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UjE S E E
: Verhältnisse — § 32 2 a—g der Deutschen Wehrordnung —)
ekanntmachung
_ Alle diejenigen jungen Männer, welche in einem der zum Deutschen Reich rie Staaten heima tigt und 1) in dem Zeiiraum vom 1. Januar bis einschließlich 31. Dezember 1878 geboren sind, —_ 2) dieses Alter bereits überschritten, aber sich noch nicht bei einer Ersaßbehörde zur Musterung gestellt, sih zwar gestellt, über ihr Militärverhältniß aber noch keine endgültige Entscheidung erhalten haben und gegenwärtig innerhalb des Weichbildes hiesiger Residenz sih Aalen, werden, soweit sie niht von der persönlichen Gestellung in diesem Zahre entbunden sind, hierdurch auf Grund des § % der Deutschen Wehrordnung vom 22. No- vember 1888 angewiesen: sihbéhufs ihrer Aufnahme in dieRekrutierungs- Stammrolle in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Februar d. J. bei dem Königlichen Polizei- Lieutenant ihres Reviers persönlih zu melden und ihre Gebuxrts- oder Loosungsscheine und die etwaigen sonstigen Atteste, welche bereits ergangene Ent- scheidungen über ihr Militärverhältniß enthalten, mit zur Stelle zu bringen.
Die Geburtazeugnissé werden von den Standesämtern Mae igen biesigen Mil 5
ür diejenigen hiesigen Militärpflichtigen, welche zur Zeit aven sind (auf der Reise begriffene agene en, auf See befindliche Seeleute - 2c.), haben die Eltern, Vor- münder, Lehr-, Brot- und Fabrikherren die Anmeldung in der vorbestimmten Art zu bewirken.
Wer die vorgeihriebene Anmeldung versäumt, wird nah L des Reichs-Militär-Geseßes vom 2. Mai 1874 mit einer s iert bis zu 30 4 oder mit Haft bis zu drei Tagen
estraft. _ Reklamationen (Anträge auf Zurückstellung bezw. Be- freiung von der Aushebung in Berücksichtigung bürgerlicher
sind bezüglih aller Militärpflichtigen, auch der Einjährig- gen, vor dem Musterungsgeschäft, spätestens aber im usterungstermine anzubringen; nah der Musterung ange- brachte Reklamationen werden nur dann berücksichtigt, wenn die Veranlassung zu denselben erst nah Beendigung des
Musterungsgeshäfts entstanden ist.
Berlin, den 10. Januar 1898. Die Königlichen E l solent der Aushebungs - Bezirke
erlin.
Dr. von Lepell.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 24. Januar.
Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Handel und Verkehr, für Eisenbahnen, Post und Telegrapheg und für Rechnungswesen hielten heute eine Sißzung.
__ Der Regierungs-Assessor von Puttkamer in Wiesbaden ist der Königlichen Regierung zu Schleswig zur weiteren dienst- lihen Verwendung überwiesen worden.
__ Der Regierungs-Assessor Schrader, z. Zt. in Wehlheiden bei Cassel, ist dem Landrath des Landkreises Königsberg zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden.
Laut ots e e Meldung an das Ober - Kommando der Marine ist S. M. S. „Gneisenau“, Kommandant Kapitän zur See Hofmeier, am 23. Januar in Havanna angekommen und beabsichtigt, am 31. d. M. nach Key West in See zu gehen.
Württemberg.
Wie der „St.-A. f. W.“ vernimmt, werden sch Zhre Majestäten der König und die Königin mit Jhrer König- lihen Hoheit der Prinzessin Pauline am 26. d. M. zur Theilnahme an der Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Deutschen Kaisers nah Berlin begeben.
Vaden. Jhre Aen Hoheiten der Großherzog und dic Großherzogin sind am Freitag Nachmittag zu dauerndem Aufenthalt von Schloß Baden in Karlsruhe eingetroffen.
Hessen.
Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großher ogin werden sih, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, am 26. d. pur Theilnahme an der Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers nah Berlin begeben.
Oesterreich-Ungarn.
Jn der vorgestrigen Sißung des böhmischen Land- tages beaniwortete zunächst der Statthalter Graf von Coudenhove die Jnterpellation, betreffend das Verbot des Tragens von Vereinsabzeichen, und führte dabei aus :
Er halte vollkommen seinen bereits dargelegten Grundsaß aufreckt, daß das Farbenträgen ein ftatutarisches Recht der deutshen Ver- bindungen sei, und daß die Ausübung dieses Rechts keinen Grund zur Aufregung der Bevölkerung, geshweige dern zu Gewaltthätigkeiten, bilden könne. Die Behörde habe dieses Prinzip mit einem großen Aufgebot geshügt, wobei fich zahlreihe Zwischenfälle abge- spielt hätten. le Erregung habe sich aber von Tag zu Tag ge- steigert und eine Gefahr für die öffentlihe Ordnung und Sicher- heit der Deutschen Prags überhaupt gebildet, So hätten am 19. d, M. BVocmittags nicht weniger als hundert Mann ' der Sicherheitswache, ein halbes Bataillon Infanterie und eine Es- kadron Dragoner aufgeboten werden müssen, um die am Graben promenierenden farbentragenden Studenten zu shüßen, Am Abend desselben Tages habe das Aufgebot verdoppelt werden müssen. Jn den legten Tagen hätten deshalb die Garnison und die Sicherheitswache in ständiger Dienstbereitschaft gestanden. Er ¿ôgere nit, neuerdings zu erklären, daß er dieser Erregung keinerlei Berechtigung zuerketinen könne, weil er in dem Tragen von Vereins- abzeihen irgend ‘eine Herausforderung oder Verleßung anderer Nationalitäten nit erblickde. Allein die Erregung sei einmal vorhanden
gewesen, und es hätten außerordentliche Maßnahmen getroffen werden
gtlice um Ausbrüchen vorzubeugen. Zunächst habe er versudt, auf
lichem Wege: durch Verhandlungen eine zweckentsprewende Art des Farbentragens bei den Studenten Pirdhz tas en. ‘Zu diesem Zweek habe ér u den Rektoren beider deutshen Ho én konferiert, welche bereit- willigstdie Aufgabe übérnommen hätten, die Studenten zu bestimmen, ihre Zusage zu geben, daß sie sich vorläufig die gewünschten Beschränkungen auferlegen würden. Leider fei es aber nicht gelungen, diese Zusage innerbalb der festgeseßten Frist in verläßliher Weise zu erbalten. Im Gegentheil sei füc Freitag eine neuerlihe Demonstration von farben- tragenden Studenten in Aussicht genommen gewesen, was nah Ansicht der Polizei eine wirklihe Gefahr bedeutet haben würde. Dadurch, daß in den leßten Tagen auch zahlreiche Personen mit slavishen Abzeichen auf den Straßen al Dienen, sei die Gefahr eines Zusammenstoßes noch
vergrößert worden. Deshalb habe die Präventivpolizei in ihr Recht
treten müssen. Ein Widerspruch zwischen der getreffenen Verfügung und der Erklärung über das Recht zum Farbentragen sei nicht vor- handen. Bei aller Anerkennung der Rechte der deutschen Studenten sei es in_der jeyigen fkritischen Zeit doch wichtiger, die Ruhe und die Sicherheit aufrecht zu “erhalten. Hierfür müßten alle verfügbaren Mittel angewendet werden. Bei Würdigung des Gesagten sei die Annahme etnfach ausgeschlossen, daß die Absicht bestehe, die Rechte der deutshen Studenten zu verkümmern. Die Maßregel sei eine ganz allgemeine und betreffe ‘die slavischen Vereine ebenso qut wie die deutshen „und gleihermaten alle gie Map Dieselbe sei provisorisch und dur das Zusammentreffen einiger für die Aufrehterhaltung der Ruhe besonders ungünstigen Umstände ver- anlaßt. Die verfügten Beschränkungen follten nit lange dauern. Die Regierung lege viel zu großen Werth darauf, daß die altehrwürdige Universität Prag blühe, als daß sie dauernde Beschränkungen alter Freiheiten und Rechte der Studenten in Auésiht nehmen könne. Gr dürfe im Gegentheil hoffen, daß der Eintritt ruhigerer Zeiten bald die Möglichkeit bieten werde, der Stadt ihre volle Fretheit wieder zurückzugeben.
Nach dem Statthalter sprahen der Abg. Koldinsky namens der Czehen und der Abg. Opit namens der Deut- schen, worauf der Abg. Mettal (Großgrundbesiß) den Schluß der Debatte beantragte, was Protestrufe seitens der Deutschen und großen Lärm hervorries. Der Oberst-Landmarschall Fürst Lo bkowißg ertheilte unter dem Beifall des Groß- grundbesißes und der Czechen dem Abgeordneten Wolf zweimal einen Ordnungsruf, worauf der Antrag auf Schluß der Debatte angenommen wurde. Zu Generalrednern wurden czechischerseits der Abg. Kramarz, deutscherscits der Abg.
trache gewählt. :
Der Abg. Kramarz bedauerte, daß der Statthalter das Verbot des Farbentragens gerehtfertigt habe, und erklärte. es bedürfe feiner Entscbuldigung, da der Statthalter nur seine Pfliht gethan habe. Er (Redner) müsse dem Märchen entgegentreten, als ob die Deutschen den Staat zusammengehalien hätten. Die Länder der böhmischen Krone hâtten mehr für das Reich gethan, als Ungarn und die deutschen Upenländer. Er protestiere dagegen, daß man dem Präsioium des Abgeordnetenhauses die Schuld an den traurigen Zuständen bei- messe, und bedauere, daß die gemäßigten Parteien kein Wort gegen die Obstruktion gefunden, vielmehr die ermatteten Hihköpfe ermuntert hätten. Die Deutschen seten es gewesen, welche das Reichsparlament unterwühlt hätten; zur Entscheidung der Nationalitäten}rage sei niht der RNeichsrath, sondern nur der Landtag kompetent. Die Deutschen, welche die Untheilbarkeit des Landes nicht anerkennten, sollten gewärtig. sein, daß die Czechen dagegen unter allcn Umständen auftreten würden. Uebrigens hätten maßgebende Faktoren erklärt, daß die Bestrebungen der Czechen nüßlich seien und daß sie niht nur für Böhmen, fondern für die gesammte Monarchie kämpften.
___ Der Abg. Strache führte aus: es dürfe niht überraschen, wenn die Entrüstung der Deutschen sih dadur s\teigere, daß ein Mann, welcher erkläre, daß er nihts bereue, was er als Vize-Präsident gethan habe, und bereit gewesen sei, die deutsche Linke hinauswerfen zu lassen, als Sprecher für die staatsbürgerlihe Freiheit auftrete und die Erklärung des Statthalters als eine überflüssige Entshuldigung erahte. Er welse die Lehauptung zurückl, daß der Abg. Wolf der Führer der Deutschen sei. Derselbe gehöre dem Klub nicht an, sondern wohne nur ' den gemeinsamen Versammlungen bei; seine Anträge würden wie die eines Mitgliedes an- genommen, die Führung aber sei erfahrenen Mitgliedern an- vertraut. Die Deutschen bedankten . sh für das ihnen vom Vorredner empfohlene autonomistische Prinzip, denn sie wücden im zentralistishen Staate ihre gemeinsame Einheit fstha!\ten, was den Slaven nit möglich fei. Alle Deutschen von der radikalsten bis zur konservativen Seite seien darin einia, daß die Sprachen- verordnungen aufgehoben werden müßten. Sie müßten fallen, es gebe keine Wiederauferstehung. Die Verordnungen müßten Gesetzen weichen; die Deutschen beharrten auf der unbedingten Zweitheilung ; sie könnten den NRegterungs-Erklärungen kein Vertrauen entgegen- bringen. Der Antrag Buqguoy bedeute für die Deutschen nur eine Ver- \{leppung. Er verweise auf den Patriotismus und auf das Ver- balten der Deutschen im Jahre 1866. Das deutshe Volk werde fort- bestehen, selbs wenn das Geschick sich gegen die Veutsben in Böhmen kehren sollte. Es bandele sih um die ôfterreihishe Monarchie : ent- E werde si ein einheitliches Oesterreich erhalten, oder es werde nit fein.
Die Ueberweisung des Antrages Schlesinger auf Aufs
hebung der Sprachenverordnungen an eine besondere Kom- mission wurde in namentlicher Abstimmung mit 114 gegen 54 Stimmen abgelehnt. Der Antrag gelangt somit vor die T welche zur Vorberathung des Antrages Buquoy gebildet ist. _ Der akademische Senat der deutschen Universität in Prag hat, wie die „Neue Freie Presse“ meldet, am Sonn- abend Abend in corpore resigniert und dem Unterrichts- Minister sofort telegraphishe Anzeige hiervon gemacht. Als Ursache der Resignation wird angegeben: daß die Zusagen, welche den deutschen Professoren binsichtlich des Schutzes der deutshen Studenten und der Gestattung des Farbentragens I der Regierung gemacht worden, nicht gehalten worden elen.
Der Adreßausschuß des galizishen Landtages hat cinen Entwurf angenommen, welcher zunächst des 50jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers gedenkt. Der Ent- wurf spricht sodann, nach der Versicherung der Liebe und Dank- barkeit für den Monarchen, die Bereitwilligkeit der Vertreter beider Völker des Landes aus, alles zu erfüllen, was die Macht- stellung des Reichs und die Erhaltung der von der Monarchie hochherzig gewährten Freiheiten erfordere und was immer den Frieden zu sichern vermöge. Ferner giebt der Entwurf der Sehnsucht nah Beilegung der nationalen Streitigkeiten Aus- druck und erklärt: Polen und Ruthenen seien in Anerkennung des Grundsatzes der Gleichberechtigung bereit, allen Bedürfnissen beider Nationalitäten Genüge zu leisten. Das konstitutionelle Leben werde sih durch Erweiterung der legislativen Macht des Landtages in den die gemeinsamen Staatsinteressen nicht berührerden Angelegenheiten sichern fts Die Adresse schließt mit dem Wunsch einer baldigen Wiederherstellung des normalen parlamentarishen Lebens und des Zustandekommens eines für beide Theile gerechten Ausgleihs mit Ungarn auf kTonstitutionellem Wege, / /
Wie das ungarische „Amtsblatt“ meldet, ist der Minister a latere Baron Josika auf eigénes Ansuchen von geen Posten enthoben und der E U ae aron Banffy mit der provisorischen Leitung - des Ministeriums
a latere betraut worden.
Frankreich. Der General Mezinger is zum Kommandeu XV. Armee-Korps etüonat l Big t O
Nach einer Meldung des „Temps“ aus Toulon, wird die Ausrüstung des nach Ost - Asien bestimmten Panzer- kreuzers „Vauban“ mit größtem Eifer betrieben, dürfte (Co erst in aht Tagen beendet sein. Der Marine- Minister hat ferner Befehl ertheilt, die Schlachtschiffe „Ma- genta“ und „Redoutable“ sowie die Kreuzer erster Klasse A und „Cécile“ móöglichst shnell in Stand zu eßen.
Unter starkem Andrang des Publikums und großer Erregung des Hauses begründete der Deputirte Cav aignac, wie „W. T. B.“ berichtet, in der vorgestrigen Sizung der Deputirtenkammer seine Jaterpellation und ver- sicherte, die Erklärungen des Kapitäns Lebrun - Nenaud betreffs der - Geständnisse Dreyfus’ “ seien durch zwei Dokumente bescheinigt. Cavaignac tadelte die Regierung, daß sie Stillshweigen darüber beobachte, da infolge dessen eine abgeurtheilte Sache weiterhin kommentiert werde. Er warf der Regierung ferner vor, übechaupt einen zweiten Prozeß eröffnet zu haben. Wenn die Regierung meine, es _ liege cine Gefahr darin, den Namen der in dem Bericht bezeichneten Macht zu ver- öffentlihen, so werde niemand darauf bestehen. Die Regie- rung möge sih deutlih erklären. Der Minister-Präsident Méline erklärte: er könne den Bericht des Hauptmanns Lebrun - Renauld, welcher vorhanden sei, nicht veröffentlichen, wie eine Note der „Agence Havas“ bereits mitgetheilt habe. Die Regierung glaube, den idt f deshalb nit veröffentlichen zu können, weil sie der Ansicht sei, daß eine parlamentarische Er- örterung den gerihtlihen Charakter der Angelegenheit ver- ändern würde. Sei die Erörterung cinmal eröffnet, so würde man sie nicht mehr schließen können, und die Kammer würde die Revision des Prozesses vornehmen. Der weitere Grund, die Ver- öffentlihung zu verhinde:n, sei derselbe, welher die Ver- handlung bei geschlossenen Thüren gerechtfertigt habe. Dieser Grund habe nichts so überaus Bedenkliches, aber es sei ein- mal Gewohnheit, eine Anklage wegen Spionage bei geschlossenen Thüren zu verhandeln. Der Minister-Präsident bezeichnete die Campagne in der Dreyfus: Angelegenheit als bedauerlih und sagte, ein berühmter Schriftsteller habe sich seiner Feder bedient, um die Armee zu entehren. (Lange anhaltender Beifall im Zentrum und auf der Rechten; heftige Unterbrehungen auf der äußersten Linken.) Méline tadelte sodann die Journa- listen, welche den Feldzug führten, und a:fklärte, er habe nur seine Psliht gethan, indem er Zola dem Gericht über- geben hate. Die Geschworenen würden die Armee zu ver- theidigen wissen. Die Ehre der Generale sei über alle An- griffe erhaben. (Lärm auf der äußersten Linken) Der Präsident Brisson beshwor die Kammer, in dem Auzenblick, wo die Stadt durh Straßenkundgebungen beunruhigt sei, cin Beispiel der Ruhe und Mäßigung zu geben. Der Minister- Präsident Méline fuhr hierauf fort: „Wir wollten uns niht die Unagesegzichkeit zu \{chulden kommen lassen, eine Revision des Prozesses herbeizuführen. Der Skandal wird auf diejenigen zurüdfallen, die denselben erregten. Was die Straßenunruhen betrifft, so werden wir R ein Ede zu machen und die Ruhe wieder- herzustellen wissen.“ Méline tadelte hierauf die soziatistischen Blätter, ihre Angriffe sowie ihren Appell an die Revolution und sagte: „Durch diese Mittel wird eine neue Auflage von „La Débâcle“ vorbereitet.“ (Tumult auf der äußersten Linken.) Der Minister-Präfident {loß mit den Worten : „Das Land muß wissen, daß die Kammer das Kabinet unterstügt.“ (Lebhafter Beifall.) Der Deputirte Cavaignac erwiderte, der moralishe Zweck, den er verfolgt habe, sei er- reiht; er ziehe deshalb jeine Jnterpellation zurück. (Bewe- gung.) Der Deputirte Jaurès nahm die Jnterpellation wieder auf, protestierte gegen den Versuch, die Debatte auf die Sozialisten abzulenken, und beschuldigte die Konservativen, die Regierung auf den Weg der Reaktion zu treiben und eine allgemeine Verwirrung vorzubereiten. (Lärm auf der Rechten.) Jn den gegen Zola ergriffenen unvollständigen Maßregeln liege ein Blendwerk. (Beifall auf der äußersten Linken.) Der Deputirte Graf de Bernis (kons.) warf Jaurès vor, der Anwalt des Dreyfus- Syndikats zu sein. Der Deputirte Ja urès entgegnete: „Sie sind ein Elender und ein Feigling.“- Der Deputirte Graf de Bernis eilte auf die Tribüne zu, aber mehrere Sozialisten stürzten sich auf ihn. Es kam dabei ü Faustkämpfen. Graf de Bernis gelangte bis zur Tribüne und |chlug auf Jaurès ein. Die Konservativen und Sozialisten stürzten ebenfalls auf die Tribüne zu, und es entstand ein allgemeines Handgemenge. Der Kammer-Präsident B risson war nicht im stande, die Ruhe wiederherzustellen, und verließ seinen Siß mit dem Bemerken, er wolle den Ober-Staatsgnwalt von dem Vorgefallenen benachrichtigen. Während der Unterbrechung der Sißung trat das Bureau der Kammer zusammen, um darüber zu berathen, ob man dem Ober-Staatsanwalt die vorgekommenen Zwischenfälle unter- breiten solle. Das Bureau beschäftigte sich weiter mit der Frage, ob es angesichts der großen Erregung der Gemüther angezeigt erscheine, die Sißung wiederaufzunehmen. Es wurde be- chlossen, dem Ober-Staatsanwalt anzuzeigen, daß sich die Depu- tirten Graf de Bernis undGérault-Richard in der Kammer ein Ver- ehen hätten zu s{hulden kommen lassen. Auf Ersuchen des Präsidenten Brisson traten hierauf alle Gruppen der Kammer usammen, um über die. Frage zu berathen, ob es angezeigt ti die Sißung wieder aufzunehmen. Die Ansichten waren getheilt; da aber die Majorität der Befürhtung Ausdruck gab, die häßlihhen Scenen könnten sich wiederholen, so entschied sih ver Präsident Brisson dafür, auf seine Verantwortung hin die Sißzung nicht wieder zu eröffnen.
Als der Präsident Brisson den Präsidentensiß verlassen hatte und der Wirrwar zuzunehmen schien, sah man in den Wandelgängen der Kammer eine Kompagnie Soldaten ohne Waffen erscheinen, welhe von den Quästoren herbei- gerufen worden war; angesichts der Proteste mehrerer Ab- geordneten zogen sich die Soldaten jedoch wieder zurü. Einige Deputirte sollen beabsichtigen, den Vorfall in der Kammer zur Sprache zu e — Als die Sißung unterbrochen worden war, war der Befehl ertheilt worden, die Zuhörertribüne zu räumen, auf der man sich gegenseitig beshimpfte, sih gegenseitig interpellierte und auf der einige Journalisten sogar handgemein geworden waren. — Zu einem weiteren Zusammenstoß kam es in den Wandelgängen zwischen dem Grafen de Bernis und dem Abg. Deville. Leßterer. versuchte, dem Grafen de Bernis ein Tintenfaß an den Kopf zu eiden indem er ihn beschimpfte. Einige Zuschauer traten dazwischen und verhinderten ein Hand- gemenge.
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Sn Paris fand ‘ gestern Nachmittag in der „Salle des mille colonnes“ eine Protesiversammlung gegen - die Be- strebungen zu: Gunsten Dreyfus' statt, welche ziemli bewegt verlief. Der Deputirte Guérin, welhec die Ver- sammlung einberufen laite, erklärte: der“ Zweck der Versammlung sei niht eim politisher, sondern ein patriotisher, nämlich gegen die Angriffe auf die Armee zu. protestieren. Anarchisten, denen das Betreten des Saales gelungen war, begannen zu lärmen. Der zum Präsidenten gewählte Thiébaud wollte das Wort nehmen, wurde aber durch erneute Unterbrechungen daran verhindert. Drei Anarchisten wurden entfernt. Thiébaud stellte darauf den Antrag, einen Kranz zu dem Standbild der Stadt Straß- burg zu bringen, was mit den Rufen: „Es lebe die Armee! Es lebe Frankreich!“ aufgenommen wurde. Die Störungen erneuerten sich. Endlich {lug Thiébaud bei der Unmöglichkeit, die Er- örterung fortzuseßen, vor, die Versammlung aufzuheben, sich in Ruhe zur Place de la Concorde* zu begeben und den Kranz niederzulegen. Der Antrag gelangte zur Annahme. Der Kranz wurde in einen Wagen gebracht, aber die Polizei erlaubte den Theilnehmern an der Versammlung nicht, im Zuge zu folgen. Jnfolge dessen mußten sie einzeln oder in kleinen Abtheilungen gehen. Das Niederlegen des Kranzes vor dem Standbilde der Stadt Straßburg vollzog sich ohne Zwischenfall. Als die Theilnehmer an der Protest- versammlung den Saal verlassen hatten, versuchten Anarchisten dort eine Versammlung abzuhalten, wurden aber vom Polizei- kommissar daran gehindert, worauf sie sih zurückzogen.
Zu größeren Ausschreitungen ist es am Sonnabend und gestern in Algier gekommen, wo Juden gehörige Läden und Magazine geplündert und in Brand gesteckt wurden. Das Militär mußte einschreiten, und zahlreiche Patrouillen stellten heute T, tet Ruhe wieder hier. Jm Ganzen wurden 200 Personen verhaftet.
Italien.
Auf Vorschlag des Ministerrathes hat der König, wie „W. T. B.“ meldet, gestern ein Dekret unterzeichnet, durch welches die Eingangszölle für Getreide bis zum 30. April d. J. von 7,50 Fr. auf 6 Fr. ermäßigt werden. Das Dekret triti am 25. d. M. Morgens in Kraft und soll an demselben Tage der Kammer zur verfassungsmäßigen Genehmigung als Gesehentwurf vorgelegt werden.
Gestern Abend veranstalteten in Florenz ungefähr 200 Personen auf dem Victor Emanuel - Plaß eine Kund- gebung und zogen dann unter dem Rufe: „Nieder mit den Steuern!“ nah dem Zentrum der Stadt, wo fie einige Fenster des Hauses einwarfen, in welchem sih die Bureaux der Zeitung „Fieramosca“ befinden. Ein Polizist wurde hierbei leiht verlegt. Die Manifestanten schickten eine Kommission, zum Bürgermeister, worauf si ein Theil derselben zerstreute. Ein anderer Theil rottete sih auf dem Domplay wieder zusammen, wurde aber von der Polizei auseinander getrieben. Sehs Verhaftungen wurden vorgenommen ; die Ruhe ist wieder hergestellt.
Bei der in Forli vorgenommenen Ersaßwahl zur Deputirtenkammer wurde Cypriani, dessen Wahl für ungültig erklärt worden war, weil er nicht im Besiß der bürgerlihen Ehrenrechte ist, mit 1182 von 1241 Stimmen wiedergewählt.
Spanien.
Gestern, am Namenstage des Königs, fand, wie „W. T. B.“ meldet, in Madrid ein Bankett statt, welchem das diplomatische Korps beiwohnte.
Zur Feier der Unterdrückung des Aufstandes auf den Philippinen wurde die Stadt Madrid am Sonnabend festlih erleuchtet. Der Ministerrath hat beschlossen, daß aus demselben Anlaß in allen Kirhen ein Tedeum abgehalten werden soll.
Türkei.
Das Wiener „Telegr. - Korresp. - Bureau“ erfährt aus Konstantinopel, daß in Wan große Beunruhigung herrsche, da daselbst weacn der geheim gehaltenen Angelegenheit des armenishen Revolutionärs Deroyan allgemeine Haus- suchungen, zahlreihe Verhaftungen und Ausweisungen einiger Tausend armenisher Flüchtlinge stattgefunden hätten. Der armenishe Bischof von Wan, welcher vergeblih intervenierte, habe infolge dessen scine Amtsthätigkeit eingestellt, Auf Jnter- vention d § Wali - Stellvertreters ODannes Ferid (eines Armeniers) scien die getroffenen Maßnahmen sistiert und E achttägige Frist zur Auslieferung Deroyan's bewilligt worden.
Aus Kanea meldet die „Agence Havas“, daß, nach einer dort cingetroffenen Depesche des Gouverneurs von Kandia, ein britishes Kriegs\chiff die bei den leßten Gewaltthätig- keiten verhafteten Personen an Bord genommen habe. Alle Läden seien geschlossen. Zahlreiche Gruppen hätten dringend die Freilassung der Gefangenen gefordert und sih in heftigen Drohungen ergangen. — Durch ein Jrade des Sultans ist der Kommandant von Kanea Edhem Pascha zum Unter- Gouverneur von Kandia ernannt worden.
Amerika.
Wie der „Standard“ erfährt, wird in der nächsten Session des canadishen Parlaments ein Betrag von 50 000 Doll. für ein Shulschiff gefordert werden, das den Kern einer canadishen Marine bilden soll.
Aus Washington meldet „W. T. B.“, daß der Gouverneur des Staats New-Jersey John Griggs zum Attorney-General ernannt worden sei. ;
Der in San Francisco erbaute japanische Kreuzer „Chitose“ ist am Sonnabend vom Stapel gelaufen.
Nach Meldungen aus Havanna hat der cubanische Ministerrath beschlossen, eine Abordnung nah Washington zu entsenden, welhe über einen DNADels e rInag Grundlage der Gegenseitigkeit unterhandeln so Dem „Reuter'shen Bureau“ wird aus Havanna méldet, daß der General Castellano am 4. Januar bei Lea mit 2200 Mann Jnfanterie und 400 / Kavalleristen 1009 FJnsurgenten geschlagen * und die Negierungsgebäude derselben zerstört habe. Am folgenden Tage ibe General Castellano den Jusurgenten, welche sich inzwischen verstärkt häiten, eine neue Schlacht geliefert. Die Zasurgenten seien vollständig geschlagen worden und hätten 57 Todte auf dem Schlachtfelde zurückgelassen. Die Spanier hätlen 5 Todte und 31 Verwundete verloren. — Sechs Auf- ländische, welche dem die Leibgarde von Maximo Gomez bildenden Regiment angehören und si unterworfen haben, sagten aus, daß Gomez den Führer der Aufständishen Alvarez, welcher
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sih mit seiner Schaar habe unterwerfen wollen, habe er- schießen lassen. — Aus ‘der Provinz Santa Clara wird be- rihtet, daß der Führer der Aufständishen Tego sih unter- worfen habe. E
Aus Rio de Janeiro wird gemeldet, daß der Kreuzer „Anchade“ am Sonnabend mit sechs wegen politisher Um- triebe Verbannten, unter denen sich Santa Anna und Nary befänden, nah der Junsel Fernando abgegangen sei.
: Asien.
Zur Züchtigung des Akakhel-Stammes, welcher Raub- züge unternommen hatte, sind, einer Meldung aus Kalkutta bige. mehrere fliegende Kolonnen mit Artillerie unter dem Befehl des Generals Palmer entsandt worden. -
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die vorgestrige Siz ung des Nei chs- tages befindet sih in der Zweiten Beilage.
— In der heutigen (24.) Sißung des Reichstages, welher der Staatssekretär des JFnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner beiwohnte, stand zunächst auf der Tagesordnung der mündliche Bericht der Geschäftsordnungs-Kommission über das Schreiben des Rechtsanwalts Loß zu Altenburg in der Privatklaç esache des Zwickers Otto Jahn zu Lucka gegen den Abg. Bocck-Gotha (Soz.) wegen Beleidigung.
Die Kommission beantragte, die geforderte Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg. Bock nicht zu ertheilen.
Das Haus trat diesem Antrage bei.
Hierauf wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Feststelung des RNeichshaus- halts-Etats für das Rechnungsjahr 1898, bei dem Etat des NReichsamts d:s Junern fortgeseßt.
(Schluß des Blattes.)
— Jn der heutigen (7.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel und der Justiz-Minister Schönstedt beiwohnten, erbat und erhielt der Präsident von Kröcher zunächst die San, Seiner Majestät dem Kaiser und König zu Allerhöchstdessen Geburtstag die Glückwünsche des Hauses darzubringen, worauf das Haus zur ersten Berathung des Geseßentw urfs, betreffend die Aufhebung der Verpflichtung zur Bestellung von Amtskautionen, überging.
Nbg. Nickert (fr. Vag.): Die Vorlage enthält einen wesent- lihen Fortschritt, den ih vor wenigen Monaten noch niht erwartet hatte, als ih die Hoffnung aussprach, daß eine derartige Vorlage gemacht werden möchte. Die Uebelstände, die sh bet dem Kautions- wesen herausgestellt haben, sind viel s{chlimmer, als man gedacht hat. Bei der Eisenbahnverwaltung betragen die Kosten für ‘das Kautionéwesen 65000 #, das Risiko ter Verwaltung aber hêéchstens 356000 #Æ&; dem gegenüber if die moralische Wirkung der Kautionen doch eine sehr geringe. Es wäre wünschenswerth, daß im Reiche die gleihe Maßregel durhgeführt würde. Ob die zweijähriye Frist nothwendig ist, erscheint mir doch ¿weifelhaft. Daß 93 Millionen Staatspapiere für das Reich und Brennen auf den Markt kommen, wird keinen großen Effekt machen.
ie Beamten, und ih habe die Zuversicht, daß dies Vertrauen nicht getäuscht werden wird. Jeder Beamte wird sich einer verschärften Kontrole unterwerfen; denn die Kautionen haben die Kassenrevisoren in eine gewisse Vertrauens\eligkeit verseßt. j
Vize-Präsident des Staats - Ministeriums, Finanz - Minister Dr. von Miquel: Als der Vorredner die Frage im vorigen Jahze anregte, hatte das Staats - Ministerium noch keine bestimmte Stellung dazu genommen; Verhandlungen s{chwebten aber {on darüber. Ich felbst war damals noch niht entschlossen. Man dachte damals an die solidarische Haftung der Beamtenvereine Aber dieser Weg hat si als bedenklih herausgestellt, {on weil die Beamten gegen ihren Willen zur solidarishen Hcftung für andere hätten ge- zwungen werden müssen. Ich habe die Ueberzeugung, daß der Staat durch die Aushebung der Kaution einen Schaden nit erleiden wird. Wer die Absicht der Defraudation hat, greift tiefer in die Kasse, als seine Kaution beträgt. Eine große Anzahl von Kautionen sind aber gar nicht von den Beamten gestellt, sondern von Freunden und Verwandten oder durch eine Kautionsbank. Wer den Staat s{hädigen will, wird auch vor einer Schädigung dieser Kautionsdarleiher nicht zurückschrecken. Die Erfahrungen haben. dcch gezeigt, taß troy der oft {nellen Arbeit nur wenig Irrthümer vorkommen, sodaß wir den Beamten also Vertrauen schenken können, zumal den Beamten dadurch eine {were Las und der Staatêverwaltung große Weiterungen abgenommen werden können. Eine gleichartige Vorlage für das Reich is dem Bundesrath bereits vorgelegt. Die E Frist ist nur eine Kautel für die bedenklihsten Fälle. Ein Finanz- Mirister verpflihtet sih nicht gern für einen bestimmten Zeitpunkt, namentlich wenn etwa unruhige Zeitläufte kommen sollten. Auf einmal werden wir mit der Nückzahlung der Kaution doch nit vorgehen können. Wo die Kautionen turch Gehaltsabzüge angesammelt werden, werden die Abzüge sofort aufhören. Jh werde {hon Sorge tragen, daß die Sache möglihst sck©nell erledigt wird. Die Gerichts6- vollzieher arbeiten im Auftrage des Publikums, und dem Publikum gegenüber haftet ihre Kaution. Wenn der Staat sich auf diese Weise gegen Defekte selbst versi@ert, so is damit noch nicht gesagt, daß die Gemeinden und Korporationen das ebenso machen können. Den bisher fautionépflihtigen Beamten möchte ih an das Herz legen, wenn sie ihre Paptere frei bekommen, ih nit höher verzinsliche, aber unsichere Papiere zu kaufen.
Abg. Haadcke (fr. konf.): Ih begrüße die Vorlage ebenfalls mit Freude, weil sie besonders den Beamten, welche si die Kaution bei einer Bank gegen sehr hohe Zinsen und Amortisatiqgn beschaffen mußten, eine große Erleihteruna bringt. Durch die Annahme der Vorlage verdienen Sie sh den Dank von 36 000 Beamten.
Bize: Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz Minister Dr. von Miquel: Jur Ergänzung will ich noch bemerken, daß die Vorlage sich nur bêzieht auf die wirklichen Staatsbeamten, nicht aber auf die Personen ohne Beamtenqualität, welche staatlide Gelder zu verwalten haben, wie Letteriekollekteure und ähnlihe Personen, für welche die Sache vertragsmäßig geregelt wird.
Abg. Ns lle es giebt feiner Befriedigung Ausdruck, daß hter einem Theile der Beamten, insbesondere den Subaltern- und Unter- beamten, eine Wohlthat gewährt und der Unterschied zwischen denen, welche Vermögen besitzen, und denen, welche keines besißen, aufgehoben werde. Es jei bitter gewesen, daß die vermögensiosen Beamten sh nicht um die besser dotierten, aber kautionépflihtigen Posten bâtten bewerben können. Bezüglih der Gerichtsvollzieher sei die Frage heute nicht zu lösen, weil sie auf Gebühren gestellt seien. Redner empfiehlt die unveränderte Annahme der Vorlage.
Abg. Dr. Opfergelt (Zentr.) spriht sich ebenfalls für die Vorlage aus, ebenso
Abg. e Walle (Zentr.), der die Hoffnung aubspriht, daß die Beamten ihren Dank dadurch ausdrücken möchten, daß sie die Ab- eordneten mit Petitionen vershonen, Die Ausnahme für die Gerichtsvollzieher ersheint ihm nit gerc{chtfertigt; er bittet um Prüfung dieser Frage in der Justizkommission,
orlage ist ein Beweis des Vertrauens der Regierung zu den |
: Juftip-Ministeë Schönstedt: Erw R ift es nit gewesen, eine
lasse von Beamten ausnehmen zu müssen; die Justizverwaltung mußte sich aber dazu entschließen, weil es bei den Gerihtsvollziehern sich weniger um die Interessen der Staatskasse als um bie Interessen des Publikums handelt. Für große Schäden reiht allerdings die Kaution von 600 F nicht aus, aber es kommen im Gerichtsvollzieherdienst gerade sehr viele kleine Schäden vor, die erseßt werden müfsen und für die man ein leiht greifbares Objekt baben muß. Eine Aufftellung ist darüber gemacht worden, aus der si" ergeben hat, däß in den leßten zehn Jahren 102 Fälle vorgekommen find, von denen 98 erledigt sind. Es handelte sih dabei um 38 895 A Schäden, die in Höhe von 23 900 4 durch die Kautionen gedeckt waren, während 15 000 A ungedeckt blieben. Also die Sache ist an sh nicht bedeutend.
Abg. Schettler (kons.): Auch meine Freunde find bereit, dieses Gesey anzunehmen, welches den Beawten eine große Wohlthat bringt, ohne dem Staat irgend welGen Schaden zuzufügen. Auch die Frage der Stellung der Gerichtsvollzieher in diesem Geseyze verlangt eine kommissarische Prüfung nicht.
Vize - Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel: Die Frage der:Haftung der Kautionen der Gerichts- vollzieher dem Privatpublikum gegenüber is eine solche, daß man sie beim Reichskammergericht als die juristische Tabackpfeife bezeichnet taben würde. Wenn das Haus in dieser Frage der Meinung sein sollte, daß der Schuß des Publikums nicht nöthig ist gegenüber den Gericht:vollziehern, so würde die Regierung daburh entlastet werden. Eine Kommissionsberathung würde ih selbs dann nicht für nötbig halten, wenn bezüglich der GerihtévolUzieher cine Aenderung beliebt werden follte,
Abg. Rickert: Gegenüber den Erklärungen der Regierung kann das Haus wohl die Verantwortung auf sich nehmen, die Gerichts- vollzieber aus dem H herauszulassen Die {nelle Erledigung did SOES wird die Berathung des Bundesratbs über diese Frage
eshleunigen. ; | i E
Damit schließt die erste Berathung. Eine Kommissions- berathung wird abgelehnt. Die Vorlage wird unverändert
angenommen. Es folgt sodann die erste. Berathung des Gese h§- entwurfs, betreffend den Staatshaushalt. (Schluß des Blattes.)
Bei der Ersaßwahl zum Reichstage im 5. Pfälzer Wahlkreise erhielten Schmitt 6667, Lucke 3647, Dr. Jaeger 3582 und Ehrhardt 839 Stimmen. Es is} somit eine Stichwahl zwishen Schmitt (nl.) und Lucke (Bd. d. Landwirthe) erforderlich.
— Dem Hause der Abgeordneten i eine Denkschrift zugegangen, betreffend die in der Zeit vom 1. April 1895 bis zum 31, März 1897 erfolgten Bauausführungen an denjenigen Wasserstraßen, über deren Regulierung dem Landtage besondere Vorlagen gemaht worden sind.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Brandenburg a. H. wird der Berliner „Volks-Ztg.“ berihtet, daß der Ausstand in dem Alexander-Fahrradwerk von Jacobi am Freitag bcendet worden is. Sämmtliche Ausständige nehmen die Arbeit wieder auf. Den Arbeitern wurde die Bildung eincs Atrbeiteraus\chuv}ses zugestanden; abgelehnt wurde dagegen die Forderung, einen Tijchler wieder einzustellen, dessen Entlassung den Anlaß zum Ausstand gab.
In LThale sind, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, 140 R in eine Lohnbewegnng eingetreten.
n Braunschweig und der Umgegead haben die Böttcher- gesellen der großen Faßfabriken, wie die Blätter melden, bes{chlossen nach Ablauf der erfolgten Kündigung in 14 Tagen in den Ausstand einzutreten.
Hier in Berlin soll der allgemeine Ausstand der Shuh- macher nah einem Beschluß, der am Freitag in einer Versamm- lung gefaßt wurde, morgen, am Dienstag, verkündet werden, wenn die Arbeitgeber, wie die „Voss. Ztg.“ meldet, bis dahin die neue Arbeitsordnung, die zur Zeit in sämmtlichen Fabriken authängt, nicht zurückgezogen oder aus den Fabrikräumen entfernt haben.
Aus London meldet „W. T. B.“: Die Maschinenbauer - Vereinigung und der Ausshuß der Trade Unions haven die Annahme der von den Awbeitgebern der Maschinenbaubranche ge- stellten Bedingungen anempfoblen. Hiernah würde die Arbeit am 31. d. M. wieder aufgenommen werden können.
Kunft und Wissenschaft.
Ueber die Beobachtung der totalen Sonnenfinsterniß in Indien am 22. d. M. wird dem „W. T. B.* aus Kalkutta berihtet: Die Beobachtung der heutigen Sonnenfinsterniß if auf allen Stationen unter günstigen Umständen und bei ausgezeichneten atmosphärishen Vecbältnissen verlaufen. Obeleih über die erzielten Ergebnisse noch keine ausreichende Leun mögli ift, so ist doch schon gewiß, daß dieselben sehr werthvoll sind. In Bukar währte die totale Verfinsterung der Sonnenscheibe 1 Minute und 30 Sekunden. Zahlreihe Gruppen von Europäern begaben \ich in fünf Sonderzügen nah diesem günstigen Beobachtungspunkt. Von den Eingeborenen in verschiedenen Theilen Indiens wird das Himmelsereigniß als eine Vorbedeutung des Sturzes der britischen Herrsäft aufgefaßt; do find nirgends vorgekommen. In Benares, Kalkutta und anderen Hauptpläßen waren unabsehbare Menschenmengen nah den Ufern des Ganges gegangen und badeten während der Verfinsterung in den Wellen des heiligen Stromes. Nach einem Telegramm aus Dumrom sind die dort ausgeführten photographischen Aufnahmen mit ausgezeihnetem Ergebniß vor sih gegangen. Während der Totalitätêperiode wurden sieben gute Bilder der Sonnen. Corona erziclt. Der ganze Vorgang wurde als ein herrlihes Schauspiel, das in den Gemüthern der Zuschauer eia Gefühl bangen Schauers und Staunens hervorrief, bezeihnet. — Aus Talnei in Indien wird über die Ergebnisse der dort von E. W. Maunders und C. Thwaites angestellten Beobachtungen berichtet, daß die allgemeine Beschaffen- heit der Corona gleih der bei den Verfinsterungen von 1896 und 1886 beobachteten war. Am größten 'ershien die Corona am Sonnen-Aequator. Es gelang Gieteleik ziemlich große Bilder der Corona zu erzielen. Die Beobahtuyg des Spektrums der Chromo- \sphäte und der Protuberanzen geshah erfolgreiw mittels eines Opern- glases, in dessen einem Okularstück ein Priêsma ‘angebraht war. Auch von den Spektren wurden gute Photographien gewonnen. Mr. Eversted photographierte auch das Spektrum der Protuberanzen mittels einer prismatishen Camera und eines 6-zölligen Teleskops. Eine Gruppe von Beobachtern war vom College of Science in Poona unter Führung des Professors Naegamrala eingetroffen ; auÿ tas Lick-Observatorium in Mount: Hamilton (Kalifornien) hatte eine Abordnung unter Professor Campbell entsandt. Beiden Gruppen elangen vorzüglihe Beobachtungen bei ganz klarem Himmel; ihre
ngaben stimmen mit den von Maunders und Thwaites berichteten Ergebnissen überein. Eine Gruppe unter Rev. J M. Bacon berihtet, daß während der Totalitätsperiode die Beleuhtung heller als bei Vollmond war.
Die Königlih \chwedische Akademie der Wislen- schaften in Stockholm hat, wie ,W. T. B.* meldet, den Ge- heimen Ober-Regierungs-Rath und Direktor des preußischen Geheimen Staats-Archivs Dr. Reinhold Koser zum ausländischen Mitgliede ihrer hiftorishen Abtheilung ernannt.
Ruhestörungen