1886 / 61 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Mar 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 61.

Berlin, Donnerstag, den 11. März

88G,

. : am Plaße, als diese Einmishung darauf abzielt, einen Ausspruch zu ierauf bemerkte der Staats-Minister i e Nicjtamtliches. A bera Poll Die vente Landhbung E Aut 30 eine Wir- Reine a Nur E E R E Abe rel at

L . "“ H ( Z V reußische S i i j : : : Le 7 L A L E Preuße. Berlin, 11. März. Jm weiteren Verlauf zweifelhafte Nécfaf Wabestimitnae 2E R E E N e e O

ver gestrigen (63.) Sizung des Reichstages erklärte bei jortgesegter Berathung des von den Abgg. Dr. Windthorst und Graf Waldburg-Zeil gestellten Antrages betreffs des Zeug- nißzwangsverfahrens gegenüber Neichstagsahb- eordneten der Abg. Dr. Hänel: Der Antragsteller habe i in seiner Auffassung geirrt, daß jede Partei bereit sein ipürde, den Antrag ernstlich zu prüfen. Eine wahrhaft kon- servative Partei freilih würde dazu bereit gewesen fein. Der Antragsteller habe aber übersehen, daß es im Hause keine kon- servative Partei gebe, sondern daß es da nur eine Regierungs- artei gebe. Der Abg. von Hammerstein habe sich gar nicht die Mühe gegeben, etwaige Verfassungszweifel hier zu erörtern. Die Verfassung bestimme in §. 30, daß jede gerihtlihe Pro- ¿eduv gegen NReichstagsabgeordnete ausgeschlossen sei. Der Vorredner habe ganz übersehen, daß das Privileg der Zeugniß- yerweigerung {hon existire für Geistlihe und Nechtsanwälte. Marum sollten die Abgeordneten eine mildere Redefreiheit haben, als jene Personen? Gerade dieser Umstand weise diese hatauf hin, eine Futerpretation der Verfassung zu suchen,

welhe ihnen dasselbe Recht einräume. Parlamentsjustiz übe

das Haus nit. Er wünschte, daß die Abgeordneten das thun fönnten, ebenso wie in England; dort würde cin Richter, welcher sich gegen die Vorrechte des Parlaments vergehe, vor die Varre des Hauses citirt und möglicherweise be- straft werden. Die deutschen Abgeordneten wollten nicht den Mund * halten, wo der Richter vielleicht anderer Meinung «sei, als sie. Es könnte cine unerhörte Be- shränkung der Redefreiheit eintreten, wenn die Abgeordneten dei Zeugnißzwang gegen sih selber einräumen wollten. Dem-

“qugenüber Jeien die Konservativen ohne Weiteres bereit, dieses

t aufzugeben, man hätte nicht die schiefe Stellung der Konservativen gegenüber der Verfassung rhetorischer darstellen fónnen, als es der Abg. von Hammerstein gethan habe. Er (Rer) sei überzeugt, daß eine Zeugnißpfliht des Abgeord- neten für seine Aeußerungen im Hause nicht existire, aber er stimme der Ueberweisung an die Kommission bei, um die Frage eingehend zu erörtern.

Hierauf ergriff der Staatssekretär von Boetticher

das Wort:

# Meine Herren! Es liegt mir gewiß fern, irgend ein Wort gegen die Absicht zu sagen, zu untersuchen, wie weit die im Art. 30 der Verfassung den Reichstag8abgeordneten gewährte Immunität geht.

“Gezen den Versuch, die Zweifel, die etwa in dieser Hinsicht ent-

fanden find, zu lösen und zunächst dur eine fommissarishe

Vehandlung der Lösung entgegenzuführen, habe ich felbstversländlich“ igt das Mindeste zu erinnern. Jch bin überhaupt der Meinung, -

ian fan diese Sache sine ira et studio behandeln und kann an der Hand ähnlicher Verfassungsbestimmungen untersuchen, ob das, was 1d) dem Antrag des Hrn. Abg. Windthorst A werden soll, wirkli staatsrechtlich und berfassungsreMtlich jaltbar ist. ; Meine Herren, ih habe, als der Antrag Windthorst in meine t mir die Frage vorgelegt: zu welchem Zwecke ist dieser utrag gestellt? Er fordert den Reichstag auf, eine Grklärung abzugeben, welche die Interpretation einer Verfassungsbestimmung durch den Reichstag feststellen soll. Darüber kann der Hr. Abg. Miudthorst do nicht zweifelhaft sein, daß eine solche einseitige Gr- flrung des Reichstages durchaus niht im Stande ijt, diejenigen Be- örden, welhe den Art. 30 zu konsideriren oder anzuwenden haben, in irgend einer Weise zu binden; und ich war schr begierig, durch die seutige Verhandlung darüber aufgeklärt zu werden, aus welchen Gründen man gleihwohl diese Form des Antrages gewählt habe. Ich sâtte es für viel richtiger gehalten, einfah den Auftrag an die Geschästs- fammissionzu geben, zu untersuchen, ob nah Art. 30 ein Zeugnißzwang gegen hie Abgeordneten geübt werden kann; oder ich hätte, wenn Zweifel in dieser Beziehung bestehen und daß Zweifel in dieser O be- stehen, fonnte doch der Herr Abgeordnete wissen, da cine andere Aus- legung als die seinige bereits thatsählich in Geltung ist ih hätte für rihtiger gehalten, einen Antrag auf Abänderung resp. Ergän- zung der Verfassung zu stellen. Von alledem ist nicht die Nede ge- iesen; und ih muß sagen, daß ich auch durch die ausführlicheren Pamnerkungen des Hrn. Abg. Hänel nicht darüber aufgetlärt worden hin, aus welhen Gründen der Hr. Abg. Windthorst dem Antrag die gewählte Form gegeben hat. O Der Bundesrath hat sih mit der Frage, die dieser Antrag an- du bisher nit beschäftigt. Ich bin deshalb niht in der Lage, Jhuen heute sagen zu können, welches die Auffassung der verbündeten Regierungen in der fraglihen Beziehung ist. Aber die Königlich preußische Regierung hat die Frage einer Prüfung unterzogen aus dem sehr naheliegenden Grunde, daß das strafrechtliche Verfahren, welches auf Grund der Bemerkung des Hrn. Abg. von Schalscha in einer der früheren Reichstagésißungen eingeleitet worden ist, vor einem preußischen Gerichtshof s{chwebt; und die preußische Staatsregierung ist einstimmig zu der Ueberzeugung gekommen (Lachen links) ja, meine Herren, man kann das belächeln, aber mit diesem Belächeln úlägt man unsere Gründe nicht. Sie kennen sie ja noch gar nicht, aljo warten Sie doch erst ab, bis ich sie Ihnen angebe ih sage aljo, man ist cinstimmig zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Art, 30 der Verfassung die Neichstagsabgeordneten nit dem Zeugniß- iwangsverfahren entzieht. Man ijt bei dieser Ueberzeugung zurück- gegangen auf die Entstehung8geshichte des Art. 30. Der Art. 30 ist ucgebildet einer Bestimmung der cnglischen und der belgischen Ver- assung. In beiden Verfassungen ist ausdrücklich davon die Nede, daß es sich blos um strafrechtliche Verfolgungen handle, denen die geordneten wegen ihrer Aeußerungen, die sie im Parlament gemacht aben, entzogen werden sollen. 1 Nun hat die Ee Regierung auch weiter erwogen, daß, auch dedestben von diesen Vorgängen, die Wortfassung dieses Artikels nit der uffassung zur Seite steht; welche der Hr. Abg. Hänel soeben als ‘die seinige hingestellt hat, und welche dahin geht, daß man, indem man den Abgeordneten der Verantwortung für seine Aeußerungen ent- ücht, implicite auch um de8willen das Zeugnißzwangßverfahren aus- gesGlossen habe, weil das Zeugnißzwangsverfahren die Auferlegung einer Verantwortung involvire. Meine Herren, diese Auffassung hat die Königlih preußische Regierung nicht zu der ihrigen machen können; von einer Verantwortung in einem strafprozessualischen Verfahren unn zunähst nur die Rede sein gegenüber dem Angeklagten, und der Zeuge, der das Material herbeishaffen soll, um Anklage zu \tüten, unterliegt keiner Verantwortung als er allgemeinen Verantwortung, vor Gericht alles das zu sagen, was man weiß und was der Wahrheit entspricht. Ein Zurverantwortung- Jap also unmöglich dem Wortsinne nah in der Aufforderung, niy abzulegen. V E Die Königlich preußishe Regierung hält aber auch weiter eine inmishung des Reichstages gegenüber dieser Frage insoweit nicht

gegen den Vorwurf des Abg. Häne

beweise dies.

dur cin Geseß. Sie ist ferner der Meinung, daß der Richter die Pflicht hat, die Geseke nah ihrer G G0 ad Miet Er: messen zur Anwendung zu bringen, und daß er sih dabei nicht be- einflussen lassen darf dur den einseitigen Spruch eines geseßgeben- den Fafktors. f

Meine Herren, die preußische Regierung ist nun aber au materiell der Meinung, daß es gar nicht in der Absicht des Art. 30 gelegen haben fann, und daß die geseßgebenden Faktoren auch selber nicht die

Absicht gehabt haben, tie Immunität, welche der Art. 30 enthält, auf das Zeugnißzwangsverfahren auszudehnen; Hr. von Hammerstein hat die Gründe dafür hon meines Erachtens sehr treffend angegeben. Während im Strafgeseßbuch im §. 11 ausdrücklich davon die Rede ist, daß Abgeordnete wegen der von ihnen gethanen Aeußerungen nicht trafrechtlich- verfolgt werden dürfen, finden ih in der Strafprozeß- ordnung die Abgeordneten gar niht unter denjenigen Personen auf- geführt, welhe unter Umständen das Zeugniß verweigern können.

» Also, meine Herren, aus diesen Gründen hat die preußische Regierung die Ueberzeugung ges{höpst, daß der Art. 30 das Zwangs- verfahren gegen cinen Abgeordneten nicht aus\{ließt; sie hat weiter die Ueberzeugung, daß ein Eingriff des Reichstages in der fraglichen Beziehung“ verfassungsmäßig unzulässig ist, und wenn ich auch dem Antrage, den Sie beshäftigenden Antrag in die Kommission zu ver- weisen, niht entgegentreten kann, fo muß ih doch dringend wünschen, daß aus dec Kommission etwas Anderes hervorgeht, als der Antrag Windthorst, der durchaus cffektlos bleiben wird.

__ Der Abg. von Reinbaben erklärte, die Konservativen seien bei Verfassungsfragen mit den anderen Parteien bisher zu- sammengegangen. Die Parlamente besäßen keine Bajonette, sie könnten nur durch moralische Macht wirken. Der vor- liegende Antrag, dex eine gewisse Familienähnlichkeit mit jenem Wahlbeeinflussungsantrag habe, aus dem die Kom- mission nichts zu machen gewußt habe, werde zu keinem posi- tiven Nesultat führen. Diesen Rechtsbegriffen werde dadur Gewalt angethan. Man wolle ohne Berechtigung Vorrechte des Reichstages erlangen. Der Antrag erinnere an ein Wort Goethe's: „Fm Auslegen seid nur recht munter, legt ihr nicht aus, so legt ihr doch unter“. Möge man doch erst abwarten, wie die höchste Gerichtsinstanz über den Fall urtheilen werde. Jhn wundere, daß die Herren, die immer vom Rechtsstaat sprächen, einen so geringen Respekt vor derx Autorität der Gerichte hätten, und daß die Gesetzgeber selbst niht den Gehorsam gegen die Gesetze leisten wollten. E parlamentarishe Vorgänge hätten bewiesen, daß es ret gut sei, wenn die Gerichte eine gewisse Kontrole über die Neichstagsverhandlungen ausübten. Vielleiht wäre es viel besser, das ganze Wahlprüfungsverfahren einem geordneten Gerichtshofe zu überweisen. Die Nedefreiheit im Parlament möchten auch- die Konservativen gewahrt wissen. Die Ab- geordneten hätten in Deutschland schon so viel parlamentarische Privilegien, wie in keinem andern Lande, sie hätten doppelt jo viel Privilegien wie in England. Die Möglichkeit des Miß- brauchs der Zeugnißpflicht würde do nicht ausreichen, um Geseße zu erlassen. Es müsse doch erst konstatirt werden, daß Miß- brauch getrieben werde. Dieser Fall sei aber nicht zu solchen Maßregeln geeignet, die Abgeordneten könnten sich im Gegen- theil freuen, daß sie Mittel hätten, dem vom Abg. von Schalicha erwähnten Münzverbrechen auf die Spur zu kommen. Einer Kommissionsberathung werde si seine Partei nicht widerseßen, um alle diese Gesichtspunkte klar zu stellen. h

Der Abg. Pfafferott meinte: Die Zeugnißpflicht schließe wohl ein Zurverantwortungziehen in sih, das gehe aus der französischen Verfassung, aus der der L 30 entnommen sei, hervor. Nach der leßteren sei ein Zeugnißzwangverfahren

gegen Abgeordnete entschieden unzulässig. Ï

Der Abg. von ga Ss verwahrte seine Partei

- als ob sie nicht zu jeder eit bereit sei, die Nechte des P zu shügen. Nach dem geltenden Recht und nah der Verfassung hätten die Ab- geordneten in diesem Falle gar kein Recht, die 73mmunität Des RNeichstagsabgeordneten auch auf die eugnißverweigerung auszudehnen. Die ganze Entstehungsgeschichte dieses Artikels Es habe nur in der Absicht gelegen, die straf- rechtliche Verfolgung wegen Aeußerungen der Abgeordneten im Parlament auszuschließen. Er bitte, den Antrag Windthorst abzulehnen; seine Partei werde sih auch niht an der Kom- missionsberathung betheiligen. f

Der Abg. Dr. Windthorst äußerte, er wolle niht gegen das bestehende Recht handeln, sondern halte es für bestehendes Recht, daß die Abgeordneten nicht zur Zeugnißablegung ge- zwungen werden könnten, deshalb habe er seinen Antrag ge- stellt und halte ihn für vollkommen berechtigt. Wenn dieses Recht in der Verfassung stehe, fo E er es für überflüssig, daß es noch in der Strafprozeßordnung ausgesührt werde, der Nichter habe doch in erster Linie: die O zu respektiren. Man sei in Preußen sehr geneigt, die parlamentarischen Prä- rogative einzuschränken, bei so ernsten Fragen sollte man deshalb meinen, daß sih keine Partei von einer ernsten fin fung ausschließen würde; das Dae der Abg. von Hammerstein Namens der Konservativen gethan. Jm englischen Parlament würde man solche Frage nie a limine ablehnen. Die Ver- fassung und ihre Privilegien müßten in erster Linie aufrecht erhalten werden. Er (Redner) finde im Hause aber nicht viel Sinn für konstitutionelle Verfassung. Die Frage sei so ernst, daß er noch einmal die Kommissionsberathung vorschlage. Wenn Jemand hier Verleumdungen vorbringen wollte, fo würde die Oeffentlichkeit und vor Allem die Disziplin des Hauses das zu verhindern wissen. :

Der Abg. Dr. Hänel fragte: Wie die konservative Partei über gute Gründe, die seine Partei habe, jo cavalierement hinweggehen könne? Habe man doch gehört, daß sih die preußishe Regierung beeile, die Frage zu prüfen und zu ihr Stellung zu nehmen, die preußische Regierung, die doch eigent- li erst sich mit der Frage zu beschäftigen hätte, wenn sie Die belgische Verfassung sei nicht, ung, sondern die iht aussließe. aljo einstimmig die Geschästs-

dem Bundesrath vorläge. ( wie gesagt werde, die Quelle der deutschen Versa französische Verfassung, welche die Zeugnißp Die Königliche Staatsregierung habe si geirrt. Er beantrage nochmals Ueberweisung an ordnungs-Kommission.

mung des Art. 30 zitirt hätte. Er hat diese Bezichtigung mit dem Scherz begleitet, das ganze preußische Staats-Ministerium habe sich einstimmig geirrt. Nun ist aber dieser Vorwurf nit begründet. Jch habe gesprochen von einem Vorbilde, was für den Art. 30 genommen worden ist, und ih habe mi nicht auf die’ belgische Verfassung be- schränkt, sondern ih habe ausdrülih gesagt, daß auch die englische Verfassung von 1689 hierbei zu Rathe gezogen worden sci. Daß der A Abg. Hänel diesen beiden Vorbildern gegenüber, die attenmäßig

ei der Herstellung unserer Verfassung benußt worden sind, sich auf die französishe Verfassung beruft, das ist ja von seinem Standpunkte aus ganz geshickt, weil in Frankreih ein Fall vorgekommen ist, in welchemman aus der betreffenden Bestimmung der französischen Verfassung deduzirt hat, daß der Zeugnißzwang unzulässig sei. Damit ist aber gar nit gesagt, daß ih etwas Unrichtiges behauptet hätte, denn, wie gesagt, meine Behauptung wird durch die Akten gestützt. (Abg. Hänel :

Nein!) Ich weiß nicht, ob die Akten über die Herstellung des ersten Entwurfs der deutshen Verfassung dem Hrn. Abg. Hänel zur Dis- position stechen oder uns? (Abg. Hânel: Sie stehen mir zur Dis- position.) Wir wollen die Akten gegenscitig gegen einander halten, und dann wollen wir sehen, wer Recht hat.

__ Dann hat der Hr. Abg. Hänel gesagt, die preußishe Regierung, die mit der Sache gar nichts zu thun habe, habe sich veranlaßt gesehen, in die Materie si hineinzubegeben, und er könne dem Reichstag nur empfehlen, dasselbe zu thun, was die pee Regierung gethan hat. Meine Herren, daß die preußische Regierung diese Frage nichts angeht, ist doch eine zu kühne Be- hauptung. Erstens ist die preußische Negierung bekanntlich Mitglied des deutschen Bundes und des deutschen Bundesraths, und hat als solhes auc ein Urtheil darüber abzugeben, wie NVerfassungsbestim- mungen auszulegen sind. Wenn also die Auslegung ciner Ver- fassungsbestimmung in Frage kommt, so hat die preußische Regierung ebenso gut wie jedes andere Bundesmitglicd Veranlassung, die Pflicht und das Recht, si damit zu beschäftigen; und ih weise den Vorwurf ganz entschieden zurück, daß die preußische Regierung nichts mit der Sache zu thun habe. ;

Dieser Vorwurf is aber auch aus einem andern Grunde ganz unbegründet. Es handelt si hier um cin Verfahren vor preußischen Gerichten, und“ die preußische Regierung hat ebenso wie jede andere Regierung das Necht und die Pflicht, jeden lch abzuwenden, der unberehtigterweise gegen die Fretheit der Entschließungen ihrer Gerichte geübt werden könnte.

__ Aus diesem Grunde allein hat sich die Königlich preußische Ne- gierung mit der Frage beschäftigt, und sie wird in allen ähnlichen Fragen ganz mit derselben Gewissenhaftigkeit und mit derselben Energie thätig wirken.

Der Abg. Freiherr von Hammerstein wandte sih gegen die Ausführungen des Abg. Hänel. Die thatsächliche Rede- freiheit sei in Deutschland größer, als in England, dort sei jeder Abgeordnete für seine Aeußerungen S oa wenn sie öffentlih verbreitet würden, strafrechtlich verantwortlich. Auch in Nordamerika herrschten nicht solche Freiheiten, wie in Deutschland. Er bleibe bei seiner Weigerung gegen eine Kommissionsberathung.

Der Abg. Dr. Hänel betonte, in Nordamerika habe aller- vings der oberste Gerichtshof das Recht, die Verfassungs- mäßigkeit ganzer Geseße zu N niht nur die der Be- schlüsse des Parlaments. Solchen Gerichtshof mit den nöthi- gen Garantien ließe er sich auch in Deutschland gefallen. Der Staatssekretär habe seine Aeußerungen mißverstanden. Die Akten über die Reichsverfassung ständen in Deutschland ebenso gut zur Verfügung wie der Regierung. Es existirten darüber nämlich nur Vorlagen und Kommissionsbeschlüsse.

Der Staatssekretär von Boetticher äußerte: Die Reichs- verfassung habe doch ihre Vorgeschichte, die der Vorlage voran- gegangen sei. Die ersten Entwürfe seien der t und belgishen Verfassung nachgebildet. Ll

Der Antrag wurde der Geschäftsordnungskommission überwiesen. Dagegen stimmten nur die Deutschkonservativen.

Der Antrag des Abg. Grafen Moltke, welcher von der deutshkonservativen Partei unterstüßt ist, lautet:

„An Stelle des §. 9 und des ersten Absaßes des“H. 21 des R vom 27. Juni 1871 treten folgende Vor-

riften: /

„S. 9. Die Pension beträgt, wenn die Verabschiedung nah vollendetem zehnten, jedoch vor vollendetem elften Dienstjahre ein- tritt, 15/60 und steigt von da ab mit jedem weiter zurücgelegten

Dienstjahre um 1/60 des vensionsfähigen Diensteinkommens.

Ueber den Betrag von 5/60 dieses Diensteinkommens hinaus findet cine Steigerung der Pension nicht statt. S IUS

Sn dem im 8. 2 Absaßz 2 erwähnten Falle beträgt die Pension 15/0, in dem Falle des §: 5 höchstens /e des pensionsfähigen Dicnsteinkommens.“ E : h

„S. 21. Die Zeit, während welcher ein mit Pensionsansprüchen aus dem aktiven Dienst geschiedener Offizier oder im Offiziersrange stehender Militärarzt zu demselben wieder herangezogen worden it und in einer etatsmäßigen Stellung Verwendung findet, begründet bei einer Gesammtdien|tzeit von mindestens 10 Jahren mik jedem weiter erfüllten Dienstjahre den Anspruch auf Erhöhung der bisher

j ar: für die bis zum 1. April 1885 er- bezogenen Pension und zwar: [Ur Dle l T illte füllten Dienstjahre um je /80, für die nach diesem Sen erfüllten Dienstjahre um je 1/60 des derselben zu, Grunbve liegen S fähigen Diensteinkommens bis zur Erreichung des im S: faß 2

bestimmten Höchstbetrages.“ | i A ergriff der Abg. Graf Dr. von Moltke

. Das Militärpensionsgeseß sei in drei verschie-

e agialaiiGpetiodn im Hause durchgesprochen und kom- missarish berathen worden. Es werde \chwer sein, irgend etwas Neues darüber zu sagen. Zunächst müsse er einen Vor- wurf ablehnen, der von Jener Seite (links) erhoben worden sei. Es sei gesagt worden, daß das Einbringen dieses An- trages ein entschieden feindseliger Schachzug seiner (des Red- ners) Partei gegen das Zustandekommen des Beamtengeseßes sei. Sein Antrag, obglei er die frühere Regierungsvorlage wiederherstelle, sei do keineswegs um Auftrage der Regierung eingebracht oder als eine bestellte Arbeit seiner Fraktion zu be- zeihnen. Er O habe aus eigenem Antriebe diesen An- trag gestellt. Das Beamten- und Militärpensionsgeseß sei dem Hause allerdings B ta vorgelegt worden, aber gesondert, jedes für sich, jelbständig. Es sei auch der Vorwurf erhoben worden, daß die Regierung dieselben vor wei Jahren mit einander verschmolzen eingebracht habe. eide Geseße seien aber nah Jnhalt und Form durchaus parallel laufend, Ex könne {ic denken, daß man beide Geseße ablehne, vielleiht aus Rücksicht auf finanzielle Gründe oder