen Entlassenen, die kein nien fommen hatten, vorläufig Obdach zu gewähren. Im Januar betru die Zahl der gemietheten Betten 26, im August nur 14, Die na auswärts Dirigirten erhielten zumeist freie Cisenbahnfahrt, und wurden dafür 1025 M. verausgabt. 165 wurden außerdem mit Natural- verpflegung versehen. Auch Werkzeug wurde an Hülfsbedürftige aus- etheilt und zwar 338 Schippen, 225 Karrenbänder und sonstiges andwerksgeräth in Höhe von 349 # In Bezug auf [eidung MReduzirte wurden aus der von dem Verein eingerichteten Annahmestelle für E Kleidungsstücke ausgestattet ; überdies kamen 4 Dußend Militärhemden zur Verwendung, Baarer Vorschuß wurde in Gesammthöhe von 1420 4 gewährt. Sugendliche wurden auf kürzere Zeit zum Theil auch der Erziehungsanstalt am Urban in Pflege gegeben. Der Hauptandrang der Hülfesuchenden fand im Januar und Februar statt; in beiden Monaten meldeten si 751, während wegen Einstellung der Erdarbeiten nur 270 Beschäftigung erhalten konnten Im Juli meldeten sih dagegen nur 182, während für 295 Arbeit vorhanden war, sodaß frühere Meldungen noch viel- fach berücfsihtigt werden konnten. Der Bureau - Vorsteher des Arbeitsnahweises hatte im Laufe des Jahres 739 gerichtliche Ter- mine wahrzunehmen, um Zeugniß abzustatten, ob wieder aufgegriffene Strafentlassene sich ernstlih um Arbeit bemüht hätten oder nicht, Die Führung der Pfleglinge war zum weitaus überwiegenden Theile gut,

Der Geflügelverein „,Cypria hat in seiner gestrigen Sikung, die im Restaurant Imperial stattfand, seine Statuten einer vollstän digen Umgestaltung unterzogen und damit zugleih eine wesentlide Erweiterung seiner Bestrebungen und Ziele zum Beschluß erhoben, Der Verein wird vor Allem von jeßt ab seine Thätigkeit über das

anze Reich ausdehnen. Er wird in Erkenntniß der volkswirthschaft- ichen Bedeutung der Federviehzucht den wirthschaftlihen Betrieb der- selben zu fördern und zu pflegen, dabei aber auch die liebhaberische Seite ins Auge zu fassen und sowohl schöne und seltene, als auch nußbringende Rassen einzuführen und zu verbreiten suchen. Zur Erreichung dieses Zwecks will der Verein, was bisher nicht geschah, u. a. Zuchtthiere erprobter Nußrassen und Bruteier von jol{en ankaufen und an strebsame Züchter auf dem Lande vertheilen Er wird ferner, um jedes persönliche Interesse auszuschließen, in Zu funft Personen, welhe den Geflügelhandel als Gewerbe betreiben, von der Aufnahme in den Verein ausnehmen. Der Verein wird ferner alljährlih unter seinen Mitgliedern eine Verloofung von werth: vollem Geflügel veranstalten. Die bisherige Bestimmung, daß Chren- mitglieder zu keinem Amte wählbar seien, wurde endlich mit großer Majorität aufgehoben. /

Die antispiritistische Privatséance, welhe Hr, G, Homes und Mdme. Fey gestern Abend vor einer eingeladenen, auserlesenen Gesellschaft, die jeden Verdaht des heimlichen Cin- verständnisses mit den Antispiritisten aus\{chloß, im Krollsden Etablissement veranstaltet hatten, nahm einen glänzenden Verlauf.

Mdme. Fey's Kunst, Gedanken zu errathen und anderen spiritistishen Spuk zu treiben, ist eine staunenswerthe. Während L omes die Reihen der Zuschauer rasch durh-

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ritt, Lr p und beschrieb sie ebenso {nell und genau die Gegenstände, welche Hr. Homes in den Händen der Qusciauies sah. Auch die geisterhaften P gebundenen Händen oder mit gefesseltem Körper gelangen der jungen Dame in überrafchendster Weise. Hr. Homes gab zwar (in deutsher Sprache) Aufklärungen über all den vermeintlihen Zauber, aber dadurch verloren die Leistungen

Um die erste Noth der Entlassenen zu mildern, kamen 9672

nichts an dem Bewunderungswerthen. „Denn wenn Hr. Homes ver- sicherte, daß Mdme. Fey nah zwölfjähriger Uebung alle Antworten nur in seinen Fragen lese, daß es ihren zarten Händen ein Leichtes sei, mit äußerster Geschwindigkeit aus den sie umstrickenden Knoten und wieder in sie hineinzuschlüpfen, so bleibt die geistige Uebung und körperliche Gewandtheit der Antispiritistin doh staunenswerth. Das reichhaltige Programm der Vorstellung war durhweg interessant, und jede Numux desselben fand den lebhaftesten Beifall, der seinen Höhepunkt errei als der Feldmarschall Graf von Moltke die Sache selbs der Prüu unterzog und seinen Handschuh zum Gegenstand des Grrathens mad, eine Aufgabe, die Mdme Fey so {nell und leiht wie alle andèta löste. Am Donnerstag, wo die öffentlichen Vorstellungen beginnen werden weitere Kreise Gelegenheit haben, diese phänomenalen anti spiritistishen Leistungen zu bewundern. i

Victoria-Theater, Die Vorstellungen des glanzvollen Ballets „Messalina“ erfreuen sich, obglei dieselben in ciner Woche bereits ihr Ende erreichen, noch immer eines großen Andranges, so daß das Haus fast allabendlih ausverkauft ift. Inzwischen sind, nachdem sämmtliche neue Mitglieder eingetroffen, die Proben zu der nächsten Novität „Däumling“ im vollsten Gange; Kostüme und Reqguisiten sind fertig, und, wenn Meister Lütkemeyer den Nest der vielen Dekorationen rechtzeitig liefert, wird die erste Aufführung bestimmt am Sonnabend, den 23., nachdem das Theater auf einige Tage zu den Vorbereitungen gelolen worden, stattfinden. Einen Theil der neuen Dekorationen at Hr. Falk, dessen Leistungen sih die allseitige Anerkennung er rungen haben, gemalt.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. Die neu Operette „Raf aela“ von Max Wolf hat auch bei ihren Wieder- holungen dieselbe überaus freundlihe Aufnahme gefunden, welche ihr in so glanzvoller Weise am ersten Abend bereitet worden war. Die humorvollen Couplets, insbesondere Hrn. Wellhofs Couplet im 2. Mte, das reizende Couplet-Duett im 3. Akte sowie die zierlichen lyrishen Stellen wurden mit dem lebhaftesten Beifall ausgezeichnet.

Weimar, 11. Januar. (Thür. Corr. riedri aae, der am 14, Januar 1846 in Weimar zum » ea Male R Bühne betrat, feierte sein 40 jähriges Künstler-Jubiläum gestern dur ein Gastspiel als „Hamlet“ im hiesigen Hoftheater. Das Publikum, welches das Haus bis auf den leßten Plaß füllte, spendete dem berühmten Gast, deff en Spiel durch die Kräfte der Großherzoglichen Bühne in vorzüglicher Weise unterstüßt ward, den lebhaftesten Beifall. Nach dem S [luß der Vorstellung fand auf der Bühne, nachdem dèr Vorhang sich wieder gehoben, eine ‘besondere Feier des Gedenktages statt. Das O, des Schauspiels hatte si versammelt; Regisseur Brock begrüßte Haase mit einer herzlichen Ansprahe und überreichte ihm Namens des General-Intendanten von Loën und der Schauspieler R Oie U Ses A Me in O 0D gerührten

ten, Die Zuschauer betheiligten fi der üßung in herzlichster Weise. 9 E A

Morgen (Mittwoch), Abends 74 Uhr, veranstaltet in der Sing- Akademie Frl. Emma Mettler ein Concert, in welchem dieselbe vortragen wird: 1) Beethoven, Sonate C-moll, 2) a, Mel delssohn. Scherzo aus der Schottishen Symphonie; b. Sgambali. I. Melodie von Gluck, 11. Gavotte, 111. Concert-Etude. 3) Chopin. Sonate H-moll. 4) Liszt. T. Concert-Etude F-moll, 11. Polonaise

E-dur. 5) Liszt. Sonnambula-Phantasie.

Concerthaus. An dem morgen, Mittwoch, stattfindenden Komponisten-Abend wird Hr. E. Kretshmer aus Dresden seine

„Musikalischen Dorfgeschichten“ und Bruchstücke aus der Oper \,Die *

Folfkunger“, welche, auf fast allen größeren Bühnen Deutschlands auf- geführt, fo {nell {einen Ruf als Komponist begründeten, persönlich dirigiren. Denselben auf dem Felde der reinen Instrumentalmusik kennen zu lernen, dürfte das musikliebende Publikum interessiren, weshalb wir hierauf aufmerksam machen.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner.

Sieben Beilagen (einschließli Börsen-Beilage).

Berlin: