1898 / 35 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

diiltiit ten uta Hte mai G i E L I N I

Iso das Thatsächliche. Wie es nun gekommen if, daß

olhes Gerücht hat entftehen können, daß der Erzbischof von Köln Strohflehten beschäftigt worden fei, damit hat es folgende Be-

wandtniß. Es werden in dem Gefängniß zu Köln Listen geführt über

die Beschäftigung der Gefangenen, darunter au eine Liste, die auf der ersten Seite die Ueberschrift trägt „Strohflehter“. Jn diese Liste ift qus einem nit aufgeklärten Versehen der Erzbischof von einem Unterbeamten eingetragen worden (Heiterkeit), aber mit dem ausdrücklihen Zusaß: „Selbstbeköstigung, niht be- schäftigt“. Ih vermuthe, daß durch diese ungenaue Eintragung dur untere Gefängnißbeamte oder sonstige Leute, denen der Sachverhalt nicht bekannt gewesen is, nun dieses Gerücht zu einer Thatsache sich verdichtet hat, obglei es in Wirklihkeit des Grundes vollständig entbehrt. Nah dem amtlihen Bericht des Gefängniß-Direktors hat der Erzbischof von Köln bei seiner Entlassung in einer längeren An- [präche den Beamten seine Anerkennung für die s{chonende und rück- sichtsvolle Behandlung ausgesprochen, die ihm währeud seiner Straf- haft zutheil geworden ist.

Die Mittheilungen, wie sie im Reichstage gemacht sind, sind ja ohne Zweifel geeignet, Beunruhigung in weiten Kreisen der Be- völkerung und unrichtige Anschauungen über das, was in der preu- ßishen Gefängnißerwaltung - mögli sei, hervorzurufen. Jch habe nit den mindesten Zweifel, daß die Herren, welche diese Mittheilung weiter verbreitet haben, sih dabei in vollem guten Glauben befunden habèn. Um so weniger zweifle ich aber au daran, daß fie sih freuen werden, wenn sie nah dieser Klarstellung in der Lage sein werden, die falschen Anschauungen über das, was in Bezug auf den Erzbishof von Köln geschehen ist, zu berihtigen und zu widerlegen; und ih glaube, daß sie sich damit ein Verdienst um die allgemeine Stimmung im Lande erwerben. (Bravo!)

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Hoffentlih läßt der Minister künftig solche falschen Gerüchte fofort dur die offizielle Presse dementieren.

Justiz-Minister Sch önstedt :

Auf die dankenswerthen Anregungen des Herrn Abg. Nickert kann ih nur erwidern, daß ih jede derartige Klage, die an mich entweder direkt oder durh Preßausschnitte gelangt, verfolge nnd zum Gegen- stand einer Aufklärung mae. Alle Dinge zu berichtigen, die si in den Zeitungen finden, wäre eine unlöslihe Aufgabe ; denn gerade über das, was auf dem Gebiete der Rechtspflege, der Justizverwaltung und des Strafvollzuges geschieht, wird so viel Unrichtiges ges{chrieben ih will nicht sagen, wider besseres Wissen, es mag manhmal auf mangelndem Verständniß oder ungenügen- der Einsicht beruhen daß ih, wenn ih alles berihtigen wollte, dazu ein besonderes Bureau einrichten müßte. Das stände aber niGt im rihtigen Verhältniß zur Bedeutung dieser Sachen. In ‘einer ganzen Reihe von Fällen hat sich herausgestellt, daß die Sache unrihtig war. Jh habe mir dann die Frage vorgelegt, ob es am Plaße sei, noch eine Berichtigung in den Zeitungen herbei- zuführen; ih habe. es aber vielfah deshalb unterlassen, weil inzwischen ein längerer Zeitraum vergangen war, und die Dinge inzwischen ver- gessen waren, und ih es nicht für zweckmäßig erachtete, sie noch ein- mal aufzurühren. JIch will niht leugnen, daß sich in manchen Fällen Beschwerden auch ganz oder zum theil als Legründet erwiesen haben; da habe ih nit versäumt einzuschreiten und die nöthigen Ak- ordnungen zu treffen, daß die Dinge sih niht wiederholen.

Abg. Im Walle (Zentr.): Ich freue mich, daß der Minister den Fall des Erzbishofs Melchers aufgeklärt hat. Er hat felbst zu- gegeben, daß der Irrthum möglih war. Die Verbreiter des Gerüchts haben bona fide gehandelt. Eine angemessene Beschäftigung der Gefangenen ist gut. Man beklagt sich aber darüber, daß gefühlsrohe Menschen, die das Gefängniß als Verforgungsanstalt ansehen, zu gut behandelt roerden. j

Bei den Ausgaben zur Unterhaltung der Justiz-

gebäude bemerkt auf eine Frage des Abg. Kas (kons.) der

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die Verhältnisse in Plön sind mir persönlich niht bekannt; ih weiß nur, es ist ein kleines, einstelliges Amtsgericht dort, an dessen räumlihe Unterbringung niht hohe Anforderungen gestellt werden können. Das Amtsgericht befindet sich im städtischen Rathhause auf Grund eines seitens der Stadt unkündbaren Mieths- vertrages. Eine Besichtigung, die durch meinen Herrn Kommissar stattgefunden hat, hat diesem die Ueberzeugung verschafft, daß für das Amtsgericht die Räume zwar niht gerade glänzend, aber - doch aus- reihend sind, und daß auch für die dort untergebrahten Akten und die Bücher eine Feuersgefahr nicht besteht. Das Gefängniß soll allerdings außerordentliÞh mangelhaft sein. Es wird aber auch nur sehr mäßig benußt, und die Benußung is noch durch von hier aus getroffene Anordnungen eingeshränkt. Es sollen wesentlih nur Unter- suhungsgefangene dort untergebraht werden. Es is Vorkehrung getroffen, daß, auch für das Gefängniß, wenn einmal Feuer aus- brechen sollte, es an den nöthigen Lösch- und Rettungseinrichtungen nit fehlt. Der Justizverwaltung würde es an sih erwünscht sein, wenn Plön ein s{höneres Gefängniß und Gerichtögebäude hätte. Es haben auch in dieser Beziehung Verhandlungen mit der Stadt statt- gefunden; es sind seitens der Justizverwaltung der Stadt weitgehende Konzessionen angeboten worden, aber die Stadt hat sich in keiner Weise entgegenkommend erwiesen, sie hat ihrerseits alles abgelehnt, sodaß der Vorwurf, der etwa in Bezug auf diese Einrichtung erhoben werden kann, doch nicht die Justizverwaltung allein trifft. Wenn die Stadtverwaltung ein weiteres Entgegenkommen an den Tag legen möchte, so kann ja dem Gedanken näher getreten werden, für eine Besserung der Zustände durch einen Neubau zu sorgen. :

m Extraordinarium sind Ausgaben für den Neubau von vier Dienstwohngebäuden für Amtsrichter ausgeworfen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die Bemerkungen des Herrn Referenten ver- anlassen mi, doch hier ein Wort einzulegen zu Gunsten der Amts- ridhter und Sie zu bitten, sich nicht auf den Standpunkt zu stellen, den der Herr Referent und nah seiner Angabe die Budgetkommission sih aneignen zu wollen erklärt hat. Es is gewiß empfehlenswerth, bei dem Neubau eines Amtsgerichts an kleinen Orten zugleich eine Wohnung für den Amtsrichter herzustellen. Der Fall is aber an vielen Orten ausges{lossen, wo der Bau eines Amtégerichts nicht in Frage kommt, - während die Wohnungsverhältnisse für die Richter die denkbar traurigstex: sind. Es ist das nit nur in den Orten der Fall, die in diesem Jahre in den Etat eingestellt sind, sondern in einer großen Zahl anderer Orte.

Wenn das hohe Haus meine Ansicht theilt, daß es im Interesse der Rechtspflege dringend wünschenswerth i, die Amtsrichter

lange n ihren Stellungen zu behalten, dann ergiebt si

daraus - meines Erachtens die Verpflichtung, dafür zu sorgen,

daß sie einigermaßen erträglihe Lebenéverhältnisse haben. Es giebt eine große Zahl von Orten, wo es am Allernothwendigsten fehlt. Jch habe mir im vorigen Jahre in der Provinz Posen an einzelnen Orten nähere Kenntniß von den Verhältnissen verschafft, und das läßt mir den Wunsch als einen dringenden erscheinen, daß auf dem Wege, der hier beschritten ist, weiter fortgeschritten werde. Gerade in der Provinz Posen sind die Berhältnisse an den kleinen Orten ganz besonders ungünstige. An vielen Orten sind die Amts- rihter gänzli isoliert, wo sie die Sprache der Eingesessenen garnicht kennen, und wo es für sie ein ganz besonderes Bedürfniß ist, wenig- stens eine einigermaßen behaglite Wohnung zu haben.

Ich möchte also bitten, daß Sie sich niht etwa au nur inner- lih festlegen auf den Grundsaß, den der Herr Referent sich angeeignet hat, fondern daß Sie den Ihnen nah dieser Richtung hin künftig noch zu ünterbreitenden Anträgen mit weiterem Herzen entgegen- kommen. (Bravo!)

Abg. von Eichel (kons.) wünscht möglichste Beschleunigung dés Baues eines Amtsgerichtsgebäudes in Lauban.

Justiz-Minister Schönstedt:

Diese Bitte wird unzweifelhaft erfüllt werden. Sobald die zweite Lesung des Etats in Einnahme und Ausgabe hier vollendet worden ift, wird sofort Anordnung getroffen werden, mit den Vor- arbeiten zum Bau zu beginnen.

Auf eine Anregung des Abg. Reichardt (nl.) erklärt der

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Dem Herrn Finanz-Minister habe ich zu meinem Bedauern die Freude ncch nit machen können, die der Abg. Reichardt ihm so gern gegönnt hätte; aber ih habe die Hoffnung, daß sich die Trauer des Herrn Abg. Reichardt bald in Freude verwandeln wird. Die Schwierigkeiten, die dem Neubau in Magdeburg entgegen- stehen, sind im vorigen Jahre hter eingehend erörtert worden; ih will im einzelnen niht darauf zurückkommen. Es hat sich darum gehandelt, den Plaß, der {on vor mehreren Jahren mit erheblihem Kostenaufwande erworben worden ift, abzu- grenzen. Es kamen dabei Interessen der städtischen Verwaltung und der Eisenbahnverwaltung in Frage. Diese Schwierigkeiten sind glüd- lih überwunden, und es ist zwischen den betheiligten Ressorts ein prinzipielles Einverständniß erzielt worden, in welchem Umfange und in welher Weise dieser Plaß nunmehr für die Errichtung der Justiz- gebäude, also eines Gebäudes für das Landgericht, für das Amtsgericht, eines großen Gefängnisses und der nothwendigen Beamtenwohnungen, verwendet werden foll.

Auf dieser Grundlage habe ich vor einigen Wochen den Herrn Arbeits-Minister ersucht, nunmehr mit möglichster Beschleunigung die erste Entwurféskizze für die Ausführung der Bauten aufzustellen. Ich habe dabei die Bitte ausgesprochen, wenn es eben mögli sei, die Sache so zu beschleunigen, daß {on auf den näwstiährigen Etat die erste Baurate gestellt werden könne. Ob diese Bitie erfüllt werden wird, ist eine technis{e Frage ; ih habe selbs einige Zweifel, ob es mögli fein wird, ob bei diesem großen, umfassenden Projekt die Bauverwaltung einen Plan, wie ihn Ihre Budgetkommission verlangt, wie er von der Finanzverwaltung verlangt wird, so rasch wird fertig stellen können. Aber das Eine, glaube i, als ganz sicher betrahten zu dürfen, daß, wenn nicht im nächsten Jahre, dann jedenfalls für den Etat des darauffolgenden Jahres eine erste und ret erheblihe Baurate eingestellt werden wird.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) befürwortet den Neubau eines Amts- gerichts in Halle.

Justiz-Minister Schönstedt:

Ja, meine Herren, ganz soweit gefördert ist die Angelegenheit für Halle nit wie für Magdeburg; aber ih glaube, daß auch für Halle bald diesen Schmerzen Abhilfe zu verschaffen sein wird. Die Plaßfrage hat dort ganz besonders große Schwierigkeiten geboten. Sie ist auch jeßt noch nit endgültig gelöst. Aber es i} vor kurzem auf Grund von Besichligungen an Ort und Stelle durch meinen Herrn Kommissar ein neues Projeki angeregt worden, welches vorausfihtlich zu einer befriedigenden Lösung führen wird. Auf der Grundlage dieses Projekts, über das id mich hier nicht näher auslassen kann, is das Arbeits - Ministerium ersucht worden, eine Entwurfsskizze aufzustellen, die niht nur für das Amtsgericht, sondern au für eine durchaus nothwendige Erweiterung des Landgerichts Abhilfe schafft. Wie ih eben von meinem Herrn Kommissar höre, ist diese Entwurfsskizze schon fertig, und ih werde mir die weitere Förderung der Sache nah Kräften angelegen sein lassen.

Abg. Kir ch (Zentr.) wünscht einen Erweiterungsbau für das Gerit in Düsseldorf.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die Frage der durhaus nöthigen Erweiterung des Landgerihtsgebäudes in Düsseldorf ift von der etwaigen Theilung des Landgerihtsbezirks durhaus unabhängig. Daß bisher noch nichts weiter geschehen ift, liegt daran, daß für die Erweiterung das an das Landgerich18gebäude anstoßende Archivgebäude zunächst in Frage kommt, Es ift nah doppelter Nichtung hin, wie der Abg. Kirsh angedeutet hat, eine Möglichkeit vorhanden, daß dies Gebäude disponibel wird : entweder durch Verlegung des Archivs nah Bonn oder dadur, daß die Stadt für das Archiv ein anderes Gebäude zur Verfügung stellt. Solange aber diese Frage nicht entschieden ist, bin ich zu meinem Bedauern nicht in der Lage, an’ die Erweiterung des Landgerichts praktis heranzutreten.

Abg. von Knapp (nl.) führt aus, daß den Wünschen der Elber- felder dur das im Etat vorgesehene Projekt der Crweiterung des Amtsgerichts in Elberfeld niht Rehnung getragen sei, und bittet, in den nâhsten Etat die erste Baurate für einen Neubau für das Gericht in Barmen einzustellen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren ! Wenn der Herr Abg. von Knapp gemeint hat, daß es {hon möglih gewesen sein würde, für den Reubau in Barmen die erste Rate in den Etat hineinzubringen, so übershäßt er doch die Fähigkeit der Behörden bei der Aufstellung solher Projekte. Es ift erst vor kurzer Zeit der Vertrag perfekt geworden, welchen die Stadt mit der Eisenbahnverwaltung über die Hergabe des Platzes, auf dem der Neubcu errihtèêt werden soll, abgeshlossen hat. Es war. gänzlich ausgeschlcssen, in diesem Etat {hon mit Forderungen für Bauzwecke hervorzutreten.

Was Elberfeld angeht, so betrachte ih den Erweiterungsbau,. für den in dem gegenwärtigen Etat die Summe von 34000 d ger fordert wird, gleichfalls nur als einen Nothbebelf, der zwar den aller- dringendsten Uebelständen in diesem Gerichtsgebäude zunächst abhelfen wird, voraussichtlich aber niht auf sehr lange Zeit. Ein Neubau würde auch nach meiner Meinung entschieden vorzuziehen sein, Der Ausführung des Planes. aber, den der Herr Abg. von Knapp vorhin erwähnte, haben sh erheblihe Schwierigkeiten entgegengesftellt, die zu überwinden ih nit in der Lage gewesen bin, und ih habe geglaubt, es sei do hier das Bessere der Feind des Guten, und mich darauf beschränkt, durch den vorgeschlagenen Erweiterungsbau dem allerdringendsten Bedürfniß abzuhelfen. Daß nah Ablauf von viel leiht zehn Jahren die Errichtung eines Gebäudes unabweisbar sein wird, kann zugegeben werden; für den Augenblkick ist ein solches Be- dürfniß niht vorhanden.

in u einmaligen Ausgaben des Justiz-Etats werden be- Mgr.

(s folgt der Etat der Bauverwaltung.

Bei den Einnahmen aus Verkehrsabgaben bittet

Abg. R oh de- Wachsdorf (kons.) den Minister, die Brückengeld- Hebestelle bei Wittenberg aufzuheben.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen: |

Dem Wunsche des Herrn Vorredners könnte sehr gut entspro§e werden, wenn die Provinz ihrerseits geneigt wäre, die Brüde zu über- nehmen. Jh möchte anheimstellen, daß vielleicht seitens der Interessenten an die Provinz herangetreten wird und dieselbe veranlaßt wird, dee halb mit uns in Verbindung zu treten. Jch würde mich entschieden entgegenkommend verhalten.

Abg. Roh de-Wachsdorf bemerkt, daß die Provinz dazu geneigt sei, wenn dite Brücke erst in guten Zustand gesetzt sei.

Bei den Einnahmen aus Baupolizeigebü hren. 300 000 M, beantragt

Abg. Dr. La ngerÿans (fr. Volksp.) wiederum, wie im vorigen Jahre, die Streichung dieïes Titels, da die Sache das Ministerium des Innern angehe. Im übrigen ist er au aus materiellen Gründen gegen diese Baupolizeigebühren, da sie nicht auf gesezlichem Wege, fondern nur dur Verordnung eingeführt seien und h in vielen einzelnen Fällen als übertrieben hoh erwiesen bätten. Nah dem Kommunalabgabengeseß hätten die Gemeindea das Recht, solche Ge- bühren zu erheben, aber nicht der Staat. Die Regierung könne nicht einfah unter der Bezeichnung „Gebühren“ neue Abgaben erhében. Berlin sei ohnehin stark belastet; indessen handle es si in diesem Falle weniger um die Belastung als um das Prinzip.

Geheimer Regierungs-Rath Peters weist nach, daß an der Ge- seßmäßigkeit dieser Gebühren nit zu zweifeln sei und daß die Ge- bühren niht als zu hoh empfunden werden könnten.

Abg. Dr. Lau gerhan s bleibt bei seiner Auffassung stehen. Berlin zahle zu den Polizeikosten ohnehin {on einen Beitrag. Die Hand- habung der Polizei in Beklin lasse überdies zu wünschen übrig, obwohl die Schußleute selbs ganz brav seien; wenn aber Veberagriffe vorkämen, sei es kein Wunder, daß das Publikum gegen die Schuhtz- leute Partei nehme. i S Ma: DE: L Eer Dil) bittet um Mittheilung der Tarife der Baupolizeigebühren und Bezeihnung der Städte, in welchen sie ein- geführt worden sind.

Geheimer Negierungs! Rath Peters theilt mit, daß diese Ge- bühren nur in den Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung ein- geführt find, also in Berlin, Charlottenburg, Potsdam, Wiesbaden, Cassel, Marburg und Fülda. Auf dem platten Lande sei die Ein- führung nöthig in Hessen(Nassau, Hannover und Posen, wo König- liche Polizeiverwaltung bestehe ; aber die Einführung sei in Hannover no an besonderen Schwferigkeiten gescheitert.

Abg. Dr. Langerhckns führt noch einige Fälle an, in denen die erhobenen Gebühren {besonders hoch waren, z. B. für die Her- stellung eines Wassecreferboirs in Berlin 3000 46 Z A

Der Antrag Langërhans wird abgelehnt, die Position be- willigt.

Bei den dauernden Ausgaben, und zwar bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ lenkt

Abg. Schettler (konj.) die Aufmerksamkeit des Ministers auf die unerträglihen Abflußverhältnisse der Mulde, welche die Anwohner: bei Hochwasser immer der Gefahr der Ueberfluthung auêsegten. Die Bewohner der Kreise Bitterfeld und Delizsh müßten diese Klage immer wiederholen, bis Abhilfe geschaffen sei. 7 :

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Fran de érklärt, daß die Mulde nicht’ als schiffbarer Fluß anzusehen und deshalb lediglich für die Vorfluthverhältnisse gesorgt sei. Indessen müsse das Ergebniß weiterer Verhandlungen darüber abgewartet werden.

Abg. Dr. Loß (b. k. P.) befürwortet die Anlegung eines neuen Hafens in Leer, der geradezu eine Lebensfrage für diese Stadt sei. Redner schildert - eingehend die lokalen Verhältnisse, meint, daß mit der Hafenanlage auch zugleich bedeutende Meliorationsarbeiten dur Verbesserung der Eatwässerung der niedrig liegenden Marschen ver- bunden werden Tönnten, und bittet um ein mögli weitgehendes Entgegenkommen der Regierung.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen :

Meine Herren! Der Anregung, es möge meinerseits dem s{wer- wiegeaden Interesse, welhes in dem Ausbau des Hafens der Stadt Leer nihk bloß für die Stadt, sondern für weitere Kreise besteht, ein möglihstes Entgegenkommen seitens der Staatsreglèrung stattfinden, möchte ih doch meinerseits einige wohlwollende Bemerkungen folgen lassen. Wie der Herr Vorredner {hon hervorgehoben hat, ist seitens der Stadt Leer ein Projekt für den Ausbau des Hafens ausgearbeitet worden, ‘dessen Vorzüge im allgemeinen au die Staats-Bauverwal- tung gern anerkennt, dessen Vorzüge aber au, wie ih weiter weiß, seitens der landwirths{chaftlihen Verwaltung nicht verkannt werden, weil durch dieselben, wie der Herr Vorredner eben ausgeführt hat, es wahrsheinlich möglich sein wird, etne erheblihe Verbesserung der Vorfluthverhältnisse in der Leda, die der Landwirthschaft zu nuye kommen werden, herbeizuführen. Jch bin daher meinerseits gern bereit, sowohl mit den übrigen bei dieser Angelegenheit betheiligten Reffsorts, als auch mit den vershiedenen Verbänden, die bei der An- gelegenheit betheiligt sind, der Provinz u. #. w., nochmals in Ver- handlung zu treten über die Frage, ob es mögli sein wird, der Stadt Leer mit Rücksiht auf die Interessen vielseitiger Natur, die hier vor- liegen, auch ein finanzielles Entgegenkommen zu beweisen. Irgend welche bestimmte Versprehungen bin ih aber bei der Lage der Sache, die ja au der Herr Borredner anerkannt hat, heute abzugeben noch- nicht in der Lage.

Abg. von Put ikämer-Plauth (kons.) fragt an, wie es mit der weiteren Regulierung der Weichsel \tehe. Der Danziger Deich- verband sei bereit, eine namhafte Summe dafür beizutragen ; Fieser habe au den meisten Vortheil von den bisherigen Arbeiten gehabt. Dagegen habe der Deichverband der rechtéseitigen Nogat bisher am wenigsten Vortheil von der Regulierung gehabt, habe am meisten unter- der Uebershwemmung gelitten und sei au nit so leistungsfähig ; an diesen dürften also nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, Der- Marienburger Deichverband müsse aber veranlaßt werden, seinerseits

noch mehr zu leisten. Die Ausführung ienen Projekts koste 8 bis 9 Millionen; der Staat wolle nur 5 Millionen geben; 3 bis 4

Millionen könnten aber die Juteressenten nicht aufbringen. Der Staat müsse seine Hand noch mehr aufthun.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen :

Meine Herren! Für die Weichsel ift bisher niht gekargt worden, das’ beweifen auch {on die Ziffern, die Herr von Puttkamer - Plauth angeführt hat. Es wird aber au in Zukunft für die Weichsel nicht gekargt werden ; es ist ja auch bereits für die Fortführung der Regu- lierung des Hohwasserprofils der Weichsel ein Projekt aufgestellt worden, dessen Ausführung einen hohen Kostenbetrag erfordert. Der Staat hat sih bereit erklärt, einen sehr erheblihen Theil der Kosten für dieses Projekt aufzubringen 5 Miklionen sind genannt worden —, wenn die zunächst interessierten Verbände und Korporationen auch ihrerseits ihr Interesse an der Weiterregulierung dur einen ange- messenen Beitrag bekunden.

Meine Herren, im allgemeinen, kann ih nur sagen, if Herr von Puttkamer-Plauth durchaus zutreffend informiert über die thatsächliche Lagé der ganzen Angelegenheit, Auf Grund des Projekts sind die Ver- handlungen angeknüpft worden mit den Interessenten und Verbänden ; aber leider haben sich die finanziellen Erwartungen, die an diese Ver- handlungen geknüpft worden sind, niht erfüllt. Es ist im allgemeinen angenommen worden seitens der Staatsregierung, daß die Verbände zu den Kosten der Weiterregulierung etwa 3 bis 4 Millionen aufzu- bringen hätten. Von diesen 3 Millionen sind bisher 1/700 000 4, wenn ih recht unterrihtet bin, au wirklich zusammengebracht worden, und zwar, wie Herr von Puttkamer richtig ausgeführt hat, im wesentlichen ven denjenigen Verbänden, die als die {wächeren in ihxer Leistungs- fähigkeit angesehen werden können, während der schr leistungefähige Ver- band des Marienburger Werkes sih, wenn auch nicht durhaus ablehnend, so do wenig willfährig verhalten hat, in den Verbänden aber eine duraus negierende Haltung angenommen haben. Jch bin daher gern geneigt, mit meinen Herren Kollegen, die an dieser Sathe ebenso betheiligt sind, wie ih, dem Wunsche des Herrn von Puttkamer-Plauth voll zu entsprehen, etnen festen Druck auf den Marienburger und die übrigen noch zurückhaltenden Verbände auszuüben, insbesondere aber die Verhandlungen niht abzubreen, Die Staatsregierung wird es an Entgegenkommen in dieser Beziehung nit fehlen lassen, wenn sih das naturgemäß dich heute nicht zifernmäßig avusdrücken läßt; aber die Staatsregierung erkennt es durchaus an, daß die Fortführung der Weichselregulierung von der allergrößten Bedeutung für die Provinz ift.

Abg. Ehlers (fr. Vgg.) bespriht gleihfalls das Projekt der Weichselregulierung; das geplante Eiëswehr bei Kittelsfähre werde, wenn es wirklih bingestellt werde, wahrscheinli seinen Zweck nit erfüllen. An der Weichsel müsse ganze Arbeit gemacht we.den, fonft zeige fich {hon nach wenigen Jahren, daß wieder Geld umsonst aus- gegeben sei. Ueber die Nothwendigkeit der Regulierung fei man einig, aber folhe Dinge seiterten in Preußen leider immer an der Frage, wer zu den Kosten beitragen solle, Der Staat müsse den ade bas Thcil der Kosten tragen, dceun die Negulierungsarbeiten lägen auch im Interesse der Schiffahrt und im allgemeinen Interesse. Die Prinzipienfrage einer Beitragsleistung des Provinzialverbandes folle man ganz fallen lassen; danran dürfe das Projekt nicht scheitern.

Abg. Sieg (nl.) theilt als Mitglied des westpreußishen Pro- vinzial-Auss{huf|es mit, daß dieser die geforderte Beihilfe von 800 000 4 abgelehnt habe, weil die Provinz keine Verpflichtung habe, für die Regulierung der Weichsel etwas beizutragen. Nach seiner, des Redners, Auffassung müsse der Staat allein die ganzen Kosten tragen.

Geheimer VDber-Finanz-Rath Dombois erklärt, daß der Staat eigentlich gar keine Pflicht habe, diese Kosten zu tragen, da es ih nicht um eine Stromregulierung, sondern um eine Deichregulierung handle und die Deichunterbaltung Sache der Interessenten sei. Nichts- destoweniger wolle der Staat einen Theil .der Kosten übernehmen ; aber auch die Provinz müfse beitragen, weil sie selbst ein Interesse an der Erhaltung der Steuerkraft ibrer Bewohner habe. Es würde die Gleihmäßigkeit der Staatsverwaltung stören, wenn die Provinz frei- gelassen würde.

Abg. Schettler (konf.) spriht dem Regierungskommissar gegen- über die Ansicht- aus, daß die Mulde ein schiffbarecr Fluß set.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Francke erwidert, daß auch bezüglich der Mulde Abhilfe gescaffen werten solle, daß aber noch nicht angegeben werden könne, in welher Weise dies geshehen werde.

Abg. Ehlers hält die Ansicht nicht für rihtig, daß der Staat keine Verpflichtung habe, zur Weichselregulierung beizutragen.

Das Gehalt des Ministers wird bewilligt.

Beim Kapitel „Bauverwaltung“ fragt

Abg. Dr. Loß an, ob das Gerücht wahr sei, daß die Wasserbau- Inspektion von Leer nach Emden verlegt werden solle, und bittet, eventuell davon Abstand nehmen zu wollen.

Abg. Felisch (kons.) fpriht cine Befriedigung darüber aus, daß die Anstellung besonderer „Wasserbauwarte“ vorgesehen sei, und hâlt es für richtig, daß diese Beamten aus den Strommeistern hervor- gchen follen. Die Strommeister seien aber nicht damit zufrieden, daß sie vor der Einrückung in diese höheren Stellen noch ein neues Examen ablegen folleù.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich habe auch nah den Ausführungen des Abg. Felisch meinen Erklärungen, die ih in der Budgetkommission ab- gegeben habe und die hier von dem Herrn Referenten eben verlesen sind, nichts hinzufügen. Meine Herren, der Zweck der ganzen Organisation würde wesentlih in Frage gestellt werden, wenn wir ohne weiteres jeglihen alten Strommeister als Stromwart bestätigen. Es würde damit niht die Hüfe gegeben werden, die für die Wasserbau-Aufsichtsbeamten abfolut nothwendig ift. Es würden ihnen nicht diejenigen Elemente untergeordnet werden, welche befähigt sind, die Aufsihtsbeamten in vielen Beziehungen zu ergänzen und zu vertreten, es muß daher nothwendigerweise eine Aus- wahl eintreten unter denjenigen Beamten, die in diefe neue Stelle übergeführt werden können, und diese Auswahl kann unmöglich, das weiß jeder, der im praktishen Leben gestanden, allein auf ein Attest hin ausgeführt werden. Ich habe schon in der Budgetkommission erklärt, daß das jedenfalls zu den größten Ungleihheiten führen würde und keine Garantie dafür bieten würde, daß der beabsichtigte Zweck der Neuorganisation au wirkli erreicht wird. Es muß eine Prüfung des Einzelnen statifinden, es kann diese Prüfung aber bei den- jenigen Beamten, die sih in ihren bisherigen dienstlichen Leistungen durhaus bewährt haben, die sich als tüchtige, zuverlässige und erfahrene Strommeister gezeigt haben, in einer harmlosen Weise gesehen, wohingegen man ein anderes Mal etwas näher in Bezug auf ihre theoretishe und praktishe Befähigung nachsehen muß. Ein gewisses Maß von theoretischer Befähigung kann unmögli entbehrt werden, das wird mir Herr Felish bestätigen. Der Mann muß doch in ausreihender Weise die Rechnungen führen, shriftlihen Bericht erstatten können, er muß vermessen und leichtere Projekte aufstellen können u. st. w.; das ist unerläßlih, und wir haben leider Leute, die das nit können, die theilweise nicht genügend vorbereitet sind, theil- weise aber auch in ihrer Leistungsfähigkeit durch Alter oder sonstige Dinge wesentli beeinträchtigt sind,

Also, meine Herren, eine milde Form des Examens, um zu kon» statieren, ob der betreffende Beamte auch wirkli [eistungsfähig genug ist, um die neue gehobene und s{hwierigere Stekle versehen zu können, muß etutreten, und ich bitte, es au dabei bewenden zu lassen; von mir werden die betreffenden Organe angewiesen werden, in dieser Beziehung foweit mit Milde zu verfahren, daß der Zweck der neuen Organisation nit in Frage gestellt wird.

Abg. Ehlers ift mit diesen Ausführungen des Ministers ein- nen und empfiehlt eine Gehaltsaufbesserung für die Hafenbau-

reiber.

Abg. Feli \ch meint, daß man mante bewöhrten Strommelster au ohne Examen zu Wasserbauwarten machen könne.

Abg. Pleß (Zentr.) hält das Examen für unentbehrlid).

Die weitere Berathung wird vertagt.

Schluß nah 4 Uhr. Nächste Sizung Mittwoch 11 Uhr. (Hochwasservorlage; Anträge Weyerbush und Mies auf Ab- änderung des Kommunalabgabengeseßes.)

Statistik und Volkswirthschaft,

Die gewerbsmäßigen und niht gewerbsmäßigen Ein- rihtungen für Arbeitsnahweis in Baden.

Nah dem Vorgange Preußens hat auch im Großherzogthum Baden eine Erhebung über die der Arbeitsvermittelung dienenden Einrichtungen stattgefunden, welche für die Beurtheilung der leßteren, ihrer Mißstände und der Art ihrer Verbesserung eine feste Grundlage abgeben soll. Die Ergebnisse dieser Anfnabme find soeben im 2. Hest X1V. Bandes der „Statistishen Mittheilungen ü. d. Grhzth. B.“ veröffentliht worden. Danach belief sih die Zahl der im Großherzog- thum vorhandenen gewerbsmäßigen Gesindevermiether und Stellenvermittler Ende 1894 auf 241, Ende 1895 auf 247. Mehr als die Hälfte derselben, nämli 136 bezw. 137, wurde in den vier Amtsbezirken mit den vier größten Städten ermittelt, und zwar in Mannheim 62 bezw. 61, in Karlsruhe 27 bezw. 28, in Freiburg in jedem Jahre 25 und in Heidelberg 22 bezw. 23 Perfonen; 10 und mebr folher Gewerbetreibenden weisen nur noch Baden (12 bezw. 13) und Pforzheim (10) auf. Beinahe drei Viertel derselben, nämli 178 bezw. 179, geßörten dem weiblihen Geshleh!e an, und 162 bezw. 165 Perfonen übten diese Thätigkeit nur nebenberuflich aus.

ieraus erklärt sich auch die Thatsache, daß nur 71 bezw. 74 Stellenvermittler für diese Erwerbsthätigkeit Gewerbesteuer zahlten. Nur in den größeren Städten mit ihrem größeren Angebot und ihrer stärkeren Nachfrage nah Stellen reiht eine lediglih als Nebenerwerb betriebene Vermittlungsthätigkeit nicht aus; in Heidel- berg waren z. B. von den 23 gewerbsmäßigen Stellenvermittlern 18 im Hauptberuf und nur 5 nebenberuflih thätig. Aehnlich verhielt es sich in Mannheim und anderen größeren Städten. Dagegen wurde in einer Reihe fast rein ländlicher Bezirke von allen vorhandenen Stellenvermittlern die Thätigkeit nur nebenberuflih ausgeübt. Besondere Vermittler für einzelne Berufsklassen, z. B. für Kellner, Schauspieler, Hauslehrer u. dgl., wie folche ia den meisten Großftädten vorkommen, konuten im Großherzogthum biéher nihtrachgewiesen werden. Einige Ansäße bierzu sind nur insofern vorhanden, als in cinigen vorwiegend ländliGen Bezirken drei Personen nur für landwirthschaftliche Arbeiter, sowie 40 Gesindevermiether im Jahre 1894 bezw. 41 im

Jahre 1895 aus\chließlich für weiblihes Gesinde (dagegen nur 2 für j

mänulihes Gesinde und 9 bezw. 10 für beide Geschlechter zusammen)

Stellen vermittelten. Eine einzige (weibliche) Person im Amtsbezirk ! Freiburg betrieb gewerb8mäßige Vermittelung für gelernte Arbeiter |

und Arbeiterinnen. Alle übrigen 186 bezw. 190 Gesindevermiether und Siellenvermittler nahmen StellengesuGe bezw. Angebote von Arbeitgebern und Arbeitern 2c. mehrerer bezw. aller Berufsarten ent- gegen und fuchten dieselben zu befricdigen.

Ueber den Umfang der Vermittelungsthätigkeit liegen niht von allen gewerbömäßigen Gesindevermiethern und Stellen- vermitilern Angaben vor, theils weil keine Arbeitsgesuhe gestellt wurden, theils weil keine Vermittelung8geshäfte geglüdckt waren, theils weil nähere Angaben wegen mangelnder Aufzeichnungen nicht gemacht werden konuten. Nur in 206 bezw. 217 Fällen sind Angaben zuglei über Stellengesuche, angebotene und vermittelte Stellen vorhanden. In diesen belief sih die Gesammtzahl der Stellengesuhe 1894 auf 29 663, 1895 auf 24731, die der angebotenen Stellen auf 22 696 bezw. 23 506, die der vermittelten Stellen auf 16 919 bezw. 17 037. Von 100 Stellengesuhßen wurden somit 65,9 bezw. 68,9 erfolg- rei befriedigt, und auf einen Stellenvermittler entfielen durch- schnittlich |

im Stellen- angebotene vermittelte Jahre gesuche Stellen Stellen 1894 124,6 110,2 82,1 1895 114,0 108,3 78,5

Der Rükgang ist, soweit die angebotenen und vermittelten Stellen !

in Betraht kommen, vermuthlich dur die weitere Ausdehnung des gemeinnüßigen Arbeitsnachweises, der in dieser Beziehung eine erheb-

liche Steigerung seiner Erfolge aufzuweisen hat, herbeigeführt worden. |

Den geringsten Grfolg haben in den beiden leßten Jahren die gewerbs- mäßigen Vermitiler für landwirthschaftlihe Arbeiter gehabt.

(58 beruht dies bauptsählich darauf, daß auf dem Lande heute noch j

die sogenannte Umschau, d. h. die persönlihe Nachfrage bei den Arbeit- gebern, üblih ift, während die Vermittelungsthätigkeit Dritter nur selten oder nie in Anspru genommen wird. Von mehreren Bezirks- ämtern wurde betont, daß auf dem Lande der Arbeitgeber bezw. der Arbeiter bei den am Ort beschäftigten Knechten 2c. nahfragt, wo eine Arbeitskraft verfügbar bezw. eine Stelle frei sei. Da die leßteren den Stand der einzelnen Dienstverhältnisse im ganzen Ort meist genau kennen, fo sind sie wobl in der Lage, die gewünschten Aufschlüsse zu ertheilen. Aus anderen Gegenden des Landes wird berichtet, daß das Annonzieren in den Tageéblättern sowohl seitens der Landwirthe wie der landwirths{aftliben Knehte und Taglöhner üblich ist. Im einzelnen gestaltete sih der Umfang der Bermittlungsthätigkeit der gewerbsmäßigen Stellenvermittler in den beiden Berichtsjahren folgendermaßen: Bei 34 bezw. 36 Vermittlern war die Zahl der eingegangenen Stellengesuche fo klein, daß sie nit cinmal 10 erreihte, und bei 64 bezw. 72 Vermittlern blieb sie unter 50. Bei 101 Vermittlern waren 50—500 Gesuche ein- gegangen. 500 und mehr Gesuche kamen bei 8 bezw. 9 Vermittlern vor, die sämmtli auf die Bezirke Mannheim, Karlsrukbe, Heidelberg und Freiburg entfielen. Noch seltener sind große Zahlen bei den ver- mittelten Stellen. 500 und mehr vermittelte Stellen kamen nur bei 9 bezw. 6 Vermittlern vor, 90 bezw. 87 mal wurden 50 bis unter 500, 76 bezw. 84 mal 10 bis unter 50 und von 43 bezw. 45 Personen sogar auc unter 10 Stellen vermittelt.

Abweichend von den für Preußen gegebenen Vorschriften, sind in Baden auch die Gebühren tarife der gewerbsmäßigen Stellenver- mittler dur die Vermittelung der Bezirkéämter eingefordert worden. Die Höhe der Gebühren is nah dem eingegangenen Material für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer außerordentlich verschieden. Die Minimalgebühr, die seitens der gewerbömäßigen Stellenver- mittler von den Arbeitnehmern erhoben wurde, betrug in 2 bezw. 3 Fällen unter 0,25 „H, bei 82 be¡ww. 84 Vermittlern 0,5 bis 1 M; in 134 bezw. 136 Fällen wurde eine Minimalgebühr von 1 bis 3 é entrihtet. Als Maximum wurden den Arbeitnehmern von 57 Ver- mittlern 1 bis 3 #1, von 52 bezw. 53 Vermittlern 3 bis 10 , von 71 bezw. 67 Vermittlern 10 bis 20 ‘und von 46 bezw. 53 Vermittlern sogar 20 ( und mehr abgefordert. Daß statt einer von vornherein festgesetzten Gebühr ein Prozenttheil des Lohnes gefordert wurde, kam in den Jahren 1894 und 1895 je 8 mal vor. Die Minimalgebühr für die Arbeitgeber betrug 1894 in 189, 1895 in 192 x llen 1 bis 3 M, in je 8 Fällen 05 bis 1 4, die Maximalgebühr in 183 bezw. 186 Fällen 1 bis 5 M4 ú

Nicht gewerbsmäßige, von gemeinnüßigen und Wohlthätig- feitsvereinen, von Kommunalverbänden, städtischen Behörden oder von Vereinen der organisierten Arbeitgeber und Arbeiter errihtete Arbeit s-

undStellennahweisanstalten warenam31. Dezember 1894 bezw. 1895 im Großherzogthum 99 bezw. 109 vorhanden. Die 27 bezw. 26 von Kreisverbänden errihteten Arbeitsnahweisanstalten sind Natural- verpflegungéstationen, die sämmtlich in den vier Kreisen Koristanz, Villingen, Waldshut und Lörra liegen, während in der ganzen badis(;en Rheinebene und im Norden des Großherzogthums z. Zt. keine einzige Naturalverpflegungsftation mehr vorhanden ist. Rur im Kreis Offenburg bestehen noch 8 Verpflegungsstationen mit Arbeits- nahweis, die aber nicht vom Kreisverband, sondern von einzelnen Gemeinden eingeridtet sind. Zu den 13 bezw. 16 durch Verbände von Vereinen und Körperschaften gegründeten Arbetitsnahweis- anftalten gehören die in den größeren Städten des Landes (Karlöruhe, Mannheim 2c.) in den leßten Jahren errihteten Zentral-Arbeits- nahweisanstalten, sowie die in Karlsruhe, Pforzheim und Heidelberg bestehenden Arbeitsnahweise der vereinigten Gewerkschasten. Die 14 Anstalten, deren Träger ein gemeinnüßiger oder wohlthätiger Verein ist, bestehen aus den betreffenden Anstalten des Badischen

rauenvereins (1881 gegründet) und der Vereine gegen Haus- und

traßenbettel, sowie der 1885 gegründeten Arbeiterkolonie Ankenbuck bei Villingen. Die übrigen nit -gewerbsmäßigen Arbeitsnahweis- anstalten find theils von konfessionellen Arbeitervereinen, theils von Innungen und Gewerbevereinen gegründet und unterstehen deren Obhut. Ebenso selten wie bei den gewerbsmäßigen Eesindever- mittlern is bei den gemeinnüßigen Arbeitsnahweisanstalten eine Spezialisierung der Geschäfte für einzelne Berufsklassen zu verzeihnen. Fast dret Fünftel aller Anstalten vermitteln für mehrere Klassen und Berufsshhichten der Bevölkerung ohne Rücksicht auf Stand, Beruf oder Konfession. Beschränkungen in dieser Hinsicht bezw. bezüglich des Gebietes (Ortes 2c.) kaben seitens der Arbeitgeber 16 bezw. 18, seitens der Arbeitnehmer 29 bezw. 34 Anstalten vorgesehen. Nur für Handlungsgehilfen bestehen 7 bezw. 8 niht gewerbsmäßige Arbeits- nahwei8anstalten, deren Träger kaufmännische Vereine sind; weitere 18 bezw. 21 sind für gelernte gewerblihe Arbeiter, 13 bezw. 14 für weiblihes und 1 bezw. 2 für männlihes Gesinde, endlih (1895) 1 für ungelernte Arbeiter thätig. 10 Anstalten, darunter 8 Natural- verpflegungsstationen, find mit einer Arbeits\stätte für durchreisende Arbeitsucher verbunden, die gegen Verköstigung und Beherbergung einige Zeit (met nur Stunden) mit Holzsägen, Straßenarbeiten oder in anderer Weise beschäftigt werden; dazu gehören auch 2 TatholisWe Vereine in Bru@sal und Baden, die durch- reisenden Mädchen gegen Mithilfe im Haushalt Aufnahme und Unterstüßung gewähren, sowie die auf konfessioneller Grund- lage erridteten Vägdeherbergen (Marienhäuser, Marthahäuser), die darüber nur keine Angaben gemacht haben. 16 bezw. 17 Anstalten gewähren Reiseunterstüßung in Form eines kleinen Geldbetrages, je 93 Anstalten Beherbergung und Verköstigung, dagegen nur 3 Anstalten ausf{ließlich Beherbergung und 2 neben dem Nachweis von Arbeit nur Verköftigung der Arbeitsuchenden. :

Veber den Umfang der Vermittelungsthätigkeit der Anstalten wird Folgendes mitgetheilt: Unter den 99 bezw. 109 Anstalten gingen bei 84 bezw. 95 Stellengesuhe ein. Von den übrigen 15 bezw. 14 sind theils keine Angaben zu erhalten gewesen, theils fanden diese Anstalten keine Benußung. 15 bezw. 18 Anstalten hatten über 1000 Arbeitsgesuhe zu verzeichnen, 23 bezw. 25 zwischen 100 und 1000 Ge- suche, bei 31 bezw. 39 Anstalten blieb die Zahl der Arbeitsgesuche unter 100. Die Zahl der inégesammt bei den vier größten Arbeitänahweis- Anstalten des Landes (in Karlsruhe, Mannheim, Freiburg und Pforz- heim) eingegangenen Gesuche von Arbeitnehmern stieg von 31 057 im Jahre 1894 auf 38 070 in 1895 oder um 7013; uo größer (7521) war die Zunahme der Arbeitsangebote der Arbeitgeber, die von 1449 auf 22016 fich vermehrten. Die H3chstzahl von Gesuchen und Angeboten weist in jedem der beiden Jahre die Zentralanstalt für Arbeitsnahweis in Mannheim auf (1895: 21 884 Arbeitsgesuche und 10267 Angebote von Arbeitgebern). Geringer als die Zahl der Stellengesuche ist die der vermittelten Steilen und demna der Erfolg der Anstalten. Die Höchstzahl der vermittelten Stellen erreiht in jedem der beiden Berichtsjahre die Zentralanstalt für Arbeitsnahweis in Mannheim, die 4560 bezw. 6967 Angebote der Arbeitgeber und 5908 bezw. 10 661 Gesuche der Arbeitnehmer befriedigt hat. An zweiter und dritter Stelle kommen die Anstalten für ArbeitsnaGweis in Karlsruhe und Freiburg. Ingesammt haben in den beiden Jahren 1894 und 1895 4 bezw. 6 Anstalten 1000 und mehr Stellen, 4 bezw. 5 weitere 500—1000 Stellen, 22 ‘Anstalten 100—500 und 38 bezw. 49 unter 100 Stellen vermittelt. Nur über 61 bezw. 74 Anstalten liegen genaue Angaben zuglei über die Zahl der eingelaufenen Gesuche und der vermittelten Stellen vor. Ins ge|ammt wurden bei diefen Anstalten im Laufe der beiden Fahre 100 422 bezw. 102 809 Gesuche seitens der Arbeitnehmer verzeichnet, während nur 28 384 bezw, 41342 Stellen von Arbeitgebern angeboten wurden. Vermittelt wurden seitens dieser Anstalten 23 460 bezw. 36 509 Stellen, während von den 206 bezw. 217 gewerbsmäßigen Stellen- vermittlern, von denen genaue Angaben vorlagen, in8gesammt nur 16 919 bezw. 17 037 Stellen vermittelt wurden. Es kamen mithin durhschnittlich auf eine niht gewerbsmäßige Arbeitsnachweisanstalt

im Jahre Stellen- Stellen- vermittelte gesuhe angebote Stellen 1894 1646,3 465,3 384,6 1895 1389,3 996,0 493,4. Mehr als drei Viertel aller nit gewerbsmäßigen Anstalten (84 in jedem Jahre) üben ihre Vermittlungsthätigkeit ganz unentgeltlid aus. Nur 22 bezw. 21 Anstalten erhoben Gebühren von den Ärbeit- fuchenden, 22 bezw. 23 von den Arbeitgebern. Diese Gebühren find indessen nur ganz gering.

Im Mai 1896 erfolgte die.Gründung eines Landesverbandes. dei sämmtliche öffentlihe Arbeitsnawweisanftalten beigetreten sind. Dié einzelnen Anstalten des Landes theilen innerhalb bestimmter Zeit einer Zentralstelle (z. Z. der Karlsruher Anstalt) telephonisch An- ebote und Nachfragen mit, und leßtere sorgt für Weiterbeförderung ezw. Ausgleihung derselben. on einer Veröffentlibung der Stellenangebote in einzelnen Gemeinden, wie in Württemberg, ist bis jeßt abgesehen worden. Jn der Erwägung, daß die Anstalten erst dann eine volle Wirksamkeit würden entfalten können, wenn es ihnen ermöglicht werde, den Arbeitsnahweis thunlichst billig bezw. kostenfrei zu bewirken, wurde zur Förderung des gemeinnüßigen Arbeitsnahweises von der Regierung in den Staatshaushalts-Gtat ein Betrag von 20 000 4 eingestellt und von den Ständen bewilligt; durch Erlaß des Ministeriums des Innern vom 18. März 1896 wurden auch sämmtliche Kreise aufgefordert, diesen gemeinuüßigen Unternehmungen angemessene Beihilfen zur Verfügung zu ftellen. Neben der Ermögli ung der Unentgeltli(hkeit des Arbeitsnahweises sollen die staatlichen Beiträge dazu dienen, den Anstalten die gegenseitige Verbindung und die Errichtung von Filialen zu erleihtern. Der erstgenannte Zweck die Unentgeltlihkeit der Stellenvermittelung is dur Gewährung des Staatszuschusses nahezu- erreicht, indem von den 11 allgemeinen Arbeitsnachweisanstalten des Landes nur noch die zu Freiburg, Lörrah und Konstanz Gebühren erheben, die beiden ersteren von den ihre Thätigkeit in Anspruh nehmenden Arbeitgebern, die leßtere nur bei Vermittelung von weiblichen Dienstboten seitens der Dienstherr- schaften. Die Errichtung von Filialen hat dägegen bis jeßt niht in dem erwarteten Maße stattgefunden, da wegen des reicheren Angebots in der Hanptanftalt sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer den un- mittelbaren Verkehr mit dieser vorziehen.

4s Arbeiterbewegung. Aus Osnabrück wird der Rhein. Wessf. Ztg." geschrieben : In einer am Sonntag abgehaltenen Versammlung haben die hiesigen Maler- und Lackierergehilfen den Beschluß gefaßt, im kommens den Krobjahr gleich den Erd- und Bauarbeitern sowie Maurern in eine Lohnbewegung einzutreten. Sie stellen dafür namentlich folgende orderungen auf: Der Minimallohn soll nit unter 35 & für die tunde betragen. Die Arbeitszeit soll im Sommer von 7 bis 12 Uhr oer Feabtta und von 1F bis 7 Uhr Abends mit je viertelstündiger Frühstücks- und Vesperpause dauern. Ueberstunden