1898 / 35 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Erof:handels - Durehsehnittspreise vou Getreide “gan agußerdeutscheu Börsen-Pläten für die Woche vom 31A. Januar bis 5. Febr.car 1898 nebst entsprechenden Angaben für die Borwoche. 1006 kg in Mark. {Preise für prompte [Loko-] Waare, soweit nit etwas Anderes bemerkt.) Mia E T E T e S erem

ärzt 2. Kl, Dr. Wagner, Unterarzt der Res. vom Landw. pv Stuttgart, Dr. Oesfterlen, Unterarzt im Inf. Regt. Kaiser Friedrith, König von Preußen Nr. 125, dieser unter Verseßung in das 2. Feld- Art. Regt. Nr. 29 Pra Nene Luitpold von Bayern, Koehle, Unterarzt im Feld-Art. Regt. König Karl Nr. 13, zu Assist. Aerzten 2, Kl, befördert.

Woch e Dagegen SL/1.bis E 0.0 1898 | woche 158,99| 156,38 927,00| 224,37 114,78] 113,89 180/24] 174/23

146,32] 144,48 222,41| 221,31 110,10} 110,06 136,03| 135,98

95,271 96,76 151,70| 154,11 103,33] 103,35

94,98| 94,77 145,33| 145,36

104,21] 104,23 155,66) 155,69

142,28| 141,82 233,22| 232,16

165,24] 167,14 175,51| 175,38

115,97 108,32 145,87

Roggen, Pester Boden zen, Theiß- i Bee Ae prima ; \slovakische : Budapest

Roggen, Mittelqualität

Weizen, er, erste, Malz- Roggen

Weizen, Saxonka E ie 4 6e

St. Petersburg

Roggen Mächien, Ulka

A, Me Ie (Mark Lange). Las U

engl. wei L 8, Weizen | «roth 164/87 b. Gazette averages.

ra vai ] englisches Getretde, D er j Mittelpreis aus 196 Marktorten

erste Liverpool.

168,88 165,54

161,70 123,79 155,61

164,99 188,89 178,83 176,71 180,23 183,98 170,61 122,90 108,32 141,24

99,21

95,30

158,01 166,42

163,34 126,25 157,56

166,95 189,46 178,45 176,79 181,02 185,24 170,70 122,36 112,54 144,45

96,13

95,75

153,68 158,09

Ghirka Oregon Californier Chicago Spring Northern Duluth Manitoba Spring Kurrachee, weiß, ordinär engl. weißer engl. gelber Californ. Brau- Canadische Schwarze Meer- Chicago. Weizen, Lieferungs-Waare des laufenden Monats . New-York. Weizen, Lieferungs-Waare des laufenden Monats .

Bemerkungen.

1 Tschetwert Weizen iff = 163,80, Roggen = 147,42, Hafer = 98,28 kg augenommen; 1 Imperial Quarter is für die Weizennotiz an der Londoner Produktenbörse = 504 Pfd. engl. gerechnet; für die Gazette averages, d. h. die aus den Umsfäßen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durbschnittêpreise für einheimishes Gee treide, ift 1 Imperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfd. engl. angeseyt. 1 Bushel Weizen = 60 Pfd. engl.; 1 Pfd. engl. = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen = 2400 kg,

Bei der Umrehnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tages-Notierungen im „Deutschen Neichs- und Staats- Anzeiger“ ermittelten wöchentlichen Dur(hschnitts.Wechsellurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, De Chicago und New-York die Kurse auf New-York, für St.

etersburg, Odessa und Niga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, ntwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze.

Personal-Veränderungen,

Königlich Preußische Armee,

Offiziere, Portepee-Fähnrihe x. Ernennungen, Beförderungen und Versezungen. Im aktiven Heere. Berlin, 3. Februar. Voigt, Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 144, in das: Inf. Regt. Nr. 155 verseßt.

Durch Verfügung des Kriegs-Ministeriums. 25, Ja- nuar. Koch, Zeug-Lt. vom Art. Depot Erfurt, zum Art. Depot Köln verseßt.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Berlin, 3. Februar. Gerdcke, Sec. Lt. vom Fuß-Art. Regt. von Hinderfin (Pomm.) Nr. 2, mit Pension nebst Auésiht auf Anitellung im Zivil- dienst der Abschied bewilligt.

Im Beurlaubtenstande. Berlin, 1. Februar. Lieb- mann, Pr. Lt. von der Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Gera, der Abschied bewilligt.

Beamte der Militär-Verwaltun g.

Durch Allerhöchste Patente. 13. Januar. Dr. Siegler- \chmidt, Prof. bei der Haupt-Kadettenanstalt, der Nang der Räthe 4. Ae Fulda, Overlehrer bei der Haupt-Kadettenanstalt, ter Charakter als Professor, verliehen.

Durch Verfügung des Kriegs-Ministeriums. 15. Ja- nuar. Peto, Noßarzt im Niederschles. Train-Bat. Nr. 5, in den Remontedepot-Verwalt. Dienst übernommen und zum Remontedepct- Ober-Roßarzt ernannt.

17. Januar. Hummel, Roßarzt vom Train-Bat. Nr. 16, auf seien Antrag mit Pension in den Ruhestand verseßt.

19. Januar. Sorge, Garn. Bauinsp. in Mey 1V, in die Lokal-Baubeamtenstelle nah Spandau I (Bauaufsihtsbezirk der Intend. der militärischen Institute), Knirck, Garn. Bauiusp. in Spandau I ai tsbezirk der Intend. der militärischGen Institute), in die

ofal-Baubeamtenstelle nah Bonn, Fromm, Garn. Bauinsp., teW- nischer Hilfsarbeiter bei der Intend. des XVI. Armee-Korps, in die Lokal-Baubeamtenstelle Meß 1V, zum 1. April 1898 verseßt.

24, Januar. Hellmer, Rechnungs-Rath, Belkleidungsamts3- Rendant vom 111. Armee - Korps, zum L. Armee-Korps, Ermisch, Bekleidungsamts.- Rendant vom I. Armee - Korps, zum II1. Armee- Korps, zum 1. Juli 1898 verseßt.

25. Januar. Peschke, Moßarzt a. D., der Charakter als Ober-Roßarzt verliehen. Sturm, Sonnewald, Wagner, Unter- Roßärzte der Landw., Harder, Sommermeyer, Schubarth, Haeder, Frede, Voß, Glaßner, Dexheimer, Mahlen- dorff, Stödter, Eberbach, Unter - Roßärzte der Res, zu Rokßâärzten tes Beurlaubteustandes ernaunt.

X11. (Königlich Württembergisches) Armee-Korps.

Im Sanitätskorps. 4. Februar. Dr. Schliephake, Stabse und Gaxn, Arzt în Zat zum überzähl. Ober-Stabs-

Deutscher Reichstag.

35. Sißung vom 8. Februar 1898, 2 Uhr.

Die zweite Berathung des Reichshaushalts-Etats für 1898 wird beim Etat der Nei chspost- und Telegraphen- E und zwar bei den einmaligen Ausgaben, fort- gesetzt.

Für den Um- und Erweiterungsbau auf dem Postgrund- stück in Guben ist eine erste Nate von 60 000 6 verlangt.

Abg. Prinz zu Schön aich - Carolath (nl.) tritt für die Bewilligung dieses Titels ein, dem das Haus auch ohne weiteres ufig.

Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäudes in S taß- furt ist eine erste Rate von 66170 # gefordert. Eine Petition des Magistrats von Staßfurt bittet, das Dienst- gebäude niht auf dem Grundstück des alten Postgebäudés, sondern auf einem anderen, von der Stadt bevorzugten Grund- stücke zu bauen.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Das seit 1879 angemiethete, in den 80er Fahren angckaufte Haus in Staßfurt, in dem fich zur Zeit die betreffende Postanstalt befindet, genügt nach. keiner Richtung hin. Dies ift nit allein von seiten der Verwaltungsbehörden hervorgehobèn, foudern auch die betheiligten Kreife der Stadt Staßfurt erkennen in vollem Umfang das dringende Bedürfniß, hier Wandel zu schasfen, an. Es ift aber im leßten Moment, wte der Herr Berichterstatter on hervor- hob, seitens der Stadt der Wuns ausgesprohen worden, man möge das Haus lieber auf einem dem preußishen Gifenbahnfiskus gehörigen Grunbstück erbauen, als auf dem zur Zeit dem Neichs- Postfiékus gehörigen Grundstück; ih habe sofort Kommissare dahin entsandt, und diese haben im Einvernehmen mit der Stadt festgestellt wie auc die vorliegenden Pläne ergeben —, baß das Haus unter Festhaltung des vorgelegten Bauentwurfs auch auf dem Eisenbahn- grundstück, welhes dem Wunsche der Stadt mehr entspricht, erbaut werden kann. Jh erbitte daher die Genehmigung des Reichstages nach der Nichiung hin, falls die Stadt- verwaltung dieses Grundfstück der Postverroaltung zur Verfügung Fellen kann, dieses gegen Austausch des bisherigen Grundstücks anzu- nehmen und auf thm den Neubau autzuführen, davon ausgehend, daß nah dem übereinstimmenden Gutachten der Stadtverordneten und der Bürger der Stadt Staßfurt dieses Grundfiück für die Interessen der Stadt günstiger liegt, als das bisher in unsrem Besiß befindliche. Ich betone aber ausdrücklich: es dürfen der Reichskasse aus diefem Austausch keinerlei Kosten erwachsen und unter Feslhaltung des in der Budgetkommission vorgelegten und heute noGmals auf dem Tisch des Hauses ausgeleaten Bauentwurfs.

Der Titel wird bewilligt.

Damit ist der Etat der RNeihs-Postverwaltung erledigt.

Ohne Debatte Be! das Paus hiérauf den Etat der Neichsdruckerei und erledigt sodann in dritter Lesung den Freundschaft3- und Handelsvertrag mit dem Oranzje-Freistaat.

Es folgt die Berathung des Etats des Auswärtigen Amts, und zwar des Titels „Gehalt des Staats- sekretärs“.

Abg. Nichter (fr. Volksp.): Ueber die Verhältnisse in Oft - Asien hat der Staatssckretär in der Budgetkommission einige nähere Mittheilungen gemacht. Namens meiner Freunde stehe ih nicht an zu erklären, daß wir die Erwerbung der Kiaotschau - Bucht anders und zwar günstiger anseh:-n als alle unsere Kolonialerwerbungen; denn China ift ein altes Kulturland, und es ist wüns{cheuêwerth, dort etnen festen Stüßpunkt zur Wahrung unserer Interessen zu besißen. Zunächst komint die Erwerbung dieser Bucht nur als Flotten- und Kohlenstation in Betracht. Deskalb wsinsGen wir die größte Beschränkung bei der Einrichtung der Station. Mir haben dort nur wirth\caftlihe Interessen zu vertreten, wir wünschen nicht, daß der Landerwerh in China ausgedehnt wird. Was uns über die Kiaotshau-Bucht mitgetheilt wird, läßt erkennen, daß dort gegenwärtig von Handel und Industrie nicht die Rede ist; die Bucht liegt abseits der großen internationalen Handelsstraßen des Ostens. Ob das Hinterland der Kiaotshau-Bucht einen Vortheil für uns haben wird, Täßt sich nicht übersehen, ebenso wenig, ob die Koßlen- vorräthe den Bergbau lohnen, Jedenfalls haben wir in China kein anderes Interesse ¿zu vertreten als das des Freihandels. Da England dieses Interesse auch dort gewahrt hat, so ergiebt sich eine íInteressengemeinshaft mit England. Mit Rußland if das nicht der Fall; denn Rußland \chließt sch ab; es verfolgt in Oft - Asien Interessen der politishen Mat im unmittel- baren Anschluß an feinen sibirischGen Besiß. Das Statut der russish- chinesischen Bahn bestimmt, daß die dur die Bahn nah China ein-

eführten Güter einem um & niedrigeren Zoll unterworfen werden tva als der Scezoll beträgt. Da wir einen Meistkegünstigungs- vertrag mit China baben, so kommt diese Vergünstigung do auch den deuten Waaren zu gute. Es hat uns gewundert, als 1895 Deutsch- land im japanisch-chinesischen Kriege intervenierte. Der Staatssekretär hat damals erklärt, daß dieses Zusammengeben niht Folgerungen für die Zukunft mit fih bringen würde. Was das Verhältniß zu China allgemein betrifft, so bewegt ich die Phantasie der Bevölkerung in Erwartungen, die weder icht noch überhaupt in absehbarer Zeit in Erfüllung gehen können. Man spricht davon, v dorthin cin Abfluß der Berölkerung von Deutschland möglich set. ber selbst Herr von Wissmann hat ausgeführt, daß dort die Arbeitskräfte so billig sind, daß deutshe Arbeitskräfte dort am wenigsten konkurrieren fönnen. Im Gegentheil, wir haben alle Urfache, uns gegen die Ein- wanderungen chinesisher Arbeitskräfte zu verwahren. Es giebt über- haupt kein Land, in dem die Dinge fo langsam reifen, wic in China. Die Zinslast für die Schulden. wird auf die Seezölle fallen, die in erster Linie die Europäer treffen; oder wenn fie den hinefiswen Kon- sumenten auferlegt werden, vermindern sie den Konsum. Japan hat \{chon eine sehr rentierende Kreditwirthschaft und nimmt daher niht europäisches Kapital auf; aber die Japaner ershließen ih in anderer Weise ter Kultur, als bie Chinesen. Deutschland ver- kauft auf den Kopf -der Chinesen- nur für 1 Nickel, auf den Kopf der Japaner aber für 1 4 Die eigene Industrie Japans hat ch entwidckelt. Unsere Politik, die in Ost-Asien nur ron wirthschaft- aftlichen Interessen bestimmt werden kann, muß darauf hinwirken, daß wir mit Japan in einem Freundschaftsverhältniß bleiben. Unfere Ausfuhr nach China und Fapan macht nur 29/9 der Gesammt- aubfuhr aus, sie wird niemals eine erheblihe Bedeutung für den Gesammthbandel erhalten können. Ich nehme an, daß der Staatssekretär weitere Mittheilungen den in der Kommission gemachten hinzufügen fann. Ift der mit China abgeslofsene Vertrag schon angekommen ? Sind die Verhandlungen wegen Erbauung einer Eisenbahn Gon vorwärts eschritten? Wie kommt es, daß die deutsche Besaßung fic in der

one des neutralen Gebiets aufhält, wo die Ermordung des Matrosen

Schulze erfolgt ist? Sind Verträge abges{chlossen üher vie Anl von settlements, in denen deutshe Kaufleute l niederlassen Ünnen î Es wäre zweckmäßig, wenn uns über die rechtlihen Verhältnisse dieser settlements, die für die Engländer bereits bestehen, eine Denkschrift vorgelegt werden könnte. Daß die deutshe Regierung al3 solche zur Vebernahme étaer Zinsgarantie geneigt sein könnte, karin ih nit an« nehmen; das würde allen Traditionen widersprechen.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats - Minister von Bülow:

Ich hatte gedaht, meine Herren, daß die Diskussion über Kiaotschau erst bei der Position Peking eröffnet werden würde. Ih freue mi aber, daß ich hon jeßt Gelegenheit finde, mich über eine Angelegenheit auszusprechen, welche die öffentlihe Meinung mit Recht lebhaft bes@äftigt und die für die Regierungen ein Gegenstand be- sondérer Aufmerksamkeit ist.

Und hierbei möchte ich einen Punkt vorwegnehmen. Es ist in der Presse, und es ift auch neulich in der Budgetkommission die An- iht hervorgetreten, als ob die Regierung bestrebt sei, über ihre auswärtige Politik, und namentlich über unsere ostasiatishe Aktion, einen S{leier auszubreiten. Es ist auch die Frage aufgeworfen worden, wie weit sich die Regierung berufen glaube, über den Gang ihrer auswärtigen Politik Auskunft zu ertheilen. Auf diese Frage möchte ich mit dem Worte antworten, mit dem in meiner Studien- zeit ein hervorragender Professor der Theologie seine Vorträge über subtilere Themata einzuleiten pflegte, nämlich mit dem Worte: Distinguo, ich unterscheide. Ueber alle Phasen einer auswärtigen Aktion, und besonders über die Anfangsphafen einer solGen, und ganz besonders über vertraulihe Negotiationen mit anderen Mächten, kann kein Minister der Welt vorzeitige Mittheilung machen (sehr richtig), und weun er es thäte, würden seine Kollegen, die übrigen Minister des Acußern, nicht mehr mit ihm verhandeln wollen, Er kann dies nit ungefähr aus denselben Ursachen, aus denen der Rechtsanwalt nit über jedes Stadium seines Prozesses und der Arzt niht über jede Erscheinung einer Krankheit seinem Klienten referieren kann. Ich kann nicht einmal beim Whist meinem Partner Aufschlüsse geben über jeden Zug. Wohl aber bin ih verpflichtet, hinterher zu sagen, was ih mit meinen Trümpfen angefangen habe. Setien Sie versichert, meine Herren, daß wir uns unserer Verantwortung gegenüber dem Lande sehr wohl und sehr ernsthaft bewußt sind, und daß wir nie daran gedacht haben, Versteck spielen zu wollen !

Ich mußte mich aber, nah Lage der Verbältnisse, als ich Anfang Dezember zum ersten Mal die Chre hatte, vor diesem hohen Hause zu erscheinen, darauf beschränken, hervorzuheben, daß wir weder in Abenteuer hineindampfen, noch irgendwie den Frieden stören, noch irgendwem zu nahe treten, sondern lediglich die Rehte und Interessen s{ütßen wollten, die wir in Ost - Asien besißen. Die Entsendung unseres Kreuzergeschwaders nah Kiaoischau war eben nicht eine Im- provifation, sondern sie war das Ergebniß reifliher Erwägung und Abwägung aller Verhältnisse und der Ausdruck einer ruhigen, ziel- bewußten Politik.

Hierüber Tann ich heute Folgendes sages. Wir waren uns {on vorber nicht in Zweifel darüber, daß wir in Ost-Asien einen terri- torialen Stühpuünkt brauchten. Ohne einen folchen würden wir dort in wirts{haftliher, in maritimer und in allgemein politischer Hiosicht in der Luft \{chweben. In wirthschaftlitßer Beziehung brauen wir eine Eingangsthür zu dem chinesischGen Absfaßhz- gebiete, wie Frankreih eine fol@e ‘in Tongking, England in Hongkong und Rußland im Norden besitzt. Das chinesishe Neich mit seiner riesenhaften Bevölkerung von nahe an 400 Millionen Menschen bildet einen der zukunftreihsten Märkte der Welt; von diesem Markte durften wir uns nicht ausschließen, wenn wir wirthschaftlich und damit politis, materiell und damit moralisch voran wollten. Wir mußten vielmehr dafür sorgen, daß wir dort unter gleihen Chancen mit anderen Völkern zugelassen wurden. Gerade weil die mächtig arbeitende deutsche Industrie auf vielen europäischen und niht europäischen Pläßen mit großen und wachsenden Schwierigkeiten kämpft, wo sich ihr leider manche Länder ganz oder theilweise verschließen, betrachteten wir es doppelt als ursere Pflicht, dafür zu sorgen, daß uns für die Zukunft wenigstens zer chinesische Markt erhalten blieb, nach welhem sih unsere Ausfuhr seit 10 Jahren verdreifaht hat. Die Konzessionen, welche die chinesische Regierung den Unterthanen anderer Mächte gemaht hatte mit Bezug auf die Anlage von Eisenbahnen und Ausbeutung von Bergwerken legte uns die Erwägung nahe, ob es nicht im wohlverstandenen und wohlberechtigten Interesse der Entwickelung unserer Beziehungen zu China liegen würde, wenn deutsche Staatsangehörige analoge Kon- zessionen erhielten. Solche Konzessionen haben wir erhalten ; ih werde soglei auf dieselben zu \prehen kommen.

Ohne einen territorialen Stüßpunkt würden aber alle deutschen Unternehmungen in China im leßten Ende Anderen mehr zu gute kommen als uns, ohne etnen folhen würden unsere technischen und kommerziellen Kräfte fih zersplittern, wit einem Wort, würde deuts{che Arbeit und deutsche Intelligenz, wie dies früher oft genug der Fall war, für anderer Leute Aecker: den Dünger liefern, statt unserenZeigenen Garten zu befruchten. (Sehr richtig, sehr gut!)

In maritimer Hinsiht war der Erwerb einer Station ein Bes dürfniß für unsere Flotte. Die Größe und der Umfang unserer oft- asiatischen Handelsinteressen machen dort die dauernde Anwesenheit eines Geshwaders erforderlih. Dieses Geshwäder aber braucht einen Hafen, wo deutshe Schiffe, ohne von dem guten oder auch marnchmal weniger guten Willen fremder Regierungen und fremder Verwaltungen abhängig zu sein, au2gerüstet, verproviantiert und im Nothfalle aus- gebessert werden ‘können. Das Anseben und die Schlagfertigkeit unserer Flotte wird verdoppelt, wenn dieselbe niht mehr heimathlos umhers{chwimmt, sondern als Hauptquartier einen Hafen hat, wo sie zu Hause ist.

In allgemein politisher Hinficht brauche ich nur daran zu er- innern, daß Frankrei in Tonking festen Fuß gefaßt hat, England seit lange in Hongkong sißt, Rußland am Amur steht, während felbst Spanlfen, Portugal und Holland im fernen Osten seit lange eigenen Boden unter den Füßen haben. Wo alle diese Mächte zu ihrem augenf{cheinlichrn Vortheil sih Stüßpunkte gesichert haben in Oft-Asien, mußten wir dasselbe thun, wenn wir niht dort eine Macht zweiten oder vielmehr dritten Ranges bleiben wollten. (Sehr richtig!)

Dazu trat noch eine Erwägung. Außer der allgemeinen Pflege unserer politifchen und wirthschastlihen Interessen in Ost-Asien liegt uns dort au der Schuß, der sich im Jnunern Chinas oder in den geöffneten Häfen aufhaltenden. Fremden und namentlich der Missionare ob. Es würde meiner Empfindungsweise widersprechen,

_ eine Ghre,

wenn ich Gefühle und namentlih die heiligften Gefühle, welche es

giebt, religiöse Gefühle, verquicken wollte mit realen Interessen. Aber nachdem das Reich den Schuß über die christliGen und katholischen Missionen in Sbantung übernommen hat, und wo wir die Ausübung dieses Schuyes nicht allein als eine Pflicht betraten, sondern au als mußte es {wer für uns ins Gewicht fallen, daß der Vorsteher dieser Missionen, der Bischof Anzer, uns auf das Un- zweideutigste erklärte, daß unsere Festseßung in Kiaotshau eine Lebens- frage sei, niht nur für das Gedeihen, sondern geradezu für den Forts bestand ver chinesishen Mission. Wo es in der Theorie für uns feststand, daß wir einen Stüßpunkt in Ost-Asien gebrauchen, kam es für die praktische Politik darauf an, daß wir einerseits für die Erwerbung dieses Stübßpunktes den rihtigen Augenblick aus\suchten- andererscits dieselbe durchführten, ohne dadur in Verwicktelung zu gerathen mit anderen in Ost-Asien gleichfalls interessierten europäischen Mächten und mit den beiden oftasiatishen Reichen von China und Sapan.

Neber den ersteren Punkt, die Wahl des rihtigen Augenblids, möchte ich mich nit weiter verbreiten. Jh meine aber, daß, wenn unsres Lebens {wer Geheirnniß, wie der Dichter gesagt hat, im all- gemeinen liegt zwischen Uebereilung und Versäumniß, im vorliegenden Fall die richtige Mitte und der richtige Moment erfaßt wurden, und daß wir vorbeigekommen sind an der Scylla und an der Charybdis mens{licher Entschließungen.

Was unsere Festseßung in Kiaoischau angeht ohne unangenehme Friktionen mit anderen Mächten, so kann ih wiederholen, was ich \@on in dex Kommission gesagt habe, daß durch ‘dieselbe unsere Be- ziehungen zu keinem anderen Staat getrübt worden sind, wie das auch nit anders möglich war bei der absoluten Loyalität, Friedfertigkeit und maßvollen Selbstbeshränkung unseres Vorgehens. Wir befinden uns im Einklang mit Rußland, dessen Interessen in Europa nirgends die unserigen durchkreuzen (Bravo !), in Ost-Asien vielfa "mit den- felben parallel laufen, und dessen natürlihe Machtentwickelung wir als aufrichtige Freunde mit neidloser Sympathie begleiten. (Lebhafter Beifall.)

Wir finden es natürli und begreiflich, wenn Frankreich von Tongking aus neue Verkchrswege sucht. Und wir sind endlich weit dayon entfernt, irgendwie oder irgendwo berechtigten englishen Interessen entgegentreten zu wollen. Wenn nicht von feiten der englischen Regierung, aber in einzelnen Organen der englischen Presse zeit- weise die entgegengesezte Auffassung hervorgetreten ist, so ftand dieselbe im Widerspruß mit den thatsählichGen Verhältnissen: Glüdlicherweise ist man sich in Londen an allen maßgebenden Stellen nicht im Zweifel darüber, daß wir im Junteresse beider Läader, im &nterefse des Kulturfortschrittes der Menschheit und im Jrteresse des Weltfriedens ein harmonisches Zusammenwirken auch mit Groß- britar nien für ersprießlich halten. (Lebhafter Beifall.) China gegens- über haben wir unsere Forderungen in so moderierten Grenzen ge- halten, daß diefclbzn weder dec chinesischen Regierung Anlaß zu berechtigten Ausstellungen gaben, noch gar die inuere Kohäsion oder den Fortbestand des chinesischen Reichs gefährden konnten.

Den vollständigen und genauen Text des am 4. Januar durh Notenaustaush mit China abges{chlossenen Abkommens kann ih Ihnen leider noch nit vorlegen, aus dem einfahen Grunde nit, weil ein Brief von Peking nah Berlin über sech8 Wochen unterwegs ist. Da- gegen habe ich infolge der in der Kommission an mi herangetretenen dankenswerthen Anregung unsere Vertretung in China telegraphisch zu genaueren Mittheilungen aufgefordert, und aus der Vergleihung der mir seitdem zugegangenen Meldungen mit meinen eigenen In- siruktionen kann ich heute in Vervollftändigung der seiner Zeit votn „Reichs-Anzeiger“ gebrachten Mittheilung den annähernden Worllaut des Abkommens mit China, wie folgt, zu Ihrer Kenntniß bringén :

Die Kaiserlich chinesishe Regierung, um den berechtigten Wunsch der deutschen Regierung zu erfüllen, ebenso wie andere Mächte in den oftasiatischen Gewässern cinen Punkt zu besißen, wo deutsche Schiffe ausgebessert und ausgerüstet, die Materialien und Vorräthe dafür niedergelegt, sowie sonstige zugehörige Einrichtungen getroffen werden können, überläßt der deutshen Regierung pacht- weise vorläufig auf 99 Jahre das auf beiden Seiten. des Eingangs der Bat von Kiaotschau ‘in Süd-Shantung belegene, weiter unten näber bestimmte Gebiet, dergestalt, daß es der deutschen Regterung freistehen soll, innerhalb dieses Gebictes alle nöthigen Baulichkeiten und Anklagen zu errihten und die zu deren Schuß erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Das der deutschen Regierung verpachtete Gebiet besieht, unter Zugrundelegung der englishen Seekarte der Kiaotschau-Bai vom Jahre 1863, aus:

l) der Landzunge nördlih des Eingangs der Bai,, abgegrenzt gegen Nordosten durch eine von der nordöstlichen Spiße von Potato íéland bis zur Meeresküste in der Richtung auf Lofhan gezogene gerade Linie,

2) ter Landzunge \üdli des Eingangs der Bai, abgegrenzt nach Südwesten dur eine vorm \üdlichsten Punkte der südsüdwestlih von Tschiposan befindlichen Einbuhtung in der Richtung auf die Tolosan-losan-Jnseln (Waebersche Karte) bis zur Meeresküste ge- zogene gerade Linie,

3) den Inseln Tschiposan und Potato JIslaad, sowie sämmt- lien vor dem Eingang der Bucht gelegenen Inseln einschlteßlich Tolosan und Seslientau.

Außerdem verpflichtet sich die chinesishe Regierung, în einer Zone von 50 km im Umkreise rings um die Bucht ketne Maß- nabmen oder Anordnungen ohne Zustimmung der deutschen Re- gierung zu treffen und insbesondere einer etwa nothwendig werdenden Regulierung der Wasserläufe keine Hindernisse entgegenzuseßen. Auch gewährt die chinesisGe Regierung den deutshen Truppen ein Durch- marschrecht dur die bezeihnete Zone.

Um jeder. Msglihkeit von Konflikten vorzubeugen, wird die chinesishe Regierung während der Pachtdauer im Pachtgebiet Hoheitsrechte niht ausüben, sondern sie überläßt dieselben ebénso wie die Hoheit2rechte auf der gesammten Wasserfläche der Kiaotschau- Bucht der deutschen Regierung. Die deutsche Regierung wird auf dea Inseln und Untiefen vor dem Eingang der But Seezeichen errichten.

4) Im Falle, daß das an der Kiaotschau-Bucht erpahtete Ge- biet si für die Zwecke der deutshen Regierung niht passend er- weisen sollte, wird die chinesische Regierung der deutshen Regierung einen besser geeigneten Plaß gewähren und das Kiaotshau-Gebiet

unter Ersaß der von dér deutschen Regierung dort gemachten Auf- wendungen zurücknehmen. |

5) Eine genauere Feftsezung der Grenzen des Pachtgebiets und der deutschen Zone nach Maßgabe der örtlihen Verhältnifse soll dur Kommissare der beiden Regierungen erfolgen.

Hierzu möchte ich noch nachfstehende erläuternde: Bemerkungen machen,

I, Das Pachtgebiet, defsen genaue Grenze noch nicht festgestellt ist, wird einen Flächeninhalt von 30 bis 50 gkm haben. Es ift also wesentlich größer, als der englishe Besiß auf und gegenüber Hongkong.

IT, Die Lage des Paltbesitzes und die ungefähre Ausdehnung der deutschen Zone ergiebt die von mir der deutshen Kommission vorgelegte Spezialkarte. Diese Karte is nur insofern zu berichtigen, als, wie nachträglih bekannt geworden ist, aus militäris@ßen Gründen die nördliche Land-Grenzlinie um einen {malen Streifen weiter vorgeshoben worden ist, als in der Karte gezeichnet.

ITI. Darüber, welWe Einwohnerzahl der deutsche Besiß hat, fehlt noch genauere Angabe. Es. liegen daselbft einige kleine Dörfer, in denen eine chinesishe Bevölkerung von ein paar Tausend Köpfen wohnen dürfte. ,

IV. Ueber die Größe der Bat liegt eine auf ganz exakten Ver messungen beruhende Angabe bis jeßt nicht vor. Dieselbe s{chneidet bis 20 Seemeilen in das Land ein. Ihre Einfahrt isff an der \{malsten Stelle noch immer 3000 m breit, Als Hafen benußbar find zwei Dritttheile der Bucht, und zwar die südlihen, au unserem Gebiet belegenen in einer Ausdehnung von etwa 90 Quadrat- Seemeilen.

V, Veber die Höhe des an China zu zahlenden Pachtzinses steht noch nichts Genaues fest. Jedenfalls brauchen wir uns hier- über keine grauen Haare wachsen zu laßen. Der zu zahlende Paltzins wird keinesfalls erheblich sein, denn derselbe foll nicht etwa den Entgelt für das verpahiete Land bedeuten, sondern eine Formalität von der Art des den Juristen bekannten Rekognitions- zinses zur Anerkeanung des für den Kaifer von China fortbestehen- den ideellen Eigenthums.

Das Abkommen wegen der Sühne für die Missionare habe ich bereits der Budgetkommission vorgelegt.

Ueber Eisenbahn- und Bergwerkékonzessionen ist Nachstehendes stipuliert worden :

Die chinefische Negierung hat zugesagt, einer zu bildenden deutsh-chinesishen Eisenbahngesellshaft den Bau einer Eisenbahn von Kiaotshau aus zunächst nordwäcts und dann westwärts bis zum späteren Anschluß an das projektierte große chinesishe Eisen- bahnnetz zu übertragen. Die Bahn soll so gelegt werden, daß fie namentlich die im Norden von Kiaotshau belegenen Kohlenfelder von Weihsien und Poshan berührt. Die Ausbeutung dieser Kohlen- lager soll deutschen Unternehmern zugestanden werden.

Die cinesische Regièrung hat fh ferner verpflichtet, der zu bildenden Eisenbahngesellschaft mindestens ebenfo günstige Bedingungen zu gewähren, wie sie irgend eine andere europäis{-chinesische Eisen- bahngesellshaft in China erhalten hat.

Weitere Verhandlungen, die theils eine Ausdehnung dieser Konzessionen in gewisser Richtung, theils deren genaue Fixierung im einzelnen zum Ziele haben, {weben noch. Der Stand diefer NBerhandlungen ift kein ungünstiger.

Meine Herren, ih möhie besonders konstatieren, daß wir auf- richtig die Wohlfahrt von China wünschen, und wir wünschen den Fortbestand von China. Ich glaube au nit, daß dieses alte Neich von heute auf morgen auseinanderfallen wird, und ih habe einem wiß- begierigen Diplomaten, der mich frug, wie lange ih glaube, daß das chinesishe Reih noh beftchen würde, ers vor wenigen Tagen geant- wortet: das chinesishe Reich bestehe nun hon seit -4377 Jahren, und i sehe gar keinen Grund ein, warum das nicht noch wenigstens 3000 Jahre so weiter gehen solle. (Große Heiterkeit.) Wir denken {ließlich ni%t daran, dem japanischen Volke zu nabe treten zu wollen, defsen rasche Entwickelung und hohe Begabung Europa Achtung einflößen,

Ih möchte noch ein Wort sagen über die Wahl von Kiaotschau. Unter den Gründen, die uns veranlaßt haben, gerade nad) Kiaotshau zu gehen, ftand neben der Nothwendigkeit des Schußes für unsere Missionare die \chon von mir in der Budgetkommission angedeutete Erwägung im Vordergrund, daß wir dort von der ecnglishen und der französishen Aktionssphäre wie von der russischen Operationsbasis gleich weit entfernt find und somit durch unsere Festseßung dort die Intereffen jener Mächte nicht tangieren. Im übrigen stimmten die Berichte aller zuver- läfsigen und sahverständigen Kenner der oftasiatischen Verhältnifie darin überein, daß Kiaotschau als Hafenplayz, als Klima und Hinter- land, in moritimer und ökonomischer Hirsicht, als Lage und Um- gébung gerade diejenige Position ift, die wir in Ost-Asien gebrauen. Gewiß, wenn es in China einen idealen Punkt gäbe, der nur Licht- sciten bätte und keine Schattenseiten, dessen Erwerbung gar keine Schwierigkeiten verursahen und dessen Entwickelung gar keine Kosten bereiten würde, so hätten wir uns fiherlichß dorthin ge- wandt, (Heiterkeit.) Ein solches Utopia existiert aber in China nicht. Wir leben în einer realen und unvollklommenen Welt und mußten mit den gegebenen Verhältnissen renen. Unter den erreih- baren und vorhandenen Pläßen war Kiaotshau, alles - in allem, weitaus der geeignetste. Kiaotschau bietet den Vorzug einer sehr großen und dabei durch ihre Einfahrt doch leiht zu vertheidigenden, eisfreien, tiefen, in abschbarer Zeit nicht mit Versandung be- drohten Bucht, welche auch bei s{lechtem Wetter vollen Schuß geroährt und mehr als genügende Unterkunft für jede Kriegsmarine, wie für den bedeutendsten Handelsverkehr. Es besißt eine zentrale Lage zwishen den Golfen von Japan, Petschilt, Korea und den Mün- dungen des Jantsekiang. Es besitzt für chinesische Verhältnisse ein gutes Klima, vielleiht das beste in China. Es besißt vor allen anderen hincsishen Häfen den Verzug, Steinkohlen in seiner Nähe zu haben: Die Herstellung von Eisenbahnverbindungen zwischen Kiaotschau und den Kohlenlagern von Shantung und bis zum Hoangho ist nicht ver- knüpft weder mit erheblihen technischen noch mit unverhältnißmäßigen finanziellen Schwierigkeiten. Für die Herstellung dieser Eisenbahn- verbindungen wie für die nothwendigen Hafenanlagen renen wir auf die Mithilfe des deutshen Privatkapitals. Wo geerntet werden foll, muß au gesäct werden. Wir glauben aber, daß ¡das Samenkorn, welches wir bei: Kiaotshau in den Boden senken, Frucht bringen wird.

Setbenfalls werden wir dasselbe sorgsam pflegen, wir werden nach

Möglichkeit darauf hinwirken, daß Risiko und Gewinn, Einsaß und Ertrag im richtigen Verhältniß bleiben. Wir werden vorgehen obne Veberhastung, aber auch ohne kleinlihe Engherzigkeit, stetig, besonnen, Schritt für Schritt, nit als Conquistadoren, aber auch nit als Kalkulatoren, sondern, wenn ih mich so ausdrüdcken darf, als tüchtige und kluge Kaufleute, die, wie weiland die Makkabäer, die Waffe in der einen Hand haben, in der anderen aber die Kelle und den

Spaten. : Meine Herren, ich glaube, daß ein Diplomat noch sorgfältiger

als andere Menschen sich hüten soll vor ängstlicher Schwarzseheret wie vor trügerishen Sllusionen und daß er garnicht ruhig und fachlich und nüchtern genug urtheilen kann. Jch habe keine Lufts{ch{lösfer vor Shnen aufgeführt und mih jeder Schönfärberei enthalten. Ih bin aber überzeugt, daß die Erwerbung von Kiaotshau der Ausbreitung christlichen Glaubens und chriftlicher Eesittung zum Segen gereichen und daß sie förderlih sein wird für die wirthschaftlihe Entwickelung und für die politishe Machtstellung des deutschen Volks. (Wieder- holtes lebhaftes Bravo.)

Unter-Staatsfekretär im Auswärtigen Amt, Dr. Freiherr von

Rithofen: Auf zwei spezielle Anfragen des Herrn Abg. Nickter

möchte ih dahin antworten, daß über den Abschluß einer chinesischen

Anleihe zwischen der deutschen und der chinefishen Regierung Ber-

handlungen nit E haben, die Frage einer Garantie seitens

Deutschlands also nit in Betraht gekommen ist. Was die Denk-

\hrift über die settlements betrifft, so ist dieselbe der in der Budget-

kommission gegebenen Zusage entsprehend in Vorbereitung und wird

baldthunlich|t dem Neichstage vorgelegt werden.

Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Rath

Reichardt: Meine Herren! Der Herr Abg. Richter hat die Frage

geftellt, ob dem Auswärtigen Amt bekannt sei, daß zwischen Nußland

und China ein Abkommen bestehe, wonach die Zölle beim Import

von Waaren über die chinesische SONISEnE sich um ein

Drittel billiger stellen, als es die Zölle an der Seegrenze

find. Dieses Abkommen is uns längst bekannt. Stellung

dazu zu nehmen, haben wir bisher keinen Anlaß gevans,

weil es praktis für die deulshen Interessen bisher nit fühlbar ge-

worden ist und deshalb auch keinerlei Reklamationen an uns heran-

getreten sind, vorautsihtlich deshalb nicht, weil eine Konkurrenz

zwischen den jene Vergünstigung genteßenden Waaren und den

deutshen Waaren nicht hervorgetreten is. Dieses Abkommen enthält aber auch theoretisch keinen Bruch mit dem Metitbeglntgungpanse:

denn die Vergünstigung, fum die es sich handelt, ist keine nationale,

sondern eine Scogvbildie eine Vergünstigung, welche die Waaren jeder VNiation, auch deutshe Waaren genießen würden, wenn sie für

den Import den Weg über die Landgrenze wählten. Wir haben in. dieser Beziehung aber selbstverständlih volle Aktionsfreiheit, und wenn sich mit der Zeit und der frübeste S wird voraus-

sihtlih der sein, wo die sibirishe Eisenbahn fertig gestellt oder ihrer Vollendung nahe is virtuell jenes Abkommen als ein Mittel herauéstellen sollte, die Meistbegünstigung zu umgehen, dann wird

Deutschland nicht anstehen, von seiner Aktionsfreiheit Gebrau zu

machen. Uebrigens möchte ih noch den Herrn Abg. Richter darauf hinweisen, daß das Prinzip A Abkommens kein so extraordinäres ist; wir wenden es in Deutschland selbs auch an, indem gewisse Waaren bei dem Eingang über die Seegrenze anders behandelt werden

als beim Eingang über die Landgrenze.

Abg. Bebel (Soz.) führt aus, der Eiwerb von Kiaotshau werde für Deutschlands Handel und Industrie weit nußbringender fein als die anderen Kolonien; das deuishe Kapital werde dabei niht zu Schaden kommen. Gtwas anders Tiege die Sache für die deutshen Arbeiter. Die Situation werde zur Durchbringung der Marine- vorlage ausgenußt werden; die Ausgaben für die Ausbauten und Aus- rüstungen, für die Stationterung von Schiffen 2c. würden sehr er- hebliÞ werden. Das sei für die Belastung der deutshen Arbeiter sehr bedenklih. Je mehr deutshes Kapital nah China gehe, desto mehr werde die chinesishe Industrie sich selbst entwickeln jum Schaden der deutshen Industrie. Englishes Kapital habe in Indien cine große Baumwollenindustrie geschaffen, während die englishen Weber am Hungertuhe nagten. Jedenfalls sähen die deutshen Terxtil- industriellen, insbesondere die Seidenfabrikanten, mit Bangen auf die chinefishe Eniwidelung. Die Forcierung des Auslandshandels stehe im Widerspruch mit der ganzen inländishen Wirthschaftspolitik. Deutsche Produkte würden zu den CENINER Preisen auf den Weltmarkt geschleudert, während fie in Deutshland hoch im Preise gehalten würden. Der Erlaß des Grafen Posadowsky wegen Cs ung des Koalitionsrechts -der Arbeiter stehe mit dieser Politik im engsten gla e; denn er folle den deutshen Fabrikanten die billigen Arbeitskräfte sichern. Auf die Dauer sei aber eine solhe Politik der Begünstigung des Exports und der Vertheuerung der Lebensmittel niht durchzuführen. Schließlih nähere sich noch die Gefahr, daß die Chinefen als Arbeiter für die Landwirthschaft importiert würden.

Abg. von Kardorff (Rp.): Der Vorredner hat uns eine Menge von Dingen erzählt, die jedem bekannt sind, der si mit wirthschaftlihen Dingen beschäftigt. Glaubt der Borredner, daß es einen wesentlihen Einfluß auf unsere Verhältnisse aus- üben wird, wenn dieser Plaß, den wir beseßt halten, von einigen deutschen oder einigen englischen Unternehmern eingenommen wird? Wir werden nur erreihen, daß wir für cine große Menge von Produkten, die in China nicht produziert werden können, Absay finden. Es wird z. B. noch lange dauern, ehe sch in China eine Eisenindustrie entwickelt. Er sieht die Sache falsch an, wenn er meint, die Arbeiter hätten keinen Vortheil davon, sondern nur die Kapitalisten. Herr Bebel soll sich doch nur die Arbeitslöhne ansehen; sie find mit dem fteigenden Export gestiegen, und zwar genau tn demselben Prozentsay wie die Preite. Wir s Ihnen (zu den Sozialdemokraten) doch nit, was Sie vor- ringen, und die Arbeiter werden mit der Zeit auch dahinter kommen. Der Zug nach Kiaotschau hat ein besonderes Vertrauen in der Be- völkerung hervorgerufen. Es war wieder ein Wehen Bismarck'schen Geistes zu bemerken. Herr“ Richter, dessen „Freisinnige Zeitung" recht auffällige Artikel gebracht hat, hat beute unter dem Eindruck der allgemeinen Meinung die Sache etwas anders beurtheilt. JIch hoffe, daß er auch bezüglich der Flotte mit der Zeit etwas andere Meinungen äußern wird als bisher, da die Forderungen für die Flotte - von der übergroßen Majorität des Volkes unterstüßt werden. Herr Richter ift mit seinen wirthschaftlihen Anshauungen zurückgeblieben. Selbst in England hat man die Politik des Geschehenlassens aufgegeben. Der do wirlbschaftsrath hat anerkanut, daß die Handelsverträge der Land» wirtbshast keinen Nußen, sondern Schaden gebraht haben. Der Schu der nationalen Arbeit wird sich nach den künftigen Wahlen hier noch stärker befestigen, als er \chon jeyt. is. Wenn ih der deutshen Industrie dort ein Absaßgebiet eröffnet, so werden die Ju- dustriellen davon absehen, die Landwirthschaft durch Herabseßung der Agrarzölle zu \chädigen. a kann nur die Hoffnung aussprechen, gas die entf onene, ruhige Vertretung deutsher Interessen, wie sie sh durch die Erwerbung von Kiaotshau gezeigt, auch in Zukunft en ju Tage treten möge. Das Deutsche Reih wird davon BVor-

aben.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Jh will mi nicht in den Zusarimen- hang zwischen auswärtiger Politik, Koalitionsrecht u. f. w. U, es geht uns- dafür das volle Verständniß noch ab. Namens me politischen Freunde habe ih mich zu der Mez zu äußern, die den heutigen Verhandlungsta erti: ie Besizergreifung von Kiaotshau. Jch folge Herrn Bebel nicht in der Kritik der Kaiserliche Reden. Es kann uns zwar niemand verwehren, Seine Majestät Suiettge u nennen, aber altes ommen und gute parlamentarif Sitte {ließen es aus, die T on im Parlament einer

terziehen. Auders liegt es lih d : deutscher Offer und Kommandant eines beutshen Geschwaders ift, Ér hat