1898 / 27 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

ben. Der enossenshaftstag, der unter Vorsiß des Herrn |

e i e einen definitiven Beschluß gefaßt, aber die meisten U Gasen haben einen anderen Stand- unkt als Herr Noesike eingenommen, und der Leßtere hat seine Konsequenzen daraus gezogen. Die Verkürzung der Karenzzeit ekämpfe ich niht aus finanziellen Gründen. Die Kommission hatte die Karenzzeit auf vier Wochen herabgeseßt, in zweiter Zung auf dreizehn Wochen belassen, aber den Krankenkassen einen Erfaßzan!spruch dafür gewährt. Dadurch wird den Krankenkassen jedes Interesse ge- nommen, das Heilverfahren zu beschleunigen. Die Berufegenofsen- s werden aber noch mehr als bisher die Neigung haben, die

rbeiter in eine Heilanstalt zu bringen, die .Rentenguetsche", wie Sie E den Sozialdemokraten) sagen. Ein weiterer Punkt war der, daß die rztlichen Gutachten den Arbeitern in voller Ausdebnung vorgelegt werden follten. Es wird jeßt den Aerzten schon {wer gemacht, ein Urtheil über den Gesundheitszustand der Arbeiter E weil sie sehr leiht „boykottiert“ werden. Es würde eine Grausamkeit sein, einem Kranken eine genaue Diagnose für feine Zukunft zu geben. Das kann für die Heilung fehr {ädlich wirken und kann auch der Simulation Thür und Thor öffnen. Die örtlihe?z Abgrenzung der Schiedsgerichte ist zu verwerfen, weil dadurch die korporative Gliederung der Berufs- genossenshaften vollständig beseitigt würde; es würde die Sach- verständigkeit der Beisißer bei der Entscheidung der Schiedsgerichte fehlen, oder man müßte zu jeder Schied8gerichtssißung Beisißer von den verschiedenen Berufsgenofsenschaften einladen, aus deren Bereich Sachen verhandelt werden. Die Schied8gerichts-Vorsigenden, welche weiter nihts zu thun haben, als die Unfallstreitigkeiten zu erledigen, Iösen sich vollständig von der allgemeinen Rehtsprehung los. Be- denklih war mir auch die fakultative Uebernahme der Invaliden- versiherungen auf die Berufsgenossenschaften, die sich ihrer ganzen Konstruktion nach für diese Aufgabe nicht eignen. Die Berufsgenossen- schaften müssen den rerunglüdten Arbeiter entschädigen, auch wenn er nur einen einzigen Tag in einem ihrer Betriebe gearbeitet hat, während die Invalidenrente von den Versihrrungsanstalten gezahlt wird, wo der Mann vornehmlich gearbeitet hat. Schon bei den Knapp- lGalalee bringt die Vereinigung dieser beiden Versicherungen manche Mißstände mit sich. Die Berufsgenossenschaften haben eine ersprießliche Thätigkeit ausgeübt. Die hervorragenden Industriellen, die jeßt der Thätigkeit der Berufsgenofsenschaften sih zugewendet haben, würden aus denselben autsheiden, wenn sie {lteßlich nur Strohmänner sein sollen und die eigentlihe Thätigkeit den Direktoren und fest angeftellten Beamten zufällt,

Abg. Singer (Soz.) wendet sich ebenfalls gegen die Empfehlung der Hülle’shen Schriften durch das Reihs-Versicherungsamt.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.) : Die geschäftlihe Lage ist doch so, daß die Novellen zur Versicherungsgeseßgebung jeßt niht vorliegen; was sich darüber fagen läßt, is in dem Kommissionsberichte niedergelegt, und es wird nun Sache der Regierung sein, dazu Stellung zu nehmen. Wenn die neuen Regierungsvorlagen kommen, so werden wir dazu Stellung nehmen. Ueber die Empfehluyg der Hülle’'shen S@ciften kann ih keine so große Aufregung empfinden. Sowohl die Berufs8- genossenshaft wie das Reid;s-Versiherungsamt follten sehr vor- fichtig sein und rit die Gelegenheit einer Erkrankung infolge von Unfall benutzen, um auf den Geisteszustand eine Einwirkung zu üben.

Abg. Dr. Ham mach er (nl.): wünsche das UnfallversiKerungs8- geseß in seiner Grundlage aufrehterhalten zu sehen; es follte in wesentlichen Punkten nur geändert werden unter der fret- willigen Zustimmung der Arbeitgeber. Wenn vorurtheilslose Arbeit- geber mit den Arbeitern zusammenarbeiten, fo können dadur Mißverständnisse beseitigt werden, welche den gesellshaftlihen Frieden siören. Mit den Sozialdemokraten eine Verständigung herbei- zuführen, ist unmögli, denn sie schildern den Arbeitgeber als ein wildes Thier. Unter den Industriellen der ganzen Welt giebt es keine Unternehmerschaft, die mehr geneigt ift, human zu verfahren, als die deutshe. Daß der gegenwärtige Reichstag niht mit einer Reform des Unfallversicherungsgesetzes belastet worden ift, dafür danke ih dem Staatssekretär. Ich würde es tief bedauert haben, wenn die Arbeitgeber sich von der Mitwirkung an dieser Geseßgebung zurück- gezogen hätten, wenn an die Stelle der Selbstverwaltung ein bureau- tratishes Regiment träte. Die Statistik allcia ist niht entscheidend. Die Abnahme der Zahl der Vollrenten kann eine Verbesserung der Schutvorschriften und eine Verbesserung des Heilverfahrens beweisen. Wäre infolge der angeblihen Profitwuth der E die Bollrente vorenthalten worden, so hätte sih die Zahl der Rekurse vermehren müssen. Das is aber durchaus nicht der Fall.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Zu meinem aufrichtigen Bedauern war ih ver- hindert, einem Theil der Sißzung beizuwohnen, weil ich an einer Sitzung des preußishen Staats-Ministeriums theilnehmen mußte.

Der Herr Abg. Singer if wieder auf den Fall Hülle gekommen und hat an den bekannten, durch die Zeitungen publizierten Erlaß vershiedene Kombinationen geknüpft über die eigentlihe Urhebershaft

dieses Erlasses.

Meine Herren, ih glaube, wir mahen hier politisch zusammen die besten Geschäfte, wenn wir gegenseitig unsere \staatsrechtliche Stellung achten. Nach der Verfassung is verantwortlich dem Reichs- tage gegenüber nur der Reichskanzler. Wenn die Herren also den bekannten Erlaß zum Gegenstand von Angriffen machen wollen, bitte ih, diese Angriffe zu richten gegen den Herrn Neichskanzler oder seinen Stellvertreter, tas bin ih. Ich habe den Erlaß gezeihnet und bin bereit, materiell und formell die vollste Verantwortung für seinen

SFnhalt zu übernehmen. Meritorisch mi zu äußern, habe ich keine

Veranlassung; das habe ich bereits bei der ersten Lesung gethan. (Beifall rets.)

Abg. Molkenbuhr (Soi) behauptet, daß die Zahl der Voll- renten bei der Brauerei-Berufsgenossenshaft und auch in ten Staats- betrieben die gleiche geblieben sei wie früher; nur in einzelnen Be- rufsgenossenschaften sei eine erheblihe Abnahme derfelben zu bemerken. Cine anderweitige Organisation der Schiedsgerichte sei wünschens- werth, weil die Bezirke vie! zu greß und weil jeßt die Besißer an den Urtheilen interessiert seien.

Abg. Fischbeck (fr. Volksp.): Die Berufêgenossenshaften gehen niht bloß darauf aus, die Renten herabzuseßen, denn sie schließen sih den Grundsäßen des Reichs-Versicherungsamts, dessen Thätigkeit auch von den Sozialdemokraten anerkannt wird, durchaus an. ine sparsame Wirthschast müssen natürlich die Berufsgenossenshaften au führen im Interesse ihrer Mitglieder. Im Gegensaß zu Herrn von Stumm bedauere ih, daß tas im vorigen Jahre in der Kommission zum Beschlusse gelangte Geseßgebungswerk nicht zum Abschlusse gekommen ift. Es muß eine Beschleunigung des Verfahrens der Schiedsgerichte durch- geführt werden; man kann nit darauf warten, daß der Zentral-Verband deutscher Industrieller seine Zustimmung dazu giebt. Auf den Inhalt der Hülle’shen Schriften kommt es garnicht an; die Hauptsache ift, daß die Berufsgenossenschaften zur Bekämpfung der Sozialdemokratie in Lpras genommen werden sollen. Mit dem Kampfe der Par- teien haben die Berufsgenossenschaften und das Reichs-Versicherungs8- amt nichts zu thun. Das Reichs-Versicherungsamt genießt - die Achtung der Arbeiter und genoß sie noch mehr unter dem früheren Präsidenten. Wir müssen mit Entschiedecheit Widerspruch dagegen erheben, baß diese Behörde in den Kampf der Parteien gezogen wird. Den Berufsgenossenshaften hat man sonst die Uebernahme anderer Dinge, als ihnen geseßlich obliegen, z. B. die Haftpflicht- versicherung, untersagt.

Abg. Bebel (Soz.) bemängelt ebenfalls die Empfehlung der Hülle’shen Schriften durh das Reichs-Versicherungsamt.

werden, so werden sle wohl ausgezeihnet sein. Daß die Regierung in reli ider DBeziebung tinpiwieken bestrebt i, ift ihre Piliht: Gottesfur t muß im Lande erhalten und die Ehrfurcht vor dem Könige muß bewahrt bleiben. Nicht die Arbeitgeber ftellen den armen Krüppeln nah, daß sie ihre Renten verlieren, sondern es- be- kommen sehr viele Leute Renten, die troß eines Unfalles ihren vollen Lohn weiter beziehen.

Abg. Singer erklärt, er halte' alles, was er gesagt habe, voll- ftändig aufrecht. Es sei nicht die Aufgabe der Regierung und des Staatssekretärs, 1 von etner bestimmten Stelle zu bestimmten Hand- lungen Tommandieren zu lassen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Ich kann dem Herrn Abg: Singer versichern, daß mir der Inhalt dessen, was er ausgeführt hat, von meinen Kommissarien durchaus rihtig wiedergegeben ist, und daß ich allerdings meine \taatsrechtlihen Ausführungen angeküüpft habe an die bekannte Hülle’she Angelegen- beit und die von mir erlassene Verfügung, die ebenfalls auf unrecht- mäßige Weise in die Presse gelangt war.

Ih gestatte mir aber gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Singer erst recht darauf hinzuweisen, daß, wenn er sih inner- halb der verfassungsmäßigen Grenzen halten will, er nur den Herrn Reichskanzler angreifen kann, und niemand anders.

Wenn wir hier im Neich3tage, meine Herren, fortgeseßt dahin kommen, daß man über die Person des verantwortlichen Reichskanzlers hinaus andere Pecsonen angreift, so lägen darin die Keime s{chwerer Konflikte. Ih möchte also dringend bitten, daß wir gegenseitig unsere staatsrehtlihe Stellung ahten. Wir sind bereit, Ihnen Tag für Tag hier als Kugelfang zu dienen: zielen Sie also, bitte, nur nah uns! (Beifall rechts.)

Der Herr Abg. Bebel hat demnächst ausgeführt, es wäre ein Mißbrauch meiner amtlihen Steklung, daß ich* die Hülle'shen Schriften empfohlen habe. Ich glaube, dem Herrn Abg. Bebel ift der Inhalt dieser in dem „Vorwärts“ abgedruckten Verfügung nicht mehr ganz erinnerliß, denn nach demselben hat das Reichs- Versicherungs8amt den nachgeordneten Organen nur empfohlen, in geeigneten Fällen sih mit dem Zeitschriftenverein in Verbindung zu seßen, um die Schriften des Vereins für Krankenhäuser zu er- werben. Es ift also die Prüfung, ob überhaupt die Schriften anzu- schaffen sind und eventuell welche, den lokalen Organen selbst überlassen. Und darin, muß ih sagen, kann man keinen Mißbrauch und kein Unrecht sehen, wenn die Aufsichtsbehörde für die Bibliothek eines Kranken- hauses auch die Anschaffung Hülle’sher Schriften anheimstellt, unter denen nah meinen Informationen auch solche sich befinden, die nur in religiös-patriotishem Sinne geschrieben find und keinerlei Angriffe auf irgend weile andere Partei enthalten. Davon bin ih natürli weit entfernt, daß ich die Verantwortung übernommen hätte für jedes Wort, was in den Hülle’schen Schriften steht. Es giebt über- haupt wohl keinen Sthriftsteller, bei dem man die Verant- wortung für jedes Wort übernehmen wollte. Aber was sollen denn eigentli die Kranken in den Krankenhäusern lesen? Daß die Arbeiter dadurch aufgeregt werden follten, wenn fie diese Hülle’schen Schriften lesen und daß auf ihren Gesundheitszustand dadur ein un- günstiger Einfluß ausgeübt würde, das halte ih für eine arge Ueber- treibung. Ich glaube, wenn von anderer Stelle Schriften empfohlen wären, die der politishen Richtung der sozialdemokratishen Partei näher ständen, so hätte kein Mitglied der fsozialdemokratischen Partei den Einwand erhoben, es fönnten durch diese Lektüre vielleiht die Arbeiter aufgeregt und in ihrem Heilungsprozeß aufgehalten werden, die nicht Sozial- demokraten sind. (Sehr gut! rets.)

Der Herr Abg. Bebel hat dann geglaubt oder hat wenigstens behauptet, die Thatsache festzustellen bezüglich der vershiedenen Sißungen des Zentralvereins der Industriellen und der Betheiligung von Be- amten des Neichsamts des Innern daran. Jch glaube, er hat nichts richtig gestellt, sondern nur falsche Konsequenzen aus den Thatsachen gezogen. Meine Behauptungen, soweit sie thatsähliher Natur waren, muß ich in allen Punkten aufrecht erhalten. Es hat cine Sitzung des Zentralvereins im Februar stattgefunden zu der Zeit, wo sich die Unfallversiherungé-Novelle in der ersten Lesung der Kommission des Neichstages befand. Da sind allerdings eine Anzahl Kommissarien des NReichs-Versiherungsamts dort anwesend gewesen, Demnächst hat im Dezember eine weitere Sitzung des Zentralvereins s\tatt- gefunden, die sih besŒäftigt hat mit der Unfallversicherungs-Novelle in der Fassung, wie sie hier aus den Berathungen der Kommission des Reichstages hervorgegangen war. Dort sind keine Kommissarien des Reichsamts des Innern anwesend gewesen. Der Herr Abg. Bebel ftellte es aber so dar in seinen früheren Neden, als ob die Verhandlung, die damals in der Dezember-Kommission des Zentral- verbandes stattgefunden hätte, einen Einfluß geübt hätte auf die Ent- scheidung des Neichs8amts des Innern, die Novelle in dieser Session dem Reichstage nit mehr vorzulegen; und das ist das Jrr- thümlihe in der Sahe. Wir waren auf dieser Sizung des Zentral- verbandes nit vertreten, und unsere Entschließungen find vollkommen unabhängig und vorher gefaßt worden, ehe jene Sitzung des Zentral- verbandes \tattgefunden hat. Ueber die Thatsachen, Herr Bebel, glaube id, sind wir beide einig, nicht aber find wir einig über die Schlüsse, die wir beide aus den Thatsachen ziehen.

Herr Bebel hat \{chließlich einem meiner Räthe den Vorwurf ge- macht, daß er auf der Sizung des Zentraloerbandes erklärt hätte, es wäre ihm „ein wahrer Genuß" gewesen, dieser Sißung bei- gewohnt zu haben, und Herr Bebel hat fortgefahren, so gut wäre der Reichétag noch nie behandelt worden, Herr Abg. Bebel, wenn ich hier im Reichstage auch erklärte, es wäre ein wahrer Genuß für mich gewesen, einer fünftägigen Debatte im Reichstage über einen auf unehrlihe Weise in die Presse gelangten Erlaß beizuwohnen, fo würden Sie mir das garniht glauben. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit.)

Abg. Freiherr von Stumm: Die Schriften des Herrn Hülle sind mir bekannt; sie haben nur“ den einen Fehler, daß fie zu wenig bekannt sind. Das wird vielleicht jeßt anders werden.

Abg. Bebel: Zur Befugniß des Präsidenten des Reihs-Ver- siherungsamts gehöre es nicht, für die Lektüre der Kranken zu forgen. Er sei erst durch den Erlaß des Staatssekretärs zu diesem Amts- mißbrauch verleitet worden. (Präsident Freiherr von Buol: Ich nehme an, daß das nur objektiv gemeint i!) Selbstverständlich! Jede fozialdemokratische Agitation würde in den Krankenhäusern unterdrückt werden; er (Redner) halte aber auh die Unterdrückung jeder anderen Agitation für nothwendig.

Damit schließt die Diskussion. Die Ausgaben für das

Bei dem Kapitel: „Physikalish-Technische Neichs- anstalt“ beantragen die t . Schmidt - Elberfeld (fr. Volksp.) und Dr. Paasche (nl) Folgendes:

in Grwägung 1) daß ein auf wissen schaftlichen Methoden be- rubhendes Materialprüfungswe}en zur Förderung der exakten Natur- forschung beiträgt und für die technischen Wissenschaften unent- behrlich geworden ist, 2) daß die Ausbildung der wissenschaftlichen Ergebnisse des Materialprüfungswesens nach der praktish-technischen Seite hin für die gesammte Gewerbsthätigkeit eins{ließlich der Forst- und Landwirtb{@aft, fowie für die Aufgaben des Staates auf dem Gebiet der öffentlihen Arbeiten, des are und der Marine, fich als unentbehrli% und im höchsten Maße nußbringend. erwiesen hat, den Herrn Reichskanzler zu ersuhen, dem Reichstage wegen Herstellung geeigneter Einrichtungen für das Materialneüfünätwesen dur das Reich eine Vorlage zu machen.

Abg. Schmi dt-Elberfeld (fr. Volksp.) s{hildert die Entwickelung der jeßt in Preußen bestehenden Materialprüfungsanstalt. Es handele ch tägli um neue Anforderungen, f\odaß selbst die größte dieser Anstalten, die in Charlottenbur 1, den Anforderungen der Wissenschaft nit mehr genügen könne. Die etnzelstaatlihen Anstalten würden dur die NReticsanstalt niht geschädigt werden; die Reichsanstalt würde für alle einzelstaatlichen Anstalten befruchtend wirken. Die ¿. B. in der preußishen Anstalt vorhandenen Mißstände würden auch von der preußischen Negierung anerkannt, seien aber bisher nit ab- gestellt. Deshalb müsse das Reich eintreten. Es seien für die Ver- suhe Maschinen nothwendig, die bisher in der preußischen Anstalt her- gestellt worden seien; allein eine Prüfung der Beglaubigung dieser Maschinen finde nit statt.

Staatssekretär des Fnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Das fahliGe Bedürfniß für eine derartige Materialprüfungsstelle im Reich erkenne ich ohne weiteres an. Als der bekannte Unglücksfall auf der „Brandenburg“ {ich ereignete, hat das Reichsamt des Jnnern von Amtswegen bereits Veranlassung genommen, der Prüfung dieser Frage im Interesse unserer Handels- marine näher zu treten. In der Zeit unserer jeßigen Dampfmaschinen mit verstärktem Druck ist es ganz außerordentlich wichtig, namentlich das Matertal einer amtlichen Pi ifungsstelle zuführen zu können, welches zu Röhrenleitungen dient. Aber selbstverständlih erstreckt ih dieser Bedarf zur Prüfung amtlihen Materials für Maschinen- anlagen nit nur auf die Handelsmarine, sondern auch auf alle in- dustrielle Anlagen. (Sehr richtig !)

Ich habe mich infolge dessen bereits vor längerer Zeit an den Herrn Kultus-Minister gewendet, um mit ihm eine Vereinbarung zu treffen, daß an der technisch-mechanischen Versuchsanstalt zu Char- lottenburg derartige Daueruntersuhungen allgemein vorgenommen werden können. Nach der Anworkt, die ich von dem Herrn Kultus- Minister erhalten habe, ergiebt sich indeß, daß die in Charlottenburg vorhandenen Anlagen nicht auêsreihen, um als allgemeine Unter- suhungsstelle für das ganze Deutshe Reich zu dienen, daß dazu einerseits noh fehr erheblihe Bauwerke nothwendig wären, sodann eine wesentlihe Vermehrung des Beamtenpersonals und ein nicht un- erhebliher Betrag für die Unterhaltung der vergrößerten Anstalt. Die Frage liegt jeßt so: soll man im Reich im Interesse von Schiff- fahrt und Industrie eine eigene derartige Materialien-Prüfungsansfstalt errihten, oder ist es praktisher, si an die preußische Anstalt anzu- {ließen und ihr einen einmaligen Zuschuß zu der entsprehenden Er- weiterung und dann einen fortgesegten Unterhaltung8zuschuß zu ge- währen? Diese Frage it noch nit entschieden, aber ih hoffe, daß es gelingen wird, bis zur Aufftellung des nächsten Etats zu fertigen Projekten zu kommen und dem hohen Hause in der nähsten Tagung {hon einen bestimmten Etatëposten vorzuschlagen, um die Zwecke zu erreihen, deren Erfüllung von dem Herrn Verredner empfohlen ist. (Bravo!)

Abg. Gamp (Np.): Jh möchte die Aufgabe der Anstalt nicht fo eng ziehen, daß nur die Industrie und die Schiffahrt daran be- theiligt sein soll ; auch die Landwirtschaft kann ein Interesse an einer folchen Anstalt haben. In erster Reihe denke ih dabei an Unter- suchungen über die Beschaffenheit unseres Buchenholzes und seine Ver- wendbarkeit für die Schwellen. Ob die Errichtung einer Reichs- anstalt nothwendig ist, möchte ich dahingestellt sein lassen. Die Einzel fiaaten werden ihre Partikularanstalten niht entbehren können, \chon wegen der Ausbildung der Besucher der tehnishen Hochschulen. Der Antrag präjudiziert der Errichtung einer RNeichsanstalt nit; wir fönnen die Entscheidung darüber auch wohl hinausschieben.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Die bestehenden Anstalten dienen in erster Linie der Auskildung und haben daher nit viel Zeit übrig, die Materialienprüfung vorzunehmen. Nur der preußischen Anstalt einen Reichszushuß zu gewähren, das würde den Bedürfnissen der Technik und Industrie nit genügen, weil dann der Bureaukratismus der alte bleiben würde. Die preußische Anstalt is nur nothdürftig unter- gebraht; ein Neubau muß stattfinden; da ist es besser, wenn gleich eine Neichsanstalt eingerihtet wird. Es müßte dann eine Einrich- ung wie die preußishe technische Deputation für das Reich getroffen werden.

«Abg. Benoit (fr. Vgg.) empfiehlt dringend die Annahme des Antrages im Interesse der Industrie.

Die Ausgaben für die Da Tee Reichsanstalt werden enehmigt Der obenerwähnte Antrag gelangt mit großer Mehrheit zur Annahme.

Darauf wird um 51/4 Uhr die weitere Berathung bi. Montag 1 Uhr vertagt. (Vor der Fortseßung der Be- rathung des Etats des Reichsamts des Jnnern wird der Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei berathen werden.)

Abg. von Salisch (d. kons.): Jh kenne zwar die Hülle’schen Schriften nicht, da sie aber von den Sozialdemokraten angegriffen

Neichs-Versicherungsamt werden bewilligt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

10. Sißung vom 29. Januar 1898.

Das Haus seßt die zweite Berathung des Staats- Haushalts-Etats für 1898/99 bei den dauernden Ausgaben der landwirthshastlihen Verwaltung fort.

Ueber den ersten Theil der Debatte is vorgestern berichtet worden.

f e für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer'- etn:

Meine Herren! Einige Bemerkungen in der Rede des Abg. Ring geben mir Veranlassung, dem hohen Hause von einem Antrag Kenntniß zu geben, welchen das Königlich preußishe Staats-Ministerium än den leßten Tagen an den Bundesrath gerichtet hat.

Der Antrag geht dahin:

Der Bundesrath wolle die Zurücksendung der in den Quarantäne- anstalten auf die Tuberkulinimpfung reagierenden Thiere, das heißt der tuberkelverdähtigen Thiere beschließen ;

zweitens den Schlachtzwang aller übrigen, das heißt der nit reagierenden Thiere in öffentlihen Shlahthäusern beschließen und

drittens die Einfuhr auf dem Landwege über Hvidding auf magere Owhsen im Alter von nicht mehr als vier Jahren be- \chränken. (Bravo! rets.)

Meine Herren, der Abg. Ning hat anheim gegeben, die Ergeb- asse der Tuberkulinimpfung in den Quarantäneanstalten zu ver- öffentlihen. Der Abg. Ring hat übersehen, daß diese Veröffentkihung {hon jeßt alle Vierteljahre stattfindet. (Heiterkeit.) Zweitens hat der Abg. Ning gebeten, die holländische Grenze für den Viehimport nicht wieder zu öffnen. Jh kann dem Herrn Abgeordneten die beruhigende Zusicherung geben, daß die Königliche Staatsregierung, wie durch mi hier wiederholt erklärt ist, die maßgebenden Veterinär- geseßhe mit aller Strenge handhabt. (Bravo rets.) Augen- blicklich liegen die Verhältnisse fo, daß an eine Oeffnung der Grenze in Holland, gestüßt auf die bestehende Vetierinärgeseßgebung, zur Zeit nicht zu denken ift. (Sehr gut und Bravo! rechts.)

Geheimer Regierungs - Nath Conrad: Ueber die Betheiligung der Landwirthscaftskammern bei den Marktnotierungen is am 17. Juni 1897 ein gemeinschaftliher Erlaß der Minister für Landwirthschaft, des Innern und für Handel und Gewerbe er- gangen, nach welchem die Marktkommissionen aus einem Mitgliede der Gemeindebehörde und Vertretern der Interessen der Pro- duzenten wie der Konsumenten bestehen sollen, end wo fkauf- männische Korporationen und Handelskammern bestehen, sollen Abgeordnete von diefen binzugezogen werden. Mit der Durchführung dieses Erlasses ist der Anfang gemaht. In manchen Landestheilen, ¿. B. in Sachsen, ist davon bisher nur wenig Gebrauch gemacht tvorden, in anderen Bezirken, z. B. nah dem Bericht des Regierungs- Präsidenten von Oppeln, ist diese Maßnahme auf keinerlei Schwiertg- keiten gestoßen. Die Funktion der Marktkommission foll allerdings eine ehrenamtlihe sein, aber nicht in dem Sinne, daß den Kom- missaren keine Reiseentshädigung aus den Fonds der Landwirthschafts- kammern gezahlt wird. Wir wollen abwarten, wie der Erlaß wirkt.

Geheimer Regierungs-Rath Dr. Müller: Die Arbeiten bezüglich einer Betheiligung der Landwirthscafiskammern an der Kontrole der Viehmärkte sind noch nit abges{chlossen. Wir haben erst Berichte ein- gefordert. Die Mitwirkung bei der Preisnotierung soll gesondert von der Mitwirkung bei der Verwaltung behandelt werden. In ersterer Beziehung wird zu erstreben fein, eine einheitlihe Preisnotierung herbeizuführen wie bei den Getreidemärkten. Scchwieriger is die Mitwirkung bei der Verwaltung, da leiht die Interessen der Land- wirthschaftskammern mit den städtishen Behörten in Kollision kommen können. Diese Mitwirkung soll zunächst durch Sachverständigenkonfe- renzen in die Wege geleitet werden.

Abg. Rickert (fr. Vgg): Ih möchte den Minister fragen, wie er über die Körordnung für die Provinz Westpreußen denkt. Man beshwert fich darüber, daß die Pferde-Genossenschaft-n dieser Kör- ordnung unterworfen find wie die Privaten, und wünscht eine Aende- rung des Geseyes. - Geschieht dies nit, so sind die Genossenschaften ezwungen, fich aufzulöfen und ihre Hengste zu verkaufen. Möge der

inister \{chleunigst eine Entscheidung treffen. Auf die Seuchen- grahr gehe ich nicht näher ein. Die Hauptverantwortung in dieser chwierigen Sache trägt allein die Regierung. Wir wollen die Aus- führung des NReihs-Seuchengeseßes in keiner Weise verhindern. Kom- petent sind aber nur die Sacverständigen, auf die der Minister sich stützt. Gestern hat die Regierung im MNeichstage gesagt, daß die Sperre gegen Oesterreich nicht möglih sei. Wie wollen Sie (rechts) denn den Minister drängen, daß er den Vertrag mit Oesterreich brit? So etwas wollen und können wir der Regierung niht zumuthen. Der Minister hat den Landwirthschaftskammern nahgerühmt, daß sie sich in dieser bewegten Zeit von jeder Agitation ferngehalten haben. Die Kammer in Been bat aber im vorigen Sommer einen sehr agitatorischen Jahresberiht erlassen. Sie spriht von dem alles über- wuchernden und aussaugenden Zwischenhandel, dem Schmaroßer, der ein nationales Uebel sei, von dem völligen Nuin der Landwirthschaft bei einem System, das die Landwirth\chaft dem Auslande preisgebe. . Dieser Bericht is ebenso agitatorisch wie der Antraa Kani. Was foll man dazu sagen, wenn es heißt, daß man die Land- wirthschaft dem Großkapital und dem Auslande zu Liebe um die Se ibres Fleißes bringe? Der Abg. Ning beschuldigt wi der Denunziation, wenn ih einen Landrath angreife. Hat er das Ver- halten der drei Landräthe in Hannover vergessen? Ihnen paßt es a, wenn die Landräthe für den Bund der Landwirthe Mitglieder werben ; wenn wir dies geseßwidrig nennen, so wirft man uns Denunziation vor. Diese Denunziation ift eine Ehre für uns. Wir werden so weiter denunzieren. Haben Sie (rechts) es denn anders ge- macht ? Haben Sie nicht die Versetzung des Oberlehrers Frie verlangt ? Der Landrath von Stubenrauh hat die Gemeindevorsteher veranlaßt, die Einladung zu Versammlungen mit Vorträgen über „Kleinbesigz und Getreidepreise" von Haus zu Haus zu vertheilen. Die Vorträge hielt Herr Emil Stumpfe, der auch eine Broschüre. geschrieben hat, än welher dem Reichskanzler die Unrichtigkeit seiner Behauptung aahgewiesen werden foll, daß 15 Millionen der deutshen Einwohner bon einer Erhöhung der Getreidepreise keinen Vortheil haben. Herr Gamp kann keine Rede mehr halten, ohne den Verein „Nordost“ zu erwähnen. Ich würde gern bereit sein, Herrn Gamp mit offenen Armen

in den Verein aufzunehmen. Herr Gamp soll do nicht mit seiner Sach-

Tenntniß kommen. Hát er noh nit bäuerliche Güter gesehen, die ebenso sauber sind, wie die Güter der Großgrundbesiger? Wer weiß, wo Herr Gamp überall gewesen is. Nicht wir, sondern der böbste Be- amte des Reichs hat den Bauern gesagt, daß sie keinen Vortheil von der Erhöhung des Getreidepreises Pin, Ich bedauere auch,

daß es dem Landwirthschafts-Minister niht çelungen is, mehr von dem Finanz-Minister bei der günstigen Lage für die Landwirthschaft

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Auzeiger.

M 28

Berlin, Montag, den 31. Januar

zu erlangen; z. B. die Förderung der Geflügelzuht und anderes sind Dinge, mit denen wir vollkommen Ärivérfsandes find. Aber die „aroßen Mittel“ der Agrarier sind hoffentlich abgethan. Selbst- hilfe is das Richtige für die Landwirthschaft. Die gestrige Er- klärung des Ministers war sehr geshickt und vorsihtig. Wer kann damit zufrieden sein? Was bedeutet die Erklärung? Es kommt darauf an, „wie die Erklärung im Lande aufgefaßt wird, wie man aus dem Beifall der Recten Kavital \{lägt. Für die Rechte bedeutet die Erklärung nur die Grhöbung der Getreidezölle auf 8, ja auf 10 M Das Organ des Bundes der Landwirthe ist noch nicht einmal mit diefer Grkfärung zufrieden; Herr von Ploeß wird wohl noch bündigere Erklärungen fordern. Es liegt niht im Interesse der Negterung, so allgemeine und so nihtsfagende Erklärungen abzugeben, Graf Posadowsky hat ih im Reichstage noch vorsihhtiger ausgedrüdt, er versprach, „Prüfen“ zu wollen. Die Zusammenseßung des wirth- saftlihen Ausschusses ist einseitig. Der Handelsvertrag mit Rußland war eine wirthschaftlihe und politishe Nothwendigkeit, die wirth- shaftlihen und politischen Interesseu lassen sh nit trennen. (Oho! rechts.) Mit „Dho“ ist hier garnichts gethan. Soll ih Jhnen vorlesen, was über den Fall des Grafen Dönhoff-Friedrichstein ges schrieben ist, von welcher Stelle die wirths{chaftlihe und politiscke Nothwendigkeit des Handelsvertrages mit Rußland betont worden ist? Jch bitte den Minister, bei den Handelsvertragsverhandlungen nit die Vertreter von wenigen Tausenden zu fragen, sondern auch die Vertreter der Allgemeinheit. Warum veranlaßt der Minister niht eine Enquête über die Landwirthschaft ? Die Ergebnisse des Domänen-Etats genügen niht. Um des Getreidezolls von einigen Mark willen kann die Regierung nicht die Handelsverträge fallen lassen. Das könnte sie niht verantworten. Ich hoffe, daß die NRe- gierung fo handelt, wie sie es vor der Geschihte und ihrem Gewissen verantworten fann.

__ Ober - Landstallmeister Graf von Lehndorff bemerkt, daß die Körordnung für Westpreußen zu Recht besteht, uaäd daß sie illuforisch würde, wenn die Pferdezubt - Genossenschaften davon ausgenommen würden. Die Genossenschaften sind im vorigen Jahre gewarnt, und es ist ihnen gesagt worden, daß noch nicht feststehe, ob sie von der Körocdnung eximiert werden könnten,

Fei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- ein:

Meine Herren! J habe nicht die Absicht, auf alle Aeußerungen des Herrn Abg. Rickert, welche theils einen belehrenden, theils einen mahnenden Charakter mir gegenüber haben, einzugehen. Nur einige Bemerkungen kann ih nit unerwidert lassen.

Herr Rickert sagt : die Körordnung wäre unerträglich und bedeute einen unerlaubten Eingriff in das Privatrecht des Ei#zelnen. Meine Herren, ih bin abweihender Meinung; ih kann zugeben, daß die Kör- ordnungen eine schr wesentlihe Beschränkung des privaten Verfügungs- rechts enthalten, ih bin aber der Meinung, daß derartige Beschränkungen besonders im öffentlichen und meistens auch im Interesse der Be- tgeiligten selbst nothwendig und unerläßlich sind. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren; den geehrten Herrn Abg. Rickert bitte ih, sih die auf Geseg beruhenden Körordnungen im Großherzogthum Oldenburg anzusehen, Jm Großherzogthum Oldenburg ist das Kör- wesen für Pferde, für Rindvieh, und, wenn ich nicht irre, auch für Sch@weine durch Landesgeseß geordnet. Es ist bekannt, daß die oldenburger Unterthanen, auß die oldenburger Regierung im wesentlihen auf liberalem Stand- punki stehen. Troßdem ist mit Zustimmung der oldenburger Landes- vertretung durch die Körungsgeseßgebung eine Beschränkung des privaten Verfügungsrechts auf dem gesammten Thierzuchtgebiet im Großherzogthum durchgeführt, wie solche in solchem Umfang in keinem anderen deutschen Staat besieht. Die Bevölkerung in Olden- burg ist mit dieser Beschränkung durchaus einverstanden, weil die Beschränkung einen großartigen Erfolg auf dem gesammten Thierzuhtgebiet zur Folge gehabt hat. Die oldenburgishe Pferde-, NRindvieh- und Schweinezucht erringt auf den großen deutschen Aus- stellungen überall die größten Erfolge. Das Urtheil des Herrn Rikert über die Zweckmäßigkeit dieser Maßnahmen wird dur einen Einblick in die oldenburger Geseßgebung und deren Erfolge sih vielleiht do wesentlich ändern. Das Großherzogthum Oldenburg verdankt seine großen Erfolge auf dem Viehzuchtsgebiet lediglich seiner Körungs- geseßgebung und deren strenger Durchführung.

Meine Herren , ich will dann eine kurze Bemerkung bezüglich der Vorgänge in Westpreußen machen. Die Staatsregierung hat es be- dauert, daß in die Reihen der Zühter— ih will über das Verschulden gar kein Wort verlieren eine tiefe Erregung hineingetragen ift. Ich glaube nicht, daß das zum Segen des landwirthschaftlichen Fortschritts namentlih anf dem Gebiet der Pferdezucht gereiht. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß dadurch, daß die Staatsregierung, foweit sie es für rathsam und zweckmäßig hält, den Pferdezüchtern in der Provinz Westpreußen möglichst weit entgegenkommt, und dadur, daß die nun einmal durch die Gerichte erkannten Strafen im Wege der Gnade auf das ge- lindeste Maß ermäßigt sind, eine ruhige Ueberlegung in der Provinz Westpreußen wieder eintritt, und daß sie si, wie das früher der Fall war, klar darüber wird, was in ihrem wahren Interesse liegt. Im übrigen hat Excellenz der Ober-Landstallmeister Graf Lehndorff {hon darauf hin- gewiesen, daß die Wehrhaftigkeit des Deutschen Reichs eine richtige und zweckentspreckende Handhabung der Pferdezucht erfordert und ein Durcheinandermanschen in der Pferdezuht nicht zulässig erscheinen läßt. (Sehr richtig! rechts.) Keine der Parteien im Landtage wird gewillt sein, die Wehrhaftigkeit des Reichs in dieser Nihtung zu gefährden. (Bravo!)

Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß da doch die Provinz West- preußen au diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen wird, da sie eine durch und durch patriotish gesinnte Provinz ist, daß sie nun in ruhiger Weise unter Mitwirkung und mit voller Unterstützung der Staats- regierung in rihtige Bahnen wieder einlenken wird ; die Unterstüßung der Staatsregierung wird dabei nicht versagen.

Abg. von Ar nim (konf.): Wir go \fowoßl dur die gestrige wie die heutige Erklärung des Ministers durhaus befriedigt und freuen uns besonders, daß sie so kurz vor dem Dresdener Parteitag abgegeben sind. Wir leiden unter den ungünstigsten Verhältnissen, welhe die Handelsverträge gesckaffen haben. Die neuen Handels-

verträge werden hoffentlich ge wieder so abgeschlossen, daß der innere Markt ges{ädigt wird. enn die Gemeindevorsteher die Leute

auffordern, in die Ren D Een Versammlungen zu gehen, um Belehrungen für ihren Beruf zu erhalten, so denken wir anders

1898,

darüber als Herr Rickert. Die Ausführungen des Abg. Ehlers kommen ganz anders heraus, als die des Abg. Gothein.

Gothein. spriht stets so, daß er uns reizt. Jn landwirthschaftlihen Fragen bat der Abg. Gothein noch nicht die e p Sachkenntniß berotesen. Die Notierungen der Zentralnotierungss\telle der Landwirth- schaftskammern beruhen auf den Mittheilungen, die ihr die einzelnen Landwirthe und die Landwirthschaftskammern der anderen Provinzen machen; fie sind Meldungen über thatsählihe Dinge, und .es wird

auch nach diesen Notierungen gehandelt. Die Börsennotierungen haben

sich oft nicht als zuverlässig für den Effektivhandel erwiesen. Bet den jeßigen Preisen, die Herr Gothein hohe nennt, is ein rentabler

Roggenbau noch lange nicht möglich. Herr Gothein hat

wohl nur die hobestellten Felder vor der Ecnte an- gesehen - und weiß nit, doß die Ernte zumeist leeres Stroh er- geben hat. Auch die Behauptung des Abg. Gothein, daß eine Lohn- erhöhung nicht eingetreten ift, ist thatsählih unrihtig. Die Interessen des Le Gta und des Kleinbesißes sind durchaus identish; nicht nur der Großgrundbesiß bat Interesse an hoken Getreidepreisen, tas ist {on fo oft nahgewiesen, daß ih es niht zu wiederholen brauche.

Sind wir nicht berechtigt gewesen, eine sharfe Opposition zu machen und Rufe des Unwillens auszustoßen, wenn Herr Gothein uns vor-

wirft, daß wir auf eine Vertheuerung der Lebensmittel hinwirken ?

Dagegen muß ich entschieden protestieren. Jch hoffe, daß wir nah den Wahlen ebenso zahlrei erscheinen werden wie jeßt.

Abg. Szmula (Zentr.): Wie foll fo der Landwirth selbst helfen, wenn alle ihm versprochenen Mittel niht ausgeführt werden, wenn der Arbeitermangel nicht beseitigt wird, wenn die Transitlager nicht aufgehoben werden? Vom Auslande brauchen wir kein Zuchtvieh einzuführen, wir haben mit inländischem Vieh gute Erfolge erzielt. Die Branntweinkontingentierung hat [ih als erfolgreih erwiesen und au erfreuliher Weise den Konsum vermindert. Daß Güter von zwei Kilometern Ausdehnung au bewirthschaftet werden können, darüber ist kein Zweifel, in Schlesien haben wir genug solher Güter. Auch die Behauptung des Abg. Gothein ift falsch, daß die lebte Ernte eine gute gewesen ist. Die Landräthe weisen die fremden Arbeitèr aus nichtigen Gründen aus, weil sie sich lästig gemacht hätten. Wenn das nit anders wird, so werden die Landräthe die Todtengräber der preußischen Landwirthschaft sein. Bei der Ernte entfazhen große Verluste, weil sie infolge des Arbeitermangels nicht rechtzeitig eingefahren- werden kann. Man sagt, den Arbeitern müsse das Leben auf dem Lande angenehmer gemaht werden. Was haben sie denn in der Stadt für Annehmlichkeiten ? Etwa, daß sie in un- gesunden Wohnungen vier Treppen hoh auf dunklen Höfen wohnen müssen ? Der kleinen Leute hat fi solche Unlust an der Landwirth- schaft bemächtigt, daß sie lieber gar nihts mehr säen möchten. Seit- dem wir die Lehrergehälter erhöht haben, haben die Bauerntöchter nur noch das Ideal, Lehrerfrauen zu werden.

Abg. Sieg (nl.): Auch ih habe bei den Ausführungen des- Abg. Gothein gelaht, er hat nur ganz abgestandene Dinge vorgebracht. Die Aufhebung des Getreideterminhandels is eine der besten Thaten der leßten Zeit, sie hat gerade bei der leßten Ernte unserer Landwirth- schaft ungezählte Millionen in den Schoß geworfen. So lange die wilde Spekulation in Berlin war, wurden ungeheure Bestände an Ge- treide auf die Inlandêlager gebracht, welche die Preise drückten. Durch die Aufhebung des Terminhandels leerten si allmählich die Lager, [os unfer inländishes Getreide zur Verwendung kommen konnte.Wenn dieLand- wirthschaft damit zufrieden ift, was geht Sie (links) denn die Sache weiter an? Oder es kommt Jhnen nur auf die Agitation an. Das Branntweinsteuergeseß hat sih bewäbrt, sonst wären doch nickht fo viele neue landwirthschaftlihe Brennereien entstanden. ada Gothein hat Unrecht, wenn er sagt, daß die Bauern nicht intelligent genug seien. Der Osten ist der Träger der Kultur See Herr Gothein sollte einmal in meinen Kulmer Kreis kommen, er würde dort tie Intelligenz sehen und erfahren, wieviel da gelernt wird. Auf das Zuckersteuergeseß wollen wir nicht verzichten, so lange nicht das Ausland die Prämien beseitigt. Herr Gothein nennt uns, wie Herr Bebel, Lebensmittelvertheurer. Wo sind denn diese? Die Lebensmittel sind billiger geworden, der Zucker ist von 62 auf 32 4 zurückgegangen, am Rindvieh haben jeßt die Händler große Verluste erlitten, weil wir mit dem Import aus dem Auztlande überschwemmt werden. Nur das Schwein is theuer. Jch bitte den Minister, durch Vermehrung von Eisenbahnen die Landwirthaft zu fördern. Ich hoffe, daß uns au die Großindustrie im Westen unter- stüßen wird in der Förderung der Landwirthschaft.

Abg. Gamp (fr. kons.): Wir haben die Schärfe des Tons nicht in die Debatte gebraht; Herr Ehlers kann seine Ermahnungen an seine Freunde richten. Wenn Herr Rickert im Reichstage von Arroganz spricht, fo ist das nit der richtige Ton. Herr Rikert is für Maß- regeln gegen die Viehfeuchen, will aber keinen Bruch der Handels- verträge. Das genügt uns niht. Sind Sie für den Ausschluß des verseuhten Viehes aus dem Auslande? Im Verein „Nordost“ gehen die E um diese Dinge herum und täuschen die Bauern. err Rickert wirft dem Bund der Landwirthe Agitation vor. Die Agitation des Vereins „Nordost“ ift die größte, die es geben kann. Er beschwert sich über die Ungleih- heiten der Schullasten, der Wegebaulasten, der Armenlasten. Dazu brau@te der Verein niht gegründet zu werden. Auf alle diese Mängel der Gesehgebung haben wir längst aufmerksam gemaht. Die Lasten der Alters- und Invaliditätsversicherung sind für die Landwirthschaft sehr drüdckend, in dieser Beziehung sind die Großindustriellen bevorzugt. Daß ih die Erklärung des Reichékanzlers über den Nußen hoher Getreidepreise bedauere, kann mir niemand übelnehmen ; ih kann seine Ansicht nicht für zutreffend halten. Der russische Handelsvertrag mag eine politishe Nothwendigkeit gewesen sein, aber man hätte sih nicht Luc an österreihishen Vertrag in diese Nothwendigkeit bringen assen sollen.

_ Abg. Hirt (kons.): Als Vorstandsmitglied der s{hlesischen Land- wirthshaftskammer protestiere ih gegen die Ausführungen des Abg. Gothein. Mit der Eingabe gegen die Oeffnung der holländischen Grenze hat Æ den Standpunkt eingenommen, den fie immer ver- treten hat. Ste weiß, daß die Rinderviehzuht nicht aufreht erhalten werden kann, wenn fie niht gegen die Seuhenverschleppung geschüht wird. Braucht die heimische Viehzucht diesen Schuß, so mus er idr sofort zu theil werden. Wir müssen unsere Forderungen stellen, wenn aus der Oeffnung der holländishen Grenze eine chwere Gefahr für unsere heimishe Viehzuchßt erwächst. Die E, die den Abg. Gothein so erregt haben, hatten nur den Zweck, dem Minister darzuthun, daß die Oeffnung der holländishen Grenze nur im Interesse Einzelner liege. Die Gesammtheit will, daß die Grenze geschlossen bleibe. Sh kann in dieser Forderung nichts Unbilliges sehen. Herr Gothein hat das Vorgehen der Landwirthschaftskammer als E tisch bezeichnet : Alles was über das Ziel hinausscießt, hat #ich als unlauterer Wettbewerb herausgestellt das muß ih entschieden zurückweisen. Die {le sche Landwirthschaftskammer is bestrebt, die Interessen der ganzen Pro- vinz zu vertreten, auch wenn es gilt, die Interessen anderer ländlicher Kreise zu fördern. Die Kammer ist nicht eggoistisch, sondern erfüllt ihre übernommenen Pflichten, und das wird immer thr Bestreben ein, ob es Herrn Gothein gefällt oder nit.

_ Abg. Humann (Zentr.) widerspriht gleihfalls einigen Aus- hene des A Gothein. us

g. Vopel (fr. konf.): Jh kann folgende Erklärung abgeben : „Die freikonservative Partei begrüßt mit Sénncibuana die E rung

ai) EICE tit mAIeA t a E i E E

S ris F fn D Pit S V: S I E E MOE f ch4 D

T E T

P E