1898 / 18 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

verlangen Gleichheit und Gleichwerthigkeit, wir sind von der iden Qualität wie die Deutschen“. Redner zollte schließlich der Ens des Großgrundbesißes Anerkennung und sagte, wenn ein solcher Standpunkt, wie ihn Graf Sylva Tarouka zum Ausdruck gebracht habe, bei dem Großgrundbesiß anhalte, ‘so werde dies zum Heile für Böhmen sein. Es folgte hierauf eine Reihe thatsächlicher A, darunter eine solhe des Abg. Prade, welcher sih gegen die Be- merkung des Grafen Sylva Tarouka wandte, daß die Deutschen pour le roi de Prusse arbeiteten. Derselbe erklärte ferner, das Singen der „Wacht am Rhein“ könne die Czechen nicht berühren, weil es ein unpolitisches Lied sei, und |{chloß mit den Worten: „Die Deutshen Oesterreihs halten unershütterlih fest an den Gelübden der Treue für den Kaiser Franz Joseph“. Der Abg. Pergelt be- merkte, der am Tage zuvor verwundete Student habe fein Kennzeichen eines deutshen Studenten getragen. Der Antrag des Grafen Buquoy wurde schließlich mit 139 gegen 62 Stimmen, der Zusaßantrag des S reR Prinzen Lobkowiß, nah welchem die in dem Antrage des Grafen Bugquoy verlangte Kommission alle einschlägigen Fragen in Berathung ziehen solle, mit 133 gegen 62 Stimmen angenommen. Der Oberst- Landmarschall Fürst Lobkowiß theilte auf eine Anfrage mit, der Statthalter habe an das Militär und die Polizei die entsprechenden Verfügungen erlassen, damit, soweit es die Wiederherstellung der Ordnung gestatte, mit möglichster Schonung vorgegangen werde. i:

Im mährischen Landtage begründete gestern der Ab- geordnete Fuz einen Antrag auf Einführung nationaler Kurien mit dem Vetorecht und Ausgestaltung des deutschen Schulwesens und erklärte : die Deutschen wollten dur den Antrag die Bereitwilligkeit zum Frieden bekunden. Sie hielten an der Ueberzeugung fest, daß der Landtag ür die Regelung der Sprachenfrage niht kompetent sei; dies É Sache eines Reichsgeseßes. Die- Deutschen hielten daran fest, daß die Sprachenverordnungen ungeseßlih seien, und verlangten Aufhebung derselben und Regelung der Sprachenfrage dur ein Geseß. Diesen Standpunkt erkenne auch die Regierung in der Erklärung des Statthalters von Böhmen an. Die Deutschen seien in dieser Frage einig und würden die Selbständigkeit Mährens innerhalb des Verbandes der Monarchie wahren, vom Staatsrechte wollten sie indessen nichts wissen. Die Deutschen seien treue Oesterreicher, dem Kaiser in inniger Liebe ergeben. Sie würden ihm mit aufrichtiger Freude im Jubiläumsjahre | das Werk des Friedensbundes entgegenbringen. Die Deuischen böten die Hand zum Frieden, welcher zu stande kommen werde, wenn beide Theile aufrichtig und ehrlich denselben wollten. Der Antrag wurde dem gleichen Ausshuß zugewiesen wie der vorgestern eingebrahte Antrag Zacek.

Frankreich.

Jn dem gestern abgehaltenen Ministerrath besprach der Minister des Jnnern Barthou die in Paris und in der Provinz vorgekommenen Kundgebungen und theilte mit, daß Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Straßenkundgebungen getroffen - seien ; namentlich sei dies der Fall für eine für nächsten Sonntag angekündigte Kundgebung, welche verboten worden sei. Des weiteren hob der Minister hervor, daß die Regierung cinen Kredit von 1200000 Fr. zur Linderung des Nothstandes in Algier verlangen werde.

Der Marine-Minister, Admiral Besnard hat bestimmt,

daß die Kriegsschiffe „Bruix“ und „Pothuau“ für den Fall, daß die Entsendung weiterer Schiffe nach den chinesischen Gewässern sih als nothwendig erweisen sollte, dorthin abgehen sollen. : / Gestern früh gegen 3 Uhr gaben in Paris, wie „W. T. B.“ berichtet, zwei Jndividuen Revolverschüsse auf den vor einer Polizeistation Posten stehenden Polizei- beamten ab, welcher indessen niht getroffen wurde. Die beiden Personen wurden verfolgt und festgenommen, leugneten aber, die Urheber des Attentats zu sein. Die Verhafteten sind junge Leute im Alter von 18 und 19 Jahren. Gestern Nachmittag . gegen 5 Uhr kam eine Gruppe von etwa 1200 Studenten von dem rechten Seine-Ufer nach dem Quartier Latin zurü und begegnete am Boulevard St. Michel einer anderen Gruppe Studenten, welche aus der Ecole de Médecine fam. Die beiden Gruppen vereinigten sih als- bald und zogen unter Rufen gegen Zola und die Juden nah dem Observatorium, von dort nah dem Hôtel des Invalides und gingen dann auf das rehte Ufer der Seine über. Etwa 500 Wudétiten stießen Rufe vor dem Hause Zola's aus, andere veranstalteten Kundgebungen in der Rue de la Chaussée d’Antin vor den Läden der Juden. Einige 80 Personen wurden verhaftei. Auch in dem Quartier Latin wurden 57 Personen verhaftet. Abends herrshte im Quartier Latin Ruhe. Im Ganzen wurden im Laufe des gestrigen Tages in Paris 115 Verhaftungen vorgenommen. Auch in Lille dauerten gestern die Studentenkundgebungen fort, waren jedo ohne Bedeutung. Jn Nancy wurden bei der gestern dort ab- gehaltenen Truppenrevue Hochrufe auf die Armee und Rufe : „Nieder mit Dreyfus!“ laut. 200 Studenten versammelten sih außerhalb der Stadt und beschlossen die Gründung eines antisemitishen Comités sowie die Absendung von Begrüßungsdepeshen an Rochefort und Drumont. Jn Rouen drang die Polizei auf die manifestierenden Studenten ein, ohne sie jedoh auseinandertreiben zu können. Die Truppen find dort in den Kasernen zusammengezogen. Jn Algier wurde gestern bei einem Zusammenstoße ein Student dur einen Juden verwundet, worauf der Laden des Juden ange- griffen wurde. Vor dem dortigen Cercle militaire kam es zu cinem Zusammenstoß mit der Polizei, bei welchem zahl- reiche Verhaftungen vorgenommen wurden.

Rußland.

Der „Russische Jnvalide“ giebt eine Uebersicht der in den chinesishen Gewässern béefindlihen Kriegs- \chiffe Japans, Großbritanniens, Rußlands, Deutschlands und Frankreichs. Das Blatt führt aus: das britische Geschwader in jenen Gewässern bestehe aus 10 sehr stark armierten, s{chnelllaufenden Schiffen. Das russische Fe welches einstweilen aus den

anzerkreuzern „? ae „Admiral Nachimow“, „Pamjat

zowa“, „Dimitrij Donskoi“ und „Admiral Kornilow“ bestehe, werde nach dem Eintreffen der „Rossija“ und des „Wladimir Monomach“ aus sieben Panzerkreuzern zusammengeseßt sein, welche vortrefflih armiert und außerordentlich seetüchtig seien. Davon habe die „Rossija“ eine Wasserverdrängung von 12200 t, der „Rjurik“ eine solhe von 10 900 t; hinsichtlich der Stärke der Armierung gäben sie dem britischen Kreuzer

„Powerful“ nihts nach. Eine schr lihe Zugabe zu dem Stader bildeten der Kreuzer „Kreißer“ und die beiden shnelllaufenden Panzerkanonenboote „Gremjastshij“ und „Otwashnij“. Das deutsche Geschwader bestehe aus fünf Schiffen, das französische aus vier. wei deutsche Hoch- seepanzer seien alter Konstruktion und könnten sih in er Schnelligkeit nicht mit den Schiffen der russischen

und britischen fe 1 messen. Drei französische Kreuzer seien

gute neue Schiffe, müßten jedo itl t der Wasserver- drängung und Armierung mit den britischen Kreuzern es Klasse gleichgestelt werden, während der Panzerkreuzer „Bayard“, von veraltetem Typus, nur für den Küstenshuy in den Kolonien brauchbar sei.

Ftalien.

Der Senat hat gestern den vorläufigen Handels- vertrag mit Bulgarien genehmigt.

Spanien. Der Ministerrath bewilligte gestern 500 000 Pesetas für die dur die Uebershwemmungen Geschädigten.

Türkei.

Dem Wiener „Telegr.-Korresp.-Bureau“ zufolge verlautet in Konstantinopel, der Großmeister der Artillerie Zekki Pascha werde zum Großvezir, der Scheich Abdul Ehuda zum Scheich ul-Jslam, der Chef des Militärkabinets Schakir Pascha zum Kriegs-Minister und der General-Gouverneur von Hidshas Ahmed Ratib Pascha zum Marine-Minister ernannt werden. i

Der Albanesen-Chef Riza hat dringend um die Erlaubniß zur Rückkehr und die Abseßung mehrerer Mutessarifs und Kaimakams nachgesucht, bisher aber nur die Abseßung des Kaimakams von Djakova erwirkt.

Der „Agence Havas“ wird aus Kanea vom gestrigen Tage gemeldet, daß sehzig Mohamedaner den Militär-:Kordon bei Kandia durhbrochen und die Aufständischen bei Vavaros angegriffen hätten. Es seien Verstärkungen dorthin entsandt und 94 Personen verhaftet worden. Etwa 500 Aufständische hätten die Mohamedaner bei Phinikia angegriffen und die zu Hilfe geeilten Mannschaften zurückgeworfen, Bien jedoch schließlich- von den regulären Truppen in die Flucht geschlagen worden. Dem „Reuter schen Bureau“ zufolge hätte sich die Lage in Kandia neuerdings verschlimmert; bewaffnete Baschi-Bozuks plünderten selbst im Jnnern der Stadt. Junfolge desen hätten die Admirale ihren Doyen ersucht, von dem Gouverneur Jsmail Bey die Entsezung Schefky Bey's von seinem Posten als Unter- Gouverneur in Kandia zu verlangen.

Amerika.

Im Repräsentantenhause brachte am Mittwoch, wie „W. T. B.“ aus Washington berichtet, der Abg. Brucker (Demokrat) eine Resolution ein, in welcher der Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten a wird, über die Reso- lution des Senats, welche die cubanishen Jnsurgenten als krieg- führende Macht anerkennt, unverzüglich Bericht zu erstatten. Der Präsident des Hauses erklärte diese Resolution für nicht ordnungsmäßig; es wurde darauf gegen die Entscheidung des Präsidenten an das Haus appelliert, welches die Entscheidung mit 168 gegen 126 €timmen aufrehthielt. Bei der gestern im Repräsentantenhause fortgeseßten Berathung des- Etats des Staats-Departements trat der Abg. Clark (De- mokrat) lebhaft für die Cubaner ein und forderte die An- erkennung der Cubaner als kriegführende Macht. Der Abg. King (Demokrat), welcher erst kürzlih von Cuba zurückgekehrt ist, schilderte die Lage daselbst als herzzerreißend und er- klärte, die Autonomie sei eine Täushung. Nur die Unab- hängigkeit würde den Frieden wieder herstellen. Das Haus nahm schließlich den Kredit für den diplomatischen Dienst und den Konsulatsdienst an und lehnte den Antrag ab, die Vill behufs Einfügung der Resolution des Senats zu Gunsten der cubanishen Insurgenten an den Ausschuß zurückzuverweisen.

Jn Madrid eingetroffenen Meldungen aus Havanna zufolgé, hat der General Luque die Aufständischen bei San Martin (Aguerras) geshlagen. Auf Seiten der Spanier seien ein Mann gefallen und 21 verwundet, von den Jnsurgenten dreißig getödtet worden.

Asien.

Aus Bombay meldet das „Reuter’she Bureau“, daß Jaffer Khan sich bei dem Aufstand in Mekran mit Mehrab Khan verbündet habe. Der Ober-Befehlshaber des Khan von Kbelat sei in Kalatala eingeschlossen, doch sei die Zufuhr von Lebensmitteln nicht abgeschnitten.

Dasselbe Bureau erfährt aus Kalkutta, daß der Emir von Afghanistan sih über die Schädigung, welche dem Handel Afghanisians durch die Blockade des Khyberpasses zugefügt werde, beschwert habe.

Dem „W. T. B.“ wird aus Canton gemeldet, daß der bei Langthen angegriffene Missionar Homeyer nah seiner Monaten San nas zurückgekehrt sei. Derselbe befinde sih außer Gefahr. Von chinesisher Seite seien Maßnahmen für die Sicherheit der Station getroffen, auh sei Genug- thuung für die dem-Missionar widerfahrene Behandlung zu- gesichert worden.

Das „Reuter’s{he Bureau“ meldet aus Yokohama vom heutigen Tage, daß eine japanische Flotte in Stärke von neun Kciegs[ciffen binnen einer Woche nah den chinesischen Gewässern abgehen werde.

Der ‘Mikado hat ein Dekret erlassen, betreffend die Bildung eines obersten militärishen Beiraths, welcher aus den Generálen Komatsu, Yamagata, Oyama und dem Admiral Saigo bestehen soll. Der Vicomte Kawakami ist zum Chef des Generalstabs ernannt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über*die aen gen Sihuggen des De A tages und des Hauses der Abgeordneten befinden fi in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (22.) Sißung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe und der Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner beiwohnten, wurde die zweite Be- rathung des Entwurfs eines Gesehes, betreffend die Fest- stellung des Reihshaushalts-Etats für das Rehnungsjahr 1898, und zwar der Etats des Reichsamts des Jnnern

nebst den e gestellten Anträgen, fortgeseßt. Das Wort nimmt zunächst der

Abg. Dr. Lingens (Zentr.), welher ausführlich auf die Be- rihte der Fabrikinspektoren eingeht und feine Anerkennung darüber ausspricht, daß: auf dem Gebiete der Sönntagsruhe in den Fabriken \{chon Manches sh gebessert habe ; die Fabriken hätten von dieser Sonntagsruhe keinen Schaden gehabt.

Bei Schluß des Blattes hat der Abg. Dr. Lieber (Zentr.) das Wort.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Rom meldet „W. T. B.*: In Impruneta, in der Nähe von Florenz, kam es am Mittwoh wegen der Brotvertheuerung zu einigen Ruhestörungen, do herrscht jeßt vollständige Ruhe. Jn Jesi bet Ancona versuchten Sozialisten und Anarifien, eine Kund- gebung zu veranstalten, wurden aber sofort zerstreut. Im übrigen wurde die Ruhe nicht gestört.

Kunst und Wissenschaft.

Jn der Gesammtsizung der Akademie der Wissen-

\chaften am 6. Januar (vorsißender Sekretar Herr Diels) las Herr Dilthey „über den Plato Schleiermacher's“. Er erörterte die geschih- lien Bedingungen des gemeinsamen Plato-Unternehmens von Friedrich Slegel und Schleiermaher sowie den Verlauf desselben, versuhte die Theorie Friedri Schlegel’s aus neuen Quellen wiederherzustellen und handelte s{chließlich von dem dauernden Werth der Plato-Theorie Shleiermacher?s. Der Vorsißende legte vor: „Ammonius in Aristo- telis de interpretatione commentarius ed. A. Busse“ (G. Reimer, Berlin 1887). Herr G. Darboux in Paris, Korrespondent der Akademie, sandte ein: „Leçons sur les systèmes orthogonaux et les coordonnées curvilignes. 1. Paris 1898.“ Die philosophisch-historishe Klasse hat Herrn Professor Dr. Bur- dach in Halle a. S. zu Untersuchungen ‘über Ursprung und Ausbil- dung der neuhochdeutschen Schriftsprache 600 A bewilligt. Durch den Tod hat die Akademie am 13, Dezember v. J. das korrespondierende Mitglied der physikalish-mathematischen Klasse Francesco Brioschi in Mailand verloren.

In der Sigßung der physikalischd-mathematishen Klasse am 13. Januar (vorsißender Sekretar Herr Auwers) las Herr Kohl- raush „über die Beweglichkeit der Jonen in verdünnter wässriger Lösung.“ Für den Zustand unendlicher Verdünnung wurden Zahlen für die Beweglichkeiten aller bisher untersuhten ein- oder zweiwerthigen Sonen mitgetheilt, die sowohl das Leitvermögen der Lösung befriedigend darstellen, wie sie ich den Wanderungéverhältnissen anschließen, die man für verdünnte Lösungen kennt oder vermuthen darf. Für Konzentrationen bis zu etwa 1/10 nermal wurde gezeigt, wie man die Fonen-Beweglichkeit aus derjenigen für unendlihe Verdünnung ab- leiten kann. Dabei ergeben \sih in der Anwendung auf einwerthige Fonen sehr einfahe Beziehungen mit befriedigender Bestätigung durch die beobachteten - Leitvermögen und Wanbderungsverhält- nisse. Zwoeiwerthige Jonen, besonders in ihrer Ver- bindung mit einander, verbalten \sich weniger einfach. Herr Koenigsberger, korrespondierendes Mitalied, übersandte eine Mittheilung „über die erweiterte Laplace’she Differentialgleihung für die allgemeine Potentialfunktion.“ Der Verfasser giebt für solche Funktionen W, welche von der Entfernung und den nah der Zeit ge- nommenen » ersten Ableitungen derselben abhängen, eine Trans- formation des dem Laplace’schen 4W analogen Ausdrucks auf eine nur Von De R S abhängige Zusammenseßung der partiellen Differentialquotienten und wird so zu der partiellen Differential- gleichung für die allgemeine Potentialfunktion geführt. Herr Möbius legte eine zweite Mittheilung des Herrn Professors Friedrich Dahl in Kiel „über die Verbreitung der Thiere auf hoher See“ vor. Die Verbreitung der Hochseeorganismen und die Ansammlung großer Massen derfelben an gewifsen Stellen in denselben Jahres- zeiten hängt dânah ab von den physikalischen Eigenschaften des Meeres. Sogenannte Thiershwärme scheinen besonders durch ver- schieden gerihtete, Wirbel bildende Strömungen zu entstehen. Thiere, welhe über die Wasserflächhe emporragen (Siphonophoren), stehen unter dem Einflusse des Windes. Fliegende Fische treten nur da häufig auf, wo das Wasser tief, rein und nicht unter 259 C. warm ist. Seeschlangen leben in flahen Küstenmeeren, deren Temperatur nicht unter 289 sinkt. Herr Klein überreichte eine Mittheilung des Herrn Professors E. Cohen in Greifswald „über ein neues Meteorei)en von Ballinoo am Murchisonfluß in Australien". Dieses neue Meteoreisen gehört zu den oktaëdrishen Eisen mit feinsten Lamellen, also zu der Ab- theilung der oktaëdrischen Meteoreisen, die bis jeßt die wenigsten Ver- treter hat. Es besteht aus 96,81 9/9 Nickeleisen, 3,11 %/% Schreibersit und 0,08 %/0 Schwefeleisen. Herr Schulze legte eine in den „Zoologishen Jahrbüchern“ von 1897 veröffentlihte Abhandlung des Reisenden der Humboldt-Stiftung Herrn Dr. L. Plate vor „über die Anatomie und Phylogenie der Chitonen“.

In der Sitzung der philosophisch-historischen Klasse von demselben Tage “(vorsipender Sekretar Herr Diels) las Herr Dümmler „Hrabanstudien“. Dieselben betrafen- einige Punkte aus dem Leben des Abtes Hraban von Fulda und die Zeitfolge seiner älteren Schriften.

Land- und Forftwirthschaft. Weizenernte Indiens.

Dem von dem statistishen Bureau in Kalkutta unter dem 96. v. M. veröffentlihten ersten allgemeinen Bericht über die Aus- sichten der Diet gen Weizenernte in Indien entnehmen wir Folgendes:

Im nördlichen Indien sind die Aussichten im allgemeinen ret gut. Im Punjab, in den Nordwest-Provinzen und Oudh entspricht die mit Weizen bebaute Fläche dem Durchschnitt, und der Stand der Saaten ist dort günstig. Auch in Sind, wo die Anbaufläche sich er- ves E den Durchshnitt vermehrt hat, wird eine gute Ernte erwartet.

In den übrigen großen Weizen-Provinzen gn die Aussichten weniger günstig: In Bombay, Berar und den Zentralprovinzen ift die Anbaufläche bedeutend reduztert, und der Stand der Saaten läßt in Bombay und Berar zu wangen übrig, während er in den Zentral- provinzen im allgemeinen als befriedigend gelten kann.

Im einzelnen is Folgendes zu bemerken :

Die Gesammtanbauflähe der Präsidentschaft Bombay wo übrigens zur Berichtszeit (5. Dezember v. J.) die Aussaat no nicht beendet war, wird auf 1727 000 Acker geschäßt. Zur Saatzeit gefallener Regen wirkte günstig in Gujarat, dagegen war der Regen in Theilen von Ahmadnagar und dem südlichen Deccan zu stark, wo die Aussaat dadurch verzögert wurde. Im Deccan wurde zur Zeit der Berichterstattung Regen gewünscht, sons war der Stand der Saaten im allgeweinen befriedigend bis gut.

Jn Berar ist die Anbauflähe hinter der des Vorjahrs zurü- geblieben. Die Saaten haben unter Mangel an Feuchtigkeit gelitten und man erwartet niht mehr als eine halbe Ernte.

In den Zentralprovinzen ist die Anbauflähe zwar größer als im Vorjahre, bleibt aber do noch bedeutend binter dem Durch- {nitt zurüdck. er Stand der Saaten i} mit einigen Ausnahmen im allgemeinen gut.

Fn den Nordwest-Provinzen und Oudh wird die bis zum 10. Dezember v. J. bestellte Fläche auf eine volle Durhschnitts- anbaufläche, d. i. auf etwas über 44 Millionen Acker geschäßt. Die Ausfaat fand unter günstigen Bedingungen ftatt, und der Stand der Saaten ift ret gut, doch ift Regen erwünscht.

Jm Punjab beträgt die Anbaufläche 7 175 000 Aer, d. i. 8/0 m als die des vergangenen Jahres. Der Stand der Saaten ift günstig.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Arbeiten zur Erforschung der Maul- und Klauenseuche.

Die Maul- und Klauenseuche i} seit ihrem Wiederauftreten im Deutschen Reich, im Jult 1887, niht erloschen. Sie ha! während dieser Zeit alle Gebiete des Reichs befallen, in vielen derselben fast ununterbrohen geherrscht und besonders in den Jahren 1892 und 1896 eine außergewöhnlihe Verbreitung erlangt. Nachdem die Unzuläng- lichkeit der zur Bekämpfung der Seuche vorgeschriebenen Maßregeln \ich ergeben hatte, ift durch Reichsgeseß vom 1. Mai 1894 das Vieh- seuchengeseß vom 23. Juni 1880 u. a. durch Einfügung des § 44a erweitert worden, welher den Verkehr mit Milch beim Ausbruch der Maul- und Klauenseuhe und in Zeiten der Seuchengefahr regelt. Es sind ferner in der mittels Bekanntmahung des Reichskanzlers vom 27. Juni 1895 erlassenen Vollzugsinstruktion die in §§ 57—69 vorgeschriebenen Maßregeln gegen die genannte Seuche nicht un- wesentlich verschärft worden. Gleihwohl ift es bisher nicht gelungen, der Seuche Herr zu werden, wenn auch Erfolge bei energishem, sahgemäß geleiteten und ausgeführten Vorgehen nit fehlen. Die schon früher an verschiedenen Orten in Deutschland und auswärts angestellten wissenschaftlihen Untersuhungen über dea Er- reger der Seuche, welhe zum theil durch ein Preisausschreiben der Königlich preußischen tehnishen Deputation für das Veterinärwefen angeregt waren, find erfolglos geblieben.

Bei der Berathung des Etats des Reich8amts des Jnnern für das Jahr 1896/97 is} die Angelegenheit im Reichstage zur Sprache ebraht und in ter Plenarsißung vom 23. März 1896 folgender

ntrag des Abg. von Podbielski und Genossen (Session 1895/96 Nr. 231/232) mit großer Mehrheit angenommen worden :

M pas Reichstag woll: beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen,

„für die sofortige Einrichtung von Versuchsanstalten zur gründ-

lichen Erforshung der Maul- und Klauenseuche von Reichswegen

und bei den einzelnen Bundesstaaten Sorge tragen zu wollen.“

Der Bundesrath hat zufolge Beschlusses vom 14. Juli 1896 486 der Protokolle) die Resolution dem Herrn Reichskanzler mit dem Ersuchen überwiesen,

_ darauf hinzuwirken, daß dur die Gesundheitsbehörde des

Reichs und der Bundetstaaten nit nur der Krankheitserreger der

Maul- und Klauenseuche, sondern auch ein geeignetes Heilverfahren

ermittelt werde

Für die wiffsenschaftlihe Erforshung der Maul- und Klauenfeuche haben der Reichstag für das Etats{ahr 1897/1898 35 090 H, der preußishe Landtag 20000 #4 bewilligt. Diese Summen wurden dem Gesundheitsamt bezw. dem preußishen Institut für Infektions- kfrankbheiten überwiesen, in denen mit den Arbeiten nah einem im Gesundheitsamt aufgestellten ceinheitlihen Plan sofort begonnen wurde. Daneben erschien es zweckmäßig, die praktishen Erfahrungen der Thierärzte übec die Seuche in allen Theilen des Reichs zu sammeln, soweit sie nicht in den jährlichen amtlihen Viehseuchenberichten bereits mitgetheilt waren.

Die Ergebnisse der bisherigen Forshungen sind einer am 14. d. M. im Gesundheitsamt zusammengetretenen Spezial - Kommission von Landwirthen, Thierärzten und Bakteriologen dargelegt worden. Die- selbe berieth auf dieser Grundlage darüber, welche Ziele bei der Fort- setzung der Versuche besonders ins Auge zu fassen wären.

Die Cor aagen im Kaiserlichen Gesundheitsamt und im In- stitut für Jnfektionskrankheiten haben zunächst festgestellt, daß die in den leßten Jahren von vielen Beobachtern als Erreger der Seuche angesprohenen Mikroorganismen in ursählichem Zusammenhang mit der Seuche nicht stehen. Insbesondere wurde dies auch bezüglich des Siegel’ {hen Bacillus und des von Kurth angegebenen Strepto- kokkus erwiesen.

Die in den beiden Laboratorien angestellten Versuhe zur Er- mittelung des Erregers der Maul- und Klauenseuche haben bisher zu einer positiven Lösung der Frage noch nit geführt. Es hat fich ge- zeigt, daß die gebräuhlihen bafkteriologishen Methoden, vielleicht sogar unsere technishen Hilfsmittel überhaupt hier niht ausreichen.

; Zu den Versuchen wurde fast aussließlich Lymphe benußt, die in sterilem Zustande aus Klauenblasen gewonnen war; außerdem wurde Blut und Gewebssaft zur Untersuhung genommen.

Von Farbstoffen fanden Anwendung :

Aethylenblau, Alkaliblau, Aurantia, Azcoeosin, Bismarckbraun, Carmin, Direktorange, Echtgelb, vershiedene Eosine, Gentiana- violett, Haematoxylin, Hexamethylviolett, Indulin, Methylblau, Methylgrün, Methylenblau, Nitromethylenblau, Neumethylenblau, Neurubin, Neutralroth, Nilblau, Orange &, Pikrinsäure, Rhodamin, Nubin, Rubin 8, Safranin, Tartrazin, Thiazolgelb, Toluidinblau.

Von diesen Farbstoffen wurden mehrfach 2- und 3 fache Farb- lôsungen hergestellt und angewendet. i:

In zweiter Linie wurden Lymphe und Blut in frischem Zustande im hohlgeshlifenen Objektträger bei Brüttempecatur einec mehr- tägigen Beobachtung unterworfen.

Sodann wurden die mannigfachsten Kulturverfahren in Anwendur g gezogen. Als Nährboden fanden Verwendung: Peptonfleishwafsser- gelatine, Peptonfleishwasseragar, Glyzerinagar, Traubenzuckeragar, Serumgelatine, Serumagar, Serumtraubenzuckeragar, Alkali- albuminatagar, Blutagar, Agar aus nicht neutralisiertem Fleishwafser (saurer Agar), Agar aus Leitungswasser mit Peptonwasser, Bouillon, Blut, Serum auf der Agaroberflähe, Agar mit Zusaß von Mineral- falzen, wie: phosphorsaures Kali, Salmiak, Soda (Ammonium- karbonatagar), erstarrtes Blutserum von Rind, Hammel, Kalb und Schwein, ferner flüssiges Blutserum derselben Herkunft, außerdem Peptonfleischwasser, Peptonwasser mit 1 und 10% Pepton und 1 °/% Chlornatrium, endlich Peptonwasser und Bouillon mit Blut oder 1—10—500%/4 Serum von Schwein, Hammel u. st, w.

Die Bebrütung wurde bei 22 und 37,599 C. vorgenommen und ¡war mit und ohne Sauerstoffzutritt (in der Wasserstoffatmosphäre). _ Gleichzeitig mit diesen Untersuhungen auf Bakterien fanden solhe auf Protozoen statt; es wurden zu diesem Zwecke die neuerdings angegebenen Nährböôden, wie Heu- und Strohagar, Agar mit Bouillon aas QO u. st. w. in vielfahe Anwendung gezogen.

ußerdem wuvrden die Organe von Thieren, die auf der Höhe

der Krankheit getödtet waren, auf Mikroorganismen dur) Schnitt- präparate untersuht. Das Hauptaugenmerk wurde hierbei auf die Apbthen an der Zunge und an den Klauen gelegt. Uber auch hier hat die Untersuchung nihts dargethan, was geeignet wäre, einen ingerzeig auf die Natur und Beschaffenheit des Erregers der Krank-

eit zu geben. kleinere Versuhsthiere mit Maul- und

Die Bestrebungen, Klauenseuche zu infizieren, haben kein günstiges Resultat erzielt : ühner, Tauben und

Mäuse, D N Ratten, Kaninchen,

Guten waren refraktär. Auch Ziegen zeigten troy Infektion mit grcen

Mengen einer sehr virulenten Wmphe keine ausgesprochenen Er-

\{einungen der Erkrankung, nur zwei Ziegen bekamen an der Infek-

tionsftelle geringe Granulationen, die Klauen blieben völlig unver-

E, j Bei Schafen ist eine künstlihe Infektion in typisher Weise elungen.

Glei mäßig gut reagierten Rinder und Schweine auf die Infektion,

Ein geringer Bruchtheil von Rindern und Schweinen blieb zwar gegen jede Art der Jnfektion immun, ohne daß Residuen von bereits einmal überstandener Aphthenseuhe nahweitbar waren. In der Regel aber erkrankten die Thiere in ganz typisher Weise.

Als gleiy guter Infektionsmodus hat sich die Eirsprizung von Lymphe in die Blutbahn (man wählte am zweckmäßigsten, sowohl bei Rindern als bei Schweinen, zur Ynltion eine Ohrvene) sowte die Einreibung in die vorher (mittels Messer oder Sandpapier) wund pemadte Mundschleimbaut erwiesen. Weniger sicher gelang die In- ektion bei einfahem Einreiben der Lymphe oder des Maulspeichels und Schleims mit einem Stroh- oder uen Fast regelmäßig Qiatte die Infektion mit Lywmphe in die Bauchhöhle, erfolglos blieben

mpfungen unter die Haut.

Als Infektionsmaterial diente fast aus\{lie vereinzelten Fällen Maulschleim 2c. O A OLS R, LAE n

_ Eine besondere Aufmerksamkeit wurde dem Verhalten des Blutes bezüglih seiner Infektiosität geroidmet.

Es wurde zunächst Blut von Thieren genommen, die auf der Höhe des Fiebers toaren und besonders ftark ausgebildete örtlihe Ver- änderungen aufwiesen. Mit diesem wurden alsdann die verschiedensten Infektionöversuhe gemacht: Einreiben größerer Mengen auf die wund gemadchte Mundschleimhaut, intravenöse, intraperitoneale und subkutane Injektion, sowie Verfütterung großer Mengen zufammen mit dem gewöhnlichen Futter. Das Ergebniß war bei Schw einen im Kaifer- lichen Gesundheitsamt negativ.

Im Institut für Jnfektionskrankheiten gelang es dagegen, mit Blut von Thieren, die 12 bis 28 Stunden vorher infiziert waren und Fieberanstieg hatten, die Krankheit auf Kälber zu übertragen.

Auch durch Verfütterung von Muskelfleisch, Milz, Leber und Nierenstücken, fowie Darminhalt hat \sich bei Schweinen eine Infektion niht ermöglichen lassen, wohl aber durch Verfütterung von aphthenbeseßzten Organtheilen (Institut für Infektionskrankheiten).

Mit der Milch erkrankter Kühe, die Blasen am Euter zeigten, sind Infektionsversuhe an Ferkeln und Kaßen angestellt worden in der Weise, daß diese Thiere kein anderes Futter als Milch. oder Trank, der mit der lauwarmen Milh angerührt worden war, erhielten. Die Thiere blieben s\ämmtlich gesund. Auh dur Verfütte- rung von Milch, welher reichli virulenter Blasen- inhalt zugeseßt worden war, konnten Ferkel niht krank gçe- macht werden. Dagegen gelang mit derselben Milch am ersten und zweiten Tage die Uebertragung der Seuhe dur Einreiben der Milch in die vorher wund gemachte Maulschleimhaut. Die 3 und 4 Tage alte Milch, die geronnen war und f\tark saure Reaktion zeigte, rief Erkrankyngen niht mehr hervor.

_ Neben den Versuchen, den Erreger der Maul- und Klauenseuche mikroskopisch und kulturell nahzuweisen, wurden Experimente aus- geführt, um die Natur des Errege rs festzustellen.

__ Zunächst wurde versucht, die Infektionsfähigkeit der Lymphe für längere Zeit dur verschiedene Konservierung zu erhalten. Zu diesem Zwecke wurden Lymphbeproben in unverdünntem Zustande in Glas- tapillare einges{chmolzen und

1) bei Zimmertemperatur,

2) im Eisschrank bei 8—109 C., beide Proben unbelichtet, aufbewahrt.

___ Bei einer zweiten Versuchsreihe wurde möglichst frische Lymphe in dem Verhältniß von 1:4 mit. einer Lösung von Wasser und Glycerin zu gleihen Theilen verdünnt und alsdann im Eisfchrank unbelichtet aufbewahrt. Bet dieser Konservierung erfolgte noch nah Monaten eine prompte Infektion durch Einsprizung in die Blutbahn.

Glei qute Resultate ergab eine Mischung der Wmphe mit einer 0,9%/0 Kochsalzlösung.

Die wesentlihstea Momente für längere Konservierung der In- fektionsfähigkeit der Lymphe scheinen indes nah den gemachten Er- fahrungen darin zu bestehen, daß man

1) Lymphe aus frishen Blasen nimmt, daß

2) jene bakterielle Verunreinigung der Lymphe ausgeschlossen ift,

un

3) die Lymphe verdünnt wird.

Lymphe aus frischen, etwa 1 bis höchstens 2 Tage alten unver- leßten Blasen hat stets höhere Infektiosität gezeigt, als solhe aus älteren Blasen, deren Bedeckung dem Zerfall nahe war. Lymphe aus frishen Blasen is in der Regel klar und kann leiht, nach gründ- licher Desinfektion der Blasenwandungen, steril und frei von Bakterien entnommen werden, ältere Blasen find wegen der leichten Zerreißlihkeit ihrer Wandungen schwer gentigend zu desinfizteren und enthalten in ter Regel eine trübe Lymphe, die eine große Menge der verschiedenartiasten Bakterien aufweist. Während erstere Lymphe fast avsnahmsêlos si als stark infektionstüchtig und gut konservierbar er» wies, mißlangen die Infektionsversuhe mit alter Lymphe in der Negel, erforderten zu ihrem Gelingen verhältnißmäßig große Mengen von Lympbe, und war die Virulenz der Lymphe beretts nad) wenigen Tagen, wahrsc&einlich wohl infolge Zerseßung dur die innewohnenden Bakterien, erlofchen.

Systematishe Versuche, die kleinste Lymphemenge festzustellen, mit der eine typishe Erkrankung erzielt werden kann, find im Institut für Infektionskrankheiten in größerem Umfange angestellt worden und haben ergeben, daß es gelingt, selbst noch mit 1/5000 cem sicher die Krankheit dur Einspritzung in die Blutbahn hervorzurufen.

Eine weitere Reihe von Experimenten wurde vorgenommen, um das Verhalten der Lymphe gegen die Einwirkung von verschiedenen Temperaturgraden und gegen Eintrocknung festzustellen.

Zu diesem Zweck wurde Lymphe, deren Virulenz durch einen Kontrolyersuch erwiesen worden war, in dem Verhältniß von 1: 9 mit 0,9 9/9 Kochfalzlösung verdünnt und alsdann diese Mischung in Glasfkapillaren oder engen Reagenzgläsern vershiedenen Temperaturen ausgeseßt. Es zeigte sih dabei, daß der 12—24 stündige Aufenthalt der Lymphe in dem Brütraum von 37,5 Grad C. ihre Virulenz aufhob.

Ebenso verlor Lymphe, die 1 Stunde und 20 Minuten bei 450 bis 460 C. gehalten war, ihre Virulenz, desgleichen Lymphe, die auf 5009 C, 15 Minuten, auf 70° C. 10 Minuten, auf 1009 C. momentan gros! worden war. Im Institut für Infektionskrankheiten ift

ymphe, - die } Stunde auf 509 C erwärmt worden war, noch infektionsfähig gewesen. Bei der praktishen Bedeutung dieser Frage \follen noch weitere Versuche darüber angestellt werden.

Lymphe, welche in eine Mishung von Chlorkalcium und Eis ge- bracht worden und darin etwa 3 Stunden in gefrorenem Zustande (bei —489) gehalten war, infizierte das geimpfte Thier prompt.

_ Gegen Eintrocknung scheint die Lymphe nur geringe Widerstands- fähigkeit zu besißen, da Lymphe, die auf einer s\terilisierten Platte im Exsiccator über Schwefelsäure im Vacuum bei etwa 22° C. Zimmer- temperatur 18 Stunden angetrocknet gewesen war, das damit infizierte Thier nicht krank zu machen vermochte.

Auf Holz, Stein und Flanell bei Zimmertemperatur und zer- streutem Tageslicht angetrocknete Lymphe war cbenfalls bereits nah 24 Stunden unwirksam geworden.

Auch gegen Desinfektionsmittel verhielt sich die Lymphe wenig widerstandsfäbig. Es gelang mit 10/6 Karbolsäurelöfung, 2 %/o

ormaldehytdlösung, 3% Sodalösung, 109%/ Salzsäurelösung, 1 9/0

hosphorsäurelösung sowie mit einer in der vorgeschriebenen Weise

a Boi Kalkmilh die Virulenz {hon nah einstündiger Wirkung aufzuheben.

Eine interessante Beobachtung wurde bei der Filtration der vet- dünnten Lymphe dur Chamberlandfilter gemaht. Es zeigte ih dabei, daß das Filtrat infektionstüchtig blieb. Diese überaus merk- würdige Thatsache ist an beiden Versuchéstellen beobahtet und vom Institut für Infektionskrankheiten zum Gegenstand einer eingehenden Üntersuhung gemaht worden, die zur Zeit noch niht abges zolen ift.

Die Frage, ob ein einmaliges Ueberstehen der Aphthenseuche den Thieren Immunität verleiht, ift durch eine Reihe von Versuchen in bejahendem Sinne beantwortet worden.

s hat sih gezeigt, daß 2 bis 3 Wochen nah dem erstmaligen Veberstehen einer typischen Erkrankung die Thiere mit größeren Mengen eines sehr virulenten Impfstoffs bus Einsprißung in die Blutbahn nicht zu infizieren sind. Wie lange eine solche, dur Ueber- stehen der Krankheit erworbene Immunität andauert, hat sih noch nicht nahweisen lafsen.

Weiter i} versucht worden, dur subkutane Sre, von Blut, das einmal Thieren entnommen war, welhe durh das Ueber- stehen der Krankheit immun Sueiden waren, und sodann au Thteren entzogen war, die sh im Stadium der Blasenbildung und auf der Höhe der Krankheit befanden, ‘bei empfänglichen Thieren Immunität egen eine nachfolgende Infektion zu erzielen, Diese Versuche find tets ohne Erfolg geblieben ; jn wenn zu verschiedenen Zeiten bis bis zu hundert und mehr Kubikzentimeter Blut unter die Haut esprißt worden war, erkrankten die Thiere fast ohne Ausnahme bei ber folgenden Konten typisch an der Aphthenseuche.

Denselben negativen Erfolg hatten subkutane Einsprizungen von Serum, das von folhem Blut gewonnen war.

Ein besseres Resultat erzielten zwei Immunisiecungsmethoden, die im Institut für Infektionskrankheiten angegeben und im Kaiser- lichen Gesundbeitsamt nahgeprüft worden sind. Sprißte man P he, die durch 12stündigen Aufenthalt im Brutapparat bei 37% C. ihre Virulenz verloren hatte, in Mengen von 1/100 bis 1/10 cem in die Blut- bahn, so waren 30 bis 50 9/6 der geimpften Thiere agegen die drei Wochen später vorgenommene Kontrolimpfung immun, Noch bessere Resultate wurden mit der folgenden Methode erzielt. Virylente Lympbe wurde in einer Menge von 1/50 bis 1/40 cem zu 1—10 cem durch Schütteln defibrinierten Blutes von darge euhtenThieren (fod, Faupunss gelebt und alsdann Thieren in die Blutbahn gebraht. So behandelte Thiere wurden nicht augenfällig krank; fi: zeigten wohl Temperatursteige- rungen, blieben aber stets von den gewöhnlichen lokalen Erscheinungen im Maul und an ten Klauen frei. Bei der drei Wochen darauf folgenden Kontrolimpfung sind im Institut für Jnfektionskrankheiten von Schweinen 95 9/0, von Rindern 7% 9/9 immun gefunden worden.

Im Gesundheitsamt hat die Nachprüfung dieser lezten Methode nit dieselben guten Resultate ergeben. Sehr wahrscheinli beruht diese Erscheinung auf dem Umstande, daß zu der Kontrolimpfung hier zwanzig- bis vierzigmal mehr Lymphe angewendet worden ift als im Institut für Jnfektionskrankheiten.

Bei der Anwendung dieser zweiten Immunisierungsmethode in der Praxis sind vom Institut füc Infektionskrankheiten zufriedén- stelleade Ergebnisse erzielt worden. Es wird daher im Gesundheits- u ne nohmalige eingehende Prüfung dieser Frage vorgenommen werden.

Bei den Impfungen sind folgende klinishe Erhebungen ge- macht worden :

Impft man ein für die Seuche empfänglides Rind durch Ein- reiben von virulenter Lymphe auf die wund gemachte Maul- \chleimhaut, so triit in den meisten Fällen nach 24—28 Stunden ein Infektionsfieber bis 419 C und darüber auf. Es kommt aber au vor, daß die Temperatur erst eine mäßige Steigerung nah 24 Stunden ern um dann am 3. oder 4. Tage die vorerwähnte Höhe zu erreichen.

Gleichzeitig zeigen die Thiere verminderte Freßlust und unlustiges Benehmen. Thiere, die sons sehr munter waren, erschienen traurig Und abgeshlagen. Das Deckhaar ift etwas aufgebürstet. Einzelne Rinder lassen jedoch außer der Temperaturerhöhung Krankheits- erscheinungen nicht erkennen.

Der Zeitpunkt des Eintritts von Fieber hängt offenbar von der Virulenz des aufgenommenen Infektions\stoffes, von der Menge des- selben und der Empfänglichkeit des betreffenden Individuums ab.

Das Fieber fällt am 6. bis 8. Tage nah der Infektion bei typishen Maul- und Klauenseucheerkrankungen zur Norm herab. Das Absinken der Temperatur zur normalen Höhe und die Gestalt der

ieberkurve steht in Verbindung mit der Reinheit des verwendeten

mpfstoffes.

Verimpft man eine aus ganz frishen Blasen erhaltene Lymphe, die weder trübe, noch flockig erscheint, auf mehrere Thiere, so werden die Temperaturkurven immer eine gewisse Regelmäßigkeit und eine ähnliche Gestalt zeigen.

Bei der intravenösen Injektion von Mischungen der Lymphe mit 0,9 9% Kochsalzlöfung oder mit Glycerin und destilliertem Wässer zu gleichen Theilen liegen die Verhältnisse, was das Fieber anbetrifft, ganz ähnlih. Die Temperatur steigt gewöhnlich 24—48 Stunden nah der Infektion an, jedo kann die Steigerung au länger auf sich warten lassen.

_ Auch die Dauer des Fiebers ist bei der intravenösen Impfung beim Rind eine ähnlihe wie bei der Impfung im Maul. Ganz ähnlich wie Rinder verhalten sich Schweine bei der Infektion.

Gleichzeitig mit dem Eintritt des Fiebers oder auch einen bis zwei oder mehrere Tage später werden die infizierten Thiere auf einem oder mehreren Füßen lahm; sie liegen sehr viel und sind schwer zum

Aufstehen zu bewegen. Beim Stehen werden die lahmen Füße vor- geseßt oder au in Beugestellung gehalten, auf jeden Fall aber mög- list wenig belastet. Die Haut erscheint von den Ballen und Kronen der Klauen bis hoch in die Beugeflähhe des Unterfußes hinauf ge- \{chwollen, heiß und auf Druck empfindlich; bei weißen Beinen macht ih Röthung bemerkbar. Die Druckempfindlichkeit tritt ganz besonders hervor an den Theilen, die bei dem Stehen der Thiere belastet werden, so z. B. an den Klauenballen. Jn diesem Stadium der Krankheit findet sich die Maulschleimhaut geröthet und heiß. Die Speichelsekretion i vermehrt, die Thiere \{chmaten, die Lippen find mit Schaum bedeckt. Der manuellen Unterfuhung im Maul fuchen die Thiere nah Möglichkeit sch zu entziehen.

Zwei bis drei Tage nah der Infektion findet man Blasen an der Zunge, am harten Gaumen, dem zahnlosen Rande des Ober- fiefers, dem Zahnfleishe, den Lippen, den Ballen und im Klauen- spalte; Blasen am Euter wurden wiederholt beobahtet; Blasen auf der Scheidenschleimhaut, am Hodensack und am Grunde der Hörner konnten nie festgestellt werden.

Die Blasen sind linsen- bis wallnußgroß.

Der Inhalt der frishen Blase ist wasserklar bis weingelb gefärbt und beträgt oft mehrere Kubikzentimeter. In einem Falle wurden aus einer Klaueablase 3 Kubikzentimeter Inhalt entnommen. Der Inhalt älterer Blasen is trübe und flockig. Nach mehr oder minder langer Zeit, oft son sehr kurz nah dem Entstehen, playen die Blasen ' und hinterlassen eine hochrothe Granulationsfläche, die sih entweder {nell überhäutet oder zu einem Geshwür ausbildet, das nach seiner Verheilung eine Narbe zurückläßt. Das letßtere ist häufig im Maule der Fall. Der aus der Blase entnommene Inhalt gerinnt theilweise und scheidet eine fadenförmige oder flockige Masse ab.

Durch die Untersuchungen ist auch die sehr wichtige und viel- umstrittene Frage über die Dauer der Inkubation geklärt worden. Es muß dabei die Zeit des Fiebereintritts und der Blaseneruption unterschieden werden. Die Inkubationsdauer beträgt für das Fieber 12 Stunden bis 6 Tage. Bis zur Blaseneruption vergehen 2 bis 10 Tage. Zu den lokalen Grscheinungen gefellen sich allgemeine. Bisweilen versagen die Thiere das Futter shon während der erften Fiebersteigerung. In anderen Fällen, bei großen Epithelablösungen auf der Maulschleimhaut, im späteren Verlauf der Krankheit, nehmen ganz besonders die Rinder nur in beschränktem Maß dünnflüssige Nahrung auf, während Heu und Stroh vollkommen verweigert werden. Es tritt hin und wieder Durhfall ein von übelriehender Beschaffenheit. E s Abheilen der Blasen vershwinden diese Symptome nah und nah.

__ Kranke Kühe geben stets weniger Mil; jedoch if die Ver- ringerung oft E groß. Bei der geringen Anzahl von Milhkühen, die zu den Versuchen benußt wurden, hat sich ein abshließendes Urtheil über die Veränderungen der Milch nit gewinnen lassen. Bei der Behandlung wurde in erster Linie für e diätetische und für gribie Ian der Klauen Sorge getragen. Na(hkrankheiten, wie Panaritien und Phlegmonen, kamen nicht vor. Benuyt wurden von Medikamenten: Lyfol, Pyoktanin, Formalin Amyloform und Tannoform. Eine innerlihe Behandlung war nicht A Spezifika gegen die Seuche gn nit bekannt.

¡e Kommission sprah sich dahin aus, dal die Versuche fort- zusegen seien, insbesondere: hinsihtlich der Auffindung des Er- regers der Seuche, der Eingangspforten desselben in den Thier- körper, der Auss{heidungswege aus dem leßteren u. dgl.; ferner über die Dauer der Ansteckungsfähigkeit des Giftes in der Aphthenlymphe und im Maulspeichel bei höheren und niederen Tem- peraturen, im lufttrockenen Zustande an Haaren, Federn, Kleidungs- \tücken, Holz, Lederzeug u. dgl., im Koth, Urin, Dün er, in der Jauche und Streu, sowie în den dadur verunreinigten Standorten und an Geräthschaften, in der Milch und den Molkereiprodukten (Butter, Magermil); hinsihtlih der Uebertragbarkeit des Ansteckun gs- stoffes dur kleine Thiere als Zwischenträger, wie Hun Kaninchen, Ratten, Mäuse, See Wild, Fliegen u. dgl., sow dur Perjonen und dur robe thierishe Theile, wie Blut, d, S ees erkrankte Hautstellen, Kadaver gefallener Thiere; d Inkubationsdauer bei den einzelnen Thierarten; über die Er- zeugung deo Immunität mit Aphtbenl mphe und Bl

immunisierter Thiere, sowie die Dauer derselben bei niens