il rere Jahre hinziehen, wir wollen darauf ait warten. Wenn wir in Zukunft auf die Kaution verzihten, brauchen wir auh nit die Rückgabe der bisher gestellten Kautionen abhängig zu machen von Ertheilung der Rechnungsdecharge, es wird also darin ein
_ Hindexniß wegen s{neller Rückgabe der Kautionen nicht liegen.
Abga. Nö lle (nl.) giebt seiner Befriedigung Ausdruck, daß hier einem Theile der Beamten, insbesondere den Subaltern- und Unter- beamten, eine Wohlthat gewährt und der Unterschied zwischen denen, welche Vermögen besitzen, und denen, welche keines besißen, aufgehoben werde. Es sei bitter gewesen, daß die vermögenslosen Beamten niht um die besser dotierten, aber kautionspflihtigen Posten ätten bewerben können. Bezüglih der Gerichtsvollzieher sei die rage heute niht zu lôsen, weil sie auf Gebühren gestellt feien. edner empfiehlt die unveränderte Annahme der L
Abg. Dr. Opfergelt (Zentr.) spriht sich ebenfalls für die
Vorlage D, Mate (Zentr.), der die Hoffnung ausspricht, daß die Beamten ihren Dank dadurch ausdrücken möchten, daß sie die Ab- eordneten mit Petitionen vershonen. Die Ausnahme für die
erihtsvollzieher ersheint ibm nit serewtserligtz er bittet um Prüfung dieser Frage in der Justizkommission.
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herren! Auf die von dem Herrn Abg. Im Walle gestellte Frage bin ih nicht in der Lage, eine Erklärung namens der König- lihen Staatsregierung abgeben zu können. Es ist auch an sich der Königlichen Staatsregierung niht erwünsht gewesen, eine Klasse von Beamten von der Wohlthat, die allen übrigen bisher kautionspflich- tigen Beamten zugedaht war, ausnehmen zu müssen. Sie hat sich zu dieser Ausnahme nur deshalb entscklossen und für verpflichtet ge- halten, weil es sih gerade bei den Gerihtévollziehern viel weniger um Interessen der Staatskassen, als um Interessen des Privat- publikums handelt, welches auf die Dienste der Gerichtsvollzieher an- gewiesen ist. Wie s{hon von dem Herrn Finanz-Minister hervorgehoben worden ist, liegt die Sache bezüglih der Gerichtsvollzieher insoweit eigenthümlich, als für eine Reihe von Amtshandlungen, Zustellungen, -Zwanssvollstreckungen, Beschlagnahmen uÎf- w. das Publikum dur das Geseh genöthigt ift, sh der Beihilfe der Gerichtsvollzieher zu bedienen, ohne daß der Staat bereit und im stande wäre, für etwaige Verfehlungen der Gerichtsvollzieher entshädigend aufzukommen. Meine Herren, die Sicherheit für solche Vertretungen aus der Amtsführung der Gerichtsvollzieher beftand bisher in den von ihnen gestellten Kautionen. Nun i} es ja richtig, daß diese Kaution — worauf der Herr Abg. Rickert hingewiesen hat — nur 600 4 beträgt und daß sie deshalb zur Deckung größerer Schäden nicht ausreiht. Es kommen aker in dem Gerictsvollzieherwesen sehr viel kleine Schäden vor, und wie {hon vorher seitens des Herrn Abg. Nölle erwähnt worden ift, handelt es sich dabei keineswegs immer um eigentliGhe Veruntreuungen, sondern vielfah auch um Scadensersahverpflihtungen, die durch nachlässige Dienftführung oder Berabsäumurg von Form- vorschrifsten bei Zustellungen, Zwangsvollstreckungen u. f. w. er- wachsen sind. Dabei handelt es sch oft um kleine Beträge, und es is für die Beschädigten doch von Werth, ein sofort greifbares Objekt zu haben, an welches sie sih halten können. Als das Geseß im Staats-Ministerium berathen wurde, lagen statistische Ermittelungen über den Umfang solcher Beschädigungen nit vor.
Die Berathung hat si in sehr kurzer Zeit vollzogen, und es war nicht mögli, {hon damals die Unterlagen aus dem Justizressort al- bald zu hafen. Inzwischen sind diese Unterlagen eingegangen, und daraus ergiebt \ich allerdings, daß die Sache praktisch nicht solhe Bedeutung hat, wie dies seitens der Justizverwaltung ange- nommen wurde. Ich habe eine Aufstellung machen lassen, die \sich auf die leßten zehn Jahre erstreckt, von 1887 bis 1896. Daraus er- giebt si, daß in diesen zehn Jahren die Kautionen für Ansprüche von Privatauftraggebern in Anspru} genommen worden sind in 102 Fällen, also im Jahre durchschnittlich in 10 Fällen. Davon sind 98 Fälle erledigt, 4 ncch in der Shwebe. In den erledigten Fällen handelt es sich im Ganzen um eine Summe von 38 895 H Von dieser Summe find aus den Kautionen gedeckt rund 93900 M, während der Ausfall von rund 15000 eine Deckung nicht erfahren hat. Die Deckung beläuft \sich deshalb im Ganzen, da die Gesammtsumme der Kautionen rund 1 080 000 M beträgt, auf 0,23 9% der Kautionssumme im Jahres- durdschnitt. Also, so ganz erheblich is die Sache allerdings nicht.
Troy alledem würde die Staatsregierung niht wohl in der Lage sein, die Verantwortlichkeit zu übernehmen, die Sicherheit, so gering fie sein mag, dem Publikum zu eutziehen; möchte aber das Haus in seiner Mehrheit anderer Ansicht sein und glauben, daß das Publikum auch auf diese Wohlthat verzihten könne, so würde — das kann ich wohl sagen — die Staatsregierung in eine nochmalige Erwägung der Frage eintreten. Aber eine weitere Erklärung zu geben bin ih nicht in der Lage.
Im übrigen liegen in der Frage — und das ift vielleicht ge- eignet, die Bedenken etwas abzuschwächen — außerordentlich) viele juristishe Zweifel. Der Entwurf des Kautionsgeseßes von 1873 ent- ielt in § 40 die «#Fafsung : - D
Die Kaution haftet dem Staate für alle Ansprüche aus der Dienstführung. Damals iff im Abgeordnetenhause der Gesichtépunkt lebhaft vertretèn worden, daß die Kaution nicht dem Staate allein zu haften hätte, sondern auch den Privatpersonen, die dur Diensthandlungen fkautionspflihtiger Beamten geschädigt seien. Für diese Auffassung hat sih die Mehrheit des Hauses ausgesprochen ; sie ist aber nur dadurch zum Ausdruck gekommen, daß im § 10 des Entwurfs die Worte „dem Staate“ gestrihen worden sind, und der Paragraph lautet jeßt allgemein : Dié Kaution haftet für alle Ansprüche aus der Dienstführung. Daran knüpft sh eine Zahl von zweifelhaften Rechtsfragen, und eine von mir gestellte Umfrage hat ergeben, daß auf diesem Gebiete sowohl in der Verwaltungspraxis, wie in der Rechtsprehung fast allés Tontróovers i. Es würde ein wahrer Lekerbissen sein für die Herren Jurislen {m Hause, wenn ich in die Einzelheiten der Frage ektntreten wollte. (Heiterkeit.) Jch nehme aber Rücksicht auf diejenigen Herren, für die das Gericht wahrsc{ëinlich wentger \chmackhaft sein würte, und will deshalb darauf verzichten; ich will nur kurz andeuten, auf welhen Gebieten sich diefe __Zweifelfragen bewegen. Zwéifelhaft ist zunächst, ob den Privatpersonen ein Pfandrecht an “ der Kaution zusteht oder nur ein persönliches Reht. Streitig ist die Rangordnung für den Fall, daß von mehreren Gläubigern die Kaution In Anspru) genommen wird, und zwar sowohl das Verhältniß zu
den Ansprüchen des Staats, ob dieser für die ihm zustehenden Schadensersaßansprühhe ein Vorzugsreht vor dem Privatgläubiger hat oder niht, als au, wie die vershiedenen durch ODienst- handlungen des Gerihtsvollziehers gesGädigten Privatpersonen zu ein- ander stehen, ob sie zu gleihem Recht Anspru haben auf die Kaution, oder ob etwa derjenige, der zuerst kommt, den ersten An- spruch hat; dann, wie sich das Verhältniß der durch Diensthandlungen Geschädigten zu anderen Privatgläubigern f\tellt, deren Forderungen
- mit der Dienstführung des Gerichtsvollziehers garnichts zu thun haben,
die aber die Kaution haben pfänden lassen mit dem Anspruch auf Herausgabe. von Privyatgläubigern geltend zu machen sind, ob sie während der Dauer des Dienstverhältnisses geltend gemacht werden können oder erst nach defsen Aufhebung, ôb also der Staat gezwungen werden kann, noch während der Dauer des Dienstverhältnifses zu Gunsten der Aúsprüche ge- \{Gädigter Privatpersonen die Kaution ganz oder theilweise heraus- zugeben. Es ist ferner ftrittig, in welchem Verfahren, nachdem das Dienstverhältniß gelöst ift, die Herauëgabe und Vertheilung der Kaution zu erfolgen hat: ob ein Aufgebotsverfahren nothwendig ift, ob das Anerkenntniß des Gerichtsvollziehers genügt, oder ob jeder Geschädigte einen vollstreckbaren Titel beibringen muß. Kurz und gut, die Kontroversen, die sh an die Frage anknüpfen, sind als Themata zu Probearbeiten für die große juristishe Prüfung überaus dankbor und ersprießlich. So liegt die Sahe. Jh habe mich für verpflihtet gehalten, nach allen diesen Richtungen hin Klarheit zu vershaffen und muß es dem hohen Hause überlafsen, welche Stellung es zu der Frage einnehmen will.
Zur Sache selbst kann ich nur wiederholen: Die Königliche Staatsregierung wird erwägen, wenn die Vorlage von der Majorität des Hauses beanstandet wird, ob sie auch die Gerichtsvollzieher heraus- lassen kann.
Ich darf dann einige Worte dem Herrn Abg. Opfergelt er- widera, der einen Antrag angekündigt Hat im Interesse der zur Dis- position gestellten oder zu stellenden rheinischen Hypothekenbewahrer. Nach den geseßlichen Bestimmungen soll diesen Beamten die Kaution, die in Höhe von 18 900 M besteht, erft 10 Jahre nah ihrem Aus- tritt aus ihrer Dienststellung zurückgegeben werden. Der Herr Abg. Opfergelt wünscht, diese Frist auf 5 Jahre zu verkürzen. Jh möcchte in die materielle Prüfung dieser Frage hier nit eingehen, und zwar unter dem Gesichtspunkte, daß dieselbe Frage Sie vor noch nicht zwei Jahren hier beschäftigt hat. Als damals hier das Gesetz berathen wurde über die Aufhebung der rheinischen Hypothekenämter, ist von einem der Herren Abgeordneten ganz derselbe Antrag gestellt und eingehend behandelt worden ; die Mehrheit des Hauses hat sih aber gegen den Antrag erklärt, und daraus glaube ih annehmen zu dürfen, daß das Haus, da die Verhältnisse bezüglih der Hypotheken- bewahrer gar keine Aenderung erleiden, auch dieses Geseß in seinen maßgebenden Gesihtépunkten für sie nicht weiter zutreffend ift, keine Veranlassung finden wird, heute von seinem vor kaum 1} Jahren gefaßten Beschlusse wieder abzugehen.
Abg. Schettler (konf.): Auch meine Freunde sind bereit, dieses Gese anzunehmen, welches den Bearwten eine große Wohlthat bringt, ohne dem Staat irgend welhen Schaden zuzufügen. Auch die Frage der Stellung der Gerihtsvollzieher in diesem „L(eseze verlangt eine kommissarische Prüfung nicht.
R des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:
Der Herr Vorredner {eint wirklich dem juristischen Leckerbifsen des Herrn Justiz-Ministers zu folgen. Jett heißt es Leckerbissen ; früher beim Reihs-Kammergeriht in Weßlar nannte man das die juriftische Tabalképfeife. (Heiterkeit.) Aber ih glaube, auf diese jariftishen Finessen kommt es doch in den meisten Fällen niht an. Es können ja in gewissen einzelnen Fällen einzelne von diesen Kontroversen in Betracht kommen. Jm großen Ganzen wird das niht der Fall fein. Der Mandankt, der seine Forderung durch den Gerichtsvollzieher cin- ziehen läßt, kann wohl in der Regel gedeckt werden aus den bereiten Mitteln, welche die Kaution darbietet. Wenn aber hier doch darauf hingewiesen ist, daß 38 000 #4 Defekte in 10 Jahren vorgekommen find, und davon, wenn ich recht verstanden habe, etwa 23 000 aus den Kautionen für die Privaten gedcckt worden sind, so hat die Sache doch für die letzteren durhaus keine fo geringe Bedeutung.
Ih möchte daran erinnern, daß es fich hier häufig um fehr gering bemittelte Auftraggeber handelt, um sogenannte kleine Leute, die ihre Forderungen einziehen lassen durch den Gerichtsvollzieher. Da können ohne Kautionen diese Leute durch eine Nachlässigkeit oder dur eine absihtlihe Untershlagung des Gerichtsvollziehers in eine sehr üble Lage: kommen.
Das Staats-Ministerium hat diese Frage eingehend erwogen, und der Herr Justiz-Minister hat mit vollem RNeht gesagt, daß es uns garnicht angenehm ift, diese eine Klasse kautionspflihtig zu lassen. Aber wir haben uns gescheut, da es sih hier um Beamte handelt, an welche der Staat obligatoris die einzelnen Forderungsberehtigten zur Einziehung ihrer Forderungen verweist, wo diese keine Auswahl haben, diesen Privaten die bisherige Sicherheit zu entziehen. Die ratio, welhe für die eigentlihen Staatsbeamten, die in derartige direkte Verpflihtungen gegen Private nicht eintreten, be- steht, pft für die Gerichtêvollzieher nicht. Die Frage steht allerdings so, daß das Gewissen der Staatsregierung, wenn das bobe Haus als Vertretung des Volkes das glaubt über ih nehmen zu können, einigermaßen entlastet wird; das hat der Herr Justiz- Minister {on ausgeführt. Ob wir das Geseß gegenüber einer etroaigen Aenderung in diesem Punkte fallen lassen würden, das ist ja eine andere Frage. Aber ih möschte an das Haus selbst appellieren, ob man nöthig hat,* nahdem diese Beamten doch nur mäßige Kautionen von 600 A, die Hilfs - Gerichtsvollzieher von 300 # stellen, zu Lasten des Publikums die Entscheidung zu treffen. Wenn däs Haus in seiner Mehrheit auf dem Boden der Vorlage stände, dann würde ja wohl eine Kommissionsberathung überhaupt nicht nothwendig sein, ja, eine Kommissionsberäthung würde ih persönlich auch dann nicht für nothwendig halten, wenn umgekehrt das Haus auf den Standpunkt sich stellt, die Gerichtsvollzieher auch von der Kautionspflicht zu befreien ; übrigens ist das tine Frage, die das Haus selbst am besten beurtheilen wird. Der Ansicht trete ih {ließlich vollkommen bei, daß die Aufträge, welche Private freiwillig zu Ver- steigerungen, Auktionen den Gerihtsvollziehern gebèn, unter diejenigen Gefahren nit fallen follen, für welche eine Beamtenvereinigung haften würde; denn das sind freiwillige Akte, da is der Gerichtsvollzieher ein Priyatbevollmächtigter, und dafür könnte eine Genossenschaft der Gerichtsvollzieher niht haften.
Es ift weiter streitig, in welcher Form die Ansprüche
Abg. Rickert: Gegenüber den Erklärungen der Regierung kann das Haus wohl die Verantwortung auf sich nehmen, die Gerichts- vollzieher aus dem 0E herauszulassen. Die {nelle Erledigung berhL Se wird die Berathung des Bundesraths über diese Frage eschleunigen. ‘
Damit {ließt die erste Sea Eine Kommissions- berathung wird abgelehnt und sogleich die zweite Lesung vor- genommen.
Nbg. Dr. Opfcrgett beantragt, die Rückzahlung der Kautionen der Hypothekenbewahrer im Gebiete des rheinischen Rechts nicht innerhalb zehn, sondern s{chon innerhalb fünf Jahre nah ihrer Amtsentlassung erfolgen zu lassen:
__ Justiz-Minister Schönstedt :
Meine Herren! Nachdem der Abg. Opfergelt niht, wie ih ge- hofft hatte, auf den von ihm angekündigten Antrag verzichtet hat, sondern das hohe Haus nur vor die Frage stellt, ob es fih mit seinem Beschluß aus dem Jahre 1896 in Widerspruch seßen will, wiederhole ih meinen Widerspru gegen diesen Antrag, und zwar im Interesse des betheiligten Publikums. Meine Herren, bei den Kautionen der Hypothekenbewahrer kommt das staatlihe Interesse gar nicht in Be- trat, sondern nur das Interesse derjenigen, die die Thätigkeit des Hypothekenbewahrers in Anspruch genommen haben. Es trifft bei diesen Kautionen auch niht dag. zu, was bezüglih der Gerichtsvollzieher angeführt wird, daß die Kautionen eine nur geringe Sicherheit gewähren ihres Betrages wegen. Denn der Betrag von 18 000 M is auch bei großen Schäden geeignet, einen Ersaß zu gewähren.
Die Staatsregierung glaubt niht, auf eine Verkürzung der für Rückgabe dieser Kaution geseßlich bestimmten Frist eingehen zu sollen. Es is ja richtig, daß die zehnjährige Frist in einem Zu- fammenhang ftand mit den Bestimmungen des französischen Rechts, nach welhem hypothekarishe Einschhreibungen nur auf die Dauer von zehn Jahren Wirkung hatten. Diese Be- stimmung ift durch ein Gefeß von 1885 aufgehoben worden. Die Eintragungen wirken jeyt also unbeschränkt. Daraus, meine Herren, könnte aber höchstens gefolgert werden, daß nunmehr auch die Frift, für welhe Kautionen des Hypothekenbewahrers aufbewahrt werden müssen, zu verlängern, nicht aber, daß sie zu verkürzen sei. Somit kann die Aenderung der Gesezgebung nicht wohl einen Grund abgeben für den von dem Herrn Abgeordneten gestellten Antrag.
Im übrigen liegt die Sache doch nicht so, daß mit Sicherheit angenommen werden könnte: innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren würde jeder, der mögliherweise durch einen Hypotheken- bewahrer ges{chädigt worden ist, durch Einsicht des Grundbuchs fich darüber Klarheit verschaffen können. Einmal werden ja keineswegs sämmtlihe Eintragungen aus den alten Hypothekenregiftern in das Grundbuch übernommen ; sodann ist es au nit ganz zutreffend, wenn der Herr Abga. Opfergelt bemerkt hat, die Aufhebung eines Hypothekamts findet erst statt, wenn das Grundbuch sür den betreffenden Bezirk an- gelegt sei. Das Gesetz läßt die Aufhebung des Hypothekenamts oder Zusammenlegung benachbarter Hypothekenamtsbezirke auch zu cinem früheren Zeitpunkte zu, wenn die Geschäftslage dies gestattet. Von dieser Befugniß is auch \chon Gebrauchß gemacht worden in einem oder zwei Fällen, und es ift dabei niht angenommen worden, daß die Sufhebung des GMWdothekenamts immer die Beendigung der Anlegur des Grundbuchs für den bisherigen Bezirk desselben zur nothwendigen Voraussetzung habe.
Das alles, meine Herren, macht doch den Antrag in hohem Maße bedenklich, und ich glaube, die Verantwortlichkeit, die man damit übernehmen würde, is nicht zu gering zu {äßen. Im übrigen be- finden fih auch, soweit ich die Verkältnisse überséhe, die Hypotheken- bewahrer durhgehends in einer Lage, die es sie nicht zu {wer empfinden läßt, wenn sie die Kaution, die fie in 3 oder 33 9/6 igen Staatépapieren hinterlegt haben werden, noch länger ihrer freien Verfügung entzogen sehen. Jch glaube, daß die meisten der Herren durchgängig in solcher Lage sind, daß sie doch ihre Ersparnisse in ähnlicher Weise anlegen würden, und daß fie deshalb kaum eine Schädigung in ihren wirth- schaftlihen Verhältnissen dadurch erleiden. Jch kann deshalb nur bitten, daß Sie den Antrag des Herrn Abg. Opfergelt niht an- nehmen.
Der Antrag Opfergelt wird abgelehnt und die Vorlage unverändert angenor:men.
Es folgt sodann die erste Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend den Staatshaushalt.
Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich will gegenwärtig nur einige allgemeine Be- merkungen machen. Dieser Gesehentwurf entspriht ja langjährigen Wünschen und Anträgen des Landtages, besonders des hohen Abgeord- netenhauses. Der Geseßentwurf sieht im Ganzen einfach aus, aber die Vorarbeiten für denselben haben doch lange und s{hwierige Verhand- lungen erfordert zwishen dem Finanz-Ministerium und allen einzelnen Ressorts und zwischen dem Finanz-Ministerium und der Ober- Nechnungskammer, welhe in allen Stadien der Vorberathung sfelbft- verständlih in ausgiebigem Maße mitgewirkt haben. Meine Ferren, im Großen und Ganzen kann man sagen, ift es wobl in keinem Staate an si, abgesehen von der Schwierigkeit, die die Materie in sih selbst trägt, leichter, einen solchen Eniwurf aufzustellen als in - Preußen. Denn in der Zeit vor der Verfassung, in der absoluten Zeit, haben wir \{chon in Preußen eine kÉlare, den Staatsinteressen entsprehende und durch die Staats- interessen allein diktierte Ordnung unseres Finanzwesens von unseren Monarchen erhalten und sie in die Verfafsungszeit übertragen. Es wird unter dem Ruhmestitel unserer Monarchen gewiß nicht zuleßt aufgeführt werden die außerordentli resignierte, das eigene Interesse absolut hintanstellende Ordnung, welche sie unserem Finanzwesen ge- geben haben, und zwar auch nach der Richtung, daß die Monarchen sich selber tiese Schranken auflegten in einer Zeit, wo eine verfassungs- mäßige Verpflichtung für fie in diefer Beziehung gar niht vorhanden war. Die Instruktion für die Ober-Rehnungskammer : vom Jahre 1824 if für die damalige Zeit geradezu eine musterhafte gewesen, und auch heute noch fußen wir im wesentlihen auf dieser Instruktion, und die ganze Praxis in unserem Finanzwesen, die Stellung der Staatsregierung zur Krone, die Stellung des Landtages zur Regierung, die Stellung des Finanz-Ministers zu den übrigen Ressorts beruht in leßter Instanz auf den Grundlagen, die uns diese Instruktion gegeben hat.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
_fih wenden soll.
zum Deutschen Reichs-A
M 21,
(Schluß aus der Ersécn-Beilage.)
Meine Herren, infolge dessen hat der Uebergang in die kon- stitutionelle Monarchie so geringe Schwierigkeiten gehabt und fo ge- ringe Veränderungen hervorgerufen in der Finanzgebarung, wie das faum in irgend einem anderen Staate möglich war. Nun hat sih nach und nach sowohl innerhalb der Verhältnisse der Finanz- verwaltung und der Finanzkontroïe gegenüber den anderen Ressorts als. auch in Beziehung auf das Verhältniß zwishen Staatsregierung und Landtag auf der Basis dieser feststehenden altpreußishen Grund- sätze eine Summe von gegenseitigen Vereinbarungen gebildet, wie das in allen konstitutionellen Staaten der Fall ist, am meisten in dem Musterland eines konstitutionellen Staates, in England, wo fast alles aaf derartigen gegenseitigen Feststellungen und -Benehmungen zwischen Regierung und Parlament beruht, daß es hier nur nothwendig war, einfah zu kodifizieren. Es ist ja zweifellos, daß die Rechnungs- kommission dieses hohen Hauses unter dem Vorsiße des Herrn Abg. Dr.-Virhow in dieser Beziehung \sich große Verdienste erworben hat, (Bravo!) auch nah der Richtung hin, daß die kontrolierende Stellung des Landtages in einer einsihtigen und die Bedürfnisse der Verwaltung im großen Ganzen berüdcksihtigenden Weise vereinbar gemaßht ift mit den Nothwendigkeiten der libera administratio. Das Geseg hat also nah dieser Richtung hin im wesentlichen einen rein kodifizierenden Charakter. Es entscheidet aber auch viele noch bestehen gebliebene Streitfragen,. und zwar nicht solche allei. dis zwischen Regierung und Landtag aufgetaucht sind, und in den Monituren der Rehnungskommission zum Vorschein kommen, sondern auch folche Streitfragen, wo Meinungs- vershiedenheiten zwischen uns und der Ober-Nehnungskammer bestanden. Es stellt eine Menge dunkler Punkte vollständig klar. Aus den Debatten der Landtage werden sie durch dies Geseß herausgenommen und auf die Dauer bindend für beide Theile, für die Staatsregierung sowohl, wte für den Landtag, festgelegt. Das ist doch au einer der wesent- lihften Zwecke und der wesentlihe Inhalt des Gesetzes.
Die Stellung des Finanz-Ministers in Preußen in Bezug auf das Rechnungswesen, die Aufstellung des Etats, in Bezug auf die Kontrole der Ausführung des Etats, in Bezug auf die Gestaltung der Kassen und ihrer Kontrole ist eine so starke, daß ein einsichtiger und fester Finanz-Minister das Geseß mehr oder weniger von feinem einseitigen Standpunkte aus entbehren könnte. Aber, meine Herren, der Finanz-Minister selb muß unter die Kontrole des Gesetzes ge- stellt werden. Auch da können ja die Ansichten sehr {wanken und verschieden fich gestalten, und kann fehr vieles vorkommen, welhes, an den Landtag gebracht, die Zustimmung und Billigung desselben nicht fände, welches aber gar - niht an den Landtag gelangt und fo auch der Kontrole detfelben gar nicht thatsählich unterstellt wird. Nach dieser Richtung hin liegt in dem Gese eine Stärkung auch der Tontrolierenden Stellung des Landtages.
Andererseits aber ftellt sich das Geseß bestimmte Schranken. Gs s\tehi auf dem Boden des heutigen verfassungsmäßigen Rechts. Wir wollen an den Rechten, die nah der Verfassung zwischen Krone und Landtag reguliert sind, an den verfassungsmäßigen Rechten des Land- tages gegenüber der Staatsregierung grundsäßlich nihts ändern. Die Verfassung ift entscheidend. Das Gesetz ist eine Ausführung der pkeußt- schen Verfassung. Wir werden daher alle Versuche, die etwa, wie ih nicht hoffe, auftaulzen und das Geseß gefährden würden, in diese preußischen ftaatsrechtlihen Prinzipien, wie sie aus der Geschichte Preußens erwachsen sind, einzugreifen durch Amendements oder geseßlihe Bestimmung, niht acceptieren können. Jch glaube aber, wenn Sie auf die einzelnen Fragen, worauf ih zur Zeit nicht ein- gehen will, in dieser Beziehung kommen follten im Laufe der Debatte, fo wird sich auch da zeigen, daß in Preußen die Nechtslage eine ganz klare ift, und \o klar ist, daß in der Praxis über diese betreffenden Fragen seit dem Erlaß der Verfassung niemand im Zweifel gewesen ift, weder innerhalb der Regierung, noch im Landtage; es wird ih erweisen lassen, daß alle die verschiedenen Ministerien, die wir seit Emanierung der Verfaffung gehabt haben, ob liberale, ob konservative, genau dieselben Gruntsätße in dieser Beziehung festgehalten und durh- geführt haben, ebenso aber auch der Landtag niemals als \olcher in der Mehrheit den Versuh gemacht hat, dieser sicheren Praxis ent- gegenzutreten, vielmehr durch eine ganze Reihe von Akten diese Praxis als eine rechtsbeständige anerkannt hat. Ebenso hat sich aber auch die Ober-Rechnungskammer gestellt. Jh hoffe also, in dieser Beziehung werden wir auf erheblihe Schwierigkeiten nit stoßen.
Meine Herren, man kann über einzelne Detailfragen gewiß ver- schiedener Meinung sein. Es giebt eine Reihe von Fragen, die man so und so behandeln kann. In dieser Nihtung werden wir natürlich den Nath des hohen Hauses fehr gern hören und Ihre Beschluß- fassung in eingehende Erwägung nehmen. Was ih vorhin gesagt habe, bezieht sich nicht auf solche einzelne Fragen, die zum großen theil geradezu Zweckmäßtgkeitsfragen sind, und wo selbst derjenige, der in der Verwaltung steht, oft zweifelt, wohin seine Entscheidung Nach der Richtung hin wird eine eingehende Fommissarishe Berathung, in welher wir ja natürli volle Aufkläruug über alle Gesichtspunkte geben werden, bald zu Uebereinstimmung führen. Man wird da au seitens der Herren aus dem Landtage, nehme ih an, \ich bald überzeugen, daß bei allen folhen Fragen nur die Zweckmäßigkeit entscheidend sein sollte, und daß es verkehrt wäre, aus rein formalen juristishen Gründen die Administration allzusehr dur einengende Paragraphen zu beschränken. Alles in allem, glaube ich, ist diese Vorlage an si erwünscht und nüßlich. Ich hoffe, meine Herren, daß — wie bisher in so vielen anderen Fragen —- es gelingen wird, mit dem hoben Hause uns über alle Einzelheiten zu verständigen; wir werden dann dem preußisGen o wohlgeordneten Finanzwesen hier einen dauernd festen, geseßlihen Abschluß gegeben haben. (Bravo!)
Abg. Nölle (nl.): Die Hoffnung des Finanz-Minif ci auch, Salas seit y n Sal die Verl cid ibe Beta verlangt worden ist. Die Staatsregierung ist dem Grundsatze treu geblieben,
den gegenwärtigen Rechtszustand zu kodifizieren. Es ist der Grundsatz fesl- gehalten, daß die Einnahmen und Ausgaben unverkürzt auf dad i
Zweite Beilage E nzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
Berlin, Dienstag, den 25. Januar
1898,
— _— L gebraht werden müssen. Es ist in § 32 ferner die Frage ents{ièden
worden, ob die Dispositionsfonds auch zu anderen als den vorge- schriebenen Ausgaben verwendet werden dürfen. Den Hauptgegen- stand der Debatte werden wohl die §8 18, 37 und 38 über die Rechte des Königs, Einnahmen zu erlassen und Defekte ntederzuschlagen, bilden. Unter der absoluten Monarchie hatte der König das Recht, Einnahmen niederzuschlagen ; die Verfassung hat darüber keine aus- drücklichen Bestimmungen getroffen. Aus anderen Bestimmungen eine Bescóränkung dieses Rechts des Königs berzuleiten, is nicht aagängig. Anläßlih des Falls des Freiherrn Lucius von Bakllhausen hat eine lange Debatte über diese Frage vor mehreren Jahren stattgefunden. « Der damalige Redner der nationalliberalen Partei hat das Recht des Königs durchaus anerkannt, welch88 im Interesse der geordneten Verwaltung liegt. Es müssen sogar die untergeordneten Verwaltungsstellen das Recht behalten, bei kleinen Beträgen von der Einziehung abzusehen, zum Beispiel bezüglich des vergefsenen Bestellgeldes bei Postanweisungen. Nur in einzelnen Fällen kann ein Einnahmeverzicht stattfinden; ein genereller Steuererlaß ist niht denkbar. Bedenklich aber it, daß darüber nur eine summarische Uebersicht gegeben werden soll; bisher is jeder Pachterlaß ausführlich begründet worden. Bezüglich der Remunerationen ist au ein Entgegen- kommen der Regierung zu verzeichnen. Aus erledigtea Stellen jollten in erster Linie die Stellvertreter bezahlt werden, dann die Beamten, die durch die Erledigung mehr belastet werden. Bleibt aber eine Stelle jahre- lang unbeseßt, so wäre das unberehtigt. Es muß eine Beschränkung auf ein Etatsjahr erfolgen. Bezüglich der Uebertragung von beweg- lihen Sachen von einer Behörde auf die andere is wohl das Richtige getroffen. Die Uebertragung von Sammlungen soll mit Recht aus- geshlossen sein. Das Geseß' hebt {ih in vielen Punkten selbst auf, indem es auf die besonderen Bestimmungen der Spezial-Etats verweist. Dadurch wird das Herrenhaus in seiner Kompetenz beeinträchtigt. Jh beantrage, die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen.
Abg. Dr. von Woyna (fr. kons.): Die Vorlage is eine Dekla- ration, aber au eine Ergänzung der Verfassung; als solhe wird sie ein Grundrecht für Preußen. Ich hätte deshalb den Wunsch, daß die Vorlage sich dur eine klare Disposition ausgezeichnet hätte. Das Recht der Kontrole des Landtages ist durch die Vorlage genügend be- rüdcksihtigt; es wird si vielleicht nur manhmal -die Nothwendigkeit herausstellen, dem Landtage spezifizierte Uebersihten vorzulegen. Die Retnuxerationen sollten für die höheren Beamten eigentli ganzaufhsren ; vorläufig begnügen wir uns mit der vorgeschlagenen Fassung. Ob ein Bau- anshlag der Genehmigung oder Revision einer höheren Instanz bedarf, könnte vom Staats-Ministerium beshlossen werden. Es ist dies aller- dings ein histori)ches Recht der Krone, das aber wohl den heutigen Verhältnissen niht mehr angemessen is. Daß an den Rethten der Krone keinerlei Aenderungen vorgenommen werden sollen, is eine Stärkung des monarhischen Bewußtseins, und wir freuen uns, daß der Finanz-Minister seine Steuerreform mit dieser Vorlage abschließt.
Abg. Jansen (Zentr.): Es sind keine Grundsäße darüber aufgestellt, wie der Etatsvoranschlag wirthschaftlich aufgestellt werden soll; dafür sollte eine Norm gefunden werden. Auch eine vollständige Regelung des Grundstücksverkehrs is nicht durchgeführt; denn § 2 Nr. 1 trifft nur den Geldverkehr, von dem Umtausch eines Grundstücks gegen ein anderes erfährt der Landtag nihts. Die Nebenfonds, über welche der Staat allein zu verfügen hat, sollen nur in den Etat eingestellt werden, wenn fie nicht juristishe Persönlichkeit haben. Bestand in früherer Zeit cin Unterschied in Bezug auf die Verwendung dieser . Fonds, je nahdem sie juristishe Persönlichkeit hatten oder nicht? Kann in Bezug auf die Verwendung dieser Fonds die Regierung Bestim- mungen treffen oder liegen fie in ihrer Verwendung unter allen Um- ständen fest? Wenn der Staat über die Fonds allein verfügen kann, was hat dann die besondere jaristishe Persönlichkeit noch für einen Zweck? Bezüglich der Erlasse von Einnahmen stellt sih der Finanz- Minister auf den Standpunkt, daß es sih um ein unzweifelhaftes Kronrecht hay delt. Bezüglich des Falls des Freiherrn Lucius von Ball- hausen war das Haus nicht seiner Meinung, sondern das Zentrum war der Ansicht, daß der Fall damals nicht zur Entscheidung gebraht werden, dies vielmehr dem Komptabilitätsgeseß vorbehalten bleiben sollte. Es handelt sih dabei nicht um die Rechte der Krone, sondern um die Art und Weise, wie das Staats-Ministerium sih dazu stellt, und ih kann mir denken, daß dur eine Regelung dieser Frage die Stellung der Krone gegenüber unberechtigten Anträgen gestärkt wird. Die durch Erledi- agung von Stellcn ersparten Gelder sollten nach der Ansicht der Necdmincsfominission nicht verwendet werden, da die Arbeit auf die anderen Beamten vertheilt wird, die dieselbe unentgeltlich übernehmen müssen. Bezüglich der Uebertragbarkeit der Fonds muß eine gewisse Grenze festgeseßt werden,
Abg. Sicngel (fr. kons.): Die Vorlage besteht eigentli aus einer großen Menge von einzelnen Bestimmungen, die zu einer Generaldiskussion gar keinen Anlaß geben. Einzelne Punkte sind zu bemängeln, aber man wird zweifellos in der Kommission zum Ein- verständniß darüber kommen und endlih dieses seit so vielen Jahren verlangte Geseß zur Verabschiedung bringen. Damit werden auch die endlosen Schreibereien zwischen der Ober-Rechnungskammer und der Regierung beseitigt werden. Die Grundsäße über die Normen der Veranschlagung des Etats gehören nicht in das Gesetz hinein, welches sich nur mit formalen Bestimmungen über die Rechnungs- legung beschäftigt, während die Grundsäße mehr dem materiellen Etatsreht angehören. Einer Kommissionsberathung bedarf die Vor- lage; man könnte die Rehnungskommission verstärken oder eine Besondere Kommission wählen. Das leßtere wäre vorzuziehen, weil man dann eine Kommission: von 21 Mitgliedern wählen könnte. Ich gestatte mir, das leßtere zu beantragen. E
Abg Dr. Vircyow (fr. Volksp.): Die Hereinziehung der Krone in diese Frage sheint mir niht loyal, weder in Beziehung auf die Krone selbst noch in Bezug auf die Landesvertretung. Jch habe feit 9% Jahren der Rechnungókommission angehört, habe aber niemals bemerkt, daß vom Rechnungswesen aus ein Einbruch in die Rechte der Krone vorgekommen is. Lediglih vom formalen Standpunkte aus kann man die Vorlage niht behandeln, denn es handelt fich doch auch um das materielle Etatsreht; z. B. wie weit die Staatsregierung berechtigt sein sol, Verfügungen über das Staatseigenthum eintreten zu lassen, is durch die Vorlage durhaus nicht vollständig geordnet. Ein solcher Fall wird jeyt äußerlich dargestellt dur den Zirkus Busch; dieser steht auf einem Grundstück, welhes zum Zwecke der Erweiterung des Museums mit Genehmigung des Landtages angekauft worden war ; von dem Zirkus Busch is garnicht die Rede gewesen, Die Ober- Rechnungskammer hätte sih in die Sache einmischea können; denn die Einnahme aus der Verpachtung muß doch {ließlich irgendwo verrehuet werden. Herr von der Heydt hat das Besigreht des Staats an den Eisenbahnen auch einmal als zur Verfügung der Regierung stehend erahtet, bis erklärt wurde, daß eine solche Verfügung nur durch Geseß möglih sei. Es müßte allgemein über das Staats- vermögen eine folche Bestimmung getroffen werden. Das Recht der Krone kommt dabei garni&t in Frage, sondern es handelt fich beim Etat darum, welhe Rechte der Minister haben soll, ob er verantwortlih gemacht werden kann. Ein vireïtes Klagerecht gegen den Minister haben wir ja nicht; wir können nur ein Tadelsvotum aussprehen oder die Decharge ver- weigern. Das is aber kein materieller Shuy. Ich will daraus nur deduzieren, tet es nicht für so gleihgültig erahtet werden kann, daß die Normen festgestellt werden, nah welchen man verfahren soll.
Im allgemeinen spricht man bei der Geseßgebung nur von der Krone und der Landesvertretung, die Vorlage spricht aber von den Nechten der Krone, der Staatsgewalt und der Landesvertretung. Wo beginnt aber nun die Verantwortlichkeit der Staats-Minifter ck Mit Dank muß ih anerkennen, daß in allen Dingen die geforderten Nachweisungen bereitwilligst gegeben wurden; selb während der Dauer des Konflikts haben wir darüber nicht zu klagen gehabt. Ein einziger sonderbarer Fall war der, daß Herr von Heyden als Landwirth- hafis-Minister den Saß aufstellte, daß ein Domänenpächter nur dann aus seiner Pacht entlassen werden könne, wenn Fürsorge dafür getroffen sei, daß er nahher noch eine menschenwürdige Existenz führen könne. Die Nachweisungen sind uns allerdings immer nur zur Kenntniß- nahme übergeben worden, während doch der Landtag eigentli in die BeNiung derselben eintreten fönnte. Die Rehnungskommisfion prüft diese
inge jeßt eingehend, und ih hoffe, daß keine Aenderung in dieser Befugniß eintreten soll. Das Geseß s\priht von den Spezial-Etats. Dieser Ausdruck kommt in der Verfassung nicht vor, ebenso wenig wie der Ausdruck Kassen-Etat. Welche von den vielen Anlagen z. B. des Kultus-Etats gehören zum Spezial-Etat? Konflikte zvisdien der Re- gierung unk dem Landtage in diesen Dingen können nur vermieden werden, wenn man keine Geheimnißkrämerei treibt und dem Landtage nur volle Kenntniß der Dinge giebt.
Abg. Dr. Ir mer (konf.): Jch glaube, wenn das ganze Haus die Frage so behandelt wie der Borreduer, wenn namentli die freisinnige Partei dem Beispiel des Herrn Virhow folgt, dann wird die Sa glatt erledigt werden. Jh enthalte mich des Eingehens auf die Einzelpunkte. Es handelt {fch wesentlich um die Kodifikation einer bewährten Praxis, wobei einige Streitfragen, die sh zwishen der Krone, der Staatsverwaltung, der Ober-Nechnungskammer und dem Landtage ergeben haben, erledigt werden sollen. Rechte der Krone, die wir als sol&e KFtrachten, dürfen nicht amStastet werden, wenn die Konservativen daran mitwirken sollen. So kann man die Sache garniht behandeln, daß man an den Rechten der Krone vollständig vorbeigeht. Auch im Fall des Freiherrn Lucius von Ballhausen hat s E das Recht der Krone zum Stempelerlafsen vollständig an- erkannt.
Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Jh werde auch) sehr kurz fein und nur einige wenige Erwiderungen auf einige Bemerkungen der Vorredner machen. Der Abg. Dr. Virchow stellt einen Grundsaß auf, dem ih in vollem Maße beitrete; er sagt: Landtag und Regierung kommen am besten mit einander aus, wenn die größte Offenheit gegenseitig herrscht und Dinge, die ni§t geheim zu bleiben brauen, im Intereffe der Sache selbst, um die es sich handelt, ganz ofen seitens der Staatsregierung dem Landtage mitgetheilt werden. Ich glaube aber auch sein Zeugniß acceptieren zu können, daß das durch ausgiebige Mittheilungen seitens der Staatsregierung seit der Verfassung, auch während der Konflikts- periode stets bethätigt ift, und es ift selbstverständlich, daß in dieser Weise fortgefahren wird. Jch persönlich habe au als Abgeordneter stets dieselbe Erfahrung gemacht, daß es im Interesse der Regierung liegt, jedes Mißtrauen, als wenn unnöthigerweise Dinge verheimliht würden, durch eine loyale Praxis und ein loyales Erigenkommen . der Negierung zu beseitigen. (Sehr richtig!)
Meine Herren, ich kann aber doch sonst einigen Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Virhow in keiner Weise - folgen. Jch glaube do, daß die juristishe Schärfe, die bei diesen Fragen bis zu einem hohen Grade nöthig ist, nicht in vollem Maße troß seiner großen Praxis in der Rechnungs - Kommission zur An- wendung gekommen it. Wir haben hier den Saß aufzustellen : durh dieses Geseß soll an dem bestehenden Rechte der Krone, der Verwaltung als Organ, der Organe derselben und des Landtages nichts geändert werden; daran muß ih auf das strengste festhalten. Der Herr Abg. Dr. Virchow hat ausführliG geredet über das Ret — und die bisherige Praxis, die in dieser Beziehung geübt fei, — hin- sichtlih der Veräußerung von Staatsgut, namentlich von Immobiliar- gut, und er hat angedeutet, daß in dieser Beziehung doch ein anderes Verfahren in Zukunft stattfinden müsse, wie ih ihn wenigftens ver- standen zu haben glaube. Das würde ein tiefer Eingriff sein in die libera administratio, die in Preußen und anderen Staaten von je- her bestanden hat, und die auch ganz unentbehrlich erscheint; wir würden auf Versuche, in dieser Beziehung Schranken aufzurichten, nicht eingehen. Die Verfassung zwingt uns, Einnahmen und Aus- gaben auf den Etat zu tellen. Wenn es sich nicht um Einnahmen und Ausgaben der Staatskasse handelt, is nah der Verfafsung eine Verpflichtung, sie auf den Etat zu bringen, nicht vorhanden. Wenn der Herr Abgeordnete das Beispiel anführt — und das ift gerade sehr charakteristisch —, daß hier eine Vorlage angenommen fei, das Grundstück, auf welchem der Zirkus Busch {ih jetzt befindet, zu Mufeumszwecken zu verwenden, und daß der Landtag den Kaufpreis dieses Grundstücks zu diesem Zweckte be- willigt habe, jeßt aber auf diefem Grundstücke ein Zirkus sich befinde, so ist das keine Rechtsfrage, sondern eine Frage, die der Landtag geltend machen kann, um den Minifter wegen einer unzweckmäßigen und unrichtigen Verwaltung zur Verantwortung zu ziehen. Wenn ein Minister vor dem Landtage ein Grundstück zu kaufen be- antragt, zu einem ganz bestimmten ZweckX, und man wollte diesen Zweck beseitigen, dann würde zwar formell das Recht auf Seiten des Ministers sein, materiell aber würde der Landtag gegen ihn wegen Illoyalität, wie das in vielen anderen Fällen au mögli ift, Beschwerde erheben. Aber, meine Herren, die Sache stand so: wir waren nicht in der Lage, f\ofort dieses Grnndftück zu Museumszwecken zu verwenden, weil wir eben die erforderlihen Mittel nicht hatten und späterhin mit Zustimmung des Landtages es für rathsam ge- funden haben, mit den drei großen Museumsbauten zuerst an einer anderen Stelle zu beginnen. Die Herren haben ja im vorigen Jahre das Geld bewilligt. ‘Nun fianden wir vor der Frage: sollen wir, da wir das Grundstück einmal besißen, es bezahlt haben, aber zu Museums- ¡weden noch niht verwenden können, es ganz rentenlos liegen lassen? Da hat die Staatsregierung, glaube ih, ganz loyal und rihtig ge- handelt, wenn sie bis zum Museumsbau, zu dem wir doch in einigen Jahren noch niht kommen — denn es handelt fich.um einen dritten Museumsbau —, in der Zwischenzeit das Grundstück rentbar mate. Würde die Staatsregierung, wie gesagt, das Grundstück definitiv diesem Zwecke entzogen haben, dann würde die Sache anders gelegen
haben.