1898 / 32 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

S. f die nacgesu

o \ ert ! Der Staatsanwalt brs t der i Waldenburg i. Schl. ist an das Landgericht in Görliß ver)eßt. Dem “i genus Doms, 1 hat ist die achgesuhte Entlassung aus dem Amt ertheilt.

P Siectzanmalt Conrad in Peiß und der Rechtsanwalt Dr. Simony in Myehnaberg sind zu Notaren für den Bezirk des Kammergerichts ernannt. :

: In der Co der Nechtsanwalte sind gelöscht: der Rechts- anwalt Dr. Schwering bei dem Landgericht T in Berlin und der Rechtsanwalt -Brehme bci dem Amtsgericht in

- Trebniy. : i

Jn die Liste der Rechtsanwalte sind eingetragen: der Rechtsanwalt Dr. Schwerin g vom Landgericht T in Berlin bei dem Kammergeriht, der Rechtsanwalt Heinemann in Corbach zugleich bei dem Landgericht in Cassel, der Rechtsanwalt Kantorowicz aus Czarnikau bei dem Amtsgericht in Schón- lanke, dex Gerichts-Assessor F il bei dem Landgericht in

annover, der Gerichts-Assessor Hellmuth Warda bei dem

misgeriht und dem Landgericht in Thorn, der Gerichts- Assessor Max Sch ulze bei dem Amtsgericht in Kirchhain N.-L., der Gerichts-Assessor Dr. Josef Becker bei dem Amtsgericht in Mülheim a. Rh., und der Gerichts-Assessor Menzel" bei dem Amtsgericht in Dirschau. :

Der Landgerichts-Direktor Gerlach in Lyck und der

Notar, Justiz-Rath Willert in Neu-Ruppin find gestorben.

Die Personal-Veränderungen in der Armee be- finden sich in der Ersten Beilage.

Nichkamlliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 5. Februar.

Seine Majestät der Kaiser und König konferierten heute Vormittag um 9/ Uhr mit dem Staatssekretär des Snnern, Staats-Minister Dr. Grafen von Posadowsky-Wehner und nahmen von 101/54 Uhr an die Vorträge des Chefs des Generalstabs, Generals Grafen von Schlieffen und des Chefs des Militärkabinets, Generals von Hahnke entgegen.

In der am 3. d. M. unter dem Vorsiß des Staats- Ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Grafen von Posadowsky-Wehner abgehaltenen Plenarsißung des Bundesraths wurde dem Ausschußantrage zu dem Entwurf einer Verordnung, betreffend die Einfuhr lebender Pflanzen und frischen Obstes aus Amerika, die Zustimmung ertheilt. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen: der Antrag Badens, betreffend "ogidei für Eisenbahnmaterial auf der Strecke Turgi—

aldshut, der Antrag Lippes, betreffend die Thronfolge und Regentschaft im Fürstenthum Lippe, die Entwürfe von Vorschriften über Auswandererschiffe und von Bestimmungen über den Geschäftsbetrieb der Auswanderungs- Unternehmer und Agenten, der Entwurf eines Geseßes wegen einiger

Aenderungen von Bestimmungen über das Postwesen im Gebiete des Deutschen Reichs, sowie der Entwurf eines Geseßes für Elsaß-Lothringen, betreffend den Kaiserlihen Rath in Elsaß- Lothringen. Von der Nachweisung über die den einzelnen Bundesstaaten und den Deutschen Schußgebieten bis Ende Dezember 1897 überwiesenen Beträge an NReichs-Silber-, Nickel- und Kupfermünzen wurde Kenntniß genommen. Außerdem wurde über den Seiner Majestät dem Kaiser wegen Beseßung einer Mitgliedsstelle bei einer Disziplinarkammer zu unter- en Vorschlag und über verschiedene Eingaben Beschluß gefaßt.

__ Heute hielten die vereinigten Auss{hüsse des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr Sißungen.

_ Hannover, 5. Februar. Der Provinzial-Landtag ute gestern in seiner 2. Sizung den Grafen zu Jnn- und Knyphausen durch Acclamation wieder zum Vor- sigenden und mit 59 gegen 45 Stimmen den Stadt-Direktor Tramm wieder E Stellvertreter des Voisißenden. Jn der darauf folgenden 3. Sißung wurde zunächst die Berathung der Anträge des Provinzial - Ausschusses, be- treffend die Erhöhung der Besoldung verschiedener Klassen der Provinzialbeamten und betreffend den Erlaß eines die dienstlihen Verhälinisse der Prcvinzialbeamten ordnenden Reglements, vorläufig zurückgestellt und zur Berathung des Haushaltplans des Provinzialverbandes von Han- nover für 1898/99 übergegangen. Einzelne, mit besonderen Anträgen zusammenhängende Ren wurden ausgeseßt ; im übrigen wurde die ganze Einnahme und ein Theil der Ausgabe erledigt.

Sachsen,

Seine Majestät der König isst vorgestern Abend von Leipzig wieder in Dresden eingetroffen.

Hessen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog trifft, wie die „Darmsi. Ztg.“ meldet, heute Nachmittag von Berlin wieder u U : e Jhre S ges die Groß-

rzogin wird noch einige Tage bei Jhrer Durchlaucht der Prix zessin Aribert von Anhalt in Berlin verbleiben.

Oesterreich-Ungaru. Der „Neuen Freien Presse“ zufolge beschäftigte der gestern abgehaltene Ministerrath nit A D ibentes

Memung, __ Wie „W. T. B.“ berichtet, wurden gestern in Wien au die klinishen Vorträge unterbrohen. Die slavi-

n Studenten iraten vielfah provokator Deutschen auf. Jn einzelnen Fällen wurden

sammenstöße nur durch das Dazwischentreten der dfessoren verhindert. Die slavishen Studenten haben sih telegraphisch an den jungezehishen Landtagsklub gewandt, mit dem An- suchen, bei der Regierung vorstellig zu werden, daß diese ihnen

Schuß zu theil werden lasse.

Im böhmischen Landtage brachten gestern die Abgg.

Herold und Pacak einen Geseßentwurf ein, nah welhem das Königreih Böhmen ein einziges, untheilbares Ganzes bilden und die czehishe wie die deutshe Sprahe in ganz Böhmen gleichberehtigte Landessprahe sein soll; alle an den boöhmishen Landtag gerichteten Rescripte, . Ent- scheidungen, Anträge und Regierungsmittheilungen sollen in czehisher und deutsher Sprache abgefaßt werden, die czehishe und die deutshe Sprache sollen bei allen Staats- und Landesämtern Amtssprachen sein, die im Lande ange- stellten Staats- und Landesbeamten beider Landessprachen mächtig sein und die öffentlihen Aufschriften , Bezeich- nungen und Siegel der Staats- und autonomen Landesbehörden in beiden Landessprachen durchgeführt werden. Die Staats- und Landesbehörden müßten die Verhandlung und Erledigung in der Sprache der eingereihten Schriftstücke durchführen. Der Antrag wurde dem Sprachenauss{huß zugewiesen. Der Abg. Sobitschka beshwerte sih in einer Jnterpellation über die Nichteinhaltung der Bestimmungen über die Ortstafeln in ge- mischtsprahigen Gegenden, deren Bevölkerung der Majorität nah czechisch sei. Der Abg. Vasaty beantragte die Einführung der russishen Sprache als nicht obligatorishen Lehrgegen- stand an den Mittelshulen. Das Haus nahm sodann die ersie Lesung des Antrags des Abg. Schlesinger, betreffend die Errichtung eines deutschen Thierarznei-Jnstituts, vor. Der Abg. Karlik begründete einen Antrag auf unverzügliche Auf- hebung des Mahlverkehrs. Bei Berathung des Antrags auf Verhinderung des Getreidedifferenzspiels beantragte die Kulturkommission den Erlaß eines Reichsgeseßes, welches strafrehtliche Bestimmungen gegen den Mißbrau des Zeit- geschäfts normiere, die Börse und deren Geschäftsverkehr einer wirksamen Staatsaufsicht unterj|telle, ferner das reine Differenz- geschäft für nichtig erkläre und das Klagercht daraus aufhebe. Der Abg. Richter bezeihnete den Mahlverkehr als eine schwere Schädigung der österreichischen Landwirthschaft, bat das Haus, gegen den Fortbestand einstimmig zu protestieren, und ersuchte \hließlih, den Antrag der Kulturkommission im Ganzen anzunehmen. Nachdem der Abg. Adamek für den Antrag gesprochen und die Deutschen aufgefordert hatte, vereint mit den Czechen zu arbeiten, und der Abg. Graf Zedwiß gleichfalls warm für den Antrag eingetreten war, wurde derselbe mit einem Zusaßantrag, in welchem die Regierung aufgefordert wird, im internationalen Wege die Regelung des Getreidetermin- handels in Angriff zu nehmen, angenommen. Die Abgg. Pippih und Genossen interpellierten über die An- wesenheit des österreichish - ungarishen Botschafters von Szoegyeny in der Hofloge bei der Aufführung des Schau- spiels „Der Burgaraf“ im Berliner Königlihen Schau- spielhause. Die Interpellanten hoben verschiedene, das czechishe Volk angeblich beleidigende Stellen des Stücks hervor und fragten, ob diese Beleidigungen würden abgestellt werden. Die Abgg. Podlipny und Genossen interpellierten über die Verfolgung czechisher Studenten an. der Wiener Universität. Der Handelssenat des Kreisgerichts zu Neichen- berg (Böhmen) hat gestern ein Verlangen, daß czechish ver- handelt werden solle, mit der Begründung abgewiesen, daß die Verhandlungssprache des Kreisgerichts Reichenberg die deutsche sei, da die Czechen einen unbedeutenden Prozentsaß des Gerichtssprengels ausmachten.

Der aus 21 Mitgliedern bestehende Aus\chuß des mährishen Landtages zur Vorberathung der Vorlage über den Nationalitäten - Ausgleich verhandelte am Donnerstag Nachmittag darüber, ob der Ausshuß behufs Beendigung der Arbeiten ein permanenter sein solle und wie, da die nothwendigen einshläglichen Bestimmungen. in der Ge- \{äftsordnung fehlten, die Permanenz zu ermöglichen sei. Ein hierauf bezüglicher Antrag des Abg. von Chlumeccky wurde angenommen und von Chlumecky zum Berichterstatter im Plenum gewählt. Der Statthalter Freiherr S pens von Booden erklärte, er sei auf Ersuchen des Obmanns persönlich erschienen, um das hohe Jntcresse der Negierung an der von den beiden Seiten des Hauses inaugurierten Aktion zu bezeugen. Der vorgeschlagene Weg zur Lösung ver- schiedener Fragen sei ein außergewöhnliher, und die Regierung sei nur wegen des besonders wichtigen Zwecks, eine Verständigung zwischen den beiden Volks- stämmen „herbeizuführen, bereit, diese außerordentliche, aus- nahmsweise Maßregel mit allen Kräften zu unterstüßen. Hierauf wurde die Generaldebatte über die Anträge der bgg. Zacek und Promber fortgeseßt. Der von dem Abg. von Chlumeccky eingebrahte Gesehentwurf über den für permanent zu erklärenden Einundzwanziger- Ausschuß bestimmt: Der Ausshuß kann innerhalb der gegenwärtigen Funktionsdauer des Landtages oder während seiner Vertagung in Thätigkeit bleiben. Seine Wirksamkeit ist im Rahmen der Geschäftsordnung des Landtages auf die Vor- berathung der in den Ausgleichsanträgen der Abgg. Zacek, Promber und Fux bezeichneten Gegenstände beschränkt und wird nach Beendigung seiner Geschäfte von dem Landeshauptmann, sonst dur Kaiserliche Entschließung geschlossen. Beim nächsten Wiederzusammentritt des Landtages kann der vertagte oder geschloftene Ausschuß auf besonderen Beschluß des Landtages E Thätigkeit wieder aufnehmen. Nach einer Schließung es Ausschusses durch Kaiserlihe Verfügung findet eine Wiederaufnahme seiner Thätigkeit nicht statt. Die Wirksam- keit des Gesezes beginnt mit dem Tage der Kundmachung.

Jn der gestrigen Sißung des Landtages interpellierten die Abg. Kulka und Genossen den Statthalter über die Vorgänge an der Brünner Technishen Hochschule. Die Jnter- pellanten betonten, daß die deutshen Hörer im vorigen Jahre die czehishen Kollegen am -Tragen ihrer Abzeichen und Farben gewaltsam gehindert, und daß die czehishen Hörer infolge des Einschreitens des Rektors eingewilligt hätten, für einige Zeit die Farben und Abzeichen nicht zu tragen, wodurch konstatiert sei, daß die deutschen Studenten die ersten eten seien, welhe im Farbentragen einen hinreichenden

rund zur Beunruhigung erblicki hätten. Die Jnterpellanten fragten, ob die Regierung geneigt sei, für den Schuß, die Ehre und Lernfreiheit der czehishen Studenten zu sorgen und baldmöglichst eine czehische Technische Hochschule in Brünn

zu errichten.

heftige Zu-

„Der Senat der Universitä MEEgana des Unterrichts-:Ministers die Vorlesungen an den weltlihen Fakultäten auf 14 Tage suspendiert.

- Der Landtag von Krain hat gestern mit allen Stimmen der Slovenen gegen die Stimmen der deutshen Minderheit den dringüchen Antrag des Abg. Hrjbar angenommen, in welchem die Regierung aufgefordert wird, die sofortige Wieder- aufnahme der zeitweije eingestellten Vorlesungen an allen Uni- versitäten und Hoschulen mit Rücksicht auf die slavischen Studenten veranlassen und lie sorgen zu wollen, daß die Studierenden aller slavishen Nationen an allen Hochschulen aller akademishen Rechte unverkürzt theil- haftig würden. Jm Laufe der Debatte erklärte der Landes- Präsident Freiherr von Hein, daß niemand die Aus- schreitungen der irre geleiteten Jugend mehr beklage als die Regierung. Jn den bisherigen Maßnahmen der Regierung lasse sich unmögli eine Kapitulation erblicken. Der Landess Präsident verwies dabei auf die ernsten Worte, welche der Munister-:Präfident den Rektoren gegenüber gesprochen habe.

m steyerishen Landtage verlas gestern der Abg. Nosina (Slovene) eine Jnterpellation in slovenischer Sprache. Es entstand ein großer Lärm, und es ertönten die Rufe: „Deutsch, deutsch!“ Der Landeshauptmann ersuchte, den Redner |prechen zu lassen, und drohte mit Räumung der Galerie. Als der Abg. Nos ina in slovenisher Sprache fortfuhr, entstand neuerdings großer Lärm, und die Rufe: „Deutsch, deuts!“ wurden wiederum laut. Der Landeshauptmann licß hierauf die Galerien räumen und unterbrah die Sißung. Die slovenischen Besucher der Galerie riefen beim Fortgehen „Hivio“, die deutschen sangen die „Wacht am Rhein“. Hierauf beendigte der Abg: Nosina seine Junter- pellation, wobei fortwährend gerufen wurde: „Deutsch, deutsh!“ Der deutsch - nationale Abg. Walz protestierte gegen die Provokation, die darin liege, daß die Interpellation in slovenischer Sprache verlesen sei, worauf der slovenische Abg. Nobic konstatierte, daß auch in früheren Jahrcn an- standslos Petitionen in slovenisher Sprache verlesen worden seien, und erklärte, die Slovenen würden sich in dem O ihrer Muttersprahe im Landtage weder bei Jnterpellationen noch in der Debatte beeinträchtigen lassen. Der Abg. Fürst interpellierte die Regierung be- züglih des Verbots des Farbentragens und wünschte die Sicherstellung des ungestörten Studienfortgangs durch Be- seitigung dieses Verbots. Der} Abg. Rokitansky inter- pellierte in derselben Angelegenheit. Der Abg. Z izkar inter- pellierte über die Konflikte zwishen slavishen und deutschen Studenten in Graz.

Der Rektor der Grazer Universität hat die vor- läufige Einstellung der Vorlesungen verfügt, indem er sich die Anwendung der akademischen Disziplinargeseße gegen die- jenigen vorbehält, welhe die Schuld an den jüngsten Vor- lommnissen trügen.

Im ungarishen Unterhause beantwortete gestern der Handels-Minister Daniel die Jnterpellation des Abg. Melßtl über die Magyarisierung der Namen von Eisenbahn- beamten. Der Minister erklärte, von seiten der Regierung seien keinerlei Erlasse an die Oberbeamten der Staatsbahnen in dieser Angelegenheit ergangen. Wenn es eine solche Strömung gebe, so bewegae sie sich auf sozialer Grundlage; da in dieser Beziehung kein Mißbrauch obwalte, habe die Regierung keine Veranlassung, irgend eine Verfügung zu treffen. Das Haus nahm von der Antwort Kenntniß.

Großbritannien und JFrland.

Bei der gestern vorgenommenen Parlamentswahl für Südost-Durham wurde an Stelle des verstorbenen Unionisten Havelock Allan der Liberale Richardson mit 6286 Stimmen gegen den Unionisten Lambton gewählt, welcher 6011 Stimmen erhielt.

Der Chefsekretär des irischen Amts Gerald Balfour hielt gestern in Leeds vor seinen Wählern eine Rede, in welcher er sih, wie „W. T. B.“ berihtet, gegen die Be- hauptung wandte, daß die Regierung bei den Unterhandlungen mit China Schwäche gezeigt “habe. Es sei niht wahr, daß die Regierung selbst in den unwichtigsten Details ihre bereits dargelegie Politik im äußersten Osten aufgegeben oder in Bezug auf ihre gerechtfertigten Ansprüche infolge eines auswärtigen Druckes nachgegeben habe. Die Re- gierung halte an den bereits von mehreren. Kabinets- mitgliedern abgegebenen Erklärungen fest. Balfour wieder- holte sodann die Versicherung, daß die Jnteressen Großbritanniens in China auf den Handel und nicht auf Land- erwerb gerichtet sind; Großbritannien wünsche kein Gebiet in China mit Ausnahme der nöthigen strategishen Punkte; es wünshe nichi die Last eines neuen Indiens zu tragen. Großbritanniens Verantwortlichkeiten in Asien seien bereits ret große; es dürfe niht mehr zu erlangen wünschen, als die durch Verträge bereits gesicherten gleihen Rechte, welche anderen Nationen in China eingeräumt werden. Solange die Regierung diese Gleichheit zu wahren wisse, werde sie das Vertrauen des Landes verdienen. Schließlich beklagte Balfour das Bestreben, die Politik der Negierung nah unrichtigen An- gaben zu beurtheilen. Die Verhandlungen seien so heikler Natur, daß man nicht einmal den unbegründeten Gerüchten widersprechen könne, aus Furcht, einen falshen Eindruck hervorzurufen.

«Frankreich.

Auf einem gestern Abend in Paris veranstalteten Bankett zu Ehren des Prinzen Heinrih von Orléans, welcher demnächst nach Abessynien abzureisen gedenkt, hielt dieser eine Ansprache, in welcher er, dem „W. T. B.“ zufolge, daran erinnerte, daß -der Negus Menelik ihn und seine Freunde mit der Organisation einer sehr großen Aequatorial- provinz betraut habe, welhe gleichsam seine (Menelik's) Militärgrenze und seinen eigenen Pusfferstaat bilden werde. Der Prinz sagte dann weiter: „Wir werden beständig unsere Augen auf das Thal des oberen Nil gerichtet halten, welches bedroht ist, in den britishen Schraubstock ein- gepreßt zu werden, jedoch bald dank den kühnen Expeditionen unserer Forsher und dem guten Willen Menelik's Ee Fahnen an seinen Ufern wehen sehen wird.“ Der Prinz sprach von dem Kolonialwerk Frankreihs und deutete auf das Bündniß mit Rußland hin, welches bereits au deutlihe Erfolge auf dem Boden Aas verheiße. Er crörterte ban die Absichten Englands hinsichtlich des ganzen Nil-Thales und bemerkte, das _Jnteresse M müsse über den Partei- und den formalen Interessen tehen. Der Prinz \{chloß: „Jh weiß, däß dunkles

Gewölk sih am Horizont zusammenballt, daß Stürme si er-

tät Jnnsbruck hat mit Er-

heben über die , die man uns zuschiebt. Was thut es? Die Zukunft steht bei Gott. Wir werden gehen, ‘weil wir an die foloniale Größe Frankreihs glauben, weil wir an Ge- rechtigkeit, an Freiheit, an Wahrheit glauben.“

Ftalien.

. Bei der in der gestrigen Sihung der Deputirten- kammer fortgeseßten Berathung des Gesetentwurss, betreffend die Herabseßung der Getreidezölle, erklärte, dem „W. T. B.“ ufolge, der Finanz-Minister Branca in Erwiderung auf die Nuaführungen zahlreiher Redner, daß die Regierung geneigt sei, die Geltungsdauer der Herabseßung der Getreidezölle von 7,50 Fres. auf 5 Frcs. bis zum 31. Mai zu verlängern. Der Minister fügte hinzu, die Thatsachen bewiesen die Wirksam- keit dieser Maßnahmen. Der Schaßz-Minister Luzzatti er- widerte auf mehrseitige Ausstellungen finanzieller Natur: man werde die Finanzlage bei. der demnächstigen Be- rathung über das refktifizierte Budget für 1897/98 ein-

ehender erörtern können. Die Regierung habe die be- timmte Absicht, einen Sun zur Entlastung der Fleinen ländlihen Grundstüke einzubringen welche Gntlastung dur andere Einnahmen und Ersparnisse kompensiert werden solle; sie werde aber damit warten, bis die finanzielle Lage der laufenden Budgetperiode sich besser geklärt habe, da es ihre erste Pflicht sci, das Budgetgleichgewicht unverleßt zu erhalten. Der Minister konstatierte, daß die bisherigen Ergebnisse die im vorigen Jahre von gegnerischer Seite erhobenen Bedenken widerlegten, erinnerte daran, daß er in seinem Finanz - Exposs angekündigt habe die Gebahrung von 1897/98 werde einen Üebershuß von mehr als 16 Millionen ergeben, und wies mit allen Einzelheiten nach, daß die Ergebnisse von 7 Monaten voraussehen ließen, daß die durch die Herabsezung der

Getreidezólle verursahte Minderung der Einnahmen dur den Mehrertrag von mindestens 8 Millionen bei anderen Abgaben werde aufgewogen werden. Man müsse indessen mit einer Mehrausgabe von 6 Millionen renen, welche durch die Einberufung eines Theils der „Jahresklasse von 1874 verursacht werde. Der Ueberschuß werde somit auf etwa 91/2 Millionen sih ermäßigen. Das Gleichgewicht des Budgets sei also reichlich gesichert. Jm weiteren Verlauf seiner Rede Lee der Schaß-Minister aus, daß die Regierung bezüglich

frikas ihre im Finanz-Exposé abgegebenen Erklärungen aufrecht erhalte. er Minister wandte sich s\chließlich gegen den Abg. Giolitti und bekämpfte dessen Jdee einer progressiven Einkommensteuer. Hierauf wurde die Generaldisfkussion geschlosscn, und das Haus nahm mit großer Mehrheit eine von der Regierung gebilligte Tages- ordnung an, welche besagt: die Kammer sei von der Opportunität der zeitweiligen Zulassung einer Herabseßung der Getreide- und Mehlzölle überzeugt und gehe deshalb zur Berathung der einzelnen Artikel des Entwurfs über. Gegen diese Tagesordnung hatte nur die äußerste Linke gestimmt.

Türkei.

Der öfsterrcichishe Botschafter Freiherr von Calice wurde gestern nah dem Selamlik von dem Sultan in längerer Audienz empfangen.

Das Wiener „Telegr.-Korrespondenz-Bureau“ meldet aus Kanea, daß die Nationalversammlung Sphakianakis zum Präsidenten wiedergewählt habe.

Amerika.

Die amerikanische Gesandischaft in St. Petersburg ist, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, zum Range einer Botschaft erhoben worden. p i

Jn dem gestern in Washington -abgehaltenen Kabinets- rath erklärte der Kabinets-Sekretär für Ackerbau Wilson, es sei unzweifelhaft und bekannt, daß Obstkrankheiten durh Obst übertragen und auf gesunde Bäume auf große Entfernungen verpflanzt werden könnten. Das Vorgehen Deutschlands dürfte daher angemessen sein, und Deutschland sei offenbar in seinem Rechte gewesen. Weder der Präsident Mac Kinley noh irgend eines der Mitglieder des Kabinets sei geneigt, ein Urtheil in der Sache abzugeben, bevor endgültige Jnfor- mationen eingetroffen seien.

Asien.

Die „Times“ meldet aus Shanghai vom gestrigen Tage, das Tsung-li-Yamen habe gemäß dem Ersuchen Sir Nobert Hart's Nobert Bredon zum Vize-Gencral-Jnspektor der Zölle ernannt, mit dem Vorbehalt, daß demselben die höchste Amts- gewalt nicht zu übertragen sei. Bredon war 1873 zum Kom- missar ernannt worden.

Das „Reuter'she Bureau“ berichtet aus Yokohama, daß die japanische Flotte gegenwärtig Manöver vornehme und später in den chinesishen Gewässern kreuzen werde.

Afrika.

Das .„„Reuter’she Bureau“ meldet aus Bonny (Niger- Delta), daß eine Expedition, welche gegen die Stämme im Ediba-Lande operiert, ein ernstes Gefecht zu bestehen gehabt habe. Die Kapitäne Middleton und Fenton seien ver- wundet worden und Fenton inzwischen gestorben. Weitere Unfälle seien niht bekannt.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sizungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten be- finden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (33.) Sißung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. S Loo Posadowsky-Wehner und der Staatssekretär des Reichs-Schaßamts Dr. Freiherr von Thielmann bei- wohnten, wurde zunächst der - Freundschafts- und R Mer eag zwishen dem Reih und dem

a Se S O in erster und zweiter Berathung ge- nehmigt.

Es folgte die erste Berathung des Dn ivegen Aufhebung der Kautionspflicht der Reichsbeamten, welcher bei Schluß des Blattes von dem Staatssekretär des Reichs-Schaßamts begründet wurde.

Die Abag, Haadcke, Freiherr von Zedliß und Neukirch en

(fr ous) und ossen haben im Hause der Abgeordneten olgende Interpellation eingebracht : E

Jst die Königliche Staatsregierung bereit, “Mittheilung darüber u machen, ob die in der Thronrede verheißene Vorlage, betreffend ie Neuregelung und Verbesserung des Dienstein-

kommens der GeisiliGen beider Konfessionen, in der - nädsten Zeit zu erwarten ift, gegebenenfalls aus welhem Grunde die Einbringung der Vorlage sich verzögert ?

Statistik und Volkswirthschaft.

Landwirthschaftlihe Zwangsversteigerungen in Sachsen-Meiningen.

In dem Herzogthum Sachsen-Meiningen haben Erhebungen über die Zwangsversteigerungen landwirtbschaftlißer Anwesen und ins- besondere auch über deren Gründe stattgefunden, und die Ergebnisse sind jeßt in einer amtlichen Publikation (Statistik des Herzogthums Sachsen-Meiningen, Bd. 6 Nr. 11) niedergelegt. Es kann ih natürlich bei dem Umfang des Herzogthums nur um kleine Ziffern handeln, aber au sie sind lehrreich und beahtenswerth.

Die Zahl der Zwangsversteigerungen von hauptsählich der Land- wirthschaft dienenden Liegenschaften betrug im Herzogthum Sachsen- Meiningen im Jahre 1882 57; sie war 1888 und 1889 auf 9 gesunken und stieg dann, bis sie im Jahre 1895 wieder die Zahl 20 erreicht hatte. Es ist also festgestellt, daß die Zabl der Zwangsverfteigerungen landwirthscaftliher Anwesen in diesem Bundetstaate seit 1882 ganz erheblich zurückging Ueber die Ursachen der Zwangsversteigerungen giebt die Statistik folgende Auskunft : Vis ies

Leichtsinniger Verkehr mit Wucherern und \{lechte Wirth- \schaftsführung . .. 2% Uebernahme von übershuldetem Grundbesiß, Vornahme von Neubauten chne genügende Mittel Krankheitsfälle und sonstiges häusliches Mißgeshick .. Bürgschaftéleistung Mißernte na

runksucht Sonstige und unbekannte Ursachen Insgefammt . . ,

Nach dem vor kurzer Zeit ershienenen „Statistischen Jahrbuch des Königreihs Bayern" betrug in dem zweitgrößten deutschen Bundesstaat 1896 die Zahl der zwangsweise versteigerten landwirth- \chaftlihen Anwefen 1148, im vorhergehenden Jahre 1086. Leider giebt das Jahrbuch über die Ursachen der Versteigerungen keinen Aufschluß. Wie die Zahlen aus Sachsen-Meiningen zeigen, sind dort die meisten Zwangsvollstreckungen auf Beroucherung, [{chlechte Wirth- schaftsführung und knappe Geldmittel zurückzufühbren.

Man darf wohl erwarten, daß mit jeder Erleichterung des vor- sihtig gewährten landwirthschaftlichen Perfonalkredits au die Zahl der landwirths{haftlihen Zwangsversteigerungen sinken wird. Jenen Kredit dem rechts{chafenen Landwirth zugänglih zu machen, ift eine der wichtigen sozialen Aufgaben, deren Ms bekanntlich dur das seit kurzer Zeit {nell aufblühende deutsche landwirthschaftlihe Ge- nofsenschaftöwesen erheblih gefördert wird.

Zur Arbeiterbewegung.

In St Johannis bei Nürnberg haben einer Mittheilung des „Vorwärts* zufolge die Former der Den S von 1b u. Kraft am 2. d. M. wegen Lohnstreites die Arbeit eingestellt.

In Kaiserslautern if nah demselben Blatt ein Ausstand der Gipser ausgebrochen. Die Arbeiter fordern erhöhten Accordlohn und zehnstündige Arbeitszeit.

Land- und Forstwirthschaft.

Königlich preußishes Landes-ODekonomie-Kollegium, ITIL.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung nahmen bei der Be- rathung der Anträge zu dem einzigen Gegenstande der Tagesordnung : „Der Einfluß des Ausbaues eines Nees einheimisher Wasserstraßen auf die wirthschaftlißhe Entwickelung der deutshen Landwirth- chaft“ außer anderen Rednern auch der Minister für Landwirth- schaft 2c. Freiherr von Hammerstein, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, der Land- Forstmeister Dr. Danckelmann und der Ministerial-Direktor Dr. Thiel das Wort. Nah Schluß der Dis- kussion wurde der Antrag des Referenten (f. d. gestr. Nr. d. Bl) abgelehnt, dagegen der Antrag des Korreferenten mit etnem Abände- rungsantrage des Rittergutsbesißers von Arnim - Güterberg an- genommen. Danach-lautet der Schlußsaÿ des Antrages: „Dem Ausbau eines Netes einheimisher Wasserstraßen brauht im Interesse der deutschen Land- und Forstwirthschaft nur dann niht entgegengetreten zu werden, wenn entweder durch ausreibende Shutzzölle oder durch entsprehende Kanalabgaben eine Erleihterung des Imports von Produkten der Land- und Forstwirthshaft dauernd verhindert wird.“ Auf Antrag des Grafen Bernstorff-Weningen wurde noh beschloffen : „Der Ausbau eines Neßes [ofaler Wasserstraßen wird in ‘der Regel im Interesse der Landwirthschaft liegen.“ Danach wurde die Ver- handlung auf heute Vormittag 10 Uhr vertagt. L

Den ersten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildete die Gesetzgebung, betreffend die Weinbereitung und den Verkehr mit Wein. Der Referent, General-Sekretär Dahlen, verbreitete sich über die Weinbereitung und die verschiedenen Vorschläge zu einer Aende- rung der Sbingeseüeebuns:

Saatenstand in Ungarn.

Aus Budapest wird der „Wiener Ztg.“ telegraphisch gemeldet : Den bet dem ungarischen Ackerbau-Ministerium eingelangten Berichten zufolge stellt sich der Saatenftand vom 1. d. M. folgendermaßen dar: Jm Januar herrschte zumeist trockenes und kaltes Wetter. Gegen Ende des Monats wechselte dasselbe; seitdem ist bei kleineren und rößeren Niedershlägen mildes und bedecktes Wetter vorherrschend. Im Durchschnitt steht der Herbstanbau ziemli befriedigend, da die im Spät- herbst angebauten Samen infolge des milden Wetters und des Regens genügend gut emporkeimten. Eine Ausnahme bilden jene Gegenden, in welchen Würmer und Mäuse bedeutenden Schaden angerichtet haben. Infolge des shneelosen milden Wetters haben Würmer und Mäuse zum größten Theile gut überwintert, und es werden feitens der Oekonomen mit Reht in Betreff des Schicksals der Saaten Befürchtungen gehègt. Auch giebt das früh eingetretene Frühjahrs- wetter zu der Besorgniß Anlaß, daß später Fröste eintreten könnten.

Theater und Musik,

Berliner Theater.

Shakesp eare’'s Schauspiel „Gin Wintermärchen ging gestern mit schönem Erfolge in Scene. Frau Geßner spielte die Rolle der Hermions-lind setzte für sle alle Vorzüge ihrer Beseelungsfähigkeit, ihrer anmuthigen Gestalt und shauspielerischen Begabung ein. Schon in der Antritts\cene dieser Tragödie fizilianischer Eifersucht, die so wunderreih und friedlih in dem enn Hause der Freundin

aulina endet, war die Darstellerin von bestrickendem iebreiz, als sie auf Geheiß ihres Gemahls den edlen Gast, den König von Böhmen, mit füßen Scherzen zu Dn Ver- weilen zwang; in der Anklagescene aber wuchs die Gestalt zu tragi- {her Größe empor, als sie ihre Ehre als Gattin und Mutter be- leidigt fühlt und, von den falshen Anklagen bis ins Herz getroffen, zusammenbriht. In der Schlußscene kamen die edlen Linten threr Gestalt in der ftatuenhasten Unbeweglichkeit plastisch zur Geltung; wie diese Bildsäule #ch allmählich - unter dem Klange der Musik regt, bewegt, dem Gatten und der wiedergefundenen

Tochter in die Arme sinkt: das war ein lebendes Bild von großer

L

Bnheit. Herr Sommerstorff hatte die st Nolle des eifer- figen Gaiten zu spielen, der in blinder Maier sein ganies Haus zu Grunde richtet, und brachte diese Seite E Aufgabe zu ftarker Wirkung ; aber der trauernde Gatte und Vater kam wahrer und er- greifender zum Ausdruck. Me G war als der fälschlich ver- e Freund, der Böhmenkönig Polyxenes, voll lihtheit und Würde. Das junge Liebespaar, der verkleidete Prinz Florizel und die unerkannte Prinzessin Perdita wurden durch Herrn melzer und Fräulein Wulf anmuthig und lustig dargestellt. Den Spißbuben Autolycus stattete Herr Bassermann mit seiner reihen und drastischen Komik aus. Dekorationen und Srsias glänzten in harmonischer Farbenpraht und boten auch den Blicken der Zuschauer eine märchen- hafte Augenweide.

Lessing- Theater.

Das Gasispiel des bekannten Wiener Schauspielers Dr. Rudolf Tyrolt, der gestern zum ersten Mal dem Berliner Publikum vorstellte,+ brahte auch gleichzeitig eine dramatische No- vität mit sich, welche ebenfalls der Donauftadt entstammt: „Das grobe Hemd“, Lustspiel in vier Aufzügen von C. Karl- weis. Die Bezeichnung „Lustspiel“ wäre vielleiht possender durh „Komödie“ zu erseßen, denn das Stück verfolgt zwar die ernsteren Ziele des Lustspiels, arbeitet aber auch mit den unwahrscheinlihsten Vorausseßungen, die man sich eigentlich nur im Schwank gefallen läßt. Der Verfasser will darin jene Phrasenhelden geißeln, welche, selbft vor aller Noth geborgen und un- fähig, den Kampf um das Dasein aufzunehmen, bei jeder Gelegenheit jene Schlagworte im Munde führen, welche die bestehende Gesellshaftéordnung als ein Produkt der Uagerechtigkeit und jedes ee für etne Frucht der Ausbeutung Anderer erklären. Als einen solhen Salon- Sozialisten durchshaut der reihe Wiener Bürger Schöllhofer seinen Sohn Max und ersinnt als wirksames Mittel, ihn zu kurieren, die List, thn mit der Armuth oder, bildlich gesprochen, mit dem „groben Hemd“ bekannt zu machen. Zu diesem Zweck giebt er vor, sein ganzes Vermögen in Spekulationen verloren zu haben, giebt \cheinbar sein elegantes Quartier auf und zieht mit der Familie in eine ärmlihe Wohnung. Hier soll der Sohn, der das Baufach erlernt hat, nunmehr durch seine Arbeit die Familie ernähren. Bald stellt sich aber seine Unfähigkeit dazu heraus. Daß nah dieser wirksamen Kur sich alles wieder zum Besten kehrt und das Stück \{ließlich mit den üblichen Verlobungen endet, versteht sich fast von selbst. Unter den Darfstellern zeichnete |\{ch vor allem der Wiener Gast, welcher den Schöllhofer gab, als Vertreter feiner und diskreter Komik aus. Sein Spiel bleibt in jeder Situation, ob sie ernst oder heiter is, natürlih uad einfach und ruft daher einen starken Eindruck hervor. Den Wiener Dialekt weiß er norddeutshen Ohren im allgemeinen verständlich zu mahen, obwohl in den hinteren Reihen des Parqueis manches nicht so leiht auf- efaßt und manche Klage darüber laut wurde. Den Sohn spielte Hire Stockhausen annehmbar, doch hätte er den dig zwischen feinen fozialistishen Ideen und feinem Dandythum no \härfer herausarbeiten können. Anmuthige junge Damen stellten Fräulein Jaeger und Fräulein Elfinger dar, auch Frau Pagay, sowie die Herren Nohland, Halm und Pfeil bildeten die übrigen Glieder des vortrefflihen Ensembles. Der Erfolg des Gastes und des Lust- spiels war ein starker. Der anwesende Verfasser des leßteren, Herr Karlroeis, wurde mehrfah hervorgerufen.

Konzerte.

Am Dienstag gab die Sängerin Ada Osann im Saal der Sing-Akademie ein Konzert, für welches jie etne reiche Zahl be- liebter Gesänge ausgewählt batte, und das fie mit ber altitalienischen Arie von Astorga „Morir voglio“ eröffnete. Es folgten dann Lieder von Schubert, Schumann, Brahms, Wagner, Liszt und Ritter in deren Ausführung die Sängerin eine wohlklingende, wenn au niht starke Sopeausticne und zugleich, was Reinheit der Intonation und Deutlichkeit der Aussprache betrifft, eine sorgfältige Ausbildung erkennen ließ. Auch war der Vortrag meist lebendig und warm empfunden. Unterstüßt wurde das Konzert durch die Pianistin Fräulein Mabel Seyton, die {on öfter hier konzertierte. Mit technischer Sicherheit, doch zu wenig interessanter Art des Vortrags spielte die Künstlerin Mozart's große Phantasie in C-moll und drei kleinere Klavierstücke von Paderewski, Brahms und Mogszkowski. An demselben Tage gab Herr Dr. Ludwig Wüllner im Saal Bech stein einenzweiten Shubert-Abend, Die Vortragskunst des Konzert- gebers war wie gewöhnlich der bessere Theil seiner Gaben, während der Klang und die Fülle der Stimme si niht immer dem Stimmungs- gehalt der vorgetragenen Lieder anshmiegen wollten; aber seine sinnige Vortragsweise, durch welhe feine Empfindung und warme Innigkeit glücklich vereinigt werden, sihern ihm den ungetheilten Beifall der Hörer. Neben bekannten Liedern u. a. aus dem Cyclus „Die Winterreise“ wurde das selten gehörte Mayrhofer’sche Lied „Einsamkeit“ aus dem Nachlaß des Komponiften sehr erfreulich zu Gehör gebrahht; es ist das eine der größeren Lieder- Kompositionen Schubert's, der hier durch abwechslungsreichen NRhythmus den Gesang besonders belebt, Die Begleitung am Klavier . führte Herr Professor Dr. H. Reimann mit bekanntem Kunst- verständniß aus. (

Im Saal Bechstein gab am Mittwoch der Pianift Herr Aredenie Lamond seinen zweiten Klavierabend, an welhem er unter

nderem die F-moll-Sonate von Brahms, den „Carnaval“ von Schumann und die Giga mit Variationen aus der D-mo1l- Suite von Raff zurn Vortrag brate. Seine Vorzüge Su vor kurzem bereits eingehender gewürdigt worden. In demselben Saale gab am Donners- tag die junge Sängerin Fräulein Else Pöhn (Mezzosopran) mit dem hier bereits bekannten Pianisten Max Landow vor zahlreiher Zu- hörershaft ein Konzert. Beide Künstler haben ihre Studien in dem Konservatorium von Klindworth-Scharwenka gemaht. Die Sängerin besißt eine wohlklingende, wenn auch niht starke Stimme, die Moge fältig geschult if. WIntonation und Deutlichkeit der Aus- sprade lassen nihts zu wünshen. Mit anmuthiger Art des Vore- trags, der sich jedoch dur fortgeseßte Studien noch zu größerer Freiheit heranbilden wird, trug fie Lieder von Schubert, Jensen, Brahms, Sommer und Anderen vor, die günstig aufgenommen wurden. Der Pianist êröffnete den Abend mit den Variationen von Brahms über ein Thema von Händel (op. 24), einem Werke, das mehr zu Studienzwecken als zum Vortrag im Konzertsaal geeignet erscheint, weil es empfindlide Längen hat, Mit {öônem Anschlag, perlender Klarheit in den Passagen und wohlgebildetem Ausdruck brachte er noch Stückte von Schumann, Flörsheim und Liszt unter großem Bei- * fall zu Gehör. Beide Künstler erfreuten außerdem noch dur einige Zugaben. Die Klavierbegleitung der Gesänge befand sich in den ge- \hickten Händen des Herrn Woldemar Sas.

Herr Dr. Otto Neißtzel, pianistisch als einer der vorzüglichsten : Vertreter der Kullak’shen Methode und als Musik-Schriftsteller in weiteren Kreisen bekannt, gab gestern im Saal der Sing-Akademie ein Konzert mit“ dem Philharmonischen OrcheskWM. Zum Vortrag gelangten nur drei Konzerte von Beethoven : Nr. 3 in C-mol1], Nr. 4, in G-dur, und das groß angelegte Es-dur-Konzert Nr. 5, das auch in tehnisher D IE das # wege unter den drei genannten G Die stets an dem Künstler gerühmten Vorzüge: unfehlbare

iherbeit und Klarheit des Spiels bei E Pedalgebrauch, traten auh an diesem Abend wieder in die Erscheinung; nur bei dem Es-dur-KRonzert wäre vielleiht eine etwas freiere und lebendigere Wieder- gabe möôglich gewesen. Das Publikum war in großer Zahl erschienen . und rief den verdienten Künstler nah jeder Nummer mehrmals dur - Beifall wieder auf das Podium zurück. Die als Sängerin und Gesanglehrerin vortheilhaft bekannte Frau Agnes - Szarka- Ahlers veranstaltete ebenfalls gestern im Konzertsaal, Pots- damerstraße 9, mit ihren Schülern und Schülerinnen einen Vor- trag8abend, der zahlreih besucht war und die trefflihe Lehr-

wechselten dabei mit Duetten und Sologesängen ab.

methode der genannten Künstlerin ins beste Licht stellte. Chorgesänge * i