1898 / 17 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Qualitäs

gering

mittel | gut Verkaufte

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

niedrigster f

hödster | niedrigster | höchster M M. M M E 4

ntedrigster

Doppelzentner

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nah überschläglier Schäßung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

Durc(hschnitts- Verkaufs- preis

werth für 1 Doppel- | \chnitts- zentner preis

i

Am vorigen Markttage

Durch-

18,40 19,00 18,00 11,50 13,00

12,10 17/00 17:00

Dinkelsbühl Schweinfurt . D ee Schwerin i. M. . AleWua Landsberg a. W. . Breslau . i Laupheim Ueberlingen .

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Insterburg . Í Sus R E Prenzlau . i; Luckenwalde .

Potsdam Í

10,00 13,50

Fürstenwalde, Spree rankfurt a. O. 12,00 tettin . L O e O Ee 13,80

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Stargard R

Naa S s 12,80

Greifenberg i. P. -—

Schivelbein 12,00

Dramburg . ba

Neustettin 12,40

Köslin i 13,20

Lauenburg i. P. a

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Rawitsch

Militsch .

Frankenstein

Lüben ;

Schönau a. K.

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Salzwedel .

Halberstadt .

Eilenburg

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Goslar .

Duderstadt . 12,67

E a e e e A 13,75

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Dinkelsbühl N 13,60

Schweinfurt 14,00

O s 12,80

Schwerin i. M. . 12,00

Braunschweig . 15,00

Altenburg ¡ 14,00

Landsberg a. W,

Breslau . 12,60

Laupheim 12,60

Ueberlingen . 13,00

12,30 13,00 13,00 12,00 12,75 12,00 13,20 13,50 14,50 15,00 12,50 14,00

do S

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt,

No: Gerste. 18,80 19,00 19,00 19,25

18,60

12,00 16,00 13,00 13,70 18,20 17,38

18,60 19,00 18,40 12,00 13,00

12,60 18/00 17:00

19,20 19,50 19/40 14/30 17,00 14,90 15,70 18,80 17,50

19,25 19,50 18,80 19,00 1250| 14,00 16,00 17,00 13,00 14,00 14,00 |

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14,60 18,60 17,50

Hafer. 14,40 |

18,40 17,38

—— 14,40 11,60 | Es 13,50

10,80 1430 | |

13,50 14,30 14,60 14,50 13,60 14,00

10,40 13,90

14,75 15/20

15,00 14,20 13,50 13,00 13,60 13,60 13,00 12,80

13.60 13 60 14.00

13,30 14,00 14,20 14,00 14,00 13,20 14,90 15,50 16,00 16,00 i 13,00 600 16,00 h

14,67 14 15,00 75 15,20 465 15 14,06 30 14,20 69 14,50 : 15,00 4309 14,00 :

15,70 16,40 14,00 14,00 ñ 14,80 60 15,30 4

14,75 15,20

| 15,00 14,20

14,60 14,50 13,60 14,00

12,00 13,80

E 13,50 13,00 13,40 13,60 13,00 12,80

13,20 13,60 14;00 13,10 13,50 14,20 14,00 13,75 12,40 14,00 14,75 15,50 16,00 13,00 15,60 14,00 14,50 14,88

1890 12,80 | 13/20

12,00 12,40 13,20 12,80 12,80 13,20 E 13,60 13,70 12,70 13,25 13,80 13,60 13,25 12,20

14,25 15/00 159,75 412/70 15,10

13,30 13,20

12,40 13,20 13,00

13,60 14,00 12,90 13,50 13,80 13,60 13,50 12,80

15,00 15,50 15,75 12/70 15,50 14,00 14,50 14,80 15,50

14,00 14,2% 14,40 13,00 15,40 15,80 13,80 13,60

12,50 13,25 13,00 12,00 13,00 12,60 13,20 14,50 15,00 15,00 12,50 15,00 13/33 13,33 14/00 | 14/00 _ 14 29 _ 1560

13,80 13,90 14,00 14,25 13,80 14,00 12,50 12,50 15,00 15,40 14,00 15,80

13,80 13,00 13,40 12,60

13,60 13,00 14,66

13,60 14,00 14,50 14,60 13,00 15,70 16,40 14,00 13,70 14,00 14,20 14,66 15,30

Bemerkungen.

S

18,77 : 10 18,66

18,31

14,70 11,60

14,30 14,82 14,42

13,96

12,90 13,40 13,20 12,00 12,80

13,41 14,00 13,67 12,90 13,25

Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strich) (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niht vorgekommen ist; ein Punkt (.) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag. 20. Sißung vom 19. Januar 1898, 2 Uhr.

Das Haus seßt die erste Berathung des von dem Zentrum eingebrahten Entwurfs eines Gesetzes, betreffend A ende- rungen und Ergänzungen des Strafgeseßbuchs, fort.

Abg. Dr. Höffel (Np.): Ih begrüße den erneuten Versuch, im Wege der Geseßgebung den Auswüchsen entgegenzutreten, welche tägli immer mehr bervortreten, das öffentlihe Leben immer mehr vergiften und Tausende von Existenzen vernihten, mit Genug- thuung. Nächst der Tuberkulose und dem Alkoholismus hat die Menschheit keinen größeren Feind als die Syphilis, welhe dur Uebertragung der Krankheit von den Eltern auf die Kinder Unglück über die Familien bringt. Als die Regierung vor sieben Sabren ihre Vorlage mate, war man in Deutschland allgemein der Meinung, daß die gegenwärtige Reglementierung in dieser Sache eine falsche sei. Aber man hat auch bald erkannt, daß die damals ge- machten Vorschläge keine Besserung brachten. Denn die Statistik beweist, daß da, wo eine Kasernierung oder Lokalisierung der Prostituierten stattfindet, die Zahl der Kranken eine sehr viel gtapere ist als in anderen Gegenden. Die Frage ift sehr heikler

atur; deshalb wird sie in der Kommission geprüft werden müssen. Der gegenwärtige Zustand - mit seinem Widerspruch zwishen § 180 und 360 des Strafgeseybuchs is durhaus un- haltbar. ODringend nothwendig is der vorgeschlagene § 182 a : dem auf Erwerb angewiesenen jungen Mädchen muß ein Schutz gegen lasterhafte Zumuthungen gewährt werden. Auch bezüglih der un- sittlihen Druckschriften is eine Gefahr vorhanden, besonders wenn man an die Kolportageromane denkt, die in die breiten Massen des Volkes dringen und dort von Hand zu Hand weitergehen. Die sitt- lihe Gefahr der Theater ift ebenfalls sehr groß, weil die Jugend jeßt viel selbständiger lebt als früher. Wir wollen nicht zweierlei Moral, wir wollen diefelbe Moral für Hoh und Niedrig, für Arm und Reich, für Mann und Frau. Deshalb möchte ih die Regierungen bitten, wenn der Reichstag den Antrag annimmt, den Beschluß nicht einfa in den Papierkorb zu werfen, sondern im Interesse der Sitt- lihkeit anzunehmen.

Königlich sähsisher Bundesraths-Bevollmächtigter, Geheimer Rath Dr. Fischer: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat soeben zurück-

egriffen auf Aeußerungen des Herrn Abg. Bebel, die er bei der ersten

erathung des vorliegenden Geseßentrourfs gethan hat. Ih halte mich für verpflihtet und bitte um die Erlaubniß, auch meinerseits auf eine bezügliche M des Herrn Abg. Bebel zurückgreifen zu dürfen, und zwar auf seine Aeußerung über den Verlauf eines harm- losen RKeglerfestes in Dresden im Jahre 1894, * (Zuruf links.) Gewiß, Herr Bebel, haben Sie nur die Güte, mih ausreden zu lassen, und antworten Sie dann. Als ih die Ausführungen des Herrn Abg. Bebel gelesen habe ih war an dem Tage im Saale nicht anwesend, ih konnte au garnicht annehmen, daß Herr Bebel dieses harmlose Keglerfest in Verbindung zu bringen versuchen würde mit dem Gegenstand der Berathung —, als ih die Ausführungen oa habe, habe ih mir sofort gesagt, daß sie zum mindesten stark

bertrieben sein müßten; denn, meine Heuren , war zu der ge n Dresden wohnhaft, und es müßte entweder amtli oder niht amtlich von den fkandalösen Vorgängen,

wenn solhe \sich ercignet haben würden, etwas zu meiner Kenntniß gekommen sein. Dazu ift Dresden doeh nit groß genug, als daß man davon nichts hôren follte, Meine Annahme hat si au bestätigt, und unsere Regierung hat sich veranlaßt gesehen, aus- drücklih eine Berichtigung dieser Auéführungen ergehen zu lassen. Der Herr Abg. Bebel hat unter anderem behauptet und das ift das Einzige, was in seinen Ausführungen wahr is —, daß den Keglervereinen gestattet worden war, einen öffentlihen Aufzug zu ver- anstalten, während dieser den Bereinen seiner Partei am 1. Mai ver- boten worden war. Er fährt aber dann fort: Die Herren Kegler haben naher in sfkandalösester Weise tagelang in den Straßen Dresdens, in Equipagen, auf den Eisenbahnen und Dampfschiffen nach den Vergnügungsorten in der Nähe der Stadt ih mit öffentlichen Dirnen herumgetrieben, die haufenweise zu diesem Feste nah Dresden gekommen waren, und haben sich in den Straßen zum öffent- lihen Skandal benommen. Da hatte die Polizei nihts dagegen, fie ließ alles ruhig gewähren. Ich habe nicht gehört, daß irgendwie da- gegen eingeshritten worden wäre. Auf Grund der angestellten Unter- suhungen kann ich fonstatieren, daß von einem Zusammenströmen offentliher Dirnen anläßlich dieses Festes nah Dresden nicht die Rede ewesen ist. Allerdings hat sih in diesen Tagen der große Kreis an- Kändiger Frauen und junger Mädchen in Dresden vermehrt dadurch, daß die Kegler ihre Frauen und ihre Töchter mit nah Dresden brachten, um ihnen Gelegenheit zu geben, diefe Stadt zu sehen. Aber von herbeigestrômten „Dirnen“ kann gar keine Rede sein. Außerdem ift auch nicht eine einzige Ausschreitung erfolgt, welche der Polizei gereht- fertigten Anlaß gegeben hätte, einzuschreiten. Nur im Zoologischen Garten is ein Unfug seitens einer Singspielgesellshaft verübt worden, und die ist an dem Leiter dieser Singspielgesellshaft polizei- li entsprehend geahndet worden. Einer der gestrigen Herren Reder sprah unter anderem aus, daß es dem Herrn Abg. Bebel wiederholt passiert sei, daß Behauptungen, die er im Reichstage auf- gestellt habe, sich nachher als nicht wahr oder zum mindesten als übertrieben dargestellt hätten. Diese Behauptung if ohne Wider- spruch geblieben ih möchte allerdings konstatieren, daß der Herr Abg. Bebel dabei im Saal nicht anwesend war. Jh habe auch niht den Beruf, nachzuforschen, ob diese Behauptung richtig ist; das aber kann ich auf Grund meiner eigenen Wahrnehmungen sagen, daß, wenn der Hecr Abg, Bebel irgend welche angebliche Verfehlung von Angehörigen anderer Parteien oder Unterlassungen von Behörden hier vorbringt, er nicht nur, wie es vielleiht auch von anderer Seite geschicht, grau in grau, sondern s{chwarz in s{hwarz malt. Er scheint auf seiner Palette in der That die weiße Farbe nur zu dem Zwecke zu haben, um die Bestrebungen und das Verhalten seiner Partei immer in das rehte Licht zu segen und herauszustreihen. Jch glaube, es ift nicht zu viel verlangt, sondern es is ein Gebot der Gerechtigkeit und der Billigkeit, daß, wenn man von einem so ge- shüßten Ort aus, wie es der Reichstag für die Herren Abgeordneten ist, einen so ungeheuerlihen Vorwurf gegen einen Kreis geachteter Frrioma und öffentlihe Behörden rihtet, man dann wenigstens besser n

formiert ist, daß man insbesondere sih auf die Berichte gewissen- hafterer Gewährsmänner verläßt, als es in dem vorliegenden Fall zweifellos geschehen ift.

Abg. Beckh (fr. Volksp.): In die Vorlage der verbündeten Regie- rungen sind Dinge hineingebraht worden, die den Bau durchaus nicht festigen. Der Antragsteller Abg. Dr. Spahn hat von der Zunahme der Chescheidungen in Deutschland gesprohen, Wenn in Italien und

England die Zahl derselben eine geringere it, T0) Tieat bas an der Ershwerung der Ehescheidung dur die Gesetzgebung ; aber sind deshalb dort die fittlihen Verhältnisse besser? Durch die Erleichterung der Ehescheidungen sind die sittlihen Ver- hältnisse in Frankreich gebessert, wenn auch dort immer noch eine große Maitressenwirthshaft herrsht; aber solWhe Dinge kommen bei uns auch vor, Ih will nur den Fall Hammerstein erwähnen. Be- sonders bedenklich is die Bestrafung der Eltern wegen Kuppelet, weil sie den Verkehr. ihrer Kinder mit ihren Verlobten gestattet haben. Die Erhöhung des Schugalters für Mädchen vom 16. auf das 18, Lebensjahr ist praktis unhaltbar. Herr Schall spra fo, als wenn die Sittlichkeit besonders in den großen Städten gefährdet sei, aber wer auf dem Lande gelebt hat, weiß, daß die Sittlichkeit auf dem Lande au nit größer ist als in der Stadt. Die Jeremiade, daß das moderne Babel der Quell aller Unsittlichkeit sei, ist durhaus unberehtigt. Ganz entshieden muß ih mi gegen die Bestimmungen erklären, die auf den Gebieten der Literatur und Kunst den bestehenden Straf- bestimmungen noch weitere hinzufügen wollen, zumal der Geschmack auf diesen Gebieten sehr verschieden ist. Daß nur auf dem Boden des Christenthums die Kunst wahrhaft Großes geschaffen hat, ift unridtig. Die klassishen Künste, die uns die besten Meisterwerke hinterlassen haben, find nit auf religiösem Boden erwachsen. Wenn der Antrag Geseß wird, müssen unsere Museen- einfah geschlossen werden; die größten Meisterwerke von Schiller, Goethe, Shake- speare 2c. müßten aus der Lektüre und aus dem Theater verbannt werden. Medner beantragt ebenfalls ‘die Ueberweisung des Antrages an eine Lon,

Abg. von ali\ch (d. kons.): Die Ausführungen des Vorredners haben mich sehr enttäusht. Daß er angesihts des großen Nothstandes, der den Antrag veranlaßt hat, nur die reine öde Negation hat, das bedauere ih sehr; denn es hängt von dieser Frage nit bloß die Sitt- lichkeit, sondern au die Gesundheit des deutschen Volkes und die Entwickelung der nachwachsenden Generation ab. Diesen Dingen gegenüber kann die Polizei niht unthätig bleiben. Mißbräuche find vorgekommen und werden wohl immer vorkommen. Jh muß aber gegen die Verunglimpfungen, die den Polizeibeamten zu theil geworden sind, protestieren. Daß gewisse \{hlechte Sitten in einzelnen Landes- theilen vorhanden sind, ist kein Grund, mit der Geseggebung zurü- ¡uhalten. Die Geseye sollen die s{hlechten Sitten verbessern. Der wahre Künstler wird dur den Antrag nicht beschränkt. Aber wenn die Pinsler und Sudler eingeshränkt werden, so is das durchaus dankenswerth. Was Luther irgend einmal geschrieben hat, ist nicht Spo bens für mi, sondern lediglih seine Auslegung des seten

ebots.

Abg. Iskraut (Neformp.): Wir haben aus taktishen Gründen dem Zentrum in dieser Frage den Vortritt gelafsen, weil ein Antrag des Zentrums mehr Anklang findet als ein Antrag von uns. Das Zentrum wird den Widerstand der Regierungen besiegen. Denn nicht der fittlihe Stumpffinn des Volkes is s{huld daran, daß der An- trag noch niht Geseß wird, sondern daß die Regierungen noch nicht den Widerspru des § 360 aus dem Strafgeseßbuch binausgesGafft haben, daß sie niht sehen wollen, was alle sehen. Denn seit 1869 wird der Reichstag _ mit Petionen überhäuft, die dem be- stehenden ilanne in tus auf die Prostitution ein Ende machen wollen. Aber die Regierungen wollten nichts sehen, bis der Mau Heinze kam. Ohne diesen Vorfall wäre bis heute noch keine

egierung8vorlage ers{ienen, deren Annahme damals die Thronrede

dringend empfaÿl. Deshalb if zu hoffen, daß der Widerstand der Re Fran en si überwinden lassen wird, und deshalb þin ih nicht für Ue reelfln der Vorlage an eine Kommission, damit der Neichstag {Pnell zu einer Entscheidung kommt. Der Antrag wendet sich nicht gegen die Kunst, sondern lediglich gegen die Unzuht, gegen die gewerbsmäßige Unzuht und gegen die Kuppelet, die tin keinem Fall vom Christenthum gebilligt werden fann. Die preußische Polizeipraxis {ütt die fih meldenden Prosti- tuierten. Dieses Verfahren is durchaus nicht juristisch haltbar ; denn es wird die geheime Unzucht bestraft, die offentlihe bleibt \traflos, namentlich bleibt die Männerwelt, die die Hauvt- {chuld trägt, straflos und wird ihrer Ehre nicht beraubt. In Hamburg und Kiel bleiben die Bordelle bestehen. 1895 petitionierten die Bordellwirthe Kiels dagegen, taß der Staatsanwalt gegen fie einschritt, troßdem sie die polizeilihen Vorschriften befolgten und den untersuhenden Aerzten Zimmer in ihren Bordellen zur Ver- fügung stellten. Wie kann die preußishe Regierung diese Zustände Aufcadt erhalten? Durch § 184a. wird die Kunst nit ge\chädigt, fondern nur dann tritt er in Geltung, wenn Naktheiten und Scham- losigkeiten lediglich des Geldverdienens wegen ausgestellt werden.

Abg. Roeren (Zentr.): Der § 184 a soll die noch unverdorbene Jugend s{hüßen durch das Verbot der Ausstellung shamloser Bilder; der § 184 erreiht diesen Schuß nicht, weil er nur von unzüchtigen Schriften und Bildern \priht. Durch s\olde Bilder wird die Phantasie angeregt und die jungen Leute {ließlich auf den Weg des Lasters gebracht. Jn Düren sind von der Strafkammer zwei fünf- zehnjährige Burs®en wegen Sittlichkeitsvergehen verurtheilt worten ; fie sind durch die Lektüre unsittliher Schriften verführt morden. Vier Richter unter fünf müssen der Meinung sein, daß durch grobe Un- anständigkeit das Schamgefühl erheblich verleßt ist, ehe eine Ver- urtheilung- erfolgen kann. Darin liegt doch eine große Garantie. Das Schamlose foll getroffen werden, galeihgültig ob es einer \o- genannten Kunst oder der brutalen Roheit seine Entstehung verdankt. Bezüglih dessen, was Herr Pieshel von der Natur sagt, welhe der Maßstab der wahren Kunst sein foll, fo weiß ich niht, ob er damit die Sittenlehre Christi als zu ein- seitig, von der Wahrheit abweichend bezeichnen wollte. Wollte er aber nur sagen, das Natürliche als das einzig Wahre müsse öffentlich abgebildet werden können, so winden wir damit hinter die wildesten Völkerschaften zurücktreten. Die weiblichen Dienstboten und Arbeiter müssen gegen unsittlihe Angriffe ihrer Arbeitgeber ges{hüßt werden. Es wird das Abhängigkeitsverhältniß in der \chändlich}t:n Weije mißbraucht. (Zwischenruf bei den Nationalliberalen : Beweise!) Die Beweise, die von einem Verein zum Schuh weiblicher Angestellten gesammelt sind, werde ih der Kommission vorlegen. Daß die Che vielfa nur als Geschäft be- trahtet wird, ist eine Folge davon, daß man von der christlihen und fittlihen Auffassung der Che abgekommen ist; daber kommen auch die vielfachen Ehescheidungen. Gegen Menschen- und Viehseuchen haben wir ein ganzes Arsenal in urserer Geseßgebuna. Sollte der Reichétag nit seine Hand dazu bieten, gegen die moralischen VerseuGungen des Volkes einzuschreiten? Zur sittlihen Erziehung des Volkes ift die Kirche, die Schule und die Familie berufen. Der Staat muß nur verhindern, daß das, was Schule und Kirche aufgebaut haben, wieder niedergerissen wird.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Wunderbar ift es, daß die ver- bündeten Regierungen, die 1892 selbst die Initiative ergriffen baben, ihre Vorlage sech8 Jahre ruhen lassen. Aber die Vorlage war dawals ein Gelegenheitsgeseß, für welches kein Bedürfniß vorlag, jedenfalls kein dringenderes Bedürfniß als für manche andere der Reform bedürftige Bestimmuna des Strafgesetz- bvchs. Die Prostitution auf der Straße, die sich aufdrängat, ist \{chlimmer als diejenige in den Bordellen, die erst aufgesudt werden muß. Die Vorlage der Reaierung kam mit ibrem Vorschlage zu § 180 der Kasernierung ter Prostitution nahe. Wir wollen au die Jugend vor der sittlichen Verseuchung bewahren; aber wird das nicht erkauft durch manche Verschlehterungen, die in der Vorlage liegen? Jedenfalls können die Vorschläge nicht unverändert angenommen werden. Besonders bezüalih der Ankündigung von angeblich unsittlichen Schriften wird die Presse vielfah geschädigt werden; denn Sie können den Anzeigen niht ansehen, ob die angezeigte Schrift unsittlich ist. Es ift unmögli, in ein Strafgesey / solde Auédrücke aufzunehmen wie: „Durch grobe Unanständigkeit das Scham- und Sittlichkeits- gefühl erheblich verlegen“, die nichts Bestimmtes aussagen. Es liegt die Möglichkeit vor, daß wir mit diesem Antrag polizeiliche Vexationen zahlreicher Kreise eintauschen. Jh wünsche, daß die Kommission etwas zu stande bringt, was die verbündeten Regierungen ohne weiteres ans nehmen können.

Abg. Schall (d. kons.): Ich habe am vorigen Donnerstag nur allgemeine sittlihe Gesichtspunkte hervorgehoben und bin nit auf die Einzelheiten eingegangen. Herr Bebel hat ih in anerkennenswerther Weise dieser Einzelheiten angenommen. Ich will ihm daraus keinen Borwurf maten, aber er hat immer fo gethan, als ob die sittlichen Schäden nur auf Seiten der kapitalistischen Parteien beständen und von dieser Seite vertusht würden. Herr Bebel hat auf eine Peti- tion verwiesen, welhe den § 175 des Strafgeseßbuchs beseitigen will. Ich war ershreckt über diese Mittheilung. Ich stehe bei dieser von berühmten Persönlichkeiten unterzeihneten Petition vor einem Räthsel. Wenn wirklich das, was Herr Bebel in Bezug auf Berlin behauptet, besteht, dann müssen wir auf dem Wege der Gesetzgebung einschreiten. Wenn in zahlreichen Großstädten öffentliche Häuser bestehen, so wider- fpricht das der Sittlichkeit und dem Recht; darin stimme ih Herrn Bebel vollständig zu, daß der Staat dur Konzessionierung öffentlicher Häuser nicht das sittliGe Bewußtsein seiner Angehöriazen untergraben dürfe. Weder kaserniert noch lokalisiert darf die Prostitution werden,, denn die Lokalisierung würde immer in den ärmeren Stadttheilen statt- finden zum Schaden der dort zahlrei si unbeaufsihtigt aufhaltenden Jugend, ohne daß durch eine folhe Reglementierung ein öffentlicher Nutzen geschaffen wird. Als ein nothwendiges Uebel dürfen wir die Prostitution nicht betradten, und es muß gegen beide Geschlechter gleich- mäßig verfahren werden : es dürfen niht bloß die Frauen, sondern es müssen au die Männer bestraft werden, wie dies die Frauenvereine verlangen. Eine tiefgehende Reform der Sittenpolizet ist jedenfalls dringend noth- wendig und, wie die leßten Fälle beweisen, wird man bei der Hand- habung der Polizei die Frauen hinzuziehen müssen. Der Reformator Luther bedarf niht des Schutze? von der Neichstagétribüne. Weil aber die Ausführungen Bebel’s den Schein erwecken könnten, als hätte Luther si bezüglih der Ehe zweifelhaft verhalten, so will ich anführen, daß Luther \sih darauf beruft, daß die Ehebrecher gesteinigt werden follen,

Abg. Zimmermann (Neformp.) kommt auf das Bundesfest deutscher Kegler zu Dresden zurück und widerspriht den unrichtigen Behauptungen des Abg. Bebel auf Grund eigener Beobachtungen. Der Keglerbund, fährt dann Redner fort, hat Herrn Bebel bereits geant- wortet, und wenn Herr Bebel Beweise zu haben glaubt, so kann er sie ja bei der richtigen Stelle anbringen. Es muß aber auch aus dem Hause eraus dagegen protestiert werden, daß Herr Bebel ohne jeden Beweis roße Klassen der Gesellschaft angreift. Herr Bebel vergleicht die Mait- eier mit dem Huldigungézuge der Kegler vor dem König Albert. Das entspriht nicht dem Geshmack aller Patrioten. Es gingen bet der Mai- feter nicht arglose Gruppen durch die Straßen, fondern es war eine Machtentfaltung beabsichtigt, gegen die die Polizei einschreiten mußte. Jch muß protestieren, daß man die Tausende von Männern und Frauen, die zu einem harmlosen Fest zusammen- gekommen waren, in dieser Weise im Reichstage hecrabsezt. Ist Herr Bebel bereit, nahdem ihm amtlich die Unrichtig- keit seiner Behauptung nachgewiesen ist, seine Beschuldigung zurückzunehmen und die Ehre der Kegler wiederherzustellen? Ihre ganze Taktik (zu den Sozialdemokraten) muß vor der Oeffentlich- eit gekennzeihnet werden, Herr Bebel kann \ich höchstens auf die „Sächsische Arbeiterzeitung" als Zeugen berufen ; deren D keit ift aber [hon mehrfach für zu leiht befunden worden. Die etadelten antisemitishen Bilderbogen sind meines Wissens nicht schamlos gewesen, man lige denn jede Karikatur der Juden als

hamlosigkeit betraten. egen diese Verwechselung der Begriffe will ih Verwahrung einlegen.

Abg. Bebel (Soz.) verwahrt si zunächst dagegen, daß er leére

| Behauptungen ohne Beweise in die Welt RBlc bere Bezüglich des NRedakteurs Fink von der „Post“, der die Fischer\he Broschüre über- arbeitet habe, habe er jeyt die Beweise in der Hand, daß das, was er am 15. Dezember behauptet habe, wahr sei. Er lege den geriht- lichen Beweis dafür auf den Tisch des Hauses nieder. Die Dresdener Polizei sei zur fraglichen Zeit amtlich nicht unter- rihtet worden, wie groß der Zumg zu dem Keaglerfest ge- wesen. Die Dirnen ließen sih natürlich nicht als Prostituierte einshreiben, aber sie „erschienen dort zu allen Festen, auch zu patriotishen. Die „Sächsische Arbeiterzeitung“ sei mehrfach verklagt worden. Die Sozialdemokraten ständen ja überhaupt dem Staate piel unabhängiger gegenüber als die Parteien der Rechten, die um Vortheile vom Staate buhlten. (Präsident Freiherr von Buol ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnung.) * Er erinnere nur an die Skandale auf dem Berliner Bundesschießeri und an die Frauenpetition an den Ober-Bürgermeister von Forckenbeck. Der Abg. Schall habe die Unsittlihkeit auf dem Lande bestritten. Sie trete zwar dort nicht so kraß hervor, aber sie sei ebenso stark vor- handen wie in den großen Städten. __ Abg. Zimmermann: Der Abg. Bebel hat Beweise erbracht für Dinge, die mit der Sache gar nihts zu thun haben. Er stüßt fi lediglih auf Erzählungen und die „Sächsische Arbeiter-Zeitung“. Diese ist wiederholt wegen beweisloser Privatbeleidigungen verurtheilt worden. Herr Bebel mag seine Behauptungen vor Geriht wieder- holen. Einzelne Ausschreitungen mögen vorgekommen sein. In der Allgemeinheit s seine Behauptungen unbewiesen geblieben.

Abg. Bebel! Zu den sächsischen Gerichten, und vor allem den Dresdener, habe ich kein Vertrauen. Oer Reichstag ist auch das beste Forum für sol@e Dinge.

Abg. Dr. Pieschel (nl.) verwahrt \sich nochmals gegen die Miß- verständnisse, die seiner Rede bei dem Abg. Noeren hinsichtlich der Kunst und Schönheit begegnet seien. Er könne nur wiederholen, daß es Schaustellungen gebe, die der ganze Reichstag vermöge des sittlichen Niveaus, auf dem er stehe, besuchen könne, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen.

Damit {ließt die Diskussion. Nach einer Reihe persön- licher Bemerkungen und einem Schlußwort des Abg. Dr. Spahn (Zentr.) wird der Antrag 'einer besonderensKommission von 14 Mitgliedern überwiesen.

Der Präsident theilt mit, daß der Abg. Freiherr von Gültlingen verstorben ist. Das Haus ehrt dessen Andenken in der üblihen Weise.

Schluß 71/4 Uhr. Nächste Sißung Donnerstag 2 Uhr. (Etat des Reihsamts des Jnnern und der Justizverwaltung.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 5. Sißung vom 19. Januar 1898.

Das Haus seßt die erste Berathung des Staatshaus- halts- Etats für 1898/99 fort.

Justiz-Minister Sch önsted t:

Meine Herren! Ih will Sie niht lange in Anspruch nehmen. Am S(hlufse der gestrigen Sißung hat Herr Abg. Motty eine Rechts- frage aufgeworfen, deren unverzügliche Klarstellung mir erwünscht er- scheint. Er hat nämlih bemerkt, gegenüber dem dem hohen Hause vorliegenden Gesetzentwurf, betreffend die Beförderung deutscher An- siedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen ein Geseh- entwurf, in dem eine Verstärkung der Mittel für das Ansiedelungs- wesen in diesen Provinzen verlagt wird —, daß es sich wohl kaum lohnen werde, für die Ausführung eines Geseßes noch weitere Mittel zu bewilligen, welhes im Absterben begriffen sei, und er hat zur Be- gründung dieser Ansicht sich auf die Verhandlungen des Reichstags zum Einführungsgeseß des VBürgerlihen Geseßbuchs berufen, Er hat hervorgehoben, im Entwurf dieses Einführungs- geseßes sei au bestimmt gewesen, daß unberührt bleiben follten die lande8geseßlihen Vorschriften nicht bloß bezüglich der Nentengüter, sondern au bezüglich der Ansiedelungsgüter, daß aber der Borbehalt bezüglih der leßteren ohne Widerspru auf An- trag eines polnishen Abgeordneten, des Herrn Abg. von Czarlinskt, im Reichstage gestrichen fei. Damit sei also das Shicksal dieses Ansiedelungsgeseßes besiegelt. Dasselbe müsse am 1. Januar 1900 ich glaube wenigstens ihn so verstanden zu haben; die Zeitungen berihten niht eingehend über die Rede des Herrn Abg. Motty feine Geltung verlieren.

Meine Herren, die Thatsachen, die der Herr Abg. Mot1ty angeführt hat, sind durchaus richtig und unbestreitbar. Das Gleiche gilt aber nicht von den Folgerungen, die er daran geknüpft hat. Es ift ganz richtig, das im Entwurf des Einführungsgeseßes ein Vorbehalt sich fand auch bezüglih des preußischen Ansiedelungsgeseßes. Die Fassung des Entwurfs war hon in der Neichstagskommission dahin erweitert, daß der Vorbehalt sich nicht auf diefes Ansiedelungsgeseß speziell beziehen soll, sondern überhaupt auf die etwa geltenden Ansiedelungs- gesete.

Nun hat bei der zweiten Berathung, ih glaube, der Herr Abg. von Cegielskfi, und bei der dritten Berathung der Herr Abg. von Czarlinski die Streichung dieses Passus beantragt, und zwar der Abg. von Cegielski, wenn ich nit irre, mit der Motivierung, daß die veränderte Fassung, die die Kommission beshlossen habe, an der Sache selbst nicht ändere, und daß es do \{ließlich lediglich auf einen Vorbehalt zu Gunsten des preußischen Ansiedelungêgeseßes hinauskomme, da ein anderes Ansiedelungsgeseß nicht bestehe.

Meine Herren, es ist dem Antrage, wie ich {on erwähnt habe, von keiner Seite widersproGen worden. Daraus aber den Schluß zu ziehen, daß nunmehr das Geseß mit dem Inkrafttreten des BürgerlichGen Geseßbuhs seine Geltung ver- liere, das würde durchaus irrig sein. Wenn die Vertreter der Bundesregtierungen und insbesondere die Vertreter der preußischen Regierung es unterlassen haben, in der Reichstagsverhandlung dem Antrage der Herren Cegielski und von Czarlinski zu widersprechen, so hatte das seinen Grund ledigli darin, daß sie inzwischen zu der Ueberzeugung gekommen waren, es bedürfe eines solhen Vorbehalts zur Erhaltung des Ansiedelunçesgeseßes auch nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Geseßbuhes nicht, und ih glaube, wenn Sie in das Ansiedelungsgeseß hineinsehen, werden Sie alsbald zu der Ueberzeugung kommen, daß dieje Auffassung eine durchaus richtige ift.

Das Ansiedelungsgesez is ja theils öffentlih-rechtlichen, theils privat-rechtlichen Fnhalts. Insoweit es nur öffentlih-rechtlihe Be- stimmungen enthält, Bestimmungen finanzieller Natur, die Zur- dispositionsstellung des 100 Millionen-Fonds zur Erwerbung von Gütern, die dann mögli in deutshe Hände gebraht werden sollen, wird es durch die privat-rechtlihen Bestimmungen des Bürgerlichen Gefeybuchs überhaupt nicht berührt. Soweit es privat-

rehtlihen Inhalts i, ist es im wesentlichen ein NRenten- gutsgeses, und die einzelnen Bestimmungen des Geseßes enthalten weiter nichts als besondere Vorschristen darüber, unter welchen Modalitäten diese Güter gegen Rente aufgegeben werden können. Es findet sich auch s{chon im § 3 des Geseßes ausdrücklih die Bezeichnung dieser Güter als Nentengüter, und deshalb, meine Herren, deckt der in dem Einführungsgeseß stehen gebliebene Vor- behalt zu Gunsten der die Rentengüter betreffenden landesgeseßlihen Vorschriften vollkommen auch in so weit den privatrechtlichen Inhalt des Ansiedelungsgesetes.

Ich weiß nit, ob der Herr Abg. Motty der Ansicht ist, daß irgend eine Bestimmung im übrigen im Ansiedelungsgesetz sih findet, die mit den privat-rechtliGen Vorschriften des Bürgerlichen * Geseßbuchs in -Widerspruch stände, ohne durch den Vorbehalt bezüglich der Landesgeseze über MRentengüter gedeckt zu sein. Jch glaube kaum, daß er in der Lage sein wird, eine solhe Bestimmung nachzuweisen. Soweit aber das Gese in seinem privat-rechtlihen Theile als Rentengutsgeseß aufzufassen ift, wird es, wie ih wiederholen kann, gedeckt durch den Vorbehalt in Artikel 62 des Einführungsgeseßes zum Bürgerlichen Geseßbuch.

Das Gesetz ist ja nun inzwishen durch das Geseß von 1896 weiter aus8gestaltet worden, wonach den Ansiedelungsgütern die Eigenschaft von Anerbengütern verliehen iff. Nah meiner Erinnerung i bei der Berathung dieses Geseßes auch von keiner Seite ein Zweisel in der Nichtung hier ‘laut geworden, daß das Ansiedelungsgeseß nach einigen Jahren seine Geltung verliere; auch darin würde eine Bestärkung der von mir vertretenen Ansicht gefunden werden können. Jedenfalls halte ih die Ausführungen des Herrn Abg. Motty nit für geeignet, irgend jemand zu bestimmen, auf die Mitwirkung bei der weiteren Aus- gestaltung des Ansiedelungswesens nah Maßgabe der eingebrachten Vorlage zu verzichten.

Abg. Schmieding (nl.): Der Finanz-Minister will aus Vor- iht den Etat so bemessen, daß au für einen möglichen wirthschaft- lichen Niedergang gesorgt sei. Deshalb wünschen wir eben eine Trennung der großen wirthschaftlißen Etats von der allgemeinen Finanzverwaltung. Bezüglih der Steuerbelastung hat es sihch der Finanz-Minister sehr leiht gemacht, indem er gestern erklärte, er habe überhaupt nur von den direkten Steuern gesprohen. Dem Steuer- zahler ist es ganz glei, unter welhem Namen er seine Steuern bezahlen muß. Die mittleren Steuerstufen gerade find zu hoch belastet. Für ärmere Gemeinden sollten größere Steuerverbände geschaffen werden, damit niht gerade die Irren Gemeinden die höchsten Kommunal- steuern aujbringen müssen. Eine strenge Handhabung der Steuer- erklärungen is allerdings nöthig, weil sonst wieder neue Ungleih- heiten hervortreten würden; aber es würde genügen, wenn die Steuer- erklärung nur alle drei Jahre eingefordert würde. Auf die Polemik des Grafen Limburg gegen die Wasserstraßen werde ih bei der Spezialberathung antworten; sein abspreHendes Urtheil über den Dortmund-Ems-Kanal i} entschieden verfehlt, er sollte wenigstens abwarten, bis der Kanal fertig ist. Es haben sich hon große Ge- sellschaften gebildet, um den Transport auf diesem Kanal zu unter- nehmen; der Kanal wird also kein todtes Wasser bleiben. Gerade angesihts des ftändigen Waggonmangels sind Kanäle nothwendig. Graf Limburg bezeihnet die Finanzlage als günstig, aber gefährlich; er hätte nur die Konsequenz daraus ziehen: und {hon früher für die Vorlegung eines Eisenbahngarantiegeseßes eintreten sollen. Wir haben ein wirklihes Ausgabebedürfniß von 788 Millionen, davon decken allein die Eisenbahnen 515 Millionen, und das ift allerdings ein ganz unerquicklihes Verhältniß. Die ftarke fiskalische Fnanspruhnahme der Eisenbahnen macht sich bei der Betriebssicherheit und der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen fühlbar. Anstatt etatsmäßige Beamte anzustellen, behilfst man sch . mit Hilfsarbeitern. Daß man jeßt plöglich so viele neue etat?mäßige Stellen schafft, is ein Eingeständniß der Schuld. Ueber die Anstellung: des nöthigen Perfonals an Lokomotivführern 2c. sollte doch die Eifenbahn- verwaltung allein entsheiden können, ohne der Kontrole des Finanz- Ministers zu unterliegen. Die wirthshaftliche Bedeutung der Eisen- bahnen darf nit hinter der fiskalischen zurückstehen. Das is auch seiner Zeit bei der Verstaatlihung versprohen worden. Für die Unterbeamten will der Minister etwas thun, er follte es aber au hald thun.

Die Abgg. Dr. Sattler (nl.) und Gen. haben den An- trag eingebracht, den Spezial-Etat der Eisenbahnverwaltung nicht an die Budgetkommission, sondern an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ueber diesen leßteren Antrag habe ih mich natürlih nihcht zu äußern ; ih will bloß bemerken, daß es der Staats- regierung nur erwünscht sein kann, wenn diese jeßt angerührte Eisen- bahnfrage auf das allergründlihfte geprüft wird, es werden dann sehr viele von den landläufigen Anschauungen über diese Dinge sehr bald in dieser Kommission vollständig hinfällig werden.

Meine Herren, ich möchte mir dagegen gestatten, einige Be- merkungen zu den Ausführungen des leßten Herrn Redners zu machen. Er beshwert sich über meine angeblihe Ansicht, daß die Kommunal- steuern nit sehr drückend seien, namentlich in den westlichen Pro- vinzen. Eine solhe Ansicht habe ih nicht geäußert. Jh weiß ganz genau, ebenso wie der Herr Abg. Schmieding, daß im großen Ganzen der Steuerpflihtige alle Steuern, die er überhaupt zu zahlen hat, zusammenrehnet und seine Gesammtbelastung in Betracht zieht und nit allein bloß die Belastung mit Staatssteuern. Aber, meine Herren, wenn nun der Herr Abg. Schmieding gemeint hat, die Steuerreform, soweit sie auch die Kommunen betrifft, sei nicht ge- lungen, es sei doch eine außerordentlih starke Belastung in den Kom- munen heute noch vorhanden, so hätte ih nun gegenüber einer solhen Behauptung gewünscht, daß der Herr Abg. Schmieding auch das Mittel angegeben hätte, wie man dieser Ueberlastung in gewissen Landestheilen bezüglich der Kommunalbesteuerung mit Erfolg steuern kann. (Zuruf des Abg. von Eynern: Biersteuer!) Jch freue mi, wenn in dieser Beziehung der Herr Abg. von Eynern wenigstens seinem Freunde Schmieding, der im Tadeln sehr stark ift, aber in positiven Vorschlägen nihts bringt, zu Hilfe kommt. (Heiterkeit.)

Bin ih denn nicht derjenige gewesen, der auf das äußerste mit allen Mitteln sich bemüht hat, eine größere Freiheit gegenüber der Reichsgeseßgebung für unsere preußishen Kommunen in Beziehung auf die Besteuerung der Getränke herbeizuführen? Is} es meine Schuld, daß das vollständig mißlungen i ? Wir haben einmal ver- suht, bezügli desjenigen Getränkes, welches doch am ersten von allen Getränken der Besteuerung unterworfen werden könnte, nämli des Weins, im Reichstage eine größere Latitude zu erreichen, und- Herrn von Eynern's politishe Freunde, mit alleiniger Ausnahme des Abg. Hammacher, haben dieses Geseß doch mit zu Falle gebracht. Alle Bemühungen der preußishen Staatsregierung, in dieser Bes

ziehung die Bestimmungen der Reichsverfassung bezw. des.