1898 / 44 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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bisherigen Uniform, der Abschied bewilligt.

Aer fedt u A vom Art. Depot in Köln, mit Pension

ausge|cieden. offmann-Scholß, Pr. Lt. und Feldjäger vom NReitenden Feldjäger-Korps, ausgeschieden und zu den Offizieren der Landw. Jäger 1. Aufgebots übergetreten. v. Hin- dersin, Hauptm. à la suits des Katjer Alexander Garde-Gren. Regts. Nr. 1, mit Pension und der Uniform des Kaiser Franz Garde- Gren. Regts. Nr. 2, der Abschied bewilligt. Pfaul, Port. Fähnr. vom Inf. Regt. von Boyen (5. Oftpreuß.) Nr. 41, zur Res. bes urlaubt. Tybusch, Sec. Lt. vom Inf. Reat. Nr. 146, der Abschied bewilligt. v. Behr, Sec. Lt. vom Kür. Regt. Königin (Pomm.) Nr. 2, ausgeschieden und zu den Res. Offizieren des Regts. übergetreten. Hennig, Rittm. z. D., unter Ertheilung der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des Litthau. Ulan. Regts. Nr. 12, von der Stellung als Beztirksoffizier bei dem Landw. Bezirk Prenzlau entbunden. A p. Mirbach, Hauptm. z. D., zuleßt Komp. Chef vom Kadetten- aufe in Oranienstein, die E zum Tragen der Uniform des Kadettenhauses in Oranienstein ertheilt. Bartsch v. Sigsfeld, Sec. Lt. dom 2. Leib-Hus. Regt. Kaiserin Nr. 2, ausgeschieden und zu den Offizieren der Landw. Kav. 1. Aufgebots, v. Michelmann, See. Lt. vom Ulan. Negt. Kaiser Alexander Ill. von Rußland (Westpreuß.) Nr. 1, ausgeschieden und zu den Res. Offizieren des Regts, übergetreten. Schiller, Oberst und Komman- deur des 3. Posen. Inf. Negts. Nr. 58, in Genehmigung seines Abschieds8gesuhs mit Pension und dem Charakter als Gen. Major zur Disp. gestellt. Frhr. Teuffel v. Birkensee, Sec. Lt. vom 3. Oberschles. Inf. Negt. Nr. 62, ausgeschieden und zu den Nef. Offizieren des Negts. übergetreten. Schroeder, Port. Fähnr. vom Inf. Regt. Keith (1. Oberschles.) Nr. 22, Kühlewein, Port. Fähnr. vom 4. Oberschles. Inf. Regt. Nr. 63, zur Ref. beurlaubt, v. KopþÞ, Oberst.Lt. z. D., unter Entbindung von der Stellung als Kommandeur des Landw. Bezirks Gleiwiß, mit seiner Peusion und der Unif. des 4. Großherzogl. He}. Inf. Regts. (Prinz Karl) Nr. 118, Klein, Pr. Lt. àla suito des Inf. Regts. Freiherr von Sparr (3. Westfäl.) Nr. 16, unter Entbindung von dem Kom- mando bei der Botschaft in London, mit Pension und derx Armee- Uniform, der Abschied bewilligt. Meese, Sec. Lt. von der Res. des Westfäl. Train-Bats. Nr. 7, von dem Kommando zur Dieust- leistung bei dem genannten Bat. entbunden, v. Hanxleden, Hauptm. z¿. D., unter Entbindung von der Stellung als Bezirks- offizier bei dem Landw. Bezirk Minten und unter Ertheilung der Grlaubniß zum Tragen der Uniform des Inf. Regts. Prinz S der Niederlande (2. Westfäl.) Nr. 15, in bte ategorie ter mit Pension verabschiedeten Offiziere verseßt. Frhr. v. Eichendorff, Pr. Lt. vom Inf. Regt. von Goeben (2. Rhein.) Nr. 28, als halbinvalide mit Pension und der Auésicht auf Anstellung in der Gendarmerie ausgeschieden und zu den, Offizieren der Landw. Inf. 2. Aufgebots übergetreten. Nem y, Port. Fähnr. vom 6. Rhein. Inf. Negt. Nr. 68, zur Res. beurlaubt. v. Blücher (Adolf), Pr. Lk. vom 3. Hanseat. Inf. Negt. Nr. 162, als halbinvalide mit Pension ausgeschieden und zu den Offizieren der Landw. Inf. 2. Aufgebots übergetreten. Baumann, Port. Fähnr. vom Schleswig-Holstein. Train-Bat. Nr. 9, zur Res. beurlaubt. Bennecke,

berst und Kommandeur des Inf. Regts. Herzog Friedri Wilhelm von Braunschweig (Ostfries.) Nr. 78, mit Pension der Abschied bewilligt. Bessler, Pr. Lt. vom Thüring. Ulan-Regt. Nr. 6, ausgeschieden und zu den Ref. Offizieren des Negts, Schoenebeck, Pr. Lt. vom 6. Thüriag. Inf. Regt. Nr. 95, als halbinvalide mit Pension nebst Auésicht auf Anstellung im Zivildienst ausgeschieden und zu den Offizieren der Landw. Inf, 2. Aufgebots, übergetreten. Brack, Se: und Komp. Chef vom Inf. Negt. Kaiser Wilhelm (2. Groß- erzogl. Hess) Nr. 116, mit Pension, Ackermann, Major und Bats. Kommandeur vom 6. Bad. Inf. Regt. Kaiser Friedrich IIL. Nr. 114, mit Pension, dem Charakter als Oberst-Lt. und der Regts. Uniform, Gülcher, Nittm. und Escadr. Chef vom 3. Bad, Drag. Negt. Prinz Karl Nr. 22, mit Pension, der Aussicht auf An- stellung in der Gendarmerie und der Uniform des 3. Schles. Drag. Reats. Nr. 15, der Abschied bewilligt. Thielen, Sec. Lt. vom 2. Bad. Feld-Art. Regt. Nr. 30, ausgeschieden und zu den Res. Offizieren des Regts. übergetreten. Frhr. v. Stetten, Oberst-Lt. z. D., unter Ertheilung der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des Inf. Regiments Markgraf Ludwig Wilhelm (3. Bad.) Nr. 111, von der Stellung als inaktiver Stabsoffizier bei dem General - Kommando des X[1V. Armee - Korps entbunden. v. Klißing, Second-Lieutezant vom Infanterie Negt. Nr. 137, der Abschied bewilligt. Duesterberg, Port. Fähnr. vom Köntgs-Inf. Regt. Nr. 145, zur Res. beurlaubi. Graf zu Dohna, Sec. Lt. à la suite des 1. Leib-Hus. Negts. Nr. 1, ausgeschGieden und zu den Ref. Difizieren des Regts. übergetreten. Donalies, Sec. Lt. vom Pomm. Jäger-Bat. Nr. 2, der Abschied bewilligt. G eys mer, Mojor z. D., unter Entbindung von der Stellung als Vorstand der Depot-Verwalt. der Eisenbatn-Brig., in die Kategorie der mit Pension verabschiedeten Offiziere zurückverfetßt.

Deutscher Reichstag. 44. Sißung vom 18. Februar 1898, 2 Uhr.

Die zweite Berathung des Reichshaushalts-Etats für 1898 wird beim Etat des Reichsheeres fortgeseßt.

Bei dem Titel „Gehalt des Kriegs-Ministers“ macht der Berichterstatter Abg. Graf von Roon (d. kons.) einige Mittheilungen aus den Kommissionsverhandlungen. Unter den Mehrausgaben befinden sich auch 71/2 Millionen Mark für die Aufbesserung der Mannschaftskost.

Abg. Dr. Lingens (Zentr.) tritt für eine größere Sonntagsruhe der Soldaten und namentlich dafür ein, daß katholishen Soldaten häufiger als alle vier Wochen der Besuch des Gottesdienstes ermöglicht werde. Die Sonntagsruhe bei Uebungen und Manövern sei nech niht geordnet. Es müßte wenigstens dafür gesorgt werden, daß Feld- gotte8dienste stattfinden könnten. Redner bedauert ferner, daß bei den Garnifonen noch vielfach Simultankirchen für die beiden Konfessionen be- ständen. Daraus ergäben fich Unzuträglichkeiten, wie Redner an cinem Vorfalle in Köln nachzureeisen sucht.

Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Goßler:

Der Herr Vorredner hat einzelne Fragen angeregt, die er schon {riftli} an mi gerichtet hat. Ich bin gern bereit, ihm dieselben auh auf di:-sem Wege zu beantworten, und verzichte daher jeßt, hierauf näher einzugehen. /

Es läge deshalb für mich auc keine Veranlassung vor, das Wort zu ergreifen, wenn niht ein Vorfall in Köln erwähnt worden wäre, dessen Aufklärung im allgemeinen Interesse erforderlich erscheint. Der Vorgang ift der, daß am 25. März v. I. eine Abtheilung Artillerie an dem ftatholishen Festtage Mariä Verkündigung aus Köln auz- marshie;t ist und daß ferner von Mannschaften des 8. Kürassier- Regiments an diesem Tage Dünger gefahren worden i. Mir ift diese Angelegenheit erst ducch eine Beschwerde ter betreffenden Be- börden über einen bezüglihen Artikel des „Rkeinishen Merkur“ bekannt geworden. In diesem Artikel wurde wörtlich gesagt:

„An einem hohen fkatholishen Feiertag, vielleiht gar noch von fatholischen Soldaten Dünger durch die Stadt fahren zu lassen, dürfte do der Höhepunkt des Skandals sein. Wir werden dafür Sorge tragen, daß der Heeresverwaltung Gelegenheit gegeben wird, an der Stelle, an der sie Rede und Antwort slehen muß, über diefen skandalöfen Vorgang \sih zu äußern. Es ist für die Katho- lifen unerträglih, si derartiges bieten lassen zu sollen"

und ift infolge dessen auf Antrag der genannten Behörden von mir

die Beleidigungsklage gegen den „Rheinischen Merkur“ erhoben worden, die auch zur Verurtheilung desselben in eine Geldstrafe von 50 M geführt hat.

Im übrigen is zur Sache noch zu bemerken, daß die Artillerie- Abtheilung an dem erwähnten Tage ausmarschieren mußte, weil sie an einem bestimmten Termin in Trier einzutreffen hatte, wohin sie aus Anlaß eines Garnisonwechsels verlegt worden war. Die katho- lishen Mannschaften des Kürassfier - Regiments sind am Morgen von Mariä Verkündigung zur Kirhe geführt, und ist der Nachmittagsdienst so eingerichtet worden, wie an allen zwar kirhlichen, aber niht geseg- lihhen Feiertagen.

Daß Dünger gefahren worden ift, ist richtig. Es sind einzelne Düngerwagen aus der Kaserne herausgefahren, avch Düngerwagen an katholischen Wallfahrern in Straßen Kölns vorbeigeklommen. Daß es sih hierbei jedoch nicht um eine Absicht handeln kann, liegt auf der Hand, dagegen brauche ih die Militärverwaltung niht in Schuß zu nehmen. Daß der Dünger gerade an diesem Tage gefahren worden ist, erklärt fi aus dem Umstande, daß einige Wachtmeister infolge einer Bestellung das Düngerfahren angeordnet hatten, welch(es aller- dings besser unterblieben wäre.

Abg. Bebel (Soz.) kommt wieder auf das Thema „Soldatenmiß- handlungen“ zurüdck und sucht zunächst die irrigen Behauptungen zu ents schuldigen, die er (Redner) bei früheren Gelegenheiten darüber aufgestellt habe. Für ihn stehe es troßdem fest, daß au jeßt noch Mikhandlungen vorkämen. Da dte Presse sih hüte, über sol@e Dinge zu schreiben, fo sei die Volksvertretung der Plaß, an dem sie vorgetragen werden müßten. Redner sucht wieder eine Reibe von Beispielen zur Be- kräftigung dieser Behauptung beizubringen, und führt weiter aus: In der Schweiz fei man dankbar für die Aufdeckung von solchen Mißständen. Den Sozialdemokraten aber werfe man immer vor, daß fie durch die Mittheilungen diefer Art die Armee diskceditieren wollten. In der Schweiz behandele man diese Dinge au in der Presse ganz anders, denn dort {reite nicht immer der Staatsanwalt sogleich ein. Die Politik werde von anderer Seite in die Armee bineingetragen, natürlih in erster Linie gegen die Sozialdemokratie. Auch sonst würden politische Reden gehalten, in denen die Sozial- demokraten, Anarchisten und Demokraten beshimpft würden. Redner behauptet ferner, daß Offiziere mit \{chlichtem Abschied entlasseu worden felen, weil sie nationalsozial wären. Die Nationalsozialen träten aber sogar für die Flottenvermehrung ein, seien also durchaus nit regierungsfeindlich. Wenn man die allgemeine Wehrpflicht streng durchgeführt sehen welle, so möge man sich auf den Standpunkt von Männern wie Scharnhorst, Boyen und der Kriegs-Minister von Verdy stellen. Er (Redner) habe aber die Befürchtung, daß dieser Gedanke auf dem Boden der gegenwärtigen Militärorzanisation verwirklicht werde, w9- durch sehr viel mehr Kosten entstehen würden. Man werde noch manches in der nähsten Zeit erfahren: so werde eine starke Vermehrung der Artillerie gefordert tverden. Unter diesen Umständen bate man erst recht zu verlangen, daß ter Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht zur Durch- führung komme, aber in einer Gestalt, welche dem Volke das Opfer erträglih mache. Der Kriegs-Minister habe gemeint, daß die Unter- haltung einer Miliz ungeheures Geld kosten würde. Er (Nedner) wisse aber nicht, wie der Kriegs-Minister zu seinen Zahlen gekommen sei. Sie seien jedenfalls viel zu hoh gegriffen, wenn man die Schwetz in Vergleich ziehe und dabei b:rehne, daß Deutschland die 17} fache Bevölkerung der Schweiz habe; nah Maßgabe der Kosten ter Schweiz würden die laufenden Ausgaben des Militär-Etats niedriger fein als gegenwärtig, zumal der ungeheure Pensions-Etat in Wegfall kommen könnte. Die Voraussetzung für die Einführung der Miliz würde aller- dings die militärische Jugendausbildung scin, wozu eine größere An- zahl von Lehrern angestet werden müßte. Die \{weizerische Armee sei durhaus keine minderwerthige. Durch die körperliche Ausbildung der ländlichen Jugend würde au in wirtbschaftliher Beziehung die deutsche Nation sehr viel aktionsfähiger werden. Daher follie man ernsthaft an die Einsührung der Miliz denken.

Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Goßler:

Der Herr Abg. Bebel hat bei Beginn seiner Rede zunächst an- erkaunt, ‘daß Abgeordnete garnicht in der Lage wären, Beschwerden, wie fie hier vorliegen, zu prüfen. Jch kann mich mit diesem Aus- spruch volikommen einverstanden erklären, würde dann aber erwartet haken, daß er die Beschwerden, die er hier vorgebracht hat, unterlassen hätte. Wenn man als Abgeordneter beabsichtigt, die Beschwerden, die an einen herantreten, wirkli} zu prüfen, dann empfiehlt es fich meines Erachtex8, diese Beshwerden vorher der Regierung zukommen zu lassen, damit diefe in der Lage ift, sh zu orientieren und demnächst über die Sache Auskunft geben zu können. Will man das nicht, dann kann man die Sachen ja hier vorbringen, fie zu beweisen ift aber dann s{wer, und au der Regierung ist es in der Regel un- mögli, die Nichtigkeit oder Unrichtigkeit der betreffenden Angaben festzustellen.

Der Herr Abg. Bebel hat ein System, von dem ih {on öôfter3 gesprchen habe. Er klagt an, exr verurtheilt und zieht dann daraus seine Schlußfolgerungen. Das ist allerdings eine Strafgerictsordnung, der ih nicht zustimmen könnte. (Heiteikeit und Sehr gut! rets.) Ich würde Kelmehr rathen, in erster Linie doch die Sache aufzu- klären und dann ôuch die Vertheidigung zuzulassen. Der Herr Ab- geordnete hat ferner eine Reihe von Personen genannt, die nicht in der Lage sind, auf seine Bemerkungen hier zu antworten, und auh ih bin nicht in der Lage, diefe Privatgesprächhen und Instruktions- funden entnommenen Aeußerungen zu kontrolieren. Wenn man Personen nennt, ift es Pflicht des Anklägers, unter allen Umständen auch den Betreffenden die Möglichkeit zu geben, sih vertheidigen zu können.

Daß fo zahlreißhe Mißhandlungen vorkämen und Beschwerden nicht zur Durchführung gelangten, erklärt der Herr Abgeordnete mit der Scheu der Leute, derartige Beschwerden anzubringen. Das mag sein. In unserer alten Armee haben wir allerdings eine solche Scheu nicht gekannt, und wern sie sh jeßt geltend machen sollte, fo ist es in meinen Augen ein Mangel an Muth und Moral, daß man sich eine shimpslihe Behandlung zu theil werden läßt, ohne diejenigen Schritte zu thun, welche in solchen Fällen durch die dienstlihen Vor- riften vorges{rieben find. Wenn sih solhe Leute an den Herrn Abg. Bebel wenden, dann würde ih an seiner Stelle denselben den Rath geben: habt“ den Muth und beshrwert Eu! (Bravo! rechts.) Das wäre das Richtige.

Ich kann mir diese Wahrnehmung nur aus der neueren Zeit- richtung erklären, welche ja der Sozialdemokratie niht “fernsteht. (Sehr richtig! rechts.) Wenn man jede Autorität untergräbt, prin- ziptell das Vertrauen zu ven Vorgeseßten erschüttert und mit dieser Speise die Bevölkerung des Landes dauernd beköstigt, dazn darf man sich über solche Ersheinungeu niht wundern, dann ift es erklärlich, wenn {wae Naturen in s{chwierigen Lagen das Nichtige nicht zu treffen vermögen. (Sehr richtig! rets.)

Von den beiten Einzelfällen, die hier erwähnt worden sind, ift der Fall Marzillier im vorigen Jahre eingehend hier behandelt worden. Ich hatte mih damals den Angaben des Herrn Abg. Bebel gegenüber fofort bereit erklärt, wie ih das grundsäßlih thue, die Sache erneut

nah seinem Material aufzuklären. Das ift geshehen, die That« 2

sache der Mißhandlung des Marzillier festgestellt und der Unteroffizier, der ihn mißhandelt hatte, unter Degradation zum Gemeinen zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt worden, eine Strafe, die ih ihm von ganzem Herzen gönne. Auch hierbei ist es auf das tiefste zu bedäuern, daß sowohl Marzillier, wie scine Kameraden nit den Muth gehabt haben, die Sache zur Sprache zu bringen, weêwegen übrigens eine größere Zahl von Mannscha)sten mit zum theil ret harten Strafen belegt worden sind.

Der andere Fall hat sich in Wesel zugetragen. Auth dort ift eine schwere Mißhandlung festgestellt und der betreffende Unteroffizier mit 10 Monaten Gefängniß und Degradation, cin Gefreiter mit 14 Monaten Gefängniß bestraft worden. Als ih mir seiner Zeit hierüber Auskunft erbat, ist von den zuständigen Behörden ausdrück, li) betont worden, wie ‘es bei der humanen Behandlung, die innerhalb der Truppentheile herrshte, nit zu begreifen sei, daß derartige Vorgänge möglich und die Mannschaften die An: gelegenheit nit sofort zur Sprache gebracht hatten. Ich kann daher dem Herrn Abg. Bebel, wenn ihm ernstlih daran gelegen ist, diese Zustände zu ändern, nur nochmals den Rath ertheilen, den- Be- {chwerdeführern zuzureden, ihre Beshwerden auf dem dienstmäßigen Wege anzubringen. Er kann sich dann darauf verlassen, daß den Leuten unter allen Umständen ihr Reht wird. Daß im übrigen diese Vorkommnisse nicht in unserem System begründet sind, das hat der Herr Abg. Bebel selbst zugegeben. Auch die Schweiz hat ja vor nicht langer Zeit ihre Soldatenmißhandlunes-Debatte gehabt. Dort find allerdings ganz merkwürdige Beshwerdepunkte zu Tage getreten, so unter anderen ein Fall, in dem ein Borgescßter das Ehr- und Schamgesühl seiner Untergebenen dadurch verlegt haben follte, daß er sie durch militärishen Befehl gezwungen hatte, in einer Militär- Badeanstalt ohne Badehosen von denen zufällig keine zur Stelle waren zu baden, als Mißhandlung ausgelegt worden, (Heiterkeit.)

Von seiten des Bundesraths ist ausdrücklich erklärt worden, daß die Mehrzahl der Beschwerden auf Grund der angeordneten Unter- suchung als unbegründet oder übertrieben erklärt werden müsse, daß aber andererseits die Wahrnehmung gemacht worden fei, daß in cintgen Landestheilen eine allgemeine Unzufriedenheit herrsche. Also ich meine, meine Herren, in dieser Beziehung können wir ganz zufrieden fein, denn von einer allgemeinen Unzufriedenheit über die Behandlung unserer Soldaten kann bei uns doch nicht die Rede sein. Unser System kann sich immerhin noch mit dem messen, das uns der Herr Abg. Bebel empfohlen hat.

Die Behauptungen des Herrn Abg. Bebel über das Hereintragen von Politik in die Aumee sind für mich unkontrolierbar. Wenn vor längerer Zeit in einer Instruktionsstunde, wenn ich ri&tig verstanden habe, oder beim Exerziéren jemand „Jude Ibig®“ genannt worden ift, so liegt darin, glaube ich, doch kein Hineintragen von Politik in die Armee. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts.) Das i} einfa eine Beleidigung, die bestraft werden muß ebenso, wie in dem aus Neu - Breisaÿ zur Spcahße gebrachten Falle. Auch dort find angebli*z Juden und Sozialdemokraten beschimpft worden. Wenn ih die Leute beschweren, wird die Remedur nicht ausbleiben. Wenn ferner ein Offizier erwähnt worden if, der von den Irrlehren der Sozialdemokratie gesprohen hat, so kann ih zwar nit beurtheilen, ob die Gelegenheit, bei der er das gesagt hat, geshickt gewählt war, seine Meinung aber über diese Irrlehren theile ich vollkommen. (Sehr rihtig! rechts.) Ich glaube, die Sozialdemokratie irrt sich in Bezug auf ihren Einfluß. Nach meiner innigsten Ueberzeugung hat sie den Höhepunkt ihres Einflusses längst überschritten. (Lachen bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts.) Meiner Auffassung na is hier weder dur den Abg. Bebel noch seitens seiner Genofsen etwas Neues vorgebraht worden. (Sehr richtig! rechts.) Ich meine, die Herren nähren sich von Versprehungen, die sie nicht erfüllen können, und von Behauptungen, die sie nicht be- weisen können. (Sehr richtig! rechts. Zuruf. Große Heiterkeit.)

Da ih in der Lage bin, mich mit den Zielen und Lehren der Soztaldemokratie beschäftigen zu müssen, so komme ih in die Noth- wendigkeit, au die Protokolle von verschiedenen sozialdemekratischen Parteitagen zu lesen, und da muß ich allerdings bekennen : es ift das das Langweiligste, was ih jemals gelesen habe. (Heiterkeits rechts. Zuruf bei den Sozialdemokraten.)

Auf den Fall des Oberlehrers Schmidt in Bromberg näher ein- zugehen, will ih mir versagen. Daraus, daß er vor SF§ülera und Soldaten über die Flotte gesprochen hat, machen sie thm einen Vor- wurf, jedenfalls kann ih diesem Vortrage den Charakter einer politischen Versammlung nicht beimessen.

Die Ausfälle des Herrn Abg. Bebel gegen eine Rede, die von einer Stelle, die er nit angegeben hat, in Berlin gehalten worden ist, hâtte er sich nach meiner Ansicht sparen können. (Lachen und Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Denn es unterliegt doch keinem Zweifel und ih denke, ih habe darüber {hon öfters gesprohen —, daß wir auf die religiöse Erziehung in der Armee großen Werth legen. Ist es da zu verwundern, wenn bei einer Feier, an der evan- gelishe und fkatholishe Mannschaften betbeiligt sind jüdische Soldaten waren nit zugegen wo diese vor dem Altar stehen und die Geistlihen beider Konfessionen dort eintrachtsvoll vereinist find, darauf hingewiesen wird, daß die christlihe Religion ein wesentlicher Hebel für die ganze Armee is? (Bravo! reis.) Ich will auf die Entstellungen, die daran geknüpft worden sind, uiht näher eingehen. Es hat keinen Zweck, jemand belehren zu wollen, der es nicht wikl.

Die Versprechungen, die Herr Bebel an sein Zukunftssystem ge“ knüpft hat, seinen mir doch recht vager Natur. Ich habe bedauert, daß er die versprohene Broshüre niht geliefert hat, in welcher er die Heeresorganisation, wie die Sezialdemokratie sie beabsichtigt, mit allen Kosten näher auseinanderseßen wollte. (Heiterkeits rechts.) Ich verspreche ihm, diese Broschüre sehr aufmerksam zu lesen und ihm die Unrichtigkeit seiner Angaben mit Vergnügen nahzuweisen. Die Zahlen, die ih gegeben habe, sind sehr sorgfältig aufgestellt, sie basieren auf der Differenz, wie sie sih ergiebt, aus der Differenz zwischen der jetzigen Kriecsftärke und der vom Abg. Bebel geforderten von 84 Millionen Streitern. JIrrthümer in diejer Beziehung können bei uns garniht vorgekommen sein. Das will ich ihm aber gern zugeben, daß ih niht wußte, wie er im Frieden die Armee organisieren wollte

(Swhluß in dex Zweiten Beilage.)

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Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 44.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Jeyt allerdixgs erfahre ih aus seinen Ausführungen, daß sie zum großen Theil aus Kindern befteßen würde (Heiterkeit), denn nah seiner Mittheilung wird ja die militärische Ausbildung vom zehnten Jahre anfangen. Jch weiß niht recht, ob die Eltern damit ein- verstanden sein werden, daß ihre Kinder vom zehnten Jahre ab in militärische Zucht kommen. Ich will nur hoffen, daß der Abg. Bebel in ähnliher Weise zuküuftig au für unsere militärischen Unterrichtsanstalten, wie z. B, die Unteroffiziershulen, Kadettenkorps, eintreten wird.

Daß wir? den Milizgedanken weiter ausbilden \follen, wte Herr Abg. Bebel das vorschlägt, glaube ih abwarten zu können; denn die Verhältnisse, unter denen in der Schweiz die Miliz existiert, sind von

den unserigen wesentlich verschieden und dazu kommt noch, daß die |

Schweiz ein neutrales Land is, Wir haben an der \chweizer Grenze so gut wie gar keine Truppen stehen ; außerdem kommt der Schweiz die Natur des Landes zu statten. Wenn Frankreich oder Deutschland ein paar operationsbereite Armee-Korps an der s{chweizerishen Grenze - aufstellte, dann wäre es mir außer- ordentlich zweifelhaft, ob das Milizsystem dann reihen würde. Fn der Lage, in der sih die Schweiz bann befinden würde, befinden wir uns aber dauernd. Ich meine also, derartige Sachen lassen si über- haupt nit vergleihen. Wenn der Abg. Bebel \sih die Verantwortung vergegenwärtigen follte, die angesihts der militärischen Situation in Europa an die verantwortung8vollen Stellen herantritt, dann glaube ih, würde er mit der Erziehung der Jugend und der von ihm befür- worteten ganz minimalen Dienstzeit sih kaum beruhigen.

Ich habe durchaus keine Veranlassung, auf seine Organisation näher einzugehen. Den Uebungen in der Schweiz habe ih {on selbst beigewohnt und kann ih dem Truppenmaterial als solhem nur in hohem Maße meine Anerkennung zollen; aber das wird auch ein ver- ständiger shweizerisGer Offizier niemals behaupten können, daß eine Milizarmee sofort zur Operation schreiten kann. Jn unseren Ver- hältnissen brauen wir aber eine Operationsarmee, die jederzeit und sofort bereit ift; mit einer Milizarmee nah Ihrem System ist das nie errei@bar. Jh meine, die 385 Millionen, die der Abg. Bebel auf- seine Organisation anwenden will, könnten viel besser angewandt werden.

Nach meinen Notizen aus früherer Zeit will ih nit bestreiten, daß der Abg. Bebel betreff}s der Berechnung der in der Sch{weiz für die Armee aufgewandten Mittel vielleiht das Richtige getroffen hat. Ich habe mir aber au notiert, daß in einem bestimmten, nit sehr großen Zeitraum das Militärbudget der Schweiz auf das 36fache an- gewachsen ift.

Aufmerksam möchte ih noch darauf machen, daß der Abg. Bebel, wie das ja dem Wesen der Sache, die von ihm vertreten wird, entspricht, mit Versprehungen geendigt hat. Er hat den Leuten, die si seine Organisation zu eigen machen twoollen, höhere Löhnung,

bessere Verpflegung u. f. w. zugesagt. Das find Versprechungen, die | G

meines Erachtens garnicht erfüllt werden können und die au von | denen nicht geglaubt werden, an die fie gerihtet sind.

Daß die Zeit und Noth uns lehren könnte, die Organisation Bebel’s anzunehmen, das glaube ih nit (Heiterkeit); im Gegentheil, wenn wir diese Organisation annehmen wollten, kämen wir in Noth. (Bravo! und sehr richtig!)

General-Auditeur Jttenb ach: Meine Herren! Der Herr Abg. Bebel hat so oft das Unglück gehabt, daß ihm bei der Kritik unseres Militärstrafrechts und unserer Militärstrafrehtspflege Unrichtiges und Falsches nachgewiesen worden ist, daß man ihm die Freude gönnen Tfönnte, eine Aeußerung, die von dieser Stelle erfolgt ift, ebenfalls einmal als irrig nachzuweisen, und es is eigent- lich grausam, ihm diese Freude zu verderben. (Heiterkeit.) Allein ih kann mirs nit versagen. Jch habe von dem, was ih in der Sißung vom 17. Dezember hier im Hause erklärte, nihts zurück- zunehmen. Die Herren wecden sich erinnern und der Herr Abg. Bebel hat es ja wiederholt —, daß damals unserer Militärstraf- geseßgebung von seiten seiner Gesinnung8genossen der Vorwurf ge- macht wurde, daß sie barbarish sei es wurden noh einige andere s{chmeichelhafte Gpitheta gebrauht —, diesem Vorwurf gegen- über hatte ich die Behauptung aufgestellt, daß unser deutsches Militärstrafrecht das humanste von allen Gescßgebungen fei, und ih föhrte zwei Urtheile an, aus denen hervorgehen follte, daß selbs in Amerika die Gesezgebung weniger human sei als die unserige. Wenn man die Zeitungsartikel verfolgt, die infolge diefer Mittheilungen nachher kursierten, so könnte man fast glauben, als ob die Urtheile, die ih anführte, als Ursprungsftempel das made in Germany trügen. Ih kann Sie versihern: es - ist echt amerika- nishes Fabrikat. Die Urtheile sind abgedruckt in dem in New-York erseinenden Journal für Heer und Marine, „Army and Navy Journal“, und zwar im Jahre 1871. (Aha! bei den Sozialdemokraten.) Warten Sie einen Augenblick mit Jhrem Aba! (Heiterkeit) Diese Urtheile interessierten mi hauptsählich deshalb, weil si aus denselben ergiebt, daß schon der früheren preußischen Militärstrafgesetz- gebung, die ja bekanntlich viel strenger war, als unser jeßt geltendes deutsches Recht, jene allerdings barbarishen Strafen fremd waren. In der Hie des Gefehts und da cs si dcch eigentlich um einen anderen Gegenstand, nämlich um den Entwurf unserer Militär- strafgerihi8ordnung handelte, habe ich allerdings übersehen, meine Bezugsquelle und außerdem das Jahr anzugeben. F konstatiere aber heute, und ih fonstatiere es mit ganz besonderer Genugthuung, daß unser A SNSC leg bom Jahre 1845, welches von dem damaligen absoluten König von Preußen gegeben worden ist, an Milde und Humanität die amerikanishe Geseßgebung um mehr als ein Vierteljahrhundert geshlagen hat. Denn von trafen, wie das Kahl- sheeren des Kopfes bei Deserteuren, Brandmarken, an den Pranger stellen, Keitenschleppen und dergleichen, vonallen diesen Strafen kannte hon jalex E Eda von 1845 nichts; sie gehörten aber noch Anfangs der 70er Jahre zu den zulässigen Strafmitteln im Heere „der Vereinigten Staaten. Den Vorsprung, den unser preußisches jen tür: Strafgesesbuch vor der- amerikanischen i hatte, den hat die leßtere bis auf den heutigen Tag nicht eingeholt. Das geht zweifellos {hon aus den Mitt eilungen hervor, die Kollege Lieber, d. h. ich meine meinen amerikanischen Kollegen, in dieser Angelegenheit gemaht hat. (Heiterkeit.) Das ift allerdings Le : die Strafe des Brandmarkens is im Jahre 872, zufällig in dem alben Jahre und in demselben Monat, in dem unser Deutsches Militär-Strafgeseßbuch eingeführt wurde, verboten iben, Außer diesein Brandmarken gab es noch Brennen und Täto-

eren. Auch kann ih ergänzend hinzufügen, daß bis dahin auch noch

Berlin, Sonnabend, den 19. Februar

die Prügelstrafe in ihrer Armee zulässig war. Durch denselben Kongreß- beshluß vom Jahre 1872 is auch die Prügelstrafe, das A oagiaE, erst beseitigt worden. Nach diesem Kongreßbeshluß, alo während der Geltung des Deutschen Strafgeseßbuchs, blieben das Kahlscheeren der Deserteure, das Andenprangerstellen, die Kettenstrafe als jus lässige Strafmittel des amerikanischen Strafkodex vor- läufig bestehen. Es ist aus der Antwort des amerikanischen General-Auditeurs zu s{hließen, daß bei den Deserteuren anscheinend erst im Jahre 1895 dieses Kablsheeren des Kopfes abgeschafft woorden ist. Und wenn man si darauf beruft, daß jeßt für die Fahnenflucßt die amerikanishen Strafurtheile so überaus milde seien, fo darf ih hinzufügen, daß unser deutsches Strafgefepbuch troy alledem noch milder ist. Dort muß neben der Gefängnißstrafe jedesmal die ehr- lofe Entlassung aus der Armee ausgesprochen werden, währead wir für Soldaten und Unteroffiziere etne derartige \{impf-

| lihe Entfernung neben der Gefänguißstrase bei Fahnenfluht nicht

kennen. Und wenn gesagt wird: milde sind wir Amerikaner auch in sofern, als die Durchschnittsstrafe für Fahnenflucht ein Jahr ift, so mache ih darauf aufmerksam, daf bei uns das Strafminimum sür ‘die einfahe Fahnenflucht sech8 Monate beträgt und nur in ganz befonders gelegenen Fällen überschritten wird. Was das Andenprangerstellen anlangt, so if es im Ungewissen gelassen, ob diese Strafe durch die Ausführunasverordnung vom 20. März 1895 ebénfalls beseitigt ist. Es is mir troy aller Be- mühßungen niht gelungen, diese Auéführungsverordnung zu bekommen. Ich weiß nur, daß durch Kongreß-Akte vom 22. Juli 1894 eine allgemeine Revision der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten angeordnet wurde, die au zu einer Aenderung des bis dahin bestehenden Militär- strafrehts geführt zu haben sheint. Aber Eines ist ja do zugestanden worden, daß nämli die Kettenstrafe noch bis auf den heutigen Tag zu den geseplihen Strafmitteln in Nord - Amerika gehört, und eine humane Strafe is es gerade nicht, wenn Jemandem eine 12 bis 32 Pfund {were Kugel dazwischen \chwankt nämli das zulässige Gewicht an einer mehrere Fuß langen Kette an das Bein geschmiedet wird, und er damit einige Jahre lang einher- gehen muß. Also als geseßlihes Strafmittel hat die nord- amerikanishe Gefeßgebung diese Strafe jeßt noch, und wenn darauf hingewiesen wird, sie würde niht angewendet, so entzieht es sich vollständig meiner Beurtheilung, inwiefern die amerikanishen Gerichte disfretionäre Gewalt haben, geseßliche Strafen anzuwenden oder niht. Es is ja mögli, daß fie dazu befugt sind, aber wenn dies der Fall, dann sind die amerika- nishen Gerihte auch in der Lage, unter Umständen diese Strafe, wenn sie angebracht is, wieder anzuwenden. Jch glaube daher, ich bin vollständig berechtigt, meine Behauptung vom 17. Dezember vorigen Jahres zu wiederholen, daß unser deutshes Strafgeseßbuch, was Milde und Humanität be- trifft, durch die amerikanishe Gesetzgebung gewiß nicht übertroffen wird. Meine Herren, wenn nun in den Mittheilungen des Judgs Advocate general Lieber auf die milde Praxis der dortigen Gerichte hingewiesen wird, so gewinnt es fast den Anschein, als wenn ih mir damals eine Kritik des dortigen militärgerihtlichen Verfahrens und der militärgerihtliczen Urtheile erlaubt hätte. - Das ist nicht der Fall gewesen. Jch habe von der Geseßgebung gesprochen, aber nicht von den U-rtheilen der Gerichte oder der Handhabung der Militärstrafrechtspflege. Jh stehe vielmehr auf dem Standpunkt, daß man gerihtlihe Urtheile niht fritisieren darf, wenn man nit vollständig den ganzen Sachverhalt und alle dabei in Betracht zu ziehenden Umflände kennt. (Sehr richtig! recht8) JIch bin aber ferner der Ansicht, daß das nicht bloß auswärtigen Gerichten gegenüber gilt, sondern daß es sehr wünschenswerth wäre, wenn dieser rundsaß auch unseren deutshen Militärgerihten gegenüber ange- wendet würden. (Sehr rihtig!)) Und daß das nit immer geschieht, dafür haben Sie, meine Herren, do {on die eklatantesten Beispiele gehabt. (Bravo! rets.)

Ag. Kunert (Soz.) verwirft den Vergleich zwishen der ameri- kanischen und der deutschen Armee, weil erstere nur aus Söldnern bestehe. Davon könne niemals die Rede sein, daß erst die einzelnen Fälle der Kriegsberwaltung unterbreitet werden sollten, das entipreche nit der Würde eines Volksvertreters. Redner führt sodann Beshwerde darüber, daß die Petitionen der Sattler und Büchsenwacher von der Militär- verwaltung kurzer Hand abgefertigt worden seien, wobei besonderer Nachdr!-ck darauf gelegt sei, daß diese Handwerker in einem gewissen militärischen Verhältnisse sfih befänden. Die Militärverwaltung follte doch die wirthschaftliche Lage dieser Handwerker in Betracht ziehen, deren Löhne erbeblih herabgedrüdckt ieten, wie überhaupt die Löhne aller Arbeiter in den Militärwerkstätten. Redner verlangt zum Schluß ebenfalls eine auëgedehntere Sonntagsruhe für die Soldaten.

Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Goßler:

Ich habe durchaus nicht die Absicht, auf die Einzelheiten ein- zugehen, die der Herr Vorredner vorgetragen hat. Warum er sich am Schluß seiner Ausführungen so aufgeregt hat, weiß ich nicht (Heiterkeit); denn dieselben waren doch in der That nicht von der Tragweite und Bedeutung, als daß der- artige Schlüsse, wie er sie gezogen, gerechtfertigt gewesen wären. (Heiterkeit ) Auch der Zusammenhang bis zu der leßten Exklamation war außerordentlich {wer zu verstehen. (Zurufe bei den Sozial- demokraten.)

Wenn der Herr Abgeordnete behauptet, es wäre in Bezug auf die Sonntagsruhe nichts geschehen, so würde ih ihm doch rathen, einmal die Akten des Reichstags einzusehen, Er würde dann finden, daß s{chon in der Sißzung der Kommission für den Reichshaushalts-Etat am 10. Dezember 1896 diese Frage aus- führlih behandelt if, und daß in dem betreffenden Protokoll die Bestimmungen, welhe in dieser Beziehung über die Sonntagsruhe erlassen wurden, enthalten sind. An der Spiße derselben steht ein Allerhöchster Erlaß Seiner Mäjestät des Kaisers und Königs, der für sich selber spricht, und der all den Redensarten des Herrn Vorredners die Spiße abbriht. Um diesen Erlaß dem Vorredner nohmals zur Kenntniß zu bringen, will ich ihn hier ver- lesen: Er lautet:

„Um Meinem Heer erneut zu erkennen ¡u geben, wie fehr Mir die Erhaltung und Förderung des religiösen Sinns am Herzen liegt, erkläre Jch hiermit ausdrücklich, daß die Bestimmungen des § 28 Absay 3 der Garnifondienstvorshrift vom 13. September 1888, nach welcher unter gewöhnlihen Verhältnissen kein Soldat an Sonn- und Festtagen am Kirchenbesuchß gehindert werden soll, sich auch auf den freiwilligen Kirchenbesuch erstreckt.

Sie haben diese Meine Willensmeinung in der Ih Mich mit der in Meinem Heere lebenden Glaubensfreudigkeit eins weiß, dem- selben bekannt zu geben und das Weitere zu veranlassen.

Berlin, den 23. Januar 1896,"

Hieran sind dann noch Ausführungsbeftimmungen geknüpft, in denen ausdrücklich ausgesprohen wird, daß derartige Revisionen, wie der

1898.

Herr Vorredner sie hier erwähnt hat, nicht vorgenommen werden dürfen. Wenn er also die Güte haben wollte, das Protokoll dieser Sißzung nawzusehen, so würde er auh füc seine übrigen Fragen eine vollständig erschöpfende Antwort finden.

Was dann die Verhältnisse in Deutsch-Eylau anbelangt, so ift es ja sehr erfreulich, daß der Herr Borredner einen bestimmten Truppentheil genannt hat. Jch würde aber doch dringend bitten, mir das, nähere Material, auf dem diese Anschuldigungen sbe- ruhen, zu geben, damit die Saße untersucht werden kann. Denn dere artige Anschuldigungen sind zwar außerordentlich leiht gemacht, aber damit noch nicht bewieséèn. Ich bitte also, wenn die Sache untersucht werden soll, um das Material (Bravo! rechts), und zwar umsomehr, als ich ähnlihe Erfahrungen erst vor kurzem in der Budgetkommission gemacht habe. Auch da wurde jemand von einem der Herren „Genossen* (Heiterkeit) unter Nennung des Namens an- gegriffen und an den Pranger gestellt. Auch in diesem Falle habe ih um das Material gebeten, mi sofort bereit erklärt, tie Wahrheit festzustellen; hier wurde mir aber geantwortet: „Jh habe es gehört, verbürgen kann ih es jedoch niht“. (Heiterkeit, Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Wenn ich nun auf die Arbeiterverkbältnisse in Spandau übergehe, so kann ih nur sagen, daß dieselben in meinen Augen vortrefflih sind, und ih habe mih bemüht, den Arbeitern in jeder Hinsicht ge- recht zu werden, Was für die Arbeiter ges{chehen kann, geschieht, und wenn die Sozialdemokratie niht stets versuchte, Unfrieden zu fiiften, könnten es Musteranstalten sein. (Sehr ridtig!) Ich weiß ja nicht, woher der Herr Abgeordnete diese Nachrichten hat; zuin theil haben fie im „Vorwärts" gestanden. Dieselben find un- wahr, und wenn der Herr Abgeordnete keine anderen Unterlagen für seine Behauptungen anführen kann, so bedauere ih, daß er diesen Artikeln Glauben geschenkt hat. (Heiterkeit.)

Wegen der Sattler brauße ih auf Details nit einzugehen. Die Sache beruht darauf, daß die Sattler an mich das Ersuchen stellten, ih sollte die Hausindustrie in Betreff der Sattlerarbeiten verbieten. Dazu lag für mich aber keine Veranlassung vor, und ih beabsichtige auch durchaus nicht, in das Erwerbsleben der Bevölkerung einzugreifen. (Bravo !)

General-Auditeur Ittenbach: Meine Herren! Eine Behauptung des Herrn Abg. Kunert muß ih richtig ftellen, damit sie nicht als unwidersprochene „Wahrheit“ in die sozialdemokratishen Blätter übergeht. Mit dem Brustton der Ueberzeugung stellt er nämli die Behauptung auf, daß in unsern Militärzuchthäusern die Kettenfstrafe noch angewandt würde. So viele Worte,- so viele Unrichtig- fetten. CGistens haben wir keine Militärzuhthäuser (Heiterkeit) ; der Soldat, welher zu Zuchthaus verurtheilt wird, ist an die bürger- lien Bebörden zur Strafvollstreckung abzugeben. Aber auch in den sonstigen Gefängnißanstalten der Armee kennt man von der Ketten- strafe absolut nihts. Jch weiß nit, welhe Bezugsquelle der Herr Abgeordnete in der Beziehung gehabt hat.

Wenn er sich des Längeren mit meiner Person beschäftigt und mich gewissermaßen als einen 20 jährigen Siebenschläfer dargestellt hat (Heiterkeit), fo glaube ih der Mühe überhoben zu fein, vor dem hohen Haufe auf diese Ausführungen näher einzugehen. (Bravo !)

General-Major von der Boeck: Der Abg. Kunert hat unter den vielen Klagen, die er über die Armee und im Besondern über die Heeresverwaltung bier vorgebraht hat, auch Einzelheiten angeführt bezüglih der Militär-Arbeiterverhältnisse in Spandau. Es ift {on vom Herrn Kriegs - Minister hervorgehoben worden, daß die Heeres- verwaltung bemüht ist, für das Wohl der Arbeiter nah allen Richtungen hin Vorkehrungen zu treffen, damit Uebelstände, die fich hier und da vielleicht gezetgt haben sollten, beseitigt werden. Die spezielle Klage, die der Herr Abg. Kunert hier vorgebracht hat, bezieht ih, wie schon hervorgehoben worden ift, auf einen Artifel, der im „Vorwärts“, ih glaube am 20. Januar d. I., gestanden hat, dessen Inhalt im wesentlichen nicht zutreffend ist. Er hat zunächst hervorgehoben, daß die Arbeiter der Pulverfabrik in Spandau eine Beschwerde in Lohn- angelegenheiten an das Kriegs-Ministerium eingereiht hätten, welche zurückgewiesen worden sei; nur den beiden Arbeitern, welhe die Be- schwerde niht unterschrieben hätten, sei eine Lohnerhöhung be- willigt worden, während alle übrigen mit 50 Z Strafe belegt seien. Der Einzelfall ist mir nicht bekannt; ih kann daher im Augen- blick nicht feststellen, ob die Thatsache an si genau richtig ist. Wenn die Beschwerdeführer aber mit 50 4 bestraft worden sind, werden sie diese Strafe durh ihr Verhalten wohl verdient haben. Nach den Bestimmungen sür die Arbeiter werden sie u. a. mit solchen Strafen belegt, wenn sie den JInstanzenweg bei Beschwerden und Gesuchen niht innehalten, und da in der leßten Zeit mehrfah die Nicht- innebhaltung des Inftanzenweges vorgekommen war, is vor nit langer Zeit dieser Weg den Arbeitern erneut genau bezeichnet

worden, damit derartige Verstöße in ihrem C Interesse ver-

mieden werden. Ist also eine derartige Strafe verhängt worden, so dürften fie dieselbe vollständig zu Reht bekommen haben, denn bei ihrem Engagement haben sie ausdrücklih erfahren, daß in solhen Fällen derartige Strafen verhängt werden. Der Herr Abg. Kunert hat ferner Klagen bezüglich der Arbeiter

- in den Säurecetrieben der Pulverfabrik in Spandau zur Sprache

gebraht. Jeder von den Herren im hohen Hause, welcher einmal einen solhen Betrieb gesehen hat, wird sih überzeugt haben, daß die Arbeit in solchen Fabriken in der That sehr s{wierig und für die Gesundheit hädlich ist. Die Heeresverwaltung thut alles, um die sih aus der Eigenart dieser Betriebe ergebenden Uebel tände, zu beiseitigen oder doch so weit wie mögli zu mildern. Zudem finden ja die regelmäßigen Revisionen der Fabrikinspektoren statt, und bis jegt ist nah dieser Rihtung noch keine Klage der Heeresverwaltung zu Ohren gekommen. Die Leute be- kommen außerdem ihren höheren Lohn, und bis jeßt hat noch kein Mangel bestanden an solchen Arbeitern; es sind immer noch en e: Arbeiter für diese Betriebe vorhanden gewesen, alfo ein Beweis, daß die Arbeit auch mit Nücksiht auf den böberen Lohn eine weniger gesuhte nit ist. Sodann bat der Herr Abg. Kunert Beschwerde grie über Lohnherabseßzungen in den militär- tehnishen Instituten in Spandau. Auch diese Beschwerden waren

‘bereits in dem erwähnten Artikel im „Vorwärts" enthalten.

Dieser Artikel entspriht niht den Thatsachen. Die Lohn- herabsezungen beziehen sich auf Accortldbne bei Herstellung des neuen Feld-Artilleriematerials, welhe im vorigen Jahre nah ein- n Prüfung endgültig festgeseßt worden sind. Die Herabsezung st erfolgt, weil der Stücklohn für diese Arbeiter über den für die betreffende Lohnklasse festgeseßten Lohnsaß hinausgeht. Auch nah Herabseßung der Löhne bewegt S der Arbeitslohn durch- aus noch in den vorgeschriebenen Grenzen, die bezüglichen Angaben sind alfo nit zutreffend. Es is oann ferner noch von dem Herrn Abg. Kunert Ai aarüe gten worden, daß die Arbeiter der militärtehnishen Institute in Spandau gezwungen seien, nah