unbedingt gerehtfertigt sei, Jch machte darauf aufmerksam, daß allein in diesem Jahre in neun Monaten eine Steigerung der Ein- nahmen gegen das vorige Jahr um 17 Millionen einige Hundert- tausend Mark stattgefunden hätte; das ergiebt, für das Jahr berechnet, eine Gesammtisteigerung von 89/0. Wenn die Verwaltung in Ueber- einstimmung mit dem Reichs-Schayamt hier nur etwas über 5 °/o der Mehreinnahmen eingestellt hat, fo glaube i, daß das nicht eine überschwänglihe Schäßung der zukünftigen Einnahmen bedeutet, daß das vielmehr den thatsählihen Verhältnissen entsprehen wird. |
Was nun die verschiedenen, von dem Herrn Vorredner an mich gestellten Fragen anlangt, so dürfte ja eigentlih von ihm beabsichtigt sein, daß ih hier plöglih mit einer großen Rede vor Sie hintrete, um all die einzelnen Fragen bis ins Detail zu erörtern.
Mas in erster Linie die Frage anlangt, betreffend die Reform von Gebühren bei den Portis, so wissen die Herren, daß eine solche Vorlage bereits dem Bundesrath zugegangen ift. Jch habe hier aus- drücklich zu erklären, daß die Ueberschrift der Vorlage, die seitens des Herrn Vorredners bemängelt wurde, in Erwägung, daß es sih um die Abänderung der verschiedenen Gesetze: des Postgeseßes, des Post- taxgeseßes und der einzelnen Novellen handelt, so gestaltet werden mußte. — Sie enthält, wie ich anführen darf, die Frage der Erhöhung des Gewichts, die Frage, wie weit man in den Städten resp. den an- grenzenden Ortschaften auf eine Ermäßigung des Portos herabgehen kann, resp. die Ermäßigung für Berlin.
F& möchte hierbei speziell anführen, um von den Herren nicht mißverstanden zu werden resp. einer Deutung zu unterliegen, die beute wieder in den Ausführungen des Herrn Abg. Müller (Sagan) vorkam, als wenn ich in der Budgetkommission eine bindende Erklärung darüber abgegeben hätte, niht durch Tarifermäßigungen etwa die Privatbeförderungsanstalten zu \chädigen: zu einer folher Erklärung war ich weder berechtigt nah irgend einer Richtung hin, noch hätte ich sie sonst abgeben können; denn die Tarifermäßigungen hängen, soweit es sich um Abänderung geseßz- li festgelegter Tarife handelt, von den verbündeten Regierungen und vom Reichstage ab. JŸ habe persönlih nur gesagt, ich würde es für wünschenswerther erahten, auf dem Wege des Gesetzes die Ver- bältnisse klar zu stellen, als auf dem Wege des Tarifkrieges. Wenn nach dem pflihtmäßigen Ermessen der Behörde im allgemeinen Interesse eine Herabseßung des Portos für wünschenswerth erachtet wird, dann kann man doch unmögli den Privatbeförderungsanstalten ein Reit vindizieren , zu sagen : das s{hädigt unsere Interessen. Also das möchte ih nah dieser Richtung hin klar stellen.
Wenn der Herr Abg. Müller weiter gesagt hat, ih hätte versucht, ein Parallelogramm der Kräfte konstrutiert und aus ihm abgeleitet, was ih thun resp. vorshlagen wollte, so, glaube i, irrt er sih nach dieser Nichtung hin. Es ist für mich an jedem Punkte die Pflicht, zu er- wägen: gelten die Maßregeln der Allgemeinheit, dann habe ih sie auszu- führen ; gelten fie nur besonderen Interessen und einzelnen Kreisen, so muß ih fie ¡urückweisen. Also ih habe nit ein Abwägen zwischen den ver- schiedenen Jnterefsen, sondern ein Abwägen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Sonderinteressen, und treten etwa Sonder- interessen hervor, so heißt es immer: Leistung gegen Leistung! Wenn in einer Stadt von kaufmännischen Kreisen von mir verlangt wird, daß ich mehr Boten für eine spät ankommende Post einstellen soll, und dies kommt lediglih einem speziellen Kreis von Kaufleuten zu gute, fo kann ich nur antworten: ih bin berett, bezahlt aber die Boten. Jch glaube, das entspricht auch den allgemeinen Verhältnissen.
Also, meine Herren, ih habe niht etwa zwischen den verschiedenen Intereffen abgewogen, fondern ih habe mich nur bemüht, dur die Konferenzen, die im Monat Oktober stattgefunden haben, aus den Kreisen der Vertreter von Handel, Jndusirie und Landwirthschaft zu bôren, welche Klagen im allgemeinen in diesen Kreisen vorhanden, und welche Bedürfnisse heute herangetreten seien. Es liegt mir auch fern, etwa mit der Keule der Geseßgeburg, wie der Herr Vorredner sagt, heute die Privat-Postanftalten todtschlagen zu wollen; es liegt Tediglich in meiner Absicht, das zu klärcn, was in allen großen Ländern Europas sowohl als auch außerhalb Europas, z. B. in Nord- Amerika, Rechtens ift, daß der geschlossene Brief als ein Beförderungs- objekt für die Post der Allgemeinheit, d. h. für die Post des Landes, angesehen wird. Das zu klären, wird ja naher die Aufgabe des Gesepes sein, welches hoffentliß noch in dieser Session Ihnen vor- gelegt wird, und ih habe immer noch zu sagen: Seien Sie überzeugt, meine Herren — vom Monat August an haben wir ununter- brochen über diese Sache verhandelt —, es sind immerhin eine ganze Menge von Momenten maßgebend, die es niht ermöglichen, ein Geseß, das man für wichtig hält, vorzulegen; sondern im Deutschen Reich ist cine Reihe von Faktoren zu hören, ehe eine solche Vorlage beim Bundesrath eingetracht werden kann, und ehe sie dem Reid;stage zugeht. Es liegt also niht eine Vershleppung vor; sondern Sie dürfen Sich überzeugt halten, wir haben unausgescßt an dieser Sache gearbeitet, und ih hoffe, daß sie in diesem Jahre zur Verabschiedung kommen wird.
Heute, meine Herren, auf die einzelnen Verhältnisse der Privat- posten einzugehen, halte ih nit für angebraht, um fo weniger, da wir hoffentlich in wenigen Wochen — vielleiht in 14 Tagen — {on hier in der Lage find, eingehend über das Geseh zu verhandeln. Ich glaube ‘also, ich würde die Diskussion sehr ins Weite spinnen, wenn ih auf die einzelnen dort gestellten Fragen eingehen wollte, Ich möchte aber nur das Eine anführen, meine Herren : der Herr Abg. Müller (Sagan) war fo freundlih, den Privatposten einen guten Stammbuchvers zu \{reiben. Er sagt: sie haben nur im
- Interesse der Gesammtheit gearbeitet. Nein, meine Herren, es war private Erwerbsthätigkeit, (Sehr rihtig! rechts und in der Mitte.)
Was nun die Anfrage über die Drucksachen anlangt, so kann ih nur versichern, neue Bestimmungen sind nicht ergangen. * Naturgemäß Haben wir bei der heutigen Steigerung des Verkehrs die Pflicht, daß wir bei den zur Abfertigung kommenden Sendungen in erster Linie die
“ Briefe nehmen. Sie sind an sich \{chon kenntlich dur ihr Aeußeres. Können wir bei der Absendung niht alle Sachen mitnehmen, fo bleiben natürli nit die Briefe, sondern die Drucksachen zurück. Ich spree hier nicht von Zeitungen, die kommen in ganz anderer Weise zur Expedition. Aber weiter, meine Herren! Der Herr Abg. Müller meinte, wir könnten doch unmögli den Drucksachen ansehen, welche von | ihnen s{neller befördert werden müssen. Jh kann darauf ant- worten: die Erfahrung lehrt, daß wir gewisse Untersheidungszeichen
. besißen, und zwar an der Art ihrer Auflieferung. Meine Herren, was in großen Körben, in großen Massen aufgeliefert wird, das sind
im allgemeinen Sendungen, von denen wir anzunehmen berechtigt sind, daß sie besondere Eile niht beanspruhen. Die Möglichkeit besteht, daß wir diese Massen in demselben Moment nicht zu bewäl- tigen vermögen. Ih bemerke abèr ausdrüdlih, zur Zeit sind keine Aenderungen der Vorschriften vorgenommen; ob es in der Folge gesehen wird, heute Ihnen zu erklären, bin ih. wirkli noch niht in der-Lage. Jch weiß sehr wohl, es klingt hinten der Saß nah: dann befördert die anderen Sachen billiger. Ja, meine Herren, wo sollen wir hinkommen, wenn wir nicht, entsprehend der Leistung der Post, trie Gegenleistung verlangen? Jch komme nachher darauf, was der Herr Abg. Müller gesagt hat: bei den Zeitungen bestehe kein rih- tiges Verbältniß zwischen den Leistungen der Pest und den Gegen- [eistungen, was ja auch von allen Parteien bestätigt wird. (Sehr ritig!)) Ich bin damit einverstanden: es muß das rihtige Verhältn:ß zwischen Leistung und Gegenleistung überall erhalten werden.
Ih kann im übrigen nur hervorheben : in neuerer Zeit, wenigstens im leßten Halktjahr, sind mir, soweit mix bewußt ift, keine Be- \chwerden zugegangen, daß die Drucksachen .nicht prompt befördert werden. Jch weiß wohl, daß es ein Moment der Reibung gegeben hat, aber dieses Reibungsmoment ift verschwunden, und ih kann nur konstatieren, daß neuerdings, meines Wissens, folche Beschwerden nicht eingegangen find.
Was nun die Frage wegen einer Aenderung in den Bestellgängen angeht, fo habe ich in der Budgetkommission erklärt, daß generell eine Beschränkung der Bestellgänge in Berlin zur Zeit nit verfügt worden ist, und das kann ih auch heute noch aufrecht erhalten. Auf der anderen Seite kommt es auf dem Lande und in den kleinen Städten oft genug vor, daß wir beobachten, wie ein Briefträger mit fehr wenig Briefen seinen Gang mat. Stellt die Ober-Postdirektion fest, daß sich dieser Gang nit mehr lohnt, so wird sie ihn ein- zichen. Meine Herren, das ist eine Sache, die einfa ges{chäftlich er- ledigt wird und von dem Bedürfniß abhängt. Sie werden uns zugeben, daß, wenn ein Briefträger mit 2, 3 Briefen herumgehen soll, man da ein Bedürfniß niht mehr anerkennen kann und infolge dessen die Einziehung eines Bestellganges stattfinden muß. Solche Vorgaänge erwecken in dem Moment, wo wir heute vor weitgreifenden Post- reformen stehen, erhöhte{Aufmerksamkeit, sie fizd aber immer {on vor- genommen ; sie werden nur heute um so mehr wahrgenommen, weil die allgemeine Aufmerksamkeit mehr darauf gerichtet ist und wir Aende- rungen -beabsihtigen.
Was nun die Frage des Telephons anlangt, so möchte ih immer wieder hervorheben — das habe ich auch in der Budgetkommission ausgesprohen —, es ift sehr s{chwer, eine genaue Rehnung, wenn ih so sagen soll, eine buchmäßige Nehuung aufzumachen zwischen den einzelnen Vérwaltungen. Ich habe bereits bei diesem Artikel in der Budgetkommission Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß wir garniht in der Lage sind, erstens die Telegvaphengebühren zu trennen von den Portogebühren, weil eben eine Menge Telegramme mit Postfreimarken versehen und leßtere bei den Posteinnahmen ver- rechnet werden. So erscheinen sie in einem anderen Konto ; während fie in das Konto der Telegraphengebühr ge- hören. Wir haben wversuht, eine möglihs| unparteiiscke Rechnung über Einnahmen, Ausgaben und Finanzergebniß des Telegraphengeseßes aufzustellen, deren Richtigkeit aber ers geprüft werden kann, wenn wir die Gegenrechnung der Post dagegengestellt haben. Dies i} niht in einem Viertel- oder halben Jahre zu machen; bedenken Sie, daß wir j-des einzelne Gebäude in Bezug auf seinen Grwerbepreis oder“ Nußungswerth einstellen müssen, um eine genaue Nechaung zu bekommen. Meine Herren, ih sagte schon: das sich ergebende Facit ift, daß wir that- fählich bei den Telegraphengebühren einen erheblißhen Zuschuß aus Reichsmitteln leisten müssen. Ich habe auh darauf hin- gewiesen, daß felbst England, wo gegenüber unseren 38 Millionen Telegrammen in einem Jahre 81 Millionen befördert werden und welches gegenüber unseren 516 (C09 km an Leitungen nur unge- fähr 340 000 km, also eiwas mehr als die Hälfte besißt, daß selbst England im Vorjahre einen Zuschuß von 142 000 Pfund, also rund 3 Millionen Mak geleistet hat. Also, wenn das dort {on statt- findet, so ift es. ganz naturgemäß, daß bei uns der Rehnungsabshluß für unseren Telegraphenverkehr noÞ ungünstiger stehen muß. Dem gegenüber habe ih hervorgehoben, daß bei den Telephonen die Rech- uung günstiger steht. Jh möchte auf die Frage des Herrn Abg. Müller, daß früher gesagt wurde, der Ueterschuß aus dem Fern- \prehwesen betrage 14%, roch erklären, daß ih mich vielleicht in der Budgetkommission nicht so deutli ausgedrückt habe. Ich habe mich verpflihtet gefühlt, das gesammte Kapital für Gebäude, die Anlagen urd Apparate nach deren Werth einzustellen, bann die Amortisationfquoten, die bei den verschiedenen Posten ver- \{windend sind, anzuseßzen und außerdem noch eine 30% Ver- zinsung des verwendeten Kapitals in Nechnung zu stellen. Danach hat fh ergeben, daß ein Uebershuß von 49/6 übrig blieb. Läßt man Amortisation und Verzinsung außer Betracht, so mag cin Uebers{huß von ca. 149%/0, wie in früheren Jahren angegeben wurde, heraus- kommen. — Die Verwaltung is von dem Bestreben geleitet, mögli} allen Theilen der Bevölkerung den Nutzen des Fernsprehers zu ershließen und ist von neuem der Frage näher getreten- wie durch eine den Verhältnissen mehr sich anpassende Gestaltung des Betriebes, sowie durch Ermäßigung der Fernsprechgebühren der Fernspreher weiteren Kreisen als bisher zugänglich gemacht werden kann. Die Ermitte- lungen erstreken sich namentlich auf die Möglichkeit einer Vereinfahung der Bau- und Betriebsweise, ferner darauf, ob es rathsam ist, unter Einführung automa- tisher Gesvrähszähler dem Tarifsystem eine andere Grundlage zu geben. Ich glaube, aus diesen Erklärungen werden Sie entnehmen, daß die Reichs-Postverwaltung die Verpflichtung fühlt, auf diesem Gebiet vorzugehen und den Klagen, wie sie aus vielen Theilen des Landes an uns herangetreten {find, Abhilfe zu hafen. Ih kann hier heute nur einen Fall anführen: wir haben Er- hebungen im Lande stattfinden lassen wegen der Ausdeßnung des Fernsprehwesens auf dem platten Lande. Die Berichte sind ein- gegangen, sie sind noch nicht speziell kalkuliert und durhgesehen, ih kann aber heute hon sagen: wenn wir dem Bedürfniß des platten Landes zur Zeit entsprechen wollen, so würde ih allein annähernd 8 Millionen Mark verlangen müssen, um die Sache zur Durhführung zu bringen. (Zuruf.) Man ruft mir zu: „Man los!“ Ja, meine
Der Herr Abg. Müller (Sagan) wies mich darauf hin, daß in England bessere Telegraphenapparate zur Verwendung kämen als wie in Deutschland. ‘Es ift ja wohl nit zu bestreiten, daß wir zu Zeiten eine Menge von Schwierigkeiten uns entgegentreten sahen bei der Ein- führung neuer Apparate. Das lag nicht allein an dem Apparat selber sondern auch an der Schwierigkeit, das Personal für einen solhen meist komplizierten Apparat auszubilden ; denn feinere Apparate ver- [langen ein viel besser au8gebildetes Personal. Ein Mann, der einen ein- fahen Morse-Apparat bedienen kann, kann noch lange niht den Hughes- Apparat bedienen, und wiederum, meine Herren, auch einen Hughes- Apparat zu bedienen, ist noch zweierlei: es giebt Beamte, die unendlich viel auf diesem Apparat leisten; es giebt Leute, die mit diesem Apparat auch nicht viel mehr leisten wie auf dem gewöhnlichen Morse. Also, der bessere Apparat verlangt also au eine ganz andere Vorbereitung des Beamtenpersonals. Jn der Reichs-Postverwaltung befinden ch, niht etwa seit meinem Eintritt in meine Stellung, sondern von früherer Zeit, Hughes-Apparate wie Klopf-Apparate, also gerade die- jenigen Systeme, die wesentlih dazu beitragen, den Telegrapbenverkehr zu beschleunigen und zu erleihtern; in neuerer Zeit sind wir im Etn- vernehmen mit England auch {hon dazu übergegangen, eine Linie, Berlin - London, im Gegensprechsystem, mit Hughes-Apparaten zu betreiben, und wenn auch hin und wieder noch Störungen vorkommen, so dürfen wir doh erwarten, daß diese neue Betriebsweise wesentlich zur Beschleunigung beitragen und in der Zukunft auf keine Schwierig- keiten stoßen wird.
Bezüglich der Frage der Packetbeförderung habe ih bereits in der Budgetkommission erklärt, daß eine Erhöhung der Gebühren für die Paletbeförderung, wie ih glaube, bei keiner Partei des Hauses au nur den geringsten Beifall finden würde. Meine Herren, es ist heute nicht bloß die Industrie, es is au die Landwirthschaft, die an der Ausgestaltung des Tarifs den lebendigsten Antheil nimmt. Denken Sie si, meine Herren, .wo sollte die Landwirthschaft heute hin mit ihrer Beförderung der Butter, der Eier, des Käses u. #. w., die heute vielfa ledigli auf diesen {nellen postalishen Verkehr an- gewiesen sind! Jh möchte auch nicht eingehen auf die etwaigen Kontroversen zwischen Post und Eisenbahn. Die Post bat der Eisen- bahn gegenüber immer den großen Vortheil, daß sie schnell zu be- fördern vermag, und daß die Leute infolge defsen ihre einzelnen Sen- dungen lieber in kleine Theile zerlegen und uns zur Postbeförderung übergeben. Jch gebe ja zu, es kommen noch andere Momente mit hinzu. Das Wesentliche für uns ist immer, daß wir bestrebt sind, die Verkehrsbeziehungen zu erleihtern, denn damit erhöhen wir nit allein die Einnahmen, wir nützen meiner Anfiht nach allen Kreisen der Bevölkerung Deutschlands.
Der Herr Abg. Müller fagte Eingangs: Ja, was denkt \sich nur der neue Staatssekretär, wie will er vorgehen? Nun, meine Herren, die erste Antwort habe ich ihm ja {hon gegeben, ih habe gesagt, es ift im Bundesrath eine Geseßesvorlage auf dem Gebiet des Post- wesens eingebracht worden ; sie enthält tarifarisWe Bestimmungen, fie enthält auh die Stefklling zu den Privat-Beförderungsanstalten.
Meine Herren, auf der anderen Seite habe ih in der Budget- kommission darauf hingewiesen, daß ih als die zweite in Angriff zu nehmende Reform die Frage des Zeitungstarifs ansehe. Ich habe nur gebeten, mir für diese Session noch Aufshub zu gewähren, weil ih fehr mit der Arbeit überlastet bin. Jch habe dabei hervorgehoben, was ja auch seitens des Herrn Abg. Müller betont ist, daß die jeßige Tarifgestaltung unhaltbar ift, weil sie ungereWte Verhältnisse ge- schaffen hat, daß es in der Absicht liegt, sowohl das häufigere Er- scheinen der betreffenden Zeitung, wie das Gewicht, welches wir zu befördern haben, zu berüdcksihtigen. Dabei wird — einer Anregung der Budgetkommission folgend — erwogen werden, inwieweit, da wir in Deutschland keine Insertionssteuer besißen, die Jnserate in Betracht zu ziehen sind.
Also, meine Herren, ih hoffe, Ihnen im Anschluß an diese Novelle über die Zeitungstarife in der nächsten Session auf Grund meiner Erklärungen über die Ausgeftaltung des Telegraph- und Telephonwesens die betreffende Novelle vorlegen zu können. Als S(luß dieses meines Vorgehens erachte ih die Reform des Personals. Dies ift eine der wihtigften Fragen; sie ift aber nicht eher zu lösen, bis wir nicht Klarheit über die Ausgestaltung des gesammten Verkehrs haben; ih rechne und hoffe auf Ihre Unterstützung. (Bravo! rets.)
Abg. Dr. Graf zu Stolberg-Wernigerode (d, konf.): Jh will den Staatssekretär nit drängen zur Beantwortung von Fragen, die ev nicht beantworten kann. it der Anwendung des Grundsatzes von Leistungen und Gegenleiftungen in dem Zeitungstarif sind wir durch- aus einverstanden. Denn heute find die Briefe viel theurer als die
eitungen. Wir werden abwarten, was die Regierung vorshlagen wird.
8 ist zu bedauern, daß man 1871 bei der Regelung des ae die Lide des Stadtverkehrs offen gelassen hat. Man hätte bei dem Austauchen der Privat-Postanlten die Lücke noch {ließen können; jeßt find große Kapitalien in folhen Unternehmungen angelegt worden. Der gegen- wärtige Zustand ist unhaltbar. Jeßt müssen die kleinen Städte und das platte Land ein höheres Briefporto zahlen, weil die Privatanstalten in den großen Städten die Sahne abs{chöpfen. Die Privatposten werden auf gefeßgeberishem Wege beseitigt werden müssen. Eine Entschädigung kann nicht ftattfinden. Als die Landwirthe dur die Entstehung der Markthallen von den Märkten ausgeschlossen wurden, hat man ihnen auch keine Entschädi ung gegeben.
Abg. Gamp (Rp.): Da eine Vorlage in Aussicht gestellt ist, so ¡weckmäßiger, die Debatte heute zu unterlassen. Ich bin dem Staatsfekretär dankbar dafür, daß er bezüglich dieser Frage auch Sachverständige aus dem Kreise der Landwirthschast befragt hat.
rüber wurde immer nur Handel und Industrie gehört. Bereits 1885 Pre ih die Nothwendigkeit einer Aenderung des Zeitungstarifs dem Die Lofalprefse
wäre es eigentli
Staatssekretär von Stephan gegenüber vertreten. Fönnte in der Weise unterstüßt werden, daß die Beförderungssäße
für weitere Entfernungen ‘erhöht werden. Wer eine Drucksache {nell befördert haben will, kann fie ja als Brief aufgeben. Wenn man von dem Grundsaße der Leistung und Gegenleistung ausgehen wollte, würden die ärmeren Landestheile überhaupt keinen Anspruch auf die Postanstalten haben. Wenn die Privat-Postanstalten auf- gehoben werden, sollte man ihr angestelltes Beamtenpersonal be- rüdcksihtigen und ihnen Anstellungsfähigkeit im Reichspostdienst be- willigen. Die Postverwaltung hat die Priyatanstalten Degonsigt, indem fie ihnen den More statt des Weichbildes freigegeben hat. Die Postverwaltung hätte früher einschreiten sollen; aber sie wollte es nicht mit der öffentlihen Metnung verderben, Dea des Baues der Telegraphenlinien ift die Ber ns über das as des Be- dürfnisses hinausgegangen. Die Bedürfnisse der Landwirth|chaft wer- den besser durch das Telephon erfüllt. Wenn die Ausbildung des Telephonnetzes nur 8 Millionen Mark kostet, so wird die Regierung keinen Widerstand finden, wenn fie die Bauten einshränkt und das Geld für diesen Zweck verwendet. Ih möchte, wie im vorigen Jahre, die Befreiung der außerhalb der Schalterstunden zur Beförderung
Herren, ich-muß natürli erst die Mittel bewilligt erhalten, ehe ih
auf diesem Wege vorzugehen vermag.
aufgegebenen Medizinsendungen von dem Zuschlagsporto empfehlen. Mes die Reichspost diese Aufgabe nit lêfen kann, dann steht sie
nicht auf der Höhe der Zeit. Redner wendet sich zum Schluß gege o D EO e die Postverwaltung n llen Al ß gegen
Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:
Ih möchte zunächst eine Klarstellung dem Herrn Vorredner gegenüber vornehmen. Der Herr Vorredner führte aus, die Reichs- Postverwaltung hätte in Berlin der Privat-Postbeföcderungsanstalt gestattet, daß sie ihren Verkehr auf Charlottenburg — ich glaube, er nannte noch einige andere Orte — ausdehne. Meine Herren, dazu waren wir nit berechtigt, das haben wir auch nit gethan. Die Berechtigung der Post ergiebt si einfach aus dem Gese über das Postwesen des Deutschen Reichs. Da heißt es, daß die Beförderung aller versiegelten, zugenähten oder fonft vers{lossenen Briefe und aller Zeitungen politischen Inhalts, welche öfter als einmal wöchentlich er- feinen u. st. w. — sowie die weiteren Bestimmungen, deren Verlesung Sie mir erlassen werden —, dem Postregal unterliegt. Diesem Poste geseß sind Drucksahen und offene Briefe weiter nicht unterworfen. Infolge defsen befördern die Privatbeförderungtanstalten diese Sachen, wie sie sie auch nah anderen Gegenden befördern können. (Zuruf.) Gewiß, — ih komme darauf. Wenn si ges{chlossene Briefe in Briefkasten der Außenorte finden, dann wird \tets dem Einsender mitgetheilt: Wollen Sie, daß der Brief aufgemaht wird? Vershlossene Briefe befördein fie nit. Es ist in der leßten Zeit nihts Entgegen- stehendes zur Kenntniß der Postverwaltung gekommen. Ich kann nicht fortwährend revidieren oder revidieren laffen. Jeder Bewohner des Landes beobachtet und befolgt die Geseße, und ich nehme an, baß auch die Privatbesöcderungsanftalten das thun. Aber ih kann nur sagen, fie dürfen verschlossene Briefe niht befördern.
Was nun die beiden anderen Fragen anlangt, so kann ich dem Herrn Vorredner nur versihern, ih werde wohlwollend die Befördes rung der Arzneien noch einmal prüfen lassen; vielleiht findet fi ein Ausweg, obwohl ich immer wieder hervorheben möchte: die Post- verwaltung kümmert sih nicht um den Inhalt der Sendungen. Von diesem Grundprinzip abzugehen, birgt eine große Gefahr in sich. Im Moment erscheint es annehmbar, ih gebe zu: vom menslickden Herzen geleitet, würde ih sofort zustimmen, aber auf der anteren Seite be- denken Sie das erschwerende Moment, wenn wir anfangen, uns um den Inhalt der einzelnen Briefe oder Padkete zu kümmern. Das ist ein Grundsaß, von dem möchte ih prinzipiell niht gerne abweichen.
Posthäuser in kleinen Städten auf Reichskosten zu erbauen, befürhte ih, wird auf erheblihen Widerstand stoßen; in der Budgetkommission wenigstens is es mir oft so vorgekommen daß schon jeßt bei meinen Bauten der Blauftift waltet, und wenn ich auch in diefem Jahre anzuerkennen habe, daß ih ohne Abstrih in der Budgetkommission durhgekommen bin, so muß ich doch sagen, erscheint es mir bedenklich, mit großen Mehrforderungen auf diesem Gebiet zu erscheinen, und es is auch von mir gelegentlich der Erbauung kleinerer Wohnhäuser für Unter- beamte erklärt worden, diese Unterbeamtenhäuser würden unendlich viel mehr Geld Toften, wenn fie von der Postverwaltung erbaut würden; ich habe immer erklärt, fie müssen von den an Ort und Stelle wohnenden Unternehmern. erbaut werden. So bin ich auh heute noch überzeugt: wollte ich in kleinen Städten selbst bauen, so würde recht theuer gebaut werden, und ich glaube, auch die Zustimmung des Hauses zu finden, - wenn ich immer noch sage: leider baut der Reichs - Postfiskus theurer wie die Privat- unternehmer, und daraus erklärt sch auch die Schlußfolgerung mit den 6% resp. 34% für die Grunderwerbung, Wir kaufen au den Grund und Boden meist theurer als der Privatmann, Wenigstens if das der Eindruck, der niht aklein in der Reihs-Post- verwaltung herrs{cht, sondern der mir auch in den Kommunen ent- gegengetreten ift; wenn beute cine Kommune ein Grundftück kaufen will, muß sie es au viel theurer bezahlen wie ein Privatmann ; ih möchte vor der Hand wenigstens nicht dazu rathen, bevor erst in den größeren Städten unsere Baupläne durhgeführt sind, plößlich heraus- zugehen in die kleineren Städte. Ih glaube, wir kommen da immer noch zu einfacheren Verhältnissen, wenn wir diese Erbauung der Privat- untèernehmung überlassen.
Abg. Singer (Soz.) tritt für Herabseßung des Stadtportos für Briefe und sür Postanweisungen sowie für Ermäßigung der Telephongebühren ein. Der Grundsaß von Leistung und Gegenleistung könne hier niht in Betraßt kommen. In Schweden, wo niedrige Gebühren erhoben würden, Pie das Telephonwesen glänzende Ein- nahmen. In der Kommission habe der Staatssekretär seine Erklärung, daß den Privat-Postanstalten dur geseßlihe Maßregeln zu Leibe gegangen werten jolle, viel s{ärfer abgeaeben als hier im Hause. Der Staats- sekretär sollte fi mit der Durhbringung feiner Vorlage beeilen. Eigentlih hätte sie beim Beginn der Session vorgelegt werden müssen. Bezügli der Personalreform folite der Staatssekretär dafür forgen, daß fie nicht in den Hintergrund ges{oben werde,
Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:
Meine Herrcn! Der Herr Vorredner hat zuleßt gewissermaßen den Appell an mi gerichtet, däß ih endlich mit Eifer an die mir gestellten Aufgaben geben follte, namentlich an die Personalreform, während er auf der anderen Seite meinen Fleiß bisher sehr ungünstig beurtheilie und meinte, es wäre gar nichts, eine Vorlage zu machen ; es müßten bereits die ganzen Vorlagen dem Hause vorgelegt werden. Nun, meine Hecren, vielleicht ist er in der Lage, in cinem zukünftigen Staat, wenn er hier fteht, s{chneller zu arbeiten, obgleich ih mich wundere, daß ein Anhänger des Achtstunden-Arbeitstages dem jeßigen Vertreter der Neichs-Postverwaltung zumuthet, mindestens dreimal aht Stunden zu arbeiten. Die Zensur war ja sehr mangelhaft; ich habe sie aber von meinem Standpunkt nicht anders erwartet.
Meine Herren, es is uun dem Herrn Abg. Singer wieder ein eigenthümlih Ding passiert, indem er Thatsachen behauptet, die von hier aus {on in ganz anderer Weise klargestelt worden sind. Ich habe ausdrüdlich — wie ih glaube, auß in meiner ersten Rede, ih habe wenigstens die Absicht gehabt, ih spreche ja aber frei — erklärt: die Gewichtsfrage ist in dem vorzulegenden Geseße mitenthalten, und muß darin enthalten sein; denn es handelt sich nicht bloß um ein Postgeseß, sondern um ein Positaxgeset.
Weiter aber die Frage der Ausdehnung des Gebiets, in dem das 5 Pfennigporto gelten foll!! Meine Herren, das aus dem Aermel zu \{chütteln, ersheint vielleihßt dem Herrn Abg. Singer, der die post- technischen Schwierigkeiten niht kennt, sehr leiht; in der That Tommen doch aber außer dem Bundesrath auch noch Staaten wie Württemberg und Bayern in Betracht, auf deren eigene Poftgestaltung ein solhes Geseg von bedeutendem Einfluß sein würde; die müssen doch auch erst gefragt werden. JIch kann versichern, daß ich seit der Zeit auh nit einen Tag das Geseß aus der Hand gelegt habe; denn außer einer ganzen Reihe von Faktoren, mit denen ein Einverständniß
erztelt werden muß, kommt doh chließlich auh der Reihs-Schaßz- sekretär in Betracht. Sie werden mir zugeben, daß ein solches Gesetz zweifellos einenEinfluß auf die Gestaltung unseres nächstjährigen Etats hat. Wenn ih au nicht hoffe, daß in Zukunft ein Ausfall eintreten wird, so wird es doch zunächst unvermeidlich sein; es muß daher überlegt sein, nah welher Richtung die Finanzlage gestattet, vorzugehen. Also plöglih aus dem Verborgenen heraus mit einem Geseß zu erscheinen, das ist unmögli; sondern es müssen erst eine Reihe berathender Faktoren gehört werden, ehe ih in der Lage bin, ein solches Gesetz dem Bundesrathe respektive den verbündeten Regierungen und später dem Reichstage vorzulegen.
Meine Herren, was dann dié Privatposten betrifft, so wird au der Herr Abg. Singer, wenn er seine Rede im Stenogramm nach- liest, finden, daß seine Rede zu dem Schluß: berehtigt: erfüllt die Reichs-Postverwaltung die Anforderungen, die wir für nöthig halten, dann müssen au die Privat-Postanstalten aufhören. Diesen Schluß hat er bloß nicht ziehen wollen, er ergiebt sih aber ganz naturgemäß als leßter Eckftein seiner Nede. (Sehr richtig! rets.)
Meine Herren, ih möchte heute niht die Privatbeförderungsfrage hier aufrollen, sie wird ja immer wieder von dieser oder jener Seite angeschnitten werden; aber eins möchte ih hervorheben gegenüber den auch vom Herrn Abg. Singer erwähnten Ausspruch, daß Tausende und Abertausende von Leuten in den Privatbeförderungsanstalten be- \häftigt sind. Meine Herren, wir haben eine Aufstellung aus den lezten Tagen machen lassen, und daraus halte ih mich für verpflichtet, Jhnen einige Zahlen vorzulesen, Wir haben 2291 im Deutschen Reich in Privatbeförderungsanstalten beschäftigte Leute, von denen auf Berlin allein 1185 kommen. Also von Zehntausenden kann gar nicht die Rede sein; Sie sehen also, daß die Sache sehr stark aufgebauscht ift.
Was nun die Uebernahme dieser Leute in den Dienst des Staates anbelangt — diese Frage ist ja seitens des Herrn Müller-Sagan in der Budgetkommission angeschnitten worden —, \o werde ih ja Gelegenheit baben, Ihnen das Detail vorzulegen. Aber was würden Sie sagen, wenn folche Jungens, wie sie in den: Briefbeför- derungsanstalten beschäftigt find, in die Reichs-Postverwaltuna über- nommen werden! — das find alles Fragen, die im einzelnen & Jen werden müssen. Zweifellos wird im gesammten Reichstag niemand etwas dagegen einwenden, daß Unterbeamte, deren Interessen geshädigt würden, sihergestellt werden. Da brauchen \ich die Herren nit als Anwälte aufzuwerfen — das sind Erwägungen, die aus dem Reichstag heraus, {hon in der Budgetkommission vom Herrn Abgeordneten Müller-Sagan angeregt worden sind.
Weiter sagt dann der Herr Abgeordnete: die Postverwaltung ist eine überaus fiskalische kleinlihe Verwaltung, es ist eine elende Plus- macherei — so war ungefähr der Ausdruck. Es is zwar nicht meine Absicht, dur besondere Einnahmen zu glänzen, aber aus dieser fiskalischen Monopolverwaltung resultiert doch immerhin eine gewisse Summe der Einnahmen, und wenn wir die verthun, so müssen die Gelder von anderer Seite, unter Umständen bei s{hwierigeren Verhältnissen, aufgebracht werden. Es geht sogar fo weit, — das klang auch aus den Worten des Herrn Abg. Singer beinahe heraus-—. daß die Reichs- Postverwaltung nächstens gezwungen werden soll, auch die Briefe für alle Leute selber zu \s{hreiben. (Heiterkeit.) Das ift das leßte; Sie wollen ja chließlich, daß wir alles übernehmen, und ih wiederhole den Grundsaß, den ih in früherer Zeit shon den Herren vorgehalten habe: wir Iönnen nah vielen Nichtungen hin uns wesentli erleich- tern, wenn das Publikum eine Summe .von Handleistuñgen selber übernimmt, so wie ih sie immer wieder den Herren vorgeführt- habe.
Ich kann auch nur den Herrn Abgeordneten darauf hinweisen, daß betreffend das Telephonwesen wir niht etwa nur an die wohl- habenden Leute denken und es dementsprehend ausgestalten, sondern, wie ich vorher s{chon erwähnte, geht unser Bestreben dahin, das Telephon möglihst weiten Kreisen der Bevölkerung zugängliÞh zu machen. Mir i|ff vollkommen klar, daß ein kleiner Handwerker, wenn er die Möglichkeit hat, das Telephon zu benugen, konkurrenzfähiger ist, und daß er heute {wer seufzt, wenn er das Ding nicht hat; darüber if kein Zweifel. Aber wenn Sie mih auf Schweden hinweisen, so erwidere ichß — ich habe es in der Kommiffion bereits ausgeführt —: die Herren mögen do bedenken, daß in Schweden eine ganz andere Entlohnung der unteren Beamten stattfindet, als bei uns. JIch habe bereits gesagt, daß dort Telephoniftinnen mit einem Gehalt von 30 Kronen, also 36 F, angestellt sind, und ich möchte wohl wissen, welhen Angriffen ih ausgeseßt wäre, wenn ih etwa wagen follte, für solhes Geld hier untere Beamte einzustellen. Also, meine Herren, das hängt evident mit einander zusammen: ist der Arbeitslohn im Lande ein theurer, jo kann ich nicht billiger arbeiten; die Verhältnisse des Landes kommen eben dabei mit in Betracht, ganz abgesehen davon, daß die Ent- widelung des Telephonwesens in Schweden auf einem wver- hältnißmäßig kleineren Raum s\tatifindet als bei uns. Wenn Sie die Entwickelung des Telephonwesens in Berlin und des dortigen mit einander vergleihen, so werden Sie sehen, zu welchen günstigeren Resultaten wir gekommen sind, wenn ih auch nit verkenne, daß es zur Zeit für weite Kreise noch zu theuer ist.
Zum S@hlusse muß ih noch auf einen Punkt eingehen, in welhem die Herren Abgg. Müller und Singer in einem gewissen Rechte sind. In der neulichen Sitzung der Budgetkommission gab ich zu, daß der Herr Abg. Müller in dem, was er heute gesagt hat, betreffs des Tarifs, im Recht war, das heißt insofern, als er das legte Wort gehabt hat. Aber ih habe {on damals erklärt, daß wir ja noch zu einer weiteren Erörterung der Sahe kommen würden, und ich wollte mit Willen nicht immer wieder auf dasselbe zurück- kommen, weil ih Gelegenheit habe, noch bei dem Geseh selber die Sache klarzustelen. Weder ich noch irgend jemand sonst ist ja berechtigt, übèr Geseße freigebig zu diéponieren und ju sagen: es wird kein anderer Tarif den Privatposten gegenüber angewandt werden. Dazu war ich auch in der Kommission nicht
berechtigt und habe es auch nicht ausgesprochen, sondern der Herr Abg. Müller nahm es als Faktum hin, dem ih allerdings in der Kommission nicht widersprohen habe. Jch fkann auh dem Herrn Abg, Singer nur wiederholen, welcher meinte, ich könnte ja leiht Geseße hier im Reichstage einbringen : ja, bitte, lesen Sie doch einmal das Postgeseß! Das Postgesetz ent- hält in seinen Eingangsbestitmmungen genaue Vorschriften über die geschlofsenen Briefe und Zeitungen ; aber es behält auch im § 50 dem Herrn
Reichskanzler eine Menge von Rechten, betreffs der Tarife innerhalb der
Städte, vor, und so ist heute noch der Herr Reichskanzler zur Herab- seßung der Tarife auf Grund des § 50 berechtigt, also z. B. ferner auch den Postanweisungêverkehr billiger zu gestalten. Gelegentlih der Einbringung des Gesezes wird voraussihtlich auch die Erklärung ab- gegeben werden, daß für Beträge bis 5 G im Postanweisungsverkehr entsprehend wie im Nachnahmeverkehr das Porto auf 10 F berabgesegt werden wird. Ich habe diese Sache schon gestreift, wenn ich auch nit näher darauf eingegangen bin; aber jeßt, nachdem es gewissermaßen so klingt, als wenn die Reihs-Postverwaltung sich immer erst drängen ließe, während es meiner Ansicht nach die Aufgabe der Post ist, die Bedürfnisse des Verkehrs zu erkennen und dementsprechend die er- forderlihen Vorschläge dem Herrn Reichskanzler, als dem Chef der Verwaltung, zu unterbreiten, habe ih geglaubt, hier darauf zurück- kommen zu follen. (Bravo!)
Abg. Dr. Hammacher (nl.) spricht ebenfalls den Wunsch aus, daß die angekündigte Vorlage möglichst bald an den Reichstag kommen möge. Bezüglich der Entwickelung der Privat-Poftanstalten habe er {hon vor mehreren Jahren aus den Aeußerungen des Staatssekretärs von Stephan entnommen, daß derselbe die Wirkung der Privat- anstalten untershäßt habe, weil er von der Vorzüglihkeit der Posteinrihtungen überzeugt gewesen sel. Dadurch seien die Reichs- Postverwaltung und der Reichstag in eine schwierige Lage gekommen. Denn die Privatanstalten seien angewachsen, und ihre Thätigkeit set ebenso legitim wie jede andere gewerblihe Thätigkeit. Eine Ent- {ädigung müßte also eintreten. Ueber die Modalitäten könne später verhandelt werden. Daß die Einnahmen aus den Telegraphen nicht so erheblich zunähmen, sei darauf zurüczuführen, daß der Verkehr \ich mehr und mehr des Telephons bediene, Man sollte das Telegraphen- und Telephonneg als ein einheitlihes Unternehmen betrachten und demgemäß behandeln. Große Einnahmen könne man aber nit er- zielen, wenn man in einer bevölkerungsarmen Gegend ebenso wie in Berlin die hobé Gebühr von 150 4 verlange. Die Gebühren müßten den speztellen Verhältnissen angepaßt werden.
Die Einnahmen aus Porto- und Telegraphengebühren werden bewilligt ; o die Übrigen Einnahmen.
Beim ersten Titel der Ausgaben, „Gehalt des Staats- sekretär s“, berichtet der Abg. Dr. Paasche über den bereits mitgetheilten Antrag der Budgetkommission wegen Herabseßung des Gehalts des Staatssekretärs auf 24000 M
Außerdem beantragt die Budgetkommission:
„den Reichskanzler zu ersuhen, veranlassen zu wollen, daß die Annahme und Bestellung von Packeten an Sonn- und Feiertagen, mit Ausnahme der Zeit vom 18. bis 31. Dezember, nur in den Vormittagsftunden bis 12 Uhr stattfinde.“
Abg. Werner (Reformp.) tritt für die Verbesserung der Ge- hälter der Unterbeamten ein. Wenn man tie Aufbesserung für den Staatssekretär bewilligen wollte, würden die Unterbeamten noch lange warten können. Nah welchen Grundsäßen die Gratifikationen vertheilt würden, fei nicht zu ermitteln; sie follten ebenso wie die Stellenzulage ganz wegfallen, weil sie zur Liebedienerei verführten. Die Sonntagsruhe für die Beamten sei mehr gewährleistet als früher, aber es bleibe noch recht viel zu thun, ebenfo in Bezug auf die tägliche Dienstzeit der Beamten. Sre nothwendig sei ein neuer Zeitungstarif. Nachdem man die Privat- posten habe erwachsen lassen, wäre es unberechtigt, sie ohne weiteres und ohne Entschädigung zu beseitigen. Jedenfalls sollte man für die Unterbeamten der Privatposten sorgen.
Darauf wird um 61/4 Uhr die weitere Berathung bis Freitag 2 Uhr vertagt.
Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
13, Sißung vom 3. Februar 1898.
Das Haus seßt die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1898/99 bei dem Etat der Gestüt-
| verwaltung fort.
Ueber den ersten Theil der Debatte ist bereits berichtet worden.
Bei den dauernden Ses spricht
Abg. von Mendel-Steinfels (kons.) sein Bedauern über die Zunahme des amerikanishen Pferdeimports aus und wünscht zur Ab- wehr eine ftärkere Förderung der Kaltblutzuht. Allerdings sei im Interesse unserer Armee die Warmblutzuht unerläßlih, aber man solle das Eine thun und das Andere niht lassen. Es sei unrichtig, bestimmten Bezirken die Warwblutzucht aufzuzwingen, wenn nicht die Vorbedingungen dazu dort von der Natur gegeben seien. Nicht nur die kaltblütigen Hengste bedürften einer Vermehrung, sondern auch das Stutenmaterial müsse verbessert werden, wenn nicht die Leistungsfähigkeit der Arbeitspferdce von Jahr zu Jahr zurückgehen solle. Jn die Landgestüte würden oft zu junge Hengste eingestellt. Anzuerkennen sei, det die Qualität des in den [eßten Jahren von dem Ober-Landstallmeister angekauften Hengstmaterials ein ganz au3gezeihnetes sei. Er müsse aber für die Provinz Sachsen noch um die Errihtung eines Quarantänestalls und um die Erweiterung des Landgestüts bitten.
stei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- ein:
Meine Herren! Es if einzuräumen, daß die Zufuhr amerikanischer Pferde in den leßten Jahren erheblich zugenommen hat und zwar nicht allein der kalt-, sondern auch der warmblütigen Pferde. Die bis- herigen Erfahrungen erweisen aber, daß die Käufer amerikanischer Pferde vielfach ungünstige Erfahrungen machen. Die eingeführten Pferde müssen sich acclimatisieren und die Strapazen der Seefahrt überwinden. Sie bekommen vielfah influenzaartige Krankheiten ; ob sie nachhaltig von derselben Dauerhaftigkeit in der Arbeit sind, wie die in Deuts{- land gezogenen Kalt- und Warmblüter, i eine ofene Frage, die erst dur längere Erfahrung festgestellt werden kann.
Der Herr Vorredner hat als unbestreitbar den Say aufgestellt, daß für die Landwirthschaft auf schwerem Boden die Benutzung der Kaltblüter rentabler und zweckmäßiger sei, als die von Warmblütern Dieser Siß steht doch wohl niht fo unbestritten fes, WBeispiels- weise werden in der Provinz Hannover in großen Gebietstheilen, in denen Zuckerrübenbau unter s{wierigen Geländeverhältnissen ges trieben wird, von dena Landwirthen {were Warmblüter noch den Kaltblütern vorgezogen, weil deren Verwendung für rentabler gehalten wird. (Sehr richtig! rechts.) Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen eine Reihe von Umständen. Wenn einerseits das kaltblütige Pferd zwar früher anspannungsfähig ist wie das warmblütige — der Unter- schied if eiwa zwei Jahre — fo steht dem gegenüber, daß man mit Gewißheit darauf rechnen kann, daß das kaltblütige Pferd mit 14, 15, 16 Jahren das Ende setner Leistungsfähigkeit erreicht, während die Warmblüter meist bis zu 30 Jahren dienstfähig bleiben. Dazu kommt, daß die Kaltblüter shlagartigen Krankheiten unterworfen find. So ist mir von einem Domänenpähter — ih will den Namen hier nennen — von Herrn von Dieze (Barby) mitgetheilt, daß er jeden Sonn- und Festtag seine Kaliblüter durch die Leute bewegen lassen müsse, weil, wenn infolge eines zweiten Festtages die Pferde stehen bleiben, große Gefahr des eintretenden Verlustes durh S{hlaganfälle
vorliege.