1898 / 22 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

P E S e B

Oesterreich-Ungarn. 5 Der „Neuen Freien Presse“ wird aus Prag berichtet, dey der akademische Senat der deutshen Universität auf Verlangen der Unterrichtsverwaltung, gemäß den Be- stimmungen des Gesezes, so lange im Amt bleiben werde, bis der Unterrichts-Minister seine Entscheidung getroffen habe. Bei den gestern in Budweis vorgenommenen Ge- meindewahlen des zweiten Wahlkörpers siegten die Kan- didaten der Deutschen ; die A enthielten sih der Wahl. Im ungarischen Unterhause betonte gestern der Re- aag für das Budget, Abg. Hegedues, die Nothwendigkeit er Steuerreform, der Verwaltungsreform und der Valuta- regulierung. Er wisse wohl, daß diese En im Jahre 1898 ini gelöst werden würden, doch lenke er die Aufmerksamkeit der Regierung darauf. ‘Das Land flehe in diesem Jahre vor wichtigen Aufgaben, deren Lösung Eintracht erfordere. Man müsse mit vereinten Kräften an die Lösung dieser Fragen sowie der ganz Europa bewegenden großen sozialen Frage ehen. Redner empfahl die Annahme des Budgets. Der Abg. N van 8zky (Nationalpartei) hielt die Finanzlage für ungemein kritish und drückte die Besorgniß aus, daß das Gleith- ewiht des Staatshaushalts gefährdet sei; auf größere innahmen könne nicht mehr gerehnet werden, während die Ausgaben anwachsen würden. Er lehne im Namen seiner Hui das Budget ab. Der Abg. Aranyi erörterte die nomalie der späten Budgetverhandlung; man könne_den Beginn des Budgetjahres im Einvernehmen mit der öster- reichisden Regierung auf den März oder Juni verlegen. Dem Abg. Horanszky gegenüber verwies der Redner auf die ahlreihen Reformen der leßten Jahre; die Steuern seien in Ingarn nicht höher als in anderen Staaten; die Erhöhungen der Ausgaben müßten dur Ersparnisse in der Verwaltung gedeckt werden; er habe volles Vertrauen zu der Regierung und nehme das Budget an. Der Abg. Graf Johann Zihy lehnte namens der Volkspartei das Budget ab und forderte stärkere Maßnahmen zum Schutze der Grundbesißer, sowie eine Herabseßung der Boden- steuer. Namens der äußersten Linken gab der Abg. Koloman Thaly die Erklärung ab, daß, nachdem die Re- gierung durch die zweite Provisoriums-Vorlage das Gese von 1867 preisgegeben und damit förmlih einen Staatsstreich insceniert habe, die Partei das Fortbestehen des Kabinets für eine Gefahr halte und demselben das größte Mißtrauen ent- gegenbringe. Seine Partei nehme den Voranschlag nicht an und werde an der Generaldebatte des Budgets nicht theilnehmen.

Großbritannien und JFrland.

Jn . Bolton besprach gestern der Parlaments-Sekretär des Auswärtigen Curzon die Angelegenheiten der auswärtigen Politik. Nach einigen die Nil - Expedition betreffenden Be- merkifngen führte derselbe, dem „W. T. B.“ zufolge, aus, daß die Negterung binnen kurzem am Hofe des Negus Menelik einen direkten Vertreter zu beglaubigen gedenke; es bestehe daher kein Grund zur Beunruhigung hinsichtlih der Beziehungen wischen Großbritannien und Abessynien. Bezüglih Chinas hob Clan hervor: die Frage sei niht von Großbritannien aufgerollt worden, welches von dem status quo befriedigt gewesen sei; die Ereignisse hätten vielmehr auf seiten anderer Mächte den Wunsch offenbar gemacht, sich besondere Vortheile in China zu verschaffen. Daher habe Großbritannien das Recht, kompen- sierende Vortheile zu fordern und zu verlangen, daß die Anderen bewilligten Vorrechte niht mit den Vertragsrehten Englands im Widerspruh ständen. Curzon fügte hinzu: dieses Verhalten bedeute in keiner, Weise internationale Eifersuht oder Argwohn. Die Politik Großbritanniens sei keine Angriffspolitik, sie {ließe keine Beseßung oder Thei- lung von Landgebiet in sich; Großbritannien kämpfe vielmehr für die Freiheit des Handels in China und habe dabei die Sympathie allcr freien Völker und Regierungen auf seiner Seite. Die britishen Vertragsrehte machten cs unmöglich, fügte Redner hinzu, den Handel Großbritanniens von irgend einer in China erlangten Einflußsphäre auszuschließen, und auf diesen Rechten werde die Regierung bestehen

Frankreich.

In dem er im Elysée abgehaltenen Ministerrath machte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister des Aeußern Noten Mittheilungen über die Kandidatur des Prinzen

eorg von Griechenland für den Posten des Gouver- neurs von Kreta und über die Einrichtung der Finanz - kontrole in Griechenland.

Die Ernennung des Admirals Beaumont zum Kom- mandanten des Geschwaders in Ost-Asien ist amtlih bekannt gemacht worden.

Jn der gestrigen Sihung der Deputirtenkammer brahte der Deputirte Castelin einen Antrag ein, nah welchem die Prämien für die Zuckerausfuhr von dem Tage an auh in Frankreich e g werden sollen, welchen die internationale Konferenz für die Beseitigung der Prämien für die übrigen Zucker erzeugenden Länder fesiseven werde. Sodann

ing die Kammer zur Verathung des Armee-Budgets

Uber. Jn Erwiderung auf die Erklärungen mehrerer Redner führte der Kriegs-Minister, General Billot aus, daß er durchaus ein Gegner der zweijährigen Dienstzeit sei ; die drei- jährige Dienstzeit sei das nothwendige Minimum zur Heranbildung von Unteroffizieren. Am Schlusse seiner Rede ae der Minister rühmend der ganzen Armee, welche dem Gesehe ergeben sei und außerhalb“ der Parteizwistigkeiten stehe. Jm weiteren Verlaufe der Sißung beantragte der Deputirte Treveneuc, daß dem Generalissimus die größte Unabhängigkeit zugestanden werde. Der Kriegs- Minifter, General Billot erwiderte: „Was soll dann aus unserer gesezmäßigen Regierung, dem Präsidenten der Re- publik und den Kammern werden? Diesen Weg betreten heißt eine Diktatur vorbereiten wollen.“ Schließlih nahm die Kammer, troß des Einspruchs des Kriegs-Ministers, mit 234 gegen 208 Stimmen einen Antrag des Deputirten Berry an, nach welchem zur Ars an den Krieg von 1870/71 eine Medaille gestiftet werden foll.

Italien.

Die Deputirtenkammer is} gestern wieder zusammen- etreten. Der Finanz-Minister Branca legte derselben die Verordnung, durch welche die Getreidezölle ermäßigt worden

sind, zur nachträglichen Gerehmigung vor. Die Verortnung wurde der Dn überwiesen. Die Wahl“ des Präsidenten wurde für heute angeseßt und sodann die Be- rathung des Geseßentwurfs, betreffend das Avancement in der Armee, wieder aufgenommen. Der Entwurf wurde angenommen.

Spanien.

___ Der Kommandant des spanishen Geshwaders traf, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern in Madrid ein und hatte eine längere Unterredung mit dem Marine-Minister Bermejo, in welcher er erklärte, bei den leßten Manövern habe es fih gezeigt, daß das Oa 19 in vorzüglicher Verfassung befinde. Der Admiral wird 9 unverzüglich auf einen Posten zurückbegeben. Jm nächsten Ministerrath ollen die Kriegsschiffe bestimmt werden, welche, in Erwiderung auf die Entsendung des amerikanishen Kriegsschiffs „Maine“ nah Havanna, amerikanische Häfen anlaufen sollen.

Belgien.

Der sozialistische Deputirte Demblon, welcher in der lezten Sißung der Repräsentantenkammer ausgeschlossen wurde, betrat gestern Nachmittag um 2 Uhr in Begleitung einer Gruppe von Sozlalisten .“ die große Vorhalle des Parlamentsgebäudes. Eine . Abtheilung Soldaten be- wachte den Eingang. Der kommandierende Offizier trat auf die Gruppe zu und verbot Demblon auf Befehl des Präsidenten der Kammer, den Sißungssaal zu betreten. Demblon fügte sih dem Befehl, indem er rief: „Es lebe die Armee !“ „Es lebe die Republik!“ Mehrere ie Mende Deputirte er- hoben indessen Einspruh dagegen. “Die Menschenmenge, welche sih inzwischen vor der Kammer angesammelt hatte, drängte vorwärts, Und es entstand, wie „W. T. B.“ meldet, ein furchtbares Handgemenge. Die Soldaten machten sich um Eingreifen bereit. Zwischen Sozialisten und Anti- ialisten wurden Schläge und Stöße ausgetausht, und es fam zu unbeschreiblihen Scenen. Eine in der Nähe auf Posten befindliche Abtheilung Carabiniers und eine Brigade Polizeiagenten eilte herbei, um mit bewaffneter Hand einzu- schreiten. Schließlich wurde die Ruhe wieder Prets, eine Person wurde verhaftet. Bei Beginn der Sigzung der Repräsentantenkammer machte der. Minister der öffentlihen Arbeiten de Bruyn Mittheilungen über die vorläufige Untersuchung des Unglücksfalles, der sih vor kurzem in einer Kohlengrube in Wasmes ereignete, und rief dadurch große Erregung bei den Sozialisten hervor. Der Minister erklärte, die Untersuchung werde vollkommen unpar- teiish geführt werden. Der Abg. Defuisseaux (Soz.)sprach über die Vorfälle, welche sih bei Eröffnung der Sißung zugetragen hätten; er erklärte, die Deputirten seien von den Truppen ver- gewaltigt worden, und forderte, daß cine Untersuchung angestellt werde, um festzustellen, von wem die Truppen ihre Befehle erhalten hätten. Es brach ein unbe- \schreibliher Tumult aus. Mehreren sozialistishen Deputirten wurden Ordnungsrufe ertheilt. Der Abg. Defuisseaux griff den Präsidenten lebhaft an, worauf der Tumult von neuem anfing. Der Deputirte Woeste rechtfertigte das Verhalten des Präsidenten. Der Aba. Furnemont (Soz,) wollte wissen, wer den Truppen den Befehl ertheilt habe, das Bajonett aufzupflanzen. Der Quästor de Jong he erwiderte, die Quästur habe diese Maßregel getroffen, um zu verhindern, daß die Menschenmenge in das Parlament eindringe. Redner fügte hinzu, er werde stets seine Pfliht gegen die Sozialisten u (Anhaltender Beifall auf der Rechten, Widerspruch auf der Linken.) Der Abg. Vandervelde b schilderte hierauf die vorgekommenen Zwischenfälle und jagte, die Sozialisten seien von den Truppen herum- gestoßen worden, als Demblon sich bereits entfernt gehabt habe. Redner warf dem Präsidenten vor, er sei ein „Mann der Gewalt“. Angesichts "des nun ent: stehenden Lärms suspendierte der Präsident Beernaert die Sizung. Bei Wiederaufnahme derjelben suchte der Präsident die am Freitag gegen Demblon getroffenen Maßregeln zu rehtfertigen. Der Abg. Vandervelde griff in heftiger Weise die Quästoren an, beschuldigte die Rechte, sie wolle die Sozialisten mundtodt machen, und verlangte genau zu erfahren, wer den Befehl zu den Gemwaltthätigkeiten gegen die Sozialisten ertheilt habe. Nach weiteren lärmenden Auftritten erklärte der Präsident Beernaert: er habe von Furnemont eine Tagesordnung er- halten, welché besage: die Kammer mißbillige die vom?Burecau getroffenen Maßregèln, da es nicht verstanden habe, den Mit- gliedern der Kammer Achtung zu verschaffen. Diese Tages- ordnung wurde mit 86 gegen 29 Stimmen bei 9 Stimm- enthaltungen abgelehnt.

Türkei.

Aus Kanea meldet die „Agence Havas“, daß die Admirale vier der Haupt-Anstifter der Ruhestörungen in Kandia in die Festung Spinalonga hätten bringen lassen.

Griechenland.

Die Hauptpunkte des demnächst zur Veröffentlihung ge- langenden Berichts der Kommissare für die Finanz- kontrole sind, dem „W. T. B.“ zufolge, nachstehende:

Die Kommissare schäßen ‘die gesammten Staatseinnahmen seit 1892 bis einschließilich 1896 auf 458 255 000 Drachmen, im Durch- shaitt der 5 Jahre also jährlich 91 651 000 Drachmen. Sie weisen auf verschiedene Mängel des - gegenwärtigen Verfahrens der Steuererhebung hin und schlagen die Reorganisation einiger WVerwaltungézweige vor, sowie die Erhöhung der Säße für gewisse Steuern, so z. B.. die Tabasteuern, die Einfuhrzölle auf gewisse Waarenklassen und die Stempel- abgaben. ‘Dur diese Mittel sollen die Staatseinnahmen um 6 335 000 Drachmen jährlich erhöht werden. Hiernah werden die budgetmäßigen Einnahmen von der Kommission für 1898 auf 85 5996 000 Drachmen und bis 1903 auf 100 266 000 Drachmen steigend veranschlagt. Die Verwaltungs8ausgaben werden von der Kommission für den Durchschnitt der Jahre 1892 bis 1896 auf 61951 000 Dramen f{ährlih" angenommen und für 1898 auf rund 63251000 Drachmen vecansclagt. Für die folgenten Jahre wird “eine jährlihe Steigerung der Aus- gaben um 300 000 Drachmen vorausgeseßt; hierbei sind “jedoch die außerordentlichen Ausgaben nicht einbegriffen. Was die Ausgaben für die Kriegóverwaltung anbetrifft, so \priht der. Kommissionsbericht den Wunsch aus, diese auf das unecläßlihe Mindestmaß ‘ein- zushränken. Nach einem Rückblick auf die Geschichte der verschiedenen Anleihen bemerkt der Bericht, Griechenland habe seit langem die aus der Staatsshuld erwachsende Last auf dem Kreditwoege bestritten Nach den Angaben des Finanz-Ministers werde das Defizit für 1898 sich auf 40 000 000 Drachmen stellen. Zu den neuen Finanz-Arrangements legt der Bericht die von beiden Parteien angenommenen Bedingungen dar. Die Monopol-Anleihe erhält 43 9/0, die anderen äußeren Anleihen 329%; der Wechselkurs ift auf 165 festgeseßt, anstatt 175, wie die Gläubiger verlangten. Die Vertheilung der Mehrbeträge aus den ver- pfändeten Einnahmen soll so erfolgen, daß 3. Fün{stel ten Gläu- bigern, 2 Fünftel dem Staate zu gute kommen. Der Dienst der inneren Schuld bleibt unverändert. - Nach der Erklärung des Finanz-Miuistérs

“| soll die s{chwebende Golds{uld ten Banken in Obligationen einer

aufzunehmenden Anleihe zurückgezahlt "werden. Diese A

jur Begleichung der Kriegtent/ädigung von 95 Millionen ‘verde R estreitung auderer Bedürfniffe des Schaßes und zur ückiahlung der s{chwebenden Schuld dienen und sei auf den

Effektivbetrag von 123 500000 Fr. Gold festgeseßt. Außer-

dem werde eine Summe von 20 Millionen in Gold zur Bestreitun

des künftigen Budgetdefizits erforderli werden. Die Kommission empfiehlt, diese Summe im Auslande nah Maßgabe des Bedarfs aufs zunehmen; der Abschluß dieser kleinen aufeinanderfolgenden Anleihen werde mit Zustimmung ter Finanzkontrole ges{hehen. Was die Organisation der Piugnzfoutrale angeht, so nimmt die-Kommission die vom Finanz-Minister angeregte Kombination an, nah der die der Kontrole zu unterstellenden Einnahmen in der Weise festzuseßen sind, daß ihr Gesammtertrag die „für den ganzen Schulddienst erforder- lihe Summe etwas übersteigt, und außerdem Ersazeinnahmen zu bestimmen sind, deren Ueberweisung an die Kontrole erst im Falle ungenügenden Ectrages ter zunächst verpfändeten Einnahmen cintreten würde. Als die Haupteinnahmen, weldze dem Schulddienst zu über- weisen sind, ‘sind festgestellt: die Tabacksteuern, die Stempelabgaben und der Ertrag der Monóopole; alle zusammen mit dem Ertrage von 28 900 000. Drachmen, Zur Deckung der noch bestehenden Differenz erklärte der Minister, die Zolleinnahmen im Piräus zu ver- pfänden, deren Durchschnitt in den lezten drei Jahren sch auf etwa 12 Millionen Drachmen belief, sodaß der gesammte Betrag der der Kontrole überwiesenen Einnahmen sih auf 39 600 000 Drachmen be- ziffern wird. Als Ersayeinnahmen zum Ausgleich etwaigen Minder- ergebnisses wurden vom Finanz-Minister vorgeshlagen und von der Kommission angenommen: die Zolleinkünfte von Korfu, Patcas, Volo und Laurium, die zusammen 7 200000 Drachmen ergeben. Diese Einnahmen find au?zuliefern, wenn während zweier Halbjahre dec Ertrag der der Kontrole an erster Stelle zugewiesenen Einkünfte nicht 85 9/6 der in dem Gese festgestellten Voranschläge erreichen sollte, und zwar bis’ zur Höhe der zu ergänzenden Summe. Die Bestimmungen des Geseßentwurfs über die Finanzkontrole sind folgende: die Tarife der für den Schuldendienst überwiesenen Steuern dürfen nur mit Zu- stimmung der internationalen Kommission abgeändert werden. Drese Vorschrift erstreckt sih nicht auf die Zölle; wenn sich aus ihrer Ab- änderung eine Verminderung der für den Schuldendienst überwiesenen Einnahmen ergeben Us so ist Griechenland verpflichtet, Einnahmen zu überweisen, welche hinreihen, diese Verminderung auszugleichen. Die Monopol-Gesellshaft bleibt bestehen, wird jedo der Ueberwachung der internationalen Kommission unterworfen. Das Kapital der Ge- sellschaft wird auf 4 Millionen Francs festgeseßt. Die Gesellschaft in threr neuen Verfassung wird als Vermittlerin bet der Vérein- nahmung des Tabackzolls und der Stempelsteuer dienen, welche für den Schuldendienst überwiesen werden. Die Kommission wird die für ihren Dienst erforderlihen Beamten ernennen. Gin Staatskommissar wird als Vermittler zwishen der Kom- mission und den griehisch-n Behörden dienen. Die Kommission wird thre Kontrole in der Art ausüben, daß sie in den Stéuer- einnahme-Stellen und anderen s\taztlihen Anîtalten Revisionen vor- nimmt und fonst Inspektionen und besondere Ueberwahungen ausübt, welche sie von der Regierung verlangen wird. Verschiedene Bestim- mungen segen die Verantwortlichkeit der Staatsangestellten im Falle einer Zuwiderhandlung gegen das Geseß fest. Das Gesetz über die Finanzkontrole foll nicht ohne Zustimmung der Mächte abgeändert werden können.

Serbien.

Der frühere Minister Michael Georgiewitsch ist, wie „W. T. B.“ meldet, zum Gesandten in Bukarest und der bisherige Geschäftsträger in Rom Jwan Pawlowitsh zum diplomatischen Agenten in Sofia ernannt worden.

Amerika.

Dem New-Yorker Blatte „The World“ wird aus Washington gemeldet, daß dort am Montag Abend unter Vorsiß des Präsidenten Mc Kinley ein Kabinetsrath stattgefunden habe, fvelher durh wichtige Depeschen des amerikanischen General-Konsuls in Havanna veranlaßt worden sei.

Der amerikanische Kreuzer „Maine“ traf gestern in Havanna ein und wechselte Salutshüsse mit den anderen Kriegsschiffen. :

Aus Havanna wird gemeldet, daß die Aufständischen bei Nuevitas cinen Eisenbahnzua mittels Dynamits in die Luft gesprengt hätten. Ein Sergeant sei getödtet, und 16 Soldaten seien verwundet worden. Bei einer anderen, ebenfalls von den Aufständischen ins Werk geseßten Explosion scien zwei Soldaten getödtet und fünf verleßt worden.

Asien.

Aus Kalkutta berichtet „W. T. B.“, daß die gegen die Akakhels entsandten fliegenden Kolonnen die feindlichen Dörfer verlassen vorgefunden hätten.

Nach einer Meldung der „Daily Mail“ aus Shanghai hat sih das britishe Geshwader in den chinesishen Gewässern getheilt; das Flaggschiff „Centurion“ und fünf andere Schiffe liegen bei Chusan und sieben Schiffe bei Chemulpo:.

Das „Reuter'she Bureau“ meldet aus Peking, daß am 24. d. M. eine weitere Konferenz in der Anleihefrage stattgefunden habe. Der russishe Gesandte sei Vor- mittags im Tsung - li - Yamen empfangen. worden, der britishe Gesandte Nachmittags. Man glaube, daß der britishe Gesandte auf der Eröffnung Talienwan's als Vertragshafen bestehen werde, und daß dies der Punkt sei, in welhem die hritishe Regierung nicht zurück- treten könne. Der Abschluß der Anleihe mit Großbritannien oder mit Nußland hänge jeßt davon ab, welches Land den größten Druck ausübe. Wenn Großbritannien es auf ih nehme, China gegen die Folgen einer etwaigen Mißstimmung Rußlands in Schuß zu nehmen, so glaube man, daß die An- leihe gemäß den Bedingungen des britishen Gesandten zum Abschluß kommen werde.

Afrika.

Die Abgeordneten des Oranje- Freistaates für die Berathungen über einen engeren Zusammenschluß zwischen dem Oranje-Freistaat und Transvaal sind, dem „W. T. B.“ ufolge, gestern Vormittag in Pretoria eingetroffen und haben alsbald dem Präsidenten Krüger einen Besuch ab- gestattet.

Dem „Reuterschhen Bureau“ wird aus Lagos vom gestrigen Tage berichtet, daß eine britishe Truppenabtheilung Okuta in der Landschaft Borgu beseßt habe. Der Gouver- neur von Lagos, Oberst Mac Callum, sei gestern früh nah dem Hinterlande abgereist.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über - die gestrige Sißung des Rei hs- tages befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (26.) Sißung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Reihs-Schayamts Freiherr von Thielmann beiwohnté, standen zunächst auf der Tages- ordnung der Antrag der Abgg. von Ploeßy und Graf von Carmer (d. kons.) auf E eines Gesehentwurfs über die Einführung eines ‘Zolles sowie die Besteuerung von Saccharin und die erste Lesung des von den Abgg. Dr. Paasche (nl) und Genossen eingebrachten Geseßentwurfs, betreffend die Besteuerung von Saccharin und verwandter Süßstoffe.

Der Abg. von Ploeg wies in der Begründung seines Antrages dárauf hin, daß die Preise des Rübenzuckers gesunken, die Arbeits- Iöhne dagegen gestiegen seien. Das leßte M habe die Hoffnungen nicht erfüllt, die man auf dasselbe gefeßt habe. Man könnte ja die Zuckerausfuhrprämie aufheben; aber bis dahin würde noch viel Wasser den Berg binabfließen Die Besteuerung des Saccharins an ¿war nur ein kleines Mittel sein, aber der Gerechtigkeit ent- prechen.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten ehrte in der heutigen

Q Sißung, welcher der Vize - Präsident des Staats-

inisteriums, Finanz - Minister Dr. von Miquel, der Justiz-Minister Schönstedt und . der Minister des Jnnern Freiherr von der Recke beiwohnten, zunächst das Andenken der verstorbenen Abgg. von Schmiedeseck (kons.) und A (Zentr.) in der üblichen Weise, nahm sodann in dritter Lesung den Geseßentwurf, betreffend die Auf- hebung der Verpflichtung zur Bestellung von Amts- kautionen, an, nachdem ein Versuch des Abg. R ier t (frei. Vgg.), die aufrehterhaltene n ay der Gerichtsvoll- zicher zu beseitigen, an dem Widerspruch des Vize-Präsidenten des Staats - Ministeriums, Finanz - Ministers Dr. von Miquel und des Justiz - Ministers Schönstedt ge- scheitert war, und ging hierauf zur ersten Berathung des Antrags des Abg. Fuchs (Zentr.) auf Annahme eines Gesezentwurfs, betreffend Aenderungen des Kom- munal-Wahlverfahrens, über. Nach demselben sollen die drei Wahlabtheilungen nicht mehr durch einfache Drittelung E werden, sondern es sollen von der Gesammtsumme er Steuern auf die erste Abtheilung fünf, auf die zweite vier und auf die dritte drei Zwölftel entfallen ; in der ersten Ab- theilung sollen mindestens 10 und in der zweiten mindestens 20 Proz. der Gesammtzahl der Wähler vertreten sein.

Abg. Fuchs (Zenir.): Das Zentrum is} eigentlih der Meinung, daß sowohl für den Landtag wie für die Gemeinden das allgemeine, gleide, direkte Wahlrecht eingeführt werden müßte. Da ein folch{er

ntrag jedoch bei der gegenwärtigen Zusammenseßung des Hauses keine Ausficht hätte, also eine bloße Demonstration bliebe, wir aber praktische Politik treiben wollen, so haben wir uns auf den vorliegenden Antrag beschränkt, der ein konservativer und so- gar ein NRegierungsantrag i|ff und nur die Verkhbältnifse vor der Steuerreform aufrechterhalten will. Aus Anlaß der Ver- änderung der Giukommensteuer wurde in der Thronrede eine Vor- lage wegen Aenderung des Wahlrechts angekündigt und au vorgelegt und hier mit großer Mehrheit angenommen. Aber im Herrenhaufe schlug plößlih das Wetter um; das Herrenhaus kassierte nit nur die vom Abgeordnetenhause beschlossenen Verbesserungen, fondern au die Regierungsvorlage. Die durch die Steuerreform- ver- anlaßten Verschiebungen trèten bei dem Gemeindewahlreht noch mehr und läftiger hervor als beim. politishen Wahlrecht. Die progressive Ausgestaltung der Gewerbesteuer, die Einführung der Vermögens- steuer und die Erhöhung der Einkommensteuer bis auf 49/0 haben auf die Waßhlberehtigung eingewirkt, und es empfiehlt si niht mehr, das Wahlreht an die s{wankenden Steuern allein anzuschließen, sondern es muß für die erste und zweite Abtheilung eine Mindestzahl von Wählern festgestellt werden. In Essen besteht die erste Klasse aus zwei Wählern, in Elbing aus einem Wähler und in Neustadt in Oberschlesien beherrs{cht eine Dirma Fränkel u. Pinkus die erste und zweite Klasse.

iese wenigen Personen verfügen also über den Stadt- sädel, für den sie nicht einmal entsprehend Steuer zahlen; denn es giebt doch jet in vielen Gemeinden indirekte Steuern, namentlich die Biersteuer. Die Beeinflussung des Wahl- rechts durch die Staatófteuer wird noch verstärkt durch die Steuer- maßregeln der Gemeinden. Jn Köln is die Gebäudesteuer nach dem Werthe veranlagt worden; so gerecht diese Maßregel auch ist, so hat sie doch wieder zur Verstärkung des Wahlrechts der reihen Leute geführt. Auch die Waustellensteuer und die Umsaßsteuer, welhe den Besißlosen den Erwerb von Grund und Boden ershweren, werden vornehmlich von den reiben Leuten in den Gemeinden zur Einführung gebra&t. Dur die Bildung der Wahlabtheilungen zu 5, 4 und 3 Zwölfteln der Steuersumme wird in den Landgemeinden meist {on eine Wählerzahl von 10 bezw. 20 v. H. in der ersten und zweiten Ab- theilung erreicht werden. Anders verhält es {sich in den Städten. In Köln z. B. würde die Wähblerzahl der ersten Klasse von 619 auf 813, in der zweiten Klasse von 2225 auf 3626 \teigen. In den mittleren Industriestädten des Westens wird die Verschiebung aber eine sehr viel größere sein. Jh kann wohl annehmen, daß die Re- terung unseren Antrag zu dem ihrigen machen wird; ih fühle mi förmlich in der Rolle eines freiwilligen Regierungskommissarius.

Hierauf nimmt der Minister des Jnnern Freiherr von

der Neccke das Wort, dessen Rede morgen im Wortlaut mit--

getheilt werden wird. (Schluß des Blattes.)

Dem Reichstage ist der am 28. April v. F, in Berlin unter- zeihnete Freund schafts- und Handelsvertrag zwischen dem Reich und dem Oranje-Freistaat zugegangen.

Statistik und Volkswirthschaft.

Die gewerbliche Thätigkeit im Regierungsbezirk Düsseldorf 1882 und 1895,

(Stat. Korr.) Stärker als im allgemeinen im preußishen Staat, niht so \tark dagegen wie in der Haupt- und Residenzstadt Berlin hat die Zahl der gewerblich thätigen Personen in den Jahren 1882 bis 1895 in unferem gewerblich bedeutendsten Regierungsbezirk, dem von Düsseldorf, zugenommen. Ist sie in der genannten Zeit im preußishen Staat überhaupt um 37F v. H., in der Stadt Berlin abec um 51 v. H. angewachfen, fo ist sie hier von 416 100 i. J. 1882 auf 592 963 i. J. 1895, d. t, um 42È v. H. gestiegen. Schon die beiden leßteren Zahlen, verglichen mit der Gefammtheit der in der gleihen Zeit tin der ganze VieaßisGen Monarchie gewerblih thätigen Personen, nämli 4 257 942 i. F. 1882 und 5861 707 i, J. 1895, kennzeihnen zur Genüge die gewerbliche Bedeutung des A erungdtegirrs Düsseldorf und rechtfertigen das E gewerbestatiftishe Interesse, das gerade ibm entgegengebracht wird. :

Dem entspricht auch der verhältnißmäßig große Antheil, mit welchem die Gesammtbevölkerung des Mau erungoeztete Düsseldorf am gewerblichen Leben selbstthätig betheiligt ist, ren im Jahre 1895 im ganzen Preußischen Staate 18,61 v. H. der Gesammtbevölkerun geweroti® aBge so waren es im Regierungsbezirk Düsseldorf T4 v. H., ein Saß, welcher nahezu die Verhältnißzahl der Stadt

Berlin (33k v. H.) erreiht, zumal wenn man die Zahl der in den Berliner Vororten wohnhaften, in Berlin abex als dort gewerblih thätia mitgezählten- Personen berüdsichtigt.

Die Gesammtzahl der gewerblichen Betriebe im Re ierungs- 1e Agen betrug im Jahre 1882 165 735, im Sabe 1895 nahme der gewerblich thätigen Bevölkerung die Zahl der Gewerbe» betriebe, die in der. fraglichen Zeit im preußischen Staate um etwa 14 v. H., in der Stadt Berlin gar um 12 v, P: gestiegen ift, hier um 23 v. H. abgenommen hat. Von den Betrieben waren

Sin A 5 H 1895 aupt- eben- aupt- Neben- a. im eigentlihen betriebde betriebe betriebe betriebe

Gewerbe 73 982 4 359 61 262 4270

Alber a d Mitinhaber-, Géhilfen- und Motorenbetriebe .. , 45529 703 44123 304 zusammen 119504 50602 10538658 45374 b. im Handels- und Verkehrsgewerbe Alleinbettiebe N an erie A8 64d 11599 2192 8434 Mitinhaber-, Gehilfen- und Motorenbetriebe .…. 9 967 959 20953 732 zusammen 28611 12556 42905 9166

Die gewerblih Thätigen (der Hauptbetriebe, denn Nebenbetriebe haben im Sinne der Statistik kein Personal) vertheilten ih h mit Personen a. im eigentlihen Gewerbe 1882 1895 auf AlleinbettlE O L LTBORS 61 262 auf Mitinhaber-, Gehilfen- und Motorenbetriebe 289 338. 435 121 zusammen 363 320 496 383

b. im Handels- und Verkehrsgewerbe L P fe 21 952 auf Mitinhaber-, Gehilfen- und Motorenbetriebe 34136 74 628 zusammen 52780 96 580 Es betrug hiernach vom Hundert die Zunahme (+) oder die Abnahme (—) von 1882 bis 1895 für Betriebe für Personen Haupt- und (der Haupt- ebenbetriebe) betriebe) —: 16,85 17,19

C DECEE 2A 3,89 4+ 50,39 zusammen 11,73 -+ 836,62 b. im Handels- und Verkehrs- gewerbe béi Meine A bei Mitinhaber-, Gehilfen- und Motoren- Len L L

a. im eigentlichen Gewerbe bet Mllèinb@ttieben E E a bei Mitinhaber-, Gehilfen- und Motoren-

Ebe 6 is

+ 90,47 + 17,74

E —+ 98,47 + 118,62 zusammen -+- 26 48 + 68298

Die \sih hieraus ergebende Abnahme der Zahl der Betriebe, namentlich der Alleinbetriebe, im eigentlihen Gewerbe und die etwa 4 betragende Zunahme der Zahl der Gewerbebetriebe im Handels- und Verkehrsgewerbe steht in keinem Verhältniß zu dem starken An- wachsen der Zahl der gewerblih thätigen Personen und bestätigt die in den gegenwärtigen Verhältnissen begründete Neigung zur Zunahme der Groß- und zur Abnahme der Kleinbetriebe.

Bon den einzelnen Gewerbegruppen waren 1895 mit Hauptbetrieben und Personen an der gewerblichen Thätigkeit im Re- gierungsbezirk Düsseldorf betheiligt: die Textilindustrie mit 22 788 (seit 1882 —49,29 9/0) Hauptbetrieben und 127 978 (+ 1,55 9%) gewerb- lih tbätigen Personen, die Metallverarbeitung mit 14 564 (— 0,04 2%) Hauptbetrieben und 61 427 f 47,65 9/6) Personen, der Bergbau, Hütten 2c. mit 152 (— 16,02 9/0) Hauptbetrieben und 59 891 (+ 21,02 8 Personen, die Bekleidungs- und Reinigungs8gewerbe mit 32 556 (4-9,95%/6 Hauptbetrieben und 54109 (+ 28,10 9/6) Personen, das Baugewerbe mit 7397 (+ 24,44 9/0) Hauptbetrieben und 47 542 (+ 143,32 0/6) Per- sonen, die Industrie der Nahrungs- und Genußmittel mit 10 877 (+ 21,44 %/%) Hauptbetrieben und 36591 (+ 54,34 9/0) Personen, die Industrie der Maschinen, Instrumente, Apparate mit 2218 (+ 32,81 9/6) Hauptbetrieben und 33 555 (+ 166,99 9/0) Personen, die Industrie der Holze und Schnißstoffe mit 8094 (— 3,96 0/6) Hauptbetrieben und 24093 (+ 45,87 0/0) Personen, die Industrie der Steine und Grden mit 899 (4+ 6,52 %/) Hauptbetrieben und 16901 (+ 67,54 0/0) Personen, die Papierindustrie mit 915 (+ 17,31 9/0) Hauptbetrieben und 69261 (+ 54,31 9/6) Personen, die polygraphishen Gewerbe mit 721 (+ 61,30 0/0) Paupkbetrieven und 6679 (+ 98,19%) Personen , die Lederindustrie mit 1597 -+- 26,85 9/0) E Leo und 6298 (+ 55,89 9/6) Personen, die

emisde Industrie mit 460 (4+ 29,21 9/0) Hauptbetrieben und 5575 (+ 9,36 9/0) Personen, die Industrie der Leuchtstoffe, Fette, Oele, Firnisse mit 239 (+ 7,66 9/0) Hauptketrieben und 3974 (+4 95,47 9/6) Personen, die Kunst- und Handelsgärtnerei mit 1363 (+ 88,26 9/0) Hauptbetrieben und 3291 (+ 114,82 9%) Personen und die fünstlerishen Gewerbe mit 510 (—1,54 9%) Hauptbetrieben und 1471 {+ 73,06 9%) Personen, ferner das Handels- gewerbe mit 30973 (+ 58,78 9%) Hauptbetrieben und 65 203 (4+ 77,98 9%) Personen, das Versiherungsgewerbe mit 357 (+ 57,96 9%) Hauptbetrieben und 829 (+ 40,65 9/0) Personen, das Verkehrsgewerbe (ohne den Post-, Telegraphen- und Eisenbahn- verkehr) mit 2674 (-+ 21,49 9/6) Hauptbetrieben und 9845 (+ 69,30 9/6) Personen, das Beherbergungs- und Erquickungsgewerbe mit 8901 (+ 33,31 9/0) Hauptbetrieben und 20712 (4+ 112,52 9/0) Personen. Insgesammt wurden 148290 (+ 0,12 9%) Hauptbetriebe mit 592 963 p 42,50 9/0) gewerblich thätigen erlonen gezählt. Zu beabten ist der aus vorstehenden Zahlen zu ersehende s{harfe Rückgang der Textilindustrie, der für den Bezirk Düsscldorf ebenso hervortritt, wie dies bereits wiederholt für den gesammien preußischen Staat bei dieser Gewerbegruppe hervorgehoben worden ift.

Vergleicht man die Gewerbebetriebe im Regierungsbezirk Düssel- dorf in den Jahren 1882 und 1895 nah ihrer Größe, letztere ge- messen am Personal, so fällt zunächst der starke Rückzang der Allein- betriebe in den eigentlichen Gewerben und der Industrie ins Auge, der im Staate 12,04 v. Pi in der Stadt Berlia 15,95 v. H. und im- Regierungsbezirk Düsseldorf 17,66 v. H. betrug. Andererseits haben die Alleinbetriebe im Handels- und Verkebrsgewerbe ein- {ließli der Gastwirthshaft im Regierungsbezirk Düsseldorf mit 17,74 v. H. ftärker zugenommen als im Staate (5,84 v. H.), während die Stadt Berlin mit einer Zunahme von 33,61 v. H. hier bei weitem voransteht.

Besonders auffallend ist ferner die starke Abnahme der Gehilfen- betriebe mit 1—5 Personen bet den eigentlichen Gewerben (der Industrie) im Regierungsbezirk Düsseldorf im Verhältnisse zum Staate wie zur Stadt Berlin. Weisen diese Betri-be im Staate eine Abnabme von nur 0,75 y. H. und in der Stadt Berlin gar eine Zunahme um 17,30 y. H. auf, fo zeigen sie im Regierungsbezuk Düsseldorf eine Abnahme um nicht weniger als 13,47 v. H. Dem entspriht “auch das Verhältniß der in diesen Betrieben thätigen

ersonen mit einer Zunahme von 4,58 v. H. im Staate, sowie von

2,62 v. H. in der Stadt Berlin, welcher eine Abnahme von 8,70 v. H. im Regierungébezirk Düsseldorf graentherttens, Bei den Handels- und Verkehrögewerben sowie der Gastwirthschaft findet sich indeß auch bier wieder die entgegengeseßte Erscheinung. Vermehrte A die Zahl solher Gehilfenbetriebe mit 1—5 Personen im preußts- hen Staate um 75,53 und in der Stadt Berlin um 75,13 v. H,, lo nahm sie im Regierungsbezirk Düsseldorf um 108,62 v. H. zu, und diesem Verhältnisse etiifpi t auch. hier die Zahl der in diesen Betrieben thätigen Personen mit einem Anwachsen um 78,10 ‘v. H. im Staate, üm 77,24 v. H. “in der ‘Stadt Berlin und um 112,17 v. H. im Regierungsbezirk Düsseldorf.

Auffällig erscheint endlih noch' die starke Zunahme der qrößeren Betriebe im eigentlihen Gewerbe (der Industrie) im Regierungs- bezirk Düsseldorf gegenüber derjentgen im Staate und in -der

s ift besonders. bemerkenswerth, daß troß der hohen Zus

Stadt Berlin; beträgt doh die Zunahme der allergrößten Betriebe mit mehr als 1000 beshäfiigten Personen dort rit weniger als 214,29 v. H. gegen 107,69 v. H. im Staate. In Berlin wurden 1882 Betriebe mit mehr als 1000 Persoaen im Ggen Ugen Gewerbe und der Industrie überhaupt niht, im Jahre 1895 deren 7 gezählt.

Arbetter-Wohlfahrtseinrihtungen.

Eine bochberzige Stiftung mate die Wittwe des verstorbenen Industriellen Schuckert in Nürnberg für die Beamten und Arbeiter der Schuckert’schen Etablissements. Das Stiftungökapital beträgt 300 000 G Zunächst werden eine Sort dung Ge für Lehr- linge, eine Haushaltung6shule für Mädchen und ein Kindergarten nah Fröbel’schem System errichtet. Weiter wird eine Industrieshule für Mädchen are werden, in der im Stricken, Häkeln, Nähen, Flidcken, Stopfen und Anfertigen hon Wäsche und einfaher Kleidung Unterricht ertheilt werden und die speziell dem Arbeiterhaus halt Rech- nung tragen soll.

Die Weihnachtsbescherungen für Arbeiter in industriellen Unternehmungen gestalten sich immer mehr zu einer Art von Ges winnbetheiligung, wenn sie auch nit als eine feste Verpflichtung der Arbeitgeber angesehen werden können oder sollen. Die chemische Fabrik von Böhringer und Söhne in Waldhof bei Mann- heim, die bekannte Chininfabrik, hat, der „Sozial-Korx.“ zufolge, zum leßten Weihnachtsfest ihren sämmtlichen Arbeitern je einen Betrag ausgezahlt, der 5 %/o des Arbeitsverdienstes der Betreffenden im Jahre 1897 beträgt. Schon die Art der Berehnung weist auf die Gewinn- betheiligung hin. Bemerkt sei, daß diese “zig zu ‘denjenigen der Branche gehört, welche die höchsten Löhne zahlen. Die Ma schinen- fabrik von Bopp und Reuther in Mannheim hat für ihre Weihnachtsbesherung eine andere Form gewählt: sie gewährt ibren Arbeitern zah dem Dienstalter abgestuste Weihnachtsgaben. Für jedes Dienstjahr wurden 95 M vejablt: fodaß die Arbeiter mit 20 und mehr Dienstjahren in der Fabrik je über 100 erhielten. Werden solche Gratifikationen ers mehrmals wiederholt, dann haben sie durch den Brauch fast den gleichen Werth, als ob sie in der Arbeitsordnung festgeseßt wären, wenngleih au die Arbeitgeber je nah Umständen und Betriebsergebnissen mehr oder weniger geben oder au cinmal die Zahlung ausfallen lassen könnten.

Arbeiterversiherung.

Bei der Invaliditäts- und Alters-Verficherungs- anstalt Oldenburg lagen in dem verflossenen Jahre (die Zahlen für 1896 find in Klammern beigefügt) vor: 314 (256) Anträge auf Bewilligung von Inyalidenrente, 103 (100) An- träge auf Bewilligung von Altersrente, 719 (541) Anträge auf Beitragserstattung in Heirathsfällen, 58 (62) Anträge auf Beitrags- erstattung in Todesfällen und 129 (67) Anträge auf Uebernahme des Heilverfahrens. Es wurden in dem S Zeitraum fest- gefeßt 265 (212) Invalidenrenten, 90 (96) Altertrenten, 701 (485) Er- stattungen in Heirathsfällen und 51 (54) in Todesfällen. Die Höhe der bewilligten Invalidenrenten betrug durcschnittlich 130,34 Æ, im Ganzen 34 539,10 #, die der Alterérenten durhscnittlich 132,36 Æ, im Ganzen 11 912,40 , für sämmtliche Renten zusammen 46 451,50 A Seit dem Inkrafttreten des Geseßes wurden auf 2639 Anträge 2185 Renten im Gesammtbetrage von 271 977,10 4 bewilligt und bei 1474 Erstattungsanträgen in 1365 Fällen die Beitragserstattung verfügt. Das Heilverfahren wurte 1897 in 98 (52) Fällen (darunter 64 Lungenkranke) eingeleitet, in 25 Fällen (darunter 12 Lungenkranke) abgelehnt. Am 1. Januar befanden sih 12 Kranke, darunter 7 Lungen- kranke, in der Fürsorge der Versicherungsanstalt an 3 verschiedenen Kurorten. Der Aufwand für die Krankenfürsorge betrug in dem oben bezeichneten Zeitraum 24166 M (8506,44 M).

Zur Arbeiterbewegung.

In Magdeburg-Buckau haben, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, die Monteure und Justierer der Näh- maschinen- und Fahrrad-Fabrik von Lange und Nikolaus die Arbeit wegen Lohnstreites und angeblicher „Maßregelung“ eines Arbeiters niedergelegt; die Ausständigen verlangen namentli Lohnerhöhungen.

In Lindenau bei Leipzig haben nah demselben Blatt un- gefähr 30 Arbeiter der Bilderrahmenfabrik von Mar Dähne die Arbeit wegen angebliher „Maßregelung“ zweier Arbeiter eingestellt.

Hier in Berlin ist in einer af eugen Schuhmaherverfammlun ein allgemeiner Shuhmacher-Aus stand beshlossen worden, wei die von den Arbeitern beantragten Abänderungen der Fabrikordnung von dem Fabrikantenausschuß nicht bewilligt wurden. Nach langer Erörterung beshloß die Versammlung, über die \trittize Angelegen- heit in Verhandlungen vor dem Gewerbegeriht einzutreten, gleih- zeitig aber auch heute früh die Arbeit in allen Fabriken eiuzasielien.

Kunst und Wissenschaft.

Aus St. Petersburg wird dem „W. T. B.* berichtet: Die leßteingetroffenen „Turkestanskija Wjedomosti“ melden die VeEE der nah Turkestan, Kaschgar und Tibet entsandten deutschen wissenshaftlihen Expedition der Herren Holderer und Futterer. (Dr. Holderer und Professor Dr. Futterer, beide aus Karlsruhe, verließen Deutshland Ende November, um eine Reise nah Kascbgar und dur Inner-Asien nach Peking auszuführen. Dr. Futterer ist Geolog. Die Expedition geschieht auf Privatkosten.)

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Der Gesundheitsstand in Berlin blieb auch in der Woche vom 9. bis 15. Januar ein günstiger und die Sterblichkeit eine geringe; von je 1000 Einwohnern ftarben, aufs Jahr berechnet, 16,1 (gegen 17,2 in der Vorwoche). Auch in dieser Weche kamen akute Entzün- dungen der Athmungsorgane in sehr großer Zahl zum Vor- schein und führten auch in etwas gegen die Vorwoche gesteigerter Zahl zum Tode. Erkrankungen an Influenza wurden gleichfalls zahlreih beobachtet, jedoch nur % dur dieselbe veranlaßte Todesfälle: gegen 6 in der Vorwoche) gemeldet. Dagegen gelangten akute armfkrankheiten seltener zur Behandlung und endeten auch in: erheblich verminderter Zahl tödtlih. Die Betheiligung des Säuglings- alters an der Sterblichkeit war eine geringe; von je 10-000 Bewohnern in Berlin starben, aufs Iabr berehnet, 42 Säuglinge. Von den Jn - fektionskrankheiten bliebenErkrankungen an Unterleibstyphus selten (es kamen nur 3 Erkrankvngen zur Anzeige); Erkrankungen an Masern, Scharlah und Diphtherie wurden gleihfalls seltener zur Anzeige gebracht , und zwar zeigten sich Erkrankungen an Diphtherie nur in der Tempelhofer Vorstadt, in der Rosenthaler Vorstadt und auf dem Wedding in nennenswerther Zahl, während die Erkrankungen an Masern und Scharlach in keinem Stadttheile eine größere Ver» breitung aufwiesen. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 6 be- kannt. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut ge- langten D zur Behandlung. Sehr zahlreich wurden auch wieder Erkran gen an Keuchhusten beobachtet, die in 14 Fällen zum Tode führten. Selten wurden rheumatishe E der Muskeln zur Meldung gebraht, während akute Gelenkr

eumatismen häufiger als in der Vorwoche zur Beobachtung kamen.

Verdingungen im Auslande.

Oesfterreih- Ungarn.

5. Februar, 12 Uhr. K. K. Eisenbahn-Ministerium zu Wien: Lieferung aller Bauarbeiten auf dem rec haar be Karlsbad und auf der Strecke zwischen“ diesem. und dem Bahnhofe Karlsbad,