1920 / 25 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Jan 1920 18:00:01 GMT) scan diff

ck É a an

Nichkamklißhes, {Fortsezung aus dem Hauptblatt.) Preußische Landesversammlung. 107. Sibßung vom 29. Jänuar 1920, Mittass 12 Uhr.

(Bericht des Nachrichtenbürós des Vereins deutscher Zeitungsverleger. )*) Auf _dex Tagesordnung steht die dringende förm liche Anfrage der drei Mehrheitsparteien:

Ist die Staatsregierung bereit, darüber Auskunft zu gaben, welhe Maßnahmen getroffen sind zur Aufrehterhaliung der öffent lichen Ordnung? Ist insbesondete für genügenden Schuß der Arbeit im Bergbau und im Eifenbahnbetriebe gesorgt? Ift die Aufrecht- erhaltung der übrigen lebenswichtigen Betriobe stichevgestellt? Ist der Nücktranêpott der Kuiegsgefangenen durh die (Tifenbahnvetr- waltung gewährleistet?

In Verbindung damit sollen beraten werden die drin - genden förmlichen Anfragen

1, dex U, Sv.

Am 17. sind auf Veranlassung der Neichs- ind der preußischen Staatsregierung die Lokomotivhauptwerkstätten in Nied. in Köln-Nippes und anderorts ges chlF}\bn vorden. Es besteht die dringende Gefahr, soweit die Werkstätten in beseztem Gebiet liegen, daß die Gntente jie für ihre Zwede be- i{lagnahmen wird. Deshalb fragen wix an: Ist die Staats- regierung bereit, den Betrieb der Werkstätten zur Abwendung dér angedeuteten Gefahr sofort wiedér in Betrieb zu nehmen und dadtirch zugleich tausenden von brotlos gewordenen Aanbeitorn, darunter solchén, die 30 Jahre und mehr dort beschäftigt waren, wieder Arbeitsgelegen- heit zu schaffen?

2. der Sozialdemokraten:

Die Staatêregierung wird ersucht, darüber Auskunft zu geben, aus welchen Gründen die Staatseisenbahnmverstätten Nied Und andere Betriebe geschlossen wurden, b. nach welchen Grund- “äßen die ÎInbetriebnahme der Werkstätten und die Einstellung dêr Arbeiter wieder erfolgen soll?

3. der Anirag der U. S 0g, die Staatsregierung auf- zufordern, bei der Reichsregierung auf die sofortige AU]- hebung des über Preußen verfügten Bela g®L- rungszustandes hinzuwirken.

Der Präsident des Staatsministeriums H i c ch erklärt

-

ch zur sofortigen Beantwortung der förmlichen Anfragen béreit. : } “1 T O

Gegen die Absicht des Präsidenten und des Aeltestenrats, die Aus]prache durch Zusammenzgiehung je zweier Begründungen zu vereinfachen, erheben die U. Sog. Widerspruch.

Zu Ausführungen über die Anfvage der Mehrheitsparteien erhält das Wort :

Abg. Graef - Frankfurt (Soz.): Jn diésem Hause it fehr oft über die Notlage unseres Volkes gesprochen worden und wie wir aus diesem furchibaren Gend herauskommen. Alle Parteien sind darüber einig, daß ein Weg zur Gesundung unserer Herhältnisse funden werden muß. Wir di2fen nicht immer über Vergangenes Doro, sondern den Blick in die Zukunft wenden. Es ist wiederholt gesagt worden, uns kann nur Arbett und immer wieder Arbeit retten. Stttl dessen schen wir aber, daß immer wieder Streiks, Sabotage usw. vor- fommen und daß man das Volk imuner mehr its Glend hinecin{bürzen will. Man will dem Volke nit helfen, sondern nüt die verhaßte Me- gierung stürzen. Wenn man dem Arbeiter sagt: Du kannst mit deinem Lohn nicht auskommen, du mußt verkürzte Yrbeitögeit haben, weil du sonst bei der Unterernährung erliogst, jo ift das begreiflich, Wern man aber zu Stretks auffordert, dann ist & unwerstärtdlith, wie man

den ernsten Anspruch darauf erhebèn kann, dem Volke helfen zu woUen; ;

denn dadurch geraten wir immer tiefer ins Glend, unsere Valatta sinkt immer mohr. Jch stehe 32 Jahre im öffentlichen Leben und bin gewcrkschafblih organisiert. Da soll ih mir von ernem ungen Menschen von 18 Jahren, der vielleicht erst vor aht Tagen da Rerbandsbuch erworben hat, sagen Tassen, ich f ein Vaterband8verrater. Um die Bergwerke und Cisenbahnen dreht Aas alles: oh jemand hungert oder friert oder obdachlos ist. Heute. mien wir sagen, nieder mit allen Streiks. Nachdem die Jndustrie au Fahre hinaus Aufträge hat, die nicht ausgeführt werden können weil es m Kohlen und Transportmöglichkeit fehlt, müssen wir mebr Arbeit verlangen. Sobald die Stunde gekommen ist, wo die sechsstündige Axbeitszeit durchgeführt werden kann, R sie durhgeführt werden. Aber jeßt ist das ganz unmögli. In Braunschweig und vielen anderen Ge- genden haben die Bergarbeiter freiwillig ih erboten, Ueberschichien zu machen, um das Volk vor dem Elend zu bewahren. Wir dürfen arnehmen, daß die Bergarbeiter anerkennen, daß wir nit aus bösen Willen den Sehsstundentag ablehnen, sondern, um uns vor dem Ab- grund zu bewahren. Wir verlangen etne Produktionssteigerung. Wahrend der Verhandlungen darf nicht mit Streiks und Sabotage vor zegangen werden; das verstößt gegen die gewerk schaftlichen Grun2- säße, und wer das tut, ist der größte Feind jeiner Gewerkschaft Die ge|hlofsenen Gisenbahnwerkstätten müssen sobald wie möglich wieder

cróffnet werden. Daß die Produktion gestcigert werde mu Horweist der Zustand der Bahnhöfe, Lokomotiven und Wagen. Nicht tk

finc.nzielle Seite, die Erhöhung der Tarife, sondern die Steigerung des Verkehrs ist unsere Hauptaufgabe. Die Kricgsgefangenea müsen zurückkehren fönnen. (Sehr vichtig!) Die demagogischen AcbLiker aber wollen, daß es recht lange dauert, - damit sie darmnit Agitation treiben können, um die Regierung zu stürzen: Das ist ein po itisch28 JIrzenhaus. (Lebhafte Zustimmung bei den Soz.) Snmeoc r man, die Kriegsgefangenen können wegen der Zustände der Eisen- bahnen nidt zurücfommen, andererseits sagt un: Arbeitet micht damit sie nit zurückkommen können. Auch die Landrwoirt\Yast darf nicht sabotiert werden. Gs ist bedauerlih, wenn dêr Brelagerun@s- ustand verhängt (werden muß, für dessen Beseitigung man ein Mal Senaltet gekämpft hat. Die Regierung warnte Vor der Auf- ebung des Belagerungszustandes, weil son|t neue Blutopfer ent- tehen könnten. Leider hat sie Recht behalten. Die Regierung muß

alle Forderungen der Arbeiter erfüllen, die die Arbeitölust steigern,

aber mit Encraie gegen diejenigen vörgeben, die cie Arbeiter an ter Ausübutig der Arbeit hindern. Aber nicht nur negen diejemgen 1_ on links, sondern auch gegen die von rechts. (Sehr richktig! bei den Soz.) Mer die Produktion hindert, ist ein Staatsdororechckr. Wenn man die Presse der Linken verbietet, muß man auch die Presse von rechts verbieten. Die Sprache der „Noten Fahne“ ist manchmal iht so gefährlich wie die der Presse von rechts. War es früber üblich, taß man einen Minister für Wige erklären ftonnie, und daß ein Ge- riGtsvorsißender es zulicß, daß aus ‘etnem Ank'äger eit Angeklagter gemacht wurde? (Sehr richtig! boi den So03.) Die Heßte gegen unseren Reichsprästwdenten gilt heute als erlaud:e Satiro. i Mann, der nur setne Pflicht getan hat, wird zinfah mit der Kugel niedergestreckt. Da {reibt man gegen Erzver zer, der Krug singe

solange zum Brunnen, bis er bricht; Erzberger dürfe sih in Berlin |

und anderen Groß \tädten nicht auf der Straße zeigen und habe 2s halb „fern vom Schuß“ in Stuttgart seine Rede gehalten; Erzberge sei kugelrund, aber nit kugelfest, usw. (Pfuirufe links.) Das ist genau fo wüste Heßerei, als wenn man die Massen vor den ei

tag führt, sie erschießen läßt und selbst imm Hint ezr nd bleibt. (Sehr a h bei den Soz. Lärm bei den U. Soz. Tt Abg. Ad. Hoff- mann acht nah der Tür des Saales, ein Mehrheitsfozialist ruft: Adolf a Herzklopfen!)) Die Regierung muß das Volk schüßen vor ¿en Terrorismus von rechts und von linfs, (Beifall be: den Sozialdemokraten.)

wiedergegeben

Wor

Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im

BMimafier des Inmern Hei ne: Meine Damen und Herren! Der Herr Abg. Gräf hat Jhnen in anschaullicher ergreifender Weise die Zustände geschildert, unter denen wir lében, die furchtbaren Gefahren, die unser nationales Lóben dergestalt bedrohen, daß wir fürdzten, Tenn nicht ein Wunder geschieht, geht das ganze Volk zugrunde. (Hört, ört) Man fan ber midt auf Wunder warten, un aus feinem Glend hermuéEzufommen: das einzige Wunder, daes sich n der Welt bogibt, i der Wille der Menschen, der Wille wnd die Kraft, ¡ihn vurdzuführen, (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Arbeit, Berkehr, Orditung müssen aufrecht erhalten werden, die Produktion muß gosteigert werden, wenn wir nicht Linen wenigen Wochen voll- fommen zusammeribreden Jollen. Das hat Herr Abg. Gräf aus- oinatidergcielt; ih habe es nicht noch cinmal zu wiederholen,

Lider sind Ereignisse eingetreten, die genötigt haben, an Stelle eines das gesamte Volk umfassenden einmütigen Willens zur Selbst- retbung den Zwang dazu zu sehen. Wahrhaftig, wir wären auch froh gemesen, wenn man ohne jolche gewaltsamen Mittel, wie die, zu denen mean hat griffen müssen, unfer Volk den Weg hätte gehen jehen, der zur Reitung und zum Heile führt, auf bem Wege zur Eintbvachit, zit freiwilligen protwlßtiven Arbeit, zur Siteigerumg der Leiskumgen, zitr Ordnung, zum Staatsgefühl, zur Anerkermung der Republik, dée fh das Volk aus séinem Willen in bder Nationalversammlung und bier in der vorläufigen Verfassung geschaffen hat. Diesen Weg gingen Leider große Teile des Volkes nicht freiwillig; die Ordnung, die Arbeit wurden fortocsebt bedroht und erschüttert.

Keine Negierung wird gem auf die Deater tit dam Beligeruïigs- gussband regierèn, am r@nigsten eine vepubllifanisch-vemobratishe. Man wird das schon grundsähzlich ungern tun, wie Herr Abg. Gräf jagie. Die Freiheit, für die man sein Lebtag gekämpft hat, mit den Mitteln aufrecht erhalten zu müjsen, bie man selber betämpft hat, t für jeden Politiker ‘eine peinliche, fchmerzhafte Aufgabe. Aber, wie Herr Gräf mit Recht gesagt hat, die Pollutik ist kein Spiel, sie zwingt uns cth, dos Unangenchme, das zu tun, was notwendig jt, wenn es uns noch o sehr gegen das Herz gehl.

Man regiert aber uh außerdem beshalb nichi gern mit den

Zwangämaßregeln des Belagerungsgustandes, weil sie sich schnell ab- sbumpfen. Nicht etwa, daß sie unwirksam wären, o nein! (ine mit Energie durchgeführte Unterdrückung des Verbrechens hilft immer eiwas. Aker es ist etwas anderes in der langen Dauer eines olchen Zivangszustandes, was ihn unhaltbar macht, nämlich daß die ffc fiche Meimung mervòs wird, wenn sie um sich herum immer von neuen Amwendungen von Zwangsmitteln hört. Und leider muß 8 dcsagt werden: die öffentliche Meinung hit ein Talent, föhr schnel zu vergesson. Es läßt sich nit leugnen, daß vem Sommer ah faum war die Reichverfassunmg unter Dach gebracht, Etn wor ver polnische Aufstand im Obberschlbesien nitdergesd;lagen, in der Presse wid im der öffentlichen Meinung leiser erst, dann immer knziter der Nuf erschallte: weg mit dem Bolagemmg3zustand! Man hatte ver- gessón, was men im Januar und März hier erlebt hatte, man hatte vergessen, daß die Anhänger Lirbknechts, Ledebours usw. die Bürger- (iben Zeihumgen und auch ben „Vorwärts“ beseßt hatten, und daß mm mit Kanonen der öffentlichen Meinung wieder die Möglichkeit er freien Aussprache hat verschaffen nrüssen. (Widerspruch bei den Unabhängigen Soziollkdernokratem. -—— Sehr gut! bei den Sozialdemo- Fraten.) Herr Graéf hat gesagt, was eigentlich mehr ein Internum ist, vaß nicht alle vergessen hatten, wie die Dinge lagen. Aber die Zeilungen der äußersten Linken beteuerten einmal über fe andere, daß ste mur auf fricdlichem Wege vorgehen wollten, daß ihnen gewali- sicnner Sturz der Regierung fern läge; und die bürgerliche Presse wies auch immer auf diese Geseßzlichkeit der äußersten Linken Hin. So war 6 ganz in der Ordnung, daß die Reichs- und vie Preußisehe Regierung sich auf den Boden stellten, deß den Männern der vadikdlen Linken Gelegenheit gegeben werden sollte, durch die Tat zu beneisen, daß sie nichts anderes wolltén als eine ordmngsmäßige Agitæbion für ihre politischen Ziele imnerhalb des Namens der Verfassung und der Gesehe. : é

Darum wurde der Belagerungszustand «itsgehoben, în dér Haupt- sache mit Auünahme von Westfalen, wo die Gefahr aeraltsamer Er- cignisse immer noch vor den Augen ‘lag, und von Oberschlesien, wo noch immer mit der Gefahr eines neuen polnischen Ginbruches gerechnet werden mußte. Leider muß man feststellen, daß die Gegner ‘der Re- gierung auf ver äußersten Linken sich dieses Gntgegenkommens nicht würdig und nit reif dafür erwiesen haben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und in der Mitte Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Diejenigen, die die Schuld an den Ereignissen in Westfalen am 13. Januar und an denen, bie sh gleidgeitig am 13. Januar in Berlin abspielten, tragen, sind verantwortlih für die Offer, die dabei gefallen sind, und vevantwortlich dafür, daß neue Zwangsmaßregeln verhängt werden mußten, (Stürmishe Zustimmung bei der Mehrheit. Widerspruch ‘bei den Unabhängigen Sozial- vemokraten. Abg. Klaußner: Sie haben sie doch erschossen! Laden bei der Mehrheit.) Sie sind ja weit weg, wenns zum Schießen kommt. (Sehr richtig! und Heiterkeit bei der Mehrheit und rechts. —— Widerspruch bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Haben Sie sich doch von Ihren eigenen Leuten sagen ‘lassen müssen, wo denn die Fübrer der Unabhängigen ‘geweser: seien. (Sehr gut! bei den Sogzial- deinokraten.) In Sicherheit waret die Führer, während- draußen die betörten Massen in die Maschinengewehre geheßt wurden. (Allgemeine lebhafte Zustimmung bei der Mehrheit und rechts.)

Jch muß nun aber darauf hinweisen, daß die Maßnahmen, dic ge- troffen worden sind, in erster Reibe Maßnahmen der Neichsregierung sind, und daß die Reichsregierung nach Artikel 48 der Reichsverfassung maitimohr «auc die zuständige Behörde dafür tst. Der Herr Reichs- präsident hat am 13. Januar Verordnungen crlassen, wodurch das Meicbsgebiet mit Ausnahme von Bayern, So(hsen, Württemberg und Baden und den von ihnen utmscchlossenen Gebieten in Ausnahmezustand verseßt werden. Jch komme später noch, entsprehend der von den Herren Abgeordneten «n Uns geri(hteten Anfrage, catf die Eingelheiten der Anordnung zurück. Wichtig für die Zuständigkeitsfrage ist folgendes: Die vollziehende Gewalt ist einom Milibdärbefehlshaber übertragen, nämlich dem Herrn Neichswehrminister, der sie wteder lokalen Millitär- befehlshabern übertragen tann. Diese lokalen Militärbefehlshaber aber müssen ¿n allen Angelegenheiten, die sich auf die Zivilverwaltung be- ziehen, mit Zustimmung des NRegierungskommissaré entscheiden, und

der Regierungskommissar ist in unseren preußischen Belagerungszustand§-

gebieten ein preußischer Beamter. Jh will Sie nicht mit einer Auf- stellung der verschiedenen Regierungskommissare hier aufhalten. Die

Liste, wenn fie gewünscht wird, liegt ‘hier zur Hand; h kann sie jedem

der Herren geben. Für die Provinz Sachsen und anscbliezende Gebiete

Sachsens und Thüringens ift es z. B. der Regierungspräsident von Merscburg, für Ostpreußen ist es der Oberpräsident Winnig, für Schlesien, ausschließzlih Oberschlesien, der Polizeipräsident Vogt in Bréslau, für Cassel und Thüringen ist & dêr Oberpräsident Scwander, fir Westfalen der Staats- und NetclSfkotnmissar Severing. Alle diése wirken also zusammen bei Ausübung der vollziehenden Gewalt mit dem Militärbefehlshaber, und der Militärbefchlshaber ist in gewissem Maße an ihre Zustimmung gebunden. Damit nun aber éine Einheit- fikcit in die Handhabung etwaiger allgemeiner Ahnorditungen gcbrachi wird, ift in meiner Person mit Zustimmung der preußischen Regierung ein Generalkommifsar für Preußen bestellt worden, der dur seine Person, ‘dur seine Verwaltung die Gewähr dafür bielet, daß nihL etwa die Praxis der verschiedenen Regierungskommissare voneinander abweicht. Insofern alsv ist ach die preußische Regierung, bin speziell ich zuständig zur Beantwortung dieser Anfragen und muß ¡h die Ver- antroortung für das, was an generellen ünd speziellen Anordnungen im preußischen Gebieten getroffen worden ift, übernehmen. Darum bc- anhvorte auc ich diese Anfragen der Herren Intetpellanten.

Icch muß nun aber zurückgreifen auf die Vorgänge, die sich ab- gespielt haben und die zur Verhängung der neuen Ausnahmemaß- regeln geführt haben, ehe ih auf die Ausnahmemaßregeln selbst einz. gehe. Wie vorhin schon bemerkt, wurde am 59. Dezember der Bex lagerungszustand in Berlin und in anderen preußischen Gebieten mi den Ausnahmen, die ih béreits erwäbnte, aufgehoben. Kurz darauf, von etwa Mitte Dezember an, begann sih im gesamten Deutschen Neich eine neue Unruhe auf seiten dec äußersten Linken und ihrer Bestrebungen bemerkbar zu machen, und zwar jah man aus der ZU- sammenstellung der Vorgänge und der Berichte, daß es dieênmal alb- geschen war nicht auf eine langsame Zermürbung der Pegierung umd der geschlichen Zustände, sondern äuf irgendeinen ganz plößlichen Schlag. Dazu sollten dienen wirlshaftliche und auch politisäe Maß- regeln. Man machte sich gegenseitig in diesen Kreisen Vorhaltungen, daß die bisherige Taktik nicht zu einem Ziele geführt hätie, und beschloß, eine neue Taktik einzuschlagen. Es ist deshalb ‘ganz öfferbär unwahr, daß der Zusammenstoß, der sih am 13. Januar am Reichs tagögebäude abgespielt hat, etwa eine von der Regierung provozierte oder aus der plôßlichen Aufwallung der Massen heraus entstandene Aktion gewesen wäre.

Gern will ich annehmen, daß die große Zahl der Demonstranten gläubig nit immer willig, ber gläubig den Anführern folgie, die fic auf den Königsplähß s\chleppten, und daß sie nur friedlih demonstrieren wollte; dies find ‘eben die Opfer. (Ebenso sicher ift es nur auf der andern Seite, daß bei kiner gewissen Gruppe vou Führern und ‘von solchen, die dahinter standen, ein ganz planmäßic2s Vorgehen ins Auge gefaßt war. (Zuruf {bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Und die Beweise, Herr Minister?) Die Be- weise, mein wertér Herr, sollen Sie gleih hören. Jn den Werk- stätten wurde die Stimmung für die Demonstrtäitión durch die mit gefälschten Unterschriften versehene Behauptung gemacht, dîe Ge- werkschaftskommission kommandiere dieses gaäze Unternehmen. (Höri! bórtt bei den Sozialdemokraten.) Die Leute katen, wie gésagi, friedlich, anmarschiert, man ließ fie aber auf dem Königsplaß si anstauen. Jch muß bèmerken: nach Aufhebung ‘des Belagerungs- zustandes war es mir als dem, der für den Sicherheitödienft it Berlin verantwortlih ist, unmöglich, diese Aufzüge und Versamm- lungen auf dem Königsplahß zu verbieten. Sie waren nah Aufhebung des Belagerungszustandes und nach der zunächst friedlichen Ginleitung, die die Beroegung ‘am Mörgén gewinn, nikht zu verhindern. Hätte noch der Belagerungszustand geherrscht, fo hätte der Herr Neichs- wehrminister dur seine Truppen den Königsplaß in weitesten Um- fange absperren lassen, und es wären nit die Massen herangekoimmen. Da der Belagerungs#zustand aufgehoben war, blieb nichts añderes übrig, als das Haus und die Zugänge zum Hause zu sHühen, datkil die Abgeordneten frei in thr Parlamentsgebäude hineingelangen fonnten. Im übrigen mußte man die Dinge abwarten.

Wäre nun nichts anderes als eine friedliche Demonstration gegen das Rätegesehß geplant gewesen, dann« hätte man die großen Massen in ihren Zügen vor dém Heuptportal des Reichstages vorbeidesilieren lässen, bätte sic weiterführen utd si{ in dèn Außenbezirken ruhig zer- treuen lassen. Stait dessen hat man sie rings ‘Uin das Gebäude zu- sammengeführt und hat sie zu einer ungeheuren Masse zusammengeballt. Wer könnte fi vorftellen, daß aus einer sol&en Masse, zu der ütimer neue Massen von hinten herangeführt wurden, und dic deshälb immer mehr nah vorn gedrängt werden mußte, niht schließlich doch ein Angriff gegen das Haus und gegen die Mannschaften der Sicherheits- polizei hervorgehen würde. (Zuruf bei den Unabhängigen Sojziäl- demokraten: Schließlich) Wollte man Gewaltakte und Zusammenstöße vermeiden, wollte tnan nur demonstrieren, dann mußie man die Massen so, wie man sic herangeführt haite, au wieder hinwegführen. (Sehr rihtig! inks.) Daß man aber dazu au nit den gevingsten Versuch cemat hat, sondern die unabhängigen Blätter behaupten ja: 200 000 Menschen, in Wahrheit sind es etwa 80000 gewesen; geräde genug! dort gusammengedrähgt hät, ‘das ist son cin Beweis, däß tan auf ein Ueberwältigen des Parlaments abgeschen hatte. Draußeu unter der Masse «aber waren die Mitglieder des roten Vollzugsrates tätig (Zuruf bei den Unabhängigen Sozicldemokraten: Die Hetneschen Spißtzel!), die Herren Malhahn und Wegner, die tauhten plößlih zu- fällig auf einem Rollwagen in ver Menge auf, hieltèn von dort Aúû- sprachen und winkten. Die Herren Müller und Heinen haben von dec Freitreppe vor Portal 1 herab Ansprachen an- die Menge gehalten uud haben nah cinem Beriéht ‘eites Augenzeugen, auch als die Schüsse et- folgt aaren, die gürü@weilerde Menge wieder vorwärts zu treiben ge- sucht. (Hört, höri!) Zufällig find photographische Aufnhimen gt- macht worden von außerhalb tes Hauses, die jeder als Ansichtspostkarte am Branderbaurder Tor bei einem Händler kaufen kann, Auf diefe Bilder beziehe 1ch mich. Da sieht mcn, wie die Sicherheitspoligei

friedlich und mit. gutem Zureden die Leute von der Treppe wegbringei will und wie die Beamten der Sicherheitspolizei bedrängt werden, wit auf fie cinges&lagen mird, wie die ‘Æute Widerstand leisten. Will man behaupten, daß diejenigen, die die Menge dahin geführt haben, nit gewußt hätten, daß es so kommen würde, so kommen mußte? Jetzt schieben freilich die Unabhängigen alles auf die 30 Matrosen, die dort aufgetaudt sind, und sagen, die wären die Verbreher gewesen. Selbst wenn zwifGen ihnen und den Arrangeuren der ganzen Sade fein Zusammenhang bestanden hätte, so hätten sich diejenigen, dic das

Boilk vahin gefübrt haben, fägen müssen, baß bei sol&er Gelegenheit immer solche Elemente auftaudben. (Sehr richtig!) Wenn es thnen darum zu tun gewesen wäre, friedlich zu demonstrieren, dann hätten sie diese Massen niht ohne Führung, ohne die Möglichkeit einer Führung dort u éinem ungeheuren Ball zusammenführen dürfen. (Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) An der Demon- itration im Tiergarten, äm 10. März 1910, habe ich teilgenommen als Abgeordneter des. 3. Wahlkreises und habe die ganzen friedlichen Demonstranten dort gesehen; in. fortwährender Bewegung, sich in den Gängen des Tiergartens zerstreuend, in Veineren Gruppen, niemals fich irgendwo anstauend. Diese Demonstration im März 1910 war durchaus friedlih und geseßmnäßig und wat auch fo geplant. Die Dinge, die sich am 13. Jänuúar abgespielt habe, waten von vörnherein -nders angelegt. Wenn es noch eines Beweises bédürfte, dann würden das die Aussagen einer Neihe von Zeugen beweisen, die bekunden, daß von vornherein eine Anzahl Abgeordneter, die zur Nationalversammlung gingen, zwischen dem Brandenburger Tor und dem Portal ber Ah- geordneten von der Menge beschimpft, bespuckt, beworfen, beschmutt und beleidigt worden sind. (Hört, hört!) Darunter tar der Ab- geordnete zur Nationalversammlung Herr Hugo Heimann. Es sind Offiziere, ute der Sichêrheitspoligéi, die für fich allein gingen, und die unter diese Demonstrantenzüge gerietèn, zu ciner Zeit, wo es noch nicht zu Zusammenstößen am Reichstag gekommen wär, aus den Wage gerissen, gemißhandelt worden. (Hört, hört?) Gin Militärfuhrwerk, das nah dem Schiffbauerdamm gefahren war und dort in dêr Nähe wartèn mußte, wurde beim Herannahen einer dieser Züge friedlicher Demonstranten von den friedlichen Demonstranten überfallen, die beiden Reichswehrleute wurden gemißhandelt, weggejagt, und auth charakteristisch das Fuhrwerk wurde samt dem Pferde gestohlen. (Große Heiterkeit.) Es ist bis heute noch nicht roitdergefunden.

Am 9. Januar hät in Charlottenburg eine Funktionärkonferenz der Unabhängigen Sozialdemokratie getagt nicht etwa der Koms- munisten, sondern Jhrer Pavteigenossen, der Unabhängigen Sogialle demakratischen Partei Deutschlands. Dort hat der Funktionär Wäg- mann gesagt, daß ain 13. Jánuar die Entscheidung darüber fallén würde, ob die Regierung mit der Arbeiterschaft oder gogen fie rogieron wolle. (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Soziaïdemolraten.) Der 13. Januar sei die Schicksalsstunde der Arbeiterschaft (höri, Hör), und am 13. Januar resp. in den folgenden Tagen habe die Regierung sich darüber zu entscheiden. Die Arbeiterschaft hätte es in der Hand, zu beweisen, ob sie an diesem Tage ihre Zukunft selbst gestalten und das Heft nunmehr in die Hand nehmen wolle. (Hört, hört!)

Es steht einmwandfrei fest, daß eine qroße Menge ber Demonstranten bewaffnet gewesen ift. (Hört, hörtt) Män braucht sich nur die drei großen Flügeltüren des Portals I ‘am Königsplaß anzusehen, um fest- zustellen, welche große Menge von ‘Eins{lägen von NRevolverschüssen fih darin befindet. Die Meahagonitüren find so ftark, daß nur die weniästen Geschosse burchgeschlagen find. Aber immerhin, wenn man zu einer solWen Demonstration mit dem Nevolver ïn der Tafche aht, so hat man nicht die Absicht, friédlich zu demonstrieren. (Zurufe von den Ukabhängtaen Sozialdemokraten.)

Meine verehrten Herren Abgeordüeten, Sie baben netürlih felbst zu entsheiden, aber ih halte es ‘für ausfihtslos, durch eine Aus- einanderschung mit dem Herrn Abgtotdneten Atolph Hoffmann zu einer Widerlegung zu kommen. Er witd sich nie überzeugen laffen. Darum witrde h & für besser beorlten tvenn t mir den Rat ‘èr- laubén daf —, ihn ruhig seine Zivishenbemerküngén als Monolog halten zu lassen. Ih habe és mir längst abgewöhnt, auf Brwvischenrufe

von dieser Seite zu antworten. (Abg. Adolph Hoffmann: Sie vèr- wechseln wieter Kanonen ‘mit Volksrechten!) Wie geistreith diese

Betnerküngen sind, steht män jevesmal, wenn auf ‘die Bemerkungen geschiegkn Wird. }

J wollte also sagen, meine verehrten Damen und Herrên, daß eine gewaltsame Unterwerfung der Regierung unket den Willèn diesér Kreîfe géplänt' war. ‘Das geht ja aud) us der Auffindung eines ganzen Waffenlagers auf cinem Laubengelände in der Östender Straße hervor. Dort sind 112 Gewehre, 2 Maschinengewehre und eine An zah! Handgranaten zu Toge geförveri worden. Wabrschèinlit man kann fagen, fider gibt s eine viel größere Zahl von Waffen in Berlin, die an--sol{en Orten versteckt find. Man kann threr natürlich nicht habhaft werten; denn es ist unmögli, alle diese Lauben- gelände, wo wahrscheinli die meisten vergraben sind, an einem Tage zu unitersuhen. Da müßten wir ein Heer von einigen Hunderttkausend Mann baben. So wie wir aber au ciner Stelle zu suchen anfangen, werden die- Weffon. natüzlih von den anderen Stellen weggeshleppt.

Es ist also nicht fo leit, das zu ändern, und wir werden warten

müssen, bis die Waffen an den Tag kommen und benußt werden, Und |

dartn wetden wir die Mittel ‘amvenden, mit denen man bewdfsneter Verbrecher Heir wird. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Der erfte Schuß, der am 13. Januar géfallen ist, ift gefallen auf das RNeichstagsgebäude, “hat erst die äußere Tür am Portal T durh- \hlagen, hat ‘einen Wachtmeister ber Sitherheitspoligei, der fih in diesem Rauin befand, getroffen, ift “han zur zur Séhulter hinausgegangen und hat dann dis zweite Tür durch- \{lagen. Das Geschoß ist im Wandelgang des Meichstags in dec Nähe der Kaiserstatue niedergefallen. Der Postdirektor des Reiths- tags hat den Mann gesehen, der den Schuß abgegeben hat, der mniht dureh eine zufällige Entladung abgegeben wurde; dieser Mann hat uf ciner der viereckigen Platiformen, die nah oben die Tréppe abs{liéßen, gestanden, hat angelegt und gezielt und horizöóntáll durch die Türen ge-" \{ossen. (Hört, hörtt bei den Sozialdemokraten.) Das. êéntsprit au genau dem Gang des Schußkana!ls, sowohl zwischen den beiden Türen als dur den getroffenen Mann. Jh selbst bin Unmilielhär dabei gewesen, ih selbst ‘habe diefen Schuß unmittélbar gehört, Bin sofort în

tiesen Raum geeilt und habe den verleßten Wachtmeister dort noch Aks ih in ten Wantélgang

liegen sehen, der eben getroffen ar. zurücktxat, um die nötigen Anordnungen zu treffen, da lief bereits €ïhn

unabbängiger Abgeörbneter herum und rief: Spihelarbeit, Spttéle

arbeit. (Hört, hört! bei ten Sozialdemokraten.) Hier möhte ih auth

erwShnén: es war .ho&t auffällig, wel& Menge von Anhängern ber ! Unabhänaiaëen, auth solche, tie gar nit Mitglieder des ReitbStags | sind, fi an diesetn Tage auf Grund von Vifitenkartên der Entpféh- |

lungen Eintritt in ‘den Neit#tàag versthäfft hatten. (Hört, Hör?) Draußen wtwen fit nit, ta konnte ja geschossen tverden, ber dritthtn (Zuruf bei den U. Soz.), und wenn es fo gekommen wäre, ie Ls rath meiner Meitung geplant war, nun, dann wäre das fehr {hön e- wesen, dartn hätte si ‘aleith ?iner auf ‘den Stiißl ves Präsidenten fében könnén, (Lebhafte Zurufe bei den U. Svg.) Wir Haben ja einige bon

Brust hinein-,

| Führer des Roten Vollzugsrats 'z. B., haben sich s{leunigst in Sicher- heit gebracht, ne am nächsten Tage. Kaum hatte der Herr Reichs-

! Erklärung abgegeben. Jett geht aus vem Gezänk zwischen den Herren | 24

Sen Leuten La Ftaußen naGträgliß verhaften können, die meiffen, die 1

fangler angefündiat, daß die Schuldigen zur Veraniwortung gezogen warden sollten, da waren sie alle wog. (Lebhafte Zurufe bei den U. Soz.) Einer von den Verhafteten, gegen die jeßt ein gerihilihes Unter» suchungêverfahren wegèn Lndfriedensbruchs, Aufruhrs und verbotenen Waffenbesißes “\hwebt, hat einem Mann der Sicherheitspolizei folgendes gestanden: Auch er dieser Angeschuldigte war am 13. Januar ‘im Reichstag8gebäude an der Freitreppe. Dort standen céina 30 Matrosen. Jh bemerke, daß diefer Mann si auch als Matrose bezeidmet. Es steht aber nit fest, daß er je Matrose ge- wesen ist. Jedenfalls war er dort als Matoofe gekleidet und er sagt: Wir drückten aegen die Sichetheitsposten vor, uin diese zu éntimaffneh Nachdem wir das getan hatten, haben wir ihnen erft eine anständige Wueht verpaßt und sie dann einmal durch die Menge ocführt, wo ihnen aunh noch eine ordentliche Traht Prügel verabfolgt wurde. Wo sie dann hingebvacht worden find, weiß ih nit, denn ih hatte vorne zu bun. Dann war ih gerade bei dem Posten, der vas Maschinengewehr aufstellen wollte Jch bin mit zwei anderen ‘vorgesprungen und habe ihm im Vercin mit diesen eine Wut verpaßt. Der soll an mich denken. Es ist möglich, daß das Aas krépiert ift. (58 ist Gott sei Dank nicht geschehen. Das schadet mchts. Jéden Noske und Grünen muß man totsagen, das sind keine Menschen. Das Maschinengewchr haben wir Fer- schlagen und sind dann weiter vorgedrungen.

Bei diesem Kerl hat man einen geladenen Revolver mit 60 Pas- tronen gefunden. (Hört, hört!) Das ift der friedliche Demonstrant gewesen. (Unruhe und Zurufe.) Der Mann heißt Sorge. Es schwebt aegen ihn ein Strafverfehren, (Zuruf.) Jch habe den Namen des Herrn Abgeordneten Ledebour gehört. Herr Ædebour hat ja in einem Kampf, den er vor Gericht geführt hat, 3 Wochen lang, glaube ich, seine Unsdaild beteuert und erklärt, daß er nit an den revolutionären Ereignissen vom Januar vorigen Jahres {huld hätte. Darüber, wie sein Name nében dem Liebknects 1nd Scholz" unter die Erklärung der Vebernabme der Negierung gekommen ist, hat er keine ausreichende

hervor, daß jeine ehemaligen Kumpane ihm vorwerfen, er hâtte diéfen wie sie sagen törichten, übereilten Streich von damals verschuldet, and jeht rühmt er sih ja ‘au, ein großer Mevolutivnär zu sein. Nein, meine Herren, kommen Sie mir niht mit der Añ- \{uldigung, taß ich den Herrn Ledebour zu Unrecht verklagt hâtte. | Zu Unretht. freigesprochen worden ist er. Das crgübt sich aus seinen cigenéèn Aeußerungen, (Zuruf)

Es sind glücklicherweise für die Ereignisse, die sich in und um den Reichstag abgespielt haben, ‘cine solde Reihe tlassischer, vollgültiger Drugen vorhanden, wie man selien für einen foldhen Vorfall zusanmmen- bekommt. Die Abgeordneten der Nationalversammlung oller Par- teien, natürli die Unabhängigen ausgenommen, die Journalisten aller möglichen Blätter ohne Unterschied der Parteirichtung, haben Gelegen- hait gehabt, bon ben Fenstern des Reichstages aus und zum Teil beim Zugang zum Reichstag alle diese empörenden Vorgänge mit eigenen Augen zu beobachten. Sie haben vor allen Dingen auch feststellen fönnen, mit welher musterhaften Ruhe und Zurückhalkung die Sier- heitäpolizei den ihr gegebenen Befehlen gemäß, slange Wie irgend mögli, die Anwendung der Waffengewalt vermieden hat. (Sehr richtig!) Auch noch nachdem der Schuß in den Reichstag gefallen wax, der einen Mann verleßte, und uninittelbar darauf oin zweiter Schuß, uld nachdem die Nevolverschüsse gegen die Türen prasselten, auch noch als eine große Anzahl von Mannschafien der Sicherheit8polizei draußen gemißhandelt und entwaffnet wurden, haben die Leute ni&t eiwa wild und blind und ohne Kommando darauf losgeschossen, was fehr begreiflich gewesen wäre (lebhafte Zustimmung), sondern sie find fest in der Hand ihrer Führung geblieben. Als von dem Nordportal ein Stoßirupp sich durcharbeitete, um die auf der Rampe stehenden, fcwer bedrohten und mißhandeliecn Sicherbeitömänner gu entlsehen, kam es zu den ersten Schüssen, und als sich nun die Menge nach dem Portal TI wendete, wohin: sie durch Winke ven Führern dirigiert wurde. (sehr richtig! und Zurufe), ‘da hat der kommandierende Offizier (andauernde Zurufe und Unruhe Glocke des Präsidenten —), da hat zunächst der dort Tomimnan- dierende Offigier einen Aleinen Trupp nah der Rampe zu geschickt, um dort die Mosscn zutückzuhalten. Das waren aber zu wenig Mann- schaften; sie kamen mit blutigen Köpfen, zum Teil entwaffnet, ohne Mützen gurücck, das Blut strömte ihnen über das Gesicht, einem wär tas Auge verleßt, Die Massen drängten immer nuher beran, und da hat der Hauptmann, der dort kommandierte, ‘die Mühe abgenommen, hat: deu!licb gewinkt und laut gerufen: „Zurück! Wenn Sie jegt nicht zurüdgehen, so muß ih schießen lasen!" Das hat keine Wirkung ge- habt. Die Massen sind nähergekommen, eingelne sind auf die Sicher- heitäpolizei vorgedrängt, da hat er die Sicherheiisleute bis an die Mauer zurückgetreten und Feuer geben lassen. Es ist aber nür einen Moment geschossen worden; ich kann mih auf mein Dhr verlassen, ih habe es selbst mitangehört. Von dem Augenbbick an, wo die erste Kugel im Reichstag einsckilug und den Wachtmeister verwundete, bis zu dem Augenblick, wo das kurze Rauschen der Masckinengewehre begann, - sind ungefähr 10 Minuten vergangen, solange hat die Sichevheitspollizei - s noch vermieden, von der Waffe Gebrauch zu maten. Als dann geschossen wucde, hat es eben in der Tat nur einen Augenblick gedauert. És ist œin Mascbinengewehr am Porial T1 in Aktion getreten, aus j dessen Patronenband 15 Schiß ‘abgegeben worden find. Wer weiß, - wie Maschinengewehre funktionieren, wird bestätigen, daß dieses nur einige Sekunden in Tätigkeit gewejen sein kann. (Sehr vichtig!) Jeder der Mannschaften, die dort «geschossen haben & waren % Mann Said haben 2 oder 3 Suß cbgegeben, ‘von denen noch ein Paar S&auß gu bot, über die Köpfe weggegangen sind. Das ist nicht immer praktif{. (Zurtife bei den Unäbhäne? 5m Soziäldemokraten.) Nein, es ist nit imnier vraktis® denn am Größen Stern urid an den Zelten sind gang Î harmlose Leute von Gesc(ossen getroffen worden, die man ‘nici getroffen . hätte, wenn man auf die Massen da vorn geschossen hätte. Die Schüsse haben die Leute getroffen, weil der eine oder der andere der Mann- : haften, sei es in der Aufregung, sei es aus S{bomng, zu hoch gehalten ; hat. Es ist sehr bedauerlich, daß zwei Damèn auf diefe Art ums Leben | gekominen sind, die mit den Ereignissen nichis zu tun hatten. (Hört, - hört!) Aber die Schüld kommt auf die, die es so weit haben kommen "assen. (Allseitige Zustimmitng. Widerspruch bei den Unabhängigen Sozicdemöfkraten.) Der {uldigste Teil in dieser Beziehung ift des

200 Mann Siterhbeil8polizei im Hause. @rauenhaften Schlacht auf den Korridoren uïd Tréppen gekoinmek, „viel s{litnmer und fuit* viel enlfehlitheren Folgen als das, was fh dênn draußen auf der Straße abgespielt hai. So tvar ‘dèr Plan,

muß man son sagen abgbschen ‘vön citigen Männern, die Présse i

ver Unabhängigen un® Kommunisten (Zustimmung und Miderspruch); „Die Freiheit“, die „Rote Fahne“, speziell auch die Wirksamkeit ein- gelner Männer. Jch werde so frei sein, Ihnen aus der „Roten Fahne“ und aus der „Freiheit“ oiniges wenige vorzulesen, nur ein paar Stif proben, ib habe nit die Absicht, hier stundenlange Vorlésuns?n Fit balten.

Sn der „Fretheit" vom 31. Dezember schrtibt der anaëblich legale Herr Breitscheidt: :

Der Sozialist, der in einer Situation wie der gegenwärtiget auf den weiteren Angriff verzichtet und sih auf die Nerteidigung beschränkt, gibt sein Ziel und sich selbs auf.

(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Und dann kommt der Protest aegen die Komptomißverhandlungen mit der Sozialdemokratie über. das Betriebsrätegeseb!

Fn der Nummer der „Freiheit“ vom 19. Dezember wird über den Unabhängigen Parteitag berichtet, Dort hat der unabhängige Führer Crispin_ gesagt:

Das Aktionsprogramm sagt, daß alle politischen Kampfmittel anzuwenden sind. Dabei geben wir uns keinen Illusionen hin übêr den Parlamentarisrus. Das Hauptkampfmittel bleibt die Aktion. (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Nach der Eroberung der peolitishen Macht hört für uns das bürgerliche Par- Llament auf und es tritt ein Nätekongreß zusammen.

(Sehr richtig! bei en Unabhängigen Sozialdemokraten Unruhe bei ven Sozialdemokraten. Glode des Präsidenten.) Wellen Sie mich nit weiter anhören? Das Zitat geht nämlich noh weiter. (Dauernde Unruhe. Glode des Präsidenten.) Crispin hät gesagt:

Es hat teShalb keinen Zwed, Forderungen an diefe Regierung zu richten, die fie nit erfüllen kann, ohne ihre eigene Macht zu untergraben.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Diese Reda von Crispin ist sehr bejubelt und von anderen unabhänaigen Rednern noh besonders hervorgehobon worden. Bitte, vergleichen Sie dieses ort mit der Situation am 13. Jamuar! (Lachen bei den Unabhän- gigen Sozialdemokraten.) Das von der Regierung vorgelegte Re- geseb sollte im Reichstag angenommen werden. Die Massen wurden dorthin von den unabhängigen Führern @eführt, um 1a, uin was zu tun? um Forderungen an die Regierung zu stellen, die diese nit erfüllen kann, das haben die Unabhängigen auëédrüdlich abgelehnt, (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Ao gibt es nur eine Möglichkeit, einen Zweck der Agitation: hier follle die n- mittelbare Aktion eintreten! (Sehr richtig! bei den Siozialdemokräten, MWiderspruh bei den Unabhängigen Sozialdemokratën.)

Herr Malbahn hat auch wieder für die Bildung von Kaps organisationen gesprochen. Es gibt geheime Kampforganisationen. Das sind diejenigen, die die Gewehre besiben. (Unruhe. Züruüf von den U. Soz.: In Jhrem Kopf sind auch einige! Glodte des Präsidenten.) Jn einer Vollversammlung der Berliner Arbeitérräte, über die die „Freiheit“ an 20. Dezember 1919 berißtet, hat der Redner Richard Müller ausgesprochen, nachdem er gésagt hat, die Aktion vom Januar und vom März wäre verwerslih ewesen, ‘da ft noch nit den rihtigen Boden îm Volke gehabt habe: (öft, Gott! bei den Soz.)

Bald stehen wir vor dem katastrophalen Zusanmewbrucch det Ebentinischen Aera. Das deuische Proletariat darf nicht wviéder ziel- und planlos in die zweite Phase der proletarishèh Reévolitivti hinernteorkeln,

(Hört, hört! bei den Soz.) Alfo anch er rethiei mii citem utmittela bar bevorstehenden vevolutionären Sturz der Regierung.

In derselben Generalversammlung hat später Herr Däuniig aésagt:

Crispin Hat den Mut gehabt, zu sagen, daß man der Gêwakk der Gegner wieder Gewalt cnigegenseßen müsse.

(Hört, hört! links.) Das vornehmste und entscheidendste Kampfmittel aer ist dis Aktion der Massen. Das war die Aktion, die man am 13. Januar vorhatte, utt tit 24. Dezembér schreibt in einem Artikel, vessen Verfasser micht genantit ist, ‘dié „Freiheit“:

Jett handelt s sich darum, doß die unabhängige Partei si nit bloß eine rêvolutionäre Partei ‘nennt und mit einem revv- lutiotären Programm paradiert, fondern ohne ängstliche Vor- urteile im tevolütionären Siane handelt.

(Sehr gut! links.) Ich könnte Jhnen noch ein Dußend solcher: Zitæie vorlesen, will aber darauf verzichten.

Dagegen will ich auänahmsweise einmal auf einen Zuruf ein gchen, den ih eben hier gehört habe, auf ‘einen Zuruf, der fih auf eine Bemerkung bezog, die ich in meiner Rede hier an derselben Stelle am 15. März vorigen Jahres getan habe, Jh habe damals gest, daß die unabhängigen Führer die Massen auf die Straße trieben, um dann, wenn mit deren Blut die Regierung gestürzt wäre, namentlich dur die Kommunisten, ihrerseits \elbft die Hertschaft zu ergreifen und die Früchte des Elends und der Not der anderen zu ernten. Mün hat es mir sehr übel genommen, daß tch einen Veraleih us dém,

Liebeslebon der Gässe damit verbunden habe. Und do muß ih sagen, die Sache steht heute ganz ébenso, wie fie vor ‘etnem Jähre ‘gestañden

hat. (Sehr rißtig! rechts) Auch hier wieder sind «e Drahtziehen, die felbst in Si@erheit sind, im Hinterhalt Bleiben, Und hinaus» gesdickt auf die Sträße werden die harnilosen Unschuldigen, K diésem Falle zum größten Teil wirklich friedfertige Massen, die feht man «uf die Sicherheitspolizei, bis die Sicherheitspölizei gezrunges

ist, von der Waffe Gebrauch zu machen, Man rehnéte därauf, däß

die Welle eindringen würde ins Pavlament. Und ih Tage ZJhnën,

meine Damen ünd Herren, es hat än Seékuriden gehangen. (Sehr

richtig! rets) Wäre am Portal 11 nicht in diesem Aiuyenblick {arf geschossen worden, dann hätte si eine Minute später ‘eine Másfe unaufhaltsam hinein ergossen (Abg. Adolf Hoffmann: Das lauben Sie ja selbst nicht! Gegénruf; Vielleicht wärèn fie freiwillig wieder zurückgegangen? Heiterkeit) mit ver Absicht, das Patltmetit zu vergewaltigen. Es wäre mch{Gt gelüngen; es lagén oh über Es wäre abêr zu einer

so war der Ausgang. Die 42 blutenden Todes8opfer haben ‘das tiefste Mitleid der Regierung. Jhr Blut sc{reit zum Himmel, aber nicht gegeh uns, sondern gegen die, die es dahin gebraht haben. (Sehr richtig! Abg. Adolf Hoffmann: Das witd die Geschichte lehren)

T E ä : A fai mbe ror ans ade roe: Siu ire É Z E fd grit: n L s Cm M Zt Lu Maa: 2E rere E E L

E L E B E Ä

t f 4

f

d I 5 j