1898 / 46 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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dem ihnen in vorgeschriebener Weise gelündigt worden

__ fanden, na: Gt: T a sie sih in keinem Kündigunosvertrage befanden, sind sie “sofort entlassen worden. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Die

Heer: sperwaltung kann und wird nicht dulden, daß in ibren Be- trieben Arbeiter angestellt werden, die eine politishe Gesinnung in agitatorisd;er Weise bethätigen, welche gegen Altar, Thron und Vaterland gerichtet ist. (Lebhaftes Bravo! rechts ) General-Lieutenant von Viebabn: Der Herr Abg. Kunert hat die Frage der Sonntagsruhe in der Armee noh einmal ¿ur Sprache gebradt. Ich babe mich in dieser Beziehung auf die Auéführungen des Herrn Kriegs-Ministers zu beziehen, welher in der vergangenen Sißung bereits die bestehenden Bestimmungen auseinanderçeseßt hat, wonach den Mannschaften die Sonntagsruhe unter allen Umständen gesichert ist. Diese Bestimmungen und das Bestreben dez Militär- verwalturg, den Mannschaften die Sonntagsruhe zu sicher, beziehen si nit nur auf die kir{lihe Sonntagètheiligung, sondern auf die allge- meine Sonnt-géruhe. Unddae wird durhgeführt, soweit dieAnforderungen des Dienstes es irgend gestatten. Daß in einem so großen Kö: per, wie die Armce ist, vielleiht vereinzelt hier und da einmal gegen diese Vorschriften verstoßen wird, ift mens{chlich erklärlih; es handelt sich ja um Zehntausende von Vorgeseßten, welche diese Vorschriften aus- zuführen baben. Das können indessen nur ganz vereinzelte Fälle sein. Der Auffassung des Herrn Kunert, welche er dem Sinne nach dahin machte, Seine Mojestät der Kaiser habe es zwar befohlen, ein ganz anderes Ding sei es aber, ob es ausgeführt werde, ist auf das ent\ciedenste entgegenzutreten. In der Armee geschieht, was von oben befohlen wird. (Zuruf von den Sozialdemokraten : Nein! Große Heiterkeit.) Dann hat sich der Herr Abg Kunert über das Gefängnißwesen verbreitet vnd neben seinen Ausführungen über das König- lich fädbsishe Gefängniß in Dresden, die bereits von dem sächsischen Herrn Militär-Bevollmächtigten beantwortet sind, auf eine Aeußerung des Herrn General. Lieutenants von Spiß bezogen, meines Amtsvorgängers, wel&e mir wohlbekannt is, wonach si die Militärgefängnisse in Preußin in sehr gutem Zustande b:finden. Herr Kvnert bat aber angedeutet die Worte sind mir niht mebr genau erinnerlih —, es stünde damit nit so gut, und er nannte Graudenz und Weichselmünde. Wenn er nit in der Lage is}, bestimmte An- gaben zu machen, so muß ih seine Auffassung als unbegründet zurück- weisen. Die Festungsgefängnisse werden sehr sorgfältig geleitet und inspiziert; es wird sehr darauf gesehen, taß, wenn etwa diese oder jene kleine Unordnung fich einstellen sollte, mit der größten Strenge dagegen eingesritten wird. Nach dem, was dem Kriegs-Ministerium bekannt is und was sich zum theil auf persönlihe Inspizierung meinerseits im Auftrag des Herrn Kriegs-Ministers gründet, sind größere Unordnungen oder Unzuträglichkeiten in den ¿Festungégefäng- nissen in leßter Zeit niht vorgekommen. Mit Ausnahme von drei Anstalten habe ih sämmtlihe Militärgefängnisse im Laufe des leßten Sommers bisihtict und zwar unangesagt derart, daß ich z. B. in S:raf burg eines Morgens als Vertreter des Herrn Kiiegs. Ministers eintraf und die Anstalt ansah. In der anderen machte ih es ebenso. Von ganz minimalen Kleinigkeiten abgesehen, wurde dabci alles in guter Ordnung befunden. Was Herr Kunert mit der Anführung von Graudenz meint, weiß i nit. Bei Weichselmünde bezog er sih wohl auf Zeitungéartikel, welche in leßter Zeit in vershiedenen Blättern standen. Vor wenigen Tagen ist darüber ein Bericht des zuständigen General- Kommandos beim Kriegs-Ministerium eingegangen ; es bezieht si der- selbe auf die Festungsstubengefangenanstalt in Weichselmünde, nicht etwa auf das Festungegefäncniß zu Danzig. Ucber die Anstalt in Weichselmünde wird ausgeführt: „Nach einer im Oktober 1897 vor- genowmenen Untersuhung der Unterklunstéräume, welche am 11. Fe- bruar 1898 dur den Kommandanten, den mit dem ärztlichen Dienst bei der Anstalt beauftragten Sanitäts. Offizier und die örtlihen Ver- waltungsteamten wiederholt wurde, haben sich in sämmtlichen be- wchnten wie unbewobnten Stuben keinerlei Anzeichen von Feuchtig- keit feststellen lassen. Sämmitlihe Festungé\tubengefargene, auch Dr. Wrede, wurden befragt, ohne irgend welche Klagen zu äußern. Auch die Klosets verbreiteten keinerlei \{lechten Geruch. Zugegeben muß werden, daß die Gegend, in welcher die Festungs- stubengefangenenanstalt liegt, eine Niederung i}, in welcher viel Wasserläufe sind, eine gewisse Anlage zu Malaria begünstigt (sehr richtig!), daß aber nah Ansiht des mit dem ärztlichen Dienst bei der Anstalt kteauftragten Sanitäts-Offiziers in der letzten Zeit nur ein Malariafall konstatiert ist und daß die Offiziere und Sefangenen- aufseher, der Marketender mit Frau und Kind, welche länger als die Gefangenen mit diesen unter einem Dach gewohnt haben, diesen Mealariacrkcankungen im wesentlichen niht autgeseßt gewesen sind.“ (Bravo!) | ;

Atg. Bebel (Soz.) führt aus, die Familien der Offiziere und Beamten könnten sich gegen die shlechten Einflüsse des Klimas besser hüten, als die Festungsgefangenen. Die in Spandau zur Entlassung Ss Arbeiter hätten sich gewerkschaftlich und nihht politis ethätigt.

Abg. Schall (d. kons.): Die Spandauer Arbeiterverhältnisse kenne ih feit mehr als 20 Jahren. Herr Kunert hat den Arbeitern der Militärwerkstätten keinen guten Dienst geleistet. So lange in Spandau überhaupt noch Arbeiter eingestellt werder, ist es für die Um- gegend unmögli, Arbeiter zu bekommen, weil die Löhne in Spandau zu hoc sind. An Schußmaßregeln i} in den Königlichen Werkstätten alles Mögliche geschehen. Schen Sie sich die Einrichtung in Hasel- horst an; es kann au der wobhlhabendste Privatmann nicht Das leisten, was der Staat hier leislet. Dadurch kommt der gewerblihe Meittel- stand sehr in das Hintertreffen. Aus meiner Thätigkeit als Geist- licher cines Festung8gefängnisses kann ih feststellen, daß niemals ein Festungêgefangener sich über s{chlechte Behandlung beshwert hat. Die Strafen für die Vorgeseßten, die sich Mißhandlungen haben zu sckdulden kommen lassen, waren viel schärfer als die Strafen für die Manrschastes, welhe Insubordinationsvergehen begangen hatten. Es besteht das Bestreben, die Soldaten auch religiôs zu erziehen. Dazu dient der Kirhgang und die Sonntagsruhe, aber darüber darf die Disziplin nicht vergessen werden, damit die jungen Leute nicht Sonntags auf Abwege gerathen. Ver- tufhen wollen wir Mißstände niht, aber wir wählen andere Wege und Mittel, um sie zur Sprache zu bringen. Wir halten dafür die Tribüne des Reichstages nicht für den geeigneten Ort. Denn der Schaden dieser öffentlihen Erörterung ist größer als der Vortheil. Die Disziplin leidet darunter. Jh glaube nicht, daß Sie (links) auf dem ridtigen Wege sind. Es verwundet mein preußisches Herz und Gemüth tief, wenn man Jahr für Jahr die Armee hier Spicßruthen laufen sehen muß. Unsere Armee hat ihre Proben bestanden in den ernstesten Zeiten und braucht niht auf ter Wage der Sozialdemokraten gewogen zu werden.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): ‘So sehr ernsthaft wir Herrn Bebel nehmen, wenn er von sozialen Dingen spricht, so wenig ernsthaft können wir ihn nehmen, wenn er über militärishe Dinge sih äußert. Daker die Heiterkeit bei den Mittheilungen über den Ja- halt seiner Broschüre. Daß die Gewerkschaften keine Politik treiben, können wir niht zugeben. Die Gewerkschaften sind nech immer als ein Zweig der Sozialdemokratie erflärt worden. Wenn wegen ter Maßregelung der Gewerkschaftsmitglicder Unzufrieden- heit unter ten Arbeitern berrshte, so müßten die Sozialdemokraten doch dankbar dasür sein; denn da blüht ja ihr Weizen. Jch sprecke dem Kriegé-Ministec meinen Dank dafür aus, daß er keine \ozial- demokratische Agitation in den Königlichen Werkstätten duldet Diesen Stant purkt sollten alle Arbeitgeber von Gottes- „und Rechtéwegen einnehwen. Herr Beb:1 hat sih gegen die Nevoluticn ausgesprochen, sein Fraktiont genosse Kunert aber hat von einem Sturm gesprowen, der stärker sein werde als der von 1848. Das ist ein Widerspruch. Aber troßdem wissen die Regierungen sehr gut, woran sie find. Da- gegen muß ih mi aber verwahrer, daß, wenn der Kriegs-Minister gegen die Sozialdemokraten einen \{harfen Ton anslägt, dadur der

eidéiag beleidigt wird. Der Ton, der seitens der Sozialdemckraten angeschlagen wird, giebt ihnen nicht das Recht, sih zu beschweren. Der Kriegs-Minister hat Herrn Singer niht geantwortet, wahr- scheinlich weil er einen folchen Ton wie die Soztaltemokraten nicht anslagen wollte, Ich würde an Stelle des Kriegs-Ministers über-

haupt ait antworten. Die Sozialdemokraten sollten doch bedenken, daß sie eigentli gar kein Recht haben, hier zu sigen. Sie verstoßen fortgeseßt gegen den Diäten-Paragraphen, also gegen die MNeichs- verfassung. und sie verdanken es nur der Lieterswürdigkeit, der Konni- venz Me Peelags, daß derselbe ncch niht die Konsequenzen daraus gezogen bat.

Nah einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Bebel, Kunert, Legien (Soz.), Freiherr von Stumm, Singer

und von Kardorff wird die Debatte geschlossen.

Das Gehalt des Kriegs-Ministers und die Besoldungen des Kriegs:Mivisteriums werden darauf bewilligt.

Nach 51/2 Uhr wird die weitere Berathuno his Di enstag 2 Uhr vertagt. 1

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 27. Sißung vom 21. Februar 1898.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts- Etats für 1898/99 wird im Etat des Ministeriums des A bei dem Titel „Gehalt des Unter-Staatssekretärs““ ortgcseßt.

Ueber den Beginn der Debatte ist hon berihtet worden.

Aktg. Gamp (r. kons.): Das Mißtrauen der Landwirthschaft gegen Herrn Nickert und seine Freunde ift nur zu berechtigt. Er und feine Partei haben stets für Gescße gestimmt, die den Interessen der Landwirthschaft entgegenstehen; ihnen verdankt die Landwirthschaft die Geseßge über den Unterstüßungswohrsiß, über die großen Armen- und Scullasten. Die Schulbaulasten werden fast ausschließlch von dem Groß- und Kleingrundbesiß getrayen. Sie haben gegen die Zentralgenossenschaftskasse gestimmt, gegen die Silos, gegen den Sch: unsercs heimischen Viebbestandes vor ausländisher Verseuchung ; Sie haben das arößte Interesse für die amerifanis@e Trichine. Und nun wollen Sie den Leuten einreten, Sie hätt'n ein Interesse für die Landwirthschaft. Herr Gotbein will auch Grundbcsiger scin; soviel ich weiß, hat er vor- wiegend Bautetrain; und Herr Nickert hat sein Land an Gemüsebauer in Zoppot verpa&tet. Die Herren sind zwar nicht ohne Ar, aber ohne Halm. Die antisemitiscke Agitation bleibt binter der des Vereins „Nordost“ zun ück. Ueberhaupt ist der Kampf dieser Agitation gegen die konservative Partei, namentli hinsihtlih des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes, durchaus uneb:lih. Wenn die Herren die Kosten der Alters- und Invalidenveisiherung auf das mobile Kapital übernehmen wolltcn, so würden die Landwirthe ihnen tank- bar sein. Retner wendet si sodann gegen die Ausführungen des Agitatcrs Bax, dem er verschiedene Uebertreibungen und Unrichtig- keiten nachzuweisen sucht. Herr Bax, führt Nedner weiter aus, be- streitet das Vorhandensein einer Nothlage der Landwirthschaft. Solche Behauptungen haben nur einen agitatorishen Charakter. (Der Prâä- sident von Kröch er erinnert den Redner daran, daß diese Polemik mit dem zur Diskussion stehenden Titel nihts zu thun hat.) Herr Bax will fogar die Gendarmen aus der Zahl der pensionierten Lebrer nehmen. Will Herr Nickert auch bei den Komrmunalwablen das allgemeine direkte Wablreht einführen? Im Parlament ist der kleine Grundbesiß auêreichend vertreten. Herr Nikert hat geweint, der Kampf der Linken richte sih nur dagegen, daß man sich auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen fülle. Wenn man mir persönlich einen folhen Vorwurf machte, fo würde ih das für cine arobe Jnfamie e! klären und mir so etwas entschieden verbitten. Der Minister möge sich die Personalakten des Herrn Bax etwas genauer ansehen. Dieser Herr hat eine sehr dunkle Vergangenheit. Und mit einem folhen Herrn arbeitet der Verein „Nordost“. Herr Rikert betreibt nur Agitation für den Verein und hat keine Veranlassung, ihn in Schutz zua nehmen.

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Ich kann über die vorgestiige E klä- rung des Ministers nur meine lebhafte Genugthuung aussprechen ; meine Beschwerden haben sich also als begründet erwiesen. Hält der Minister sein Versprehen, fo werden die Betroffenen und wir zu- frieden fein. In Bayern, Baden und Württemberg sind solche Dinge, wie ih sie voraebraht habe, einfah undenkbar. Geben Sie uns die bayerischen Verwaltungsbeamten, dann wollen wir Fhnen auch Gesegzesbestimmungen konzedieren, wie in Bayern, Aber Land- räthe wie Herr von Puttkamer und Amtsvorsteher wie Herr von Heydebreck können uns kein Vertrauen einflößen. JIch habe keine Veranlassung, mih mit dem letzteren eingehender zu beschäftigen. „Heyzrishe Ausdrücke“ sollen es scin, wenn auch wir im Vereine eine andere Vertheilung der Schullasten s\tatutarisch erstreben. Der Vortrag des Herrn Stumpfe über den Kleingrundbesig und die Getreidezöle war dazu bestimmt, Aeßerungen des Reichs- fanzlers zu widerlegen, und der Landrath Stubenrauß kat zum Besuh eines solchen Vortrages aufgefordert. Wiss n- schaftlicen Werth hat auh die Stumpfe’she Schrift ncht. Wer is Herr Bax? Jh kenne ibn niht. Jn meinem Auf- trage ist er nirgends gewesen. Jn Masuren war er? (Zwischen-

ruf des Abg. Gamp: In Westpreußen!) Also in Ihrem Wahlkreise, dann wundere ich mich garnidt, Jch muß es mir ernstlich verbitten, daß Sie mih für Leute verantwortlich nachen, die ih garnicht kenne. (Zuruf rechts: Nordost!) Ich bin diesem Verein exst deigetreten, nachdem Sie gegen ihn aufgetreten sind. Wir follen kein Gesey für die Landwirthschaft angenemmen haben. Wenn Herr Gamp Zeit hat, dann mag er meine Rede vom Jahre 1896 lesen und abdrucken lassen. Die jeßige Grundsteuer- regulieruna ging aus von dem Minister von Patow. Wir standen genau auf dem Standpunkt des Fürsten Biêmarck und haken gegen den so- genannten Steuerausgleih gekämpft. Das Unterstügungêwoh» sißzeset ist seiner Zeit einstimmig angenommen worden. Ih habe da- mals mit Herrn von Miquel in der Kommission gesessen und mich gegen cinige Bestimmungen erkläit. Herr Gamp hat gar keine Ahnung von den Verhältnissen, aber er spricht darüber. Und nun denken Sie, was der Herr alles seinen Bauern erzählt. Für das allgemeine direkte Wahlreht in den Kommunen ist niht einmal die fre:siúnige Volkepartei. Jch habe Bíisseres zu thun, als alle solche Unwahrheiten zu widerlegen. Mir ist nit eingefallen, zu sagen, die Großgrundbesißer benugen die Klinke der Gesepgebung, um {ih die Tasche zu füllen.

Präsident Lon Kröcher: Es wird behauptet, Herr Gamp, Sie hätten gegen Herrn Rikert gesagt: wenn er Ihren persöalih solche Vorwürfe machte, würden Sie dies für eine grobe Infamie erklären.

Abg. Gamp: Jch habe gesagt: Wenn mir einer sagte, daß ih die Klinke der Geseßgebung ergreife, um mir die Taschen zu füllen, so würde ih das für eine Infamie erklären. :

Prôsident von Kröcher: Ihre Aéußerung if also gegen eine fingierte Person gerichtet.

Abg. Ridckert zitiert seine Rede vom Sonnabend, um seine Aeußerungen richtig zu tellen, und fährt dann fort: Daß wie uns für amerikanische Trichinen interessieren sollen, ist so lächerlih, daß ih darauf garnicht einzugehen braute. Ich erhalte für mein Land in Zoppot eincn “ganz normalen Pachtzins und wünschte, ih hâtte es vortheilhafter verpahtet. Wenn Herc Gamp Mitglied des Vereins „Nordost“ werden will, fo muß er auch dessen Statuten anerkennen. . Die Aufhebung des Fdentitätênachweises babe ich schon 1879 von dem Fürsten Biêmarck verlangt, Auch die Kleinbahnfrage und die Regelung des Wildschadense:\ahzes im Interesse ter kleincn Bauern ist von uns zu löfen versucht worden. Wir haben die Landgemeindeordnung befürwortet die Konservativen siand dagegen gewesen. Wic haben Herrn von Goßler unterüßt, als er 20 Villioncn von uns verlangte, um die s{chle{chten Shulräume auf dem Lande dur Neubauten zu erseßen die Konservativen haben dagegen gestimmt. ; /

Abg. Dr. Sattler (nl.): Jh habe es bisher vermieden, mi an der Diskussion über den Aufruf in Hildesheim zu betheiligen, weil es dabei zu einer Erörterung nit dem Abgeordn:ten für Otterndorf (Abg. Dr. Hahn) fommen könnte. Der Abgeordnete für Otterndorf hat auf mi wiederholt angespielt, und ih muß mi nun gegen ihn

wenden. Jch gehe einer Diskussion mit einem politishen Gegner niht aus dem Wege, habe fogar ein gewisses Vergnügen pay Aber ich muß au den politishen Charakter desselben klar erkennen können; das ist mir bei dem Abgeordneten für Otterndorf bisher nit gelungen. Ursprünglich war er Antisemit, dann wurde er konservativ, dann nationalliberal, und was er jeßt ift, weiß ih nicht. Ec scillert hin und s{illert her. Derselbe Herr is in Hannover berumgereist und hat Herrn von Bennigsen angegriffen, den er jeßt den „verehrten Herrn von Bennigsen“ nennt. Im vorigen Fahre hat er den hannoverschen Abgeordneten vorgeworfen, daß sie gegen ihre Ueber- zeugung stimmten ; heute sind es ihm liebwerthe Kollegen. Der An- trag Kaniß gilt bald als zurücka: stellt, bald soll er wieder erscheinen. Das alles macht nicht den Eindruck der Zuverlässigkeit. Mein Freund Hische hat Für den Handelsvertrag nur gestimmt, nachdem er die Zustimmung seiner Wähler im Lande erhalten hatte. Die Lands räthe follen mi in jeder möglihen Form unterstüßt haben. Das ist absolut unrihtig. Niemals hat einer der Herren ih herab- gelaffen, folhe Shmähungen mit seinem Namen zu decken, wie es im Hildesheimer Wahlaufruf geschehen ist Unrichtig ist es auch, daß die Landräthe erst nab dem Wegogange von Bennigsen?s konservativ ge- worden seien. Auch die drei Landräthe werden ihre Gesinnung nit gewechfelt h1ben, wie ihr Kleid. So etwas thun anständige Leute nit, und ih muß die drei Landräthe ausd:ücklih in S&uy nchmen. Herr von Bennigsen hat sih niemals einer politischen Beeinflussung \{uldig gemacht. Der Abgeordnete für Otterndorf verwechse!t amt- lihe und parlamentarische Thôâtigkeit in ae\hickter Weise. Weiß der Abgeordnete nicht, taß kereits die preußische wie die Reichsverfassung beide Tbâätigkeiten aus8einanderhält ? Den Ober-Bürgermeister Struck- mann kann man als Kommunalbeamten mit Regierungébeamten überhaupt nit vergleiden. Was mag da dieser Herr anderen Leuten sagen, die nit fo verskändig sind wie wir, wie der Herr Piäsident gesagt hat! Er hat kein Verständniß für die Suwme von Unwakr- heiten, die der Wahlaufruf aufweist. Der Aufruf sagt: die Natioraf- liberalen hätten die Arbeit fkönigstreuer Männer als gemein- gefährlich und demagogish bezeihnet. Das ist durhaus urwahr. Als gemeingefährlich haben wir vur den Antrag Kani bezeichnet, nit den Zusammenschluß der Landwirthe. Demagogisch i} nur der Aufruf, und dagegen vertheidigen wir uns. Daß die Meinung aufs- tauh-n konnte, daß zwei Auflagen des Aufrufs erschienen sind, ist be- arci!lih, wenn man sih die neuen Exemplare ansicht, die auf der leßten Seite ganz anders aussehen, als die erstzn. Die National- liberalen mußten nach 1866 eine große Bedeutung gewinnen, ta sie den Konflikt der Linken mit dem Ministerium niht durchgemact batten und den Verhältnissen ganz unbefangen gegenüberstanden. Es

war ganz natürli, daß die Partei sich nit den Gleichgesinnten der *

alten Provinzen vereinigte im Sinne der Neichseinheit. Sie hat dabei au unpcpuläre Forderungen erhoben, wenn fie nur ten Forderungen der Neuzeit entsvrachen. Heute erstreckt sich ihre Thätigkeit au auf wirthscaftlihe Dinge, namentlih auf die Landwirthschaft, eine der ersten Grundlagen unserer Volkswirthschaft und des Gedeibens unserer Provinz. Wir habcn uns shon vor Monaten bemüht, mit dem Bunde der Landwirthe zu einer Einigung über die Aufftellung von Kandidaten zu gelangen, leider ohne Erfolg wahrscheinli auf Betreiben tes Abgeordneten für Otterndorf. Wenn ih gegen die Erhöhung der Getreidezölle gestimmt habe, fo geshah cs auf auédrückliden Wunsch meiyer ländlihen Wähler. Heute sind wir gewillt, eine Einigung der verschiedenen Interessenten auf mittlerer Linie zu erziclcn. Der Bund der Landmirthe vertritt eine ganz andere Sammlung, als die Re- gierung. Seine Irteresscn und die Interessen der Industrie und des Handels müssen im Sinne des Fürsten Bismarck vereinigt werden, umsomehr, als wir greßen wirthscastlichen Kämpfen mit anderen Nationen entgegengehen. Diese Aufgabe müssen wir aufrccht erhalten, unbeïümmert um die Angriffe von allen Seiten und auch von seiten des Abgeordneten für Otterndorf. Solte der Versuch, Zer splitterung in unferen Reihen herbeizuführen und dem nationalliberalen Gedanken Abbruch zu thun, irgendwie einen Erfolg haben, so tragen jene Herren die Verantwortung dafür.

Abg. Dr. Hahn (b. k. P.): Jch freue mi, daß ih gründlich mit Herrn Sattler abrehnen kann. Ich bin alter Herr tes Vereins deutscher Studenten und habe in meiner Heimath immer betont, daß wir Bismarckishe Politik treiben müssen, auch in wirthschaftlichen Dingen. Ein Freund der Juden bin ih natürli nit gewesen, und die Nationalliberalen in Hannover sind es vielfah au nit, weshalb sie ihren Vertretern, die hier niemals gegen das Judenthum Front machen, immer mehr ihre Sympatbie entziehen. Manche Leute in Hannover stehen mehr rechts, und sie stimmen nur für die Nationalliberalen, weil sie nationale Männer sind. Beim Vereins- gefcß habe ih allerdings gesagt, es scheine mir niht, als wenn die Gegner aus Havrnover mit allzugutem Gewissen gegen das Gesetz stimmten. (Vize-Piäsidert Dr. Freiherr von Heereman rügt die Wiederholung dieser Anklage.) Herrn Schoof, der mit mir für das Vereinsgeseyß gestimmt hat, hat sein Wahlkreis seine Anerkennung ausgesprochen. Wäre der Landtag aufgelost worden, fo hâtte sich die Zahl der Freunde des Vereinsgeseßes vermehrt. Die Regierung möge diese Kraftprobe nur im näcdsten Jahre maten. Die hanncverf{chen Wähler wollten sih die Berliner Führung richt länger gefallen laffen. Es geht niht länger an, der wirthschaftlihen Frage gegenüber Neutralität zu üben. Ih wurde gezwungen, aus der nationalliberalen Ee des Niichêétages auszuscheiden, weil ich in méinem Wakhlkreise agrarishe Reden gehalten baben sollte. Das war unri@tig, aber ich sah felbst ein» daß wirthshaftlih so beterogene Elemente niht länger zusammengehen könnten. Heute gehören der Partei auch Männer an, die die Landwirthscaft hüten wollen,“ wie Freiherr Heyl zu Herrnsheim und Graf von Oriola, Ich wüßte nicht, wie ih politisch mih von diesea Herren unterschiede. JIch bin von einem nationalliberalen Wahlcomitó als Kandidat aufgestellt worden, nachdem ih meine säwmtlihen Reden zur Verfügung gestellt hatte. Beim Vereinsgesep habe ih nur für weine Perfon gesprohen. Der Bund der Lankwircthe hat als wirlthschaft- liche Vereinigung kein Interesse für dieses Geseh. Der Bund Iäßt sih überhaupt niht von einer Partei ins Schlepptau nehmen. Bei den Nationalliberalen findet er leider sehr erbitterte Gegner. Herr Sattler hat am wenigsten Veranlassung, mir Unzuverläfsigkeit vorzuwerfen. Ich erinnere ihn nur an seine |chwankende Stellung im Wahlkampfe von 1893. Herr Hische hat nur einen Theil der Ver- trauensmänner der Landwirthe über den rufsishen Handeléve1trag befragt, und er kann sich nidt wundern, wenn wir ibn niht wieder als Kandidaten auft: llen. Ich habe nur gesagt, die Bevölkerung be- griff nicht, wie ein Ober-Präsident und ein Oker-Lürgermeister pro- nonziert in die Bewegung eingreifen konntcn, während ties den Landräthen verargtwurde. Uebrigens gebe i gern zu, daß hon vor von Bennigsen kon- fervative Lar.dräthe in Hannover aus ibrer Gesinnung kein Hehl gemacht haben. Ich habe auch nit behauptet, daß Herr von Bennigsea seinen Ein- fluß gemißbrauht habe. Die Verdächtigung des Abg. Sattler, daß ih mich im Lande s{hätrjer auésprche als hier, muß ih zunückweisen. Der Bund der Landwirthe will genau das, was der Fürst Biémarck will: cine Vereinigung der . Interessen von Landwirthschast und In- dustrie. Die Landwirthschaft darf aber niht länger bluten, und sie wird mit keiner Partei paktieren, die die Handelsverträge vertritt. Zwischen dem spekulativen Großhandel, der internationalen Groß- expoitinduftrie, die exportieren will auf Kosten ter Landwirthschaft, und dem Mittelstande giebt es keine Vermittelung. Wir haben den Sammlungsruf des Herrn von Miquel in richtiger Weise nah der wi:1hschaftlihen Seite vertieft. Wir sind gegen die langsichtige Handels- politik der Herren Bu: ck und Genossen; mit ihnen können wir uns nicht vereinigen. Herr Sattler wird mit scinen Lutführungen für die nächste Reics1agéwahl wenig Dank e: nten, Wir werden von nun an ein |chärferes Auge auf die nationalliberale Partei richten, Viele alte Familien und Vertrauenémäuner haben sich {hon von der nationalliberalen Partei entfernt, weil dieje nit die wirtbschaft- lichen Interessen vertritt. Der linke Flügel der Nationalliberalen gehört zu der Freisinnigen Vereinigurg; dann würde ih gern wieder in die nationalliberale Partei eintreten. Die ganze jüngere Gene- ration suht immer mehr Anschluß an die rechte Seite.

(Schluß in der Lritten Beilage.)

Dritte Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

¿ 46.

(Schluß aus der Zweiten Beilage )

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Die unzweifelhaft mit dem Etat, insbesondere mit dem Titel 2 desselben in allernähster Verbindung stehenden Aus- führungen (Heiterkeit) der beiden verehrten leßten Herren Vorredner haben mi in hohem Maße interessiert, können mir aber do keine Veranlassang geben, mi in dieses Wortgefeht zu mischen.

Es ift ein anderer Grund, aus welchem ich mich zum Wort gemeldet habe. Heute Morgen is es mir leider niht mögli ge- wesen, der Rede des Herrn Abg. Schroeder zu folgen; er sprach bei der Unruhe des Hauses zu leise und zu undeutlich. Nachdem mir aber von einigen Seiten Mittheilungen gemacht sind über gewisse Ausführungen genereller Natur, die er vorgetragen hat, er- wächst für mich die Pflicht, ihm mit einigen Worten zu antworten. Wenn ich recht berichtet bin, hat der Herr Abg. Schroeder unter anderem auch gesagt: sie, nämlih die Herren von der polnischen Parlei, hätten sih zu beschweren über vielfadze Rechts- beugung, über Willkür, die niht bloß sporadish, sondern häufig vor- gekommen wäre, über verleßendeUeberhebung, mit der man ihnen in brutaler Weise gegenüberträte, wenn man fich allein als Kulturmenschen hinstelle. Man grolle über den Knüttel, der dem geseßmäßigen Fortschritt des polnischen Volkes, wo man nur könne, zwishen die Beine geworfen werde; der Grundpunkt alles Uebels seien die Maßnahmen der König- lihen Staatsregierung selbst. So der Herr Abg. Schroeder. Meine Herren! Wer so lange wie ich wenn auch in anderer Stellung Gelegenheit gehabt hat, den Etatsberathungen und inébesondere denjenigen des Ministeriums tes Innern in diesem hchen Hause beizuwohnen, der weiß sehr wohl, daß alle diese Auëführungen keine neuen sind (sehr richtig! rechts); fie werden bei jeder sich darbietenden Gelegenheit wiederholt. Sie werden deswegen aber in keiner Weise richtiger und erlaubter, und ih habe die ernste Pflicht, diese Ausführungen hier auf das Aller- entischiedenste zurückzuweisen.

Meine Herren, Sie haben in keiner Weise bewiesen, daß Fhnen in der geschilderten Weise seitens der Königlichen Staatéregierune entgegengetreten wird, und daß Ihnen durch Maßnahmen derselben derartiges Unrecht, über welches Sie sich beklagen, zugefügt worden ist, Sie werden es auch nit beweisen können. Aber diese Ausführungen find mir ein neuer signifikanter Beweis dafür, mit wie wenig Necht die Herren von der polnischen Partei behaupten dürfen, daß sie die Provozierten seien. Giebt es wohl eine stärkere Herausfordcrung der Königlichen Staatsregierung als diejenige, die in den Worten des Herrn Abg. Schroeder zu finden is? (Sehr richtig! rechts.) Sie sprehen von den Maßnahmen des Staats, die Ihnen zu dem Groll, der im Volke säße, Veranlassung gegeben hätten. (Sehr wahr! bei den Polen.) Nun, meine Herren, die Maßnahmen des Staats find durch Ihr Verhalten nothwendig geworden.

Sie belieben immer zu sagen, Ihre Vereine seien der aller- unshuldigsten Natur, deegleichen die Versammlungen, die Sie ab- hielten, und nun erst gar die Presse. Jh will Sie mit langen Zitaten vershonen und nur auf eine Preßstimme aufmerksam machen, die ih hier gerade zur Hand habe. Jm „Orendownik* heißt es:

Unsere Vereine sind nur ein Glied in der Kette derjenigen Faktoren, welche unsere nationale Existenz im preußischen An- theil bilden.

(Hört! hört! rechts.) Und wenn Sie es auch noch gerihtlih be- sheinigt wissen wollen, daß eine großpolnishe Agitation, die Sie ja immer mit Entrüstung von der Hand weisen, in unseren polnischen Provinzen vorhanden i, dann gestatten Sie mir wohl, daß ih Jhnen aus einem Erkenntniß des Land- gerihis in Beuthen vom 18. Oktober 1897 eine kurze Stelle der Begründung verlese, worin cs handelte sich um die Sokol- vereine ausdrüdcklich gesagt wird:

Bei Würdigung dieses Sachverhalts war entscheidendes Gewicht darauf zu legen, daß die Sokolvereine unter dem Deckmantel der Pflege des Turnens ledigl ch eine großpolnische Agitation betreiben, indem sie darauf hinwirken, die pclnisch redende Bevölkerung des Landes dem Deutshthum zu entfremden und besonders in der Jugend das Gefühl für polnishe Sprache und Sitten zu wecken und zu pflegen. Geleitet von diesem Bestreben, tragen dann auch die Mitglieder der Sokolyereine die polnische Nationaltracht bei ihren Festlihkeiten. Diese Tendenz der Sokolvereine i|st der obershlesishen Berölkerung sehr wohl bekannt; es gilt deshalb allenthalben das öffentlihe Tragen der polnischen Nationaltracht als eine beatsichtigte politishe Kund- gebung, durch welhe in demonstrativer Weise zum Ausdruck gebracht wird, daß die Träger der Tracht deutshem Wesen, deutscher Gesin- nung und Gesittung abhold sind, si vom Deutschthum losfagen und sich als Zugehörige der polnishen Nation betrahten, obwohl fie ibrer Nationalität nah Deutsche sind.

Meine Herren, hier haben Sie die gerihtlichGe Bescheinigung des Vorhandenseins der von Ihnen so oft geleugneten großpolnischen Agitation in optima forma.

Meine Herren, die Ausführungen des Herrn von Czarliúski bieten mir zu einer Erwiderung keinen Anlaß; die wenig geschmackvolle An- wendung meines Namens in einer Art, die mir persörlich überaus gleichgültig ist, kann ih getrost der Beurtheilung dieses hohen Hauses anheimgeben.

Meine Herren, ih habe die Empfindung und damit komme ih zum Echchluß meiner kurzen Ausführungen —, daß \ich die ver- ehrten Herren von der polnishen Partei auf einem sehr gefährlichen Wege befinden. Sie rerdecken die Shwäche der Gründe und Be- \hwerden, die Sie hier vorbringen, gern damit, daß Sie den Mund möglichst voll nehmen, und Sie versuchen, fh \tets als den un- \chuldigen, leidenden und provozierten Theil hinzustellen, dem seitens der Staatsregierung und der deutschen Bevölkerung das größte Unrecht geschehe, während in dem allergrößten Theil der deutshen Bevölkerung mit Recht die Auffassung besteht, daß die Provokationen von der

Berlin, Dienstag, den 22. Februar

polnischen Seite ausgehen. (Sehr rihtig! rechts.) Ich warne Sie, meine Hc¿cen von der polnishen Seite, auf das Nachdrücklichste, wirken Sie auf Ihre Landsleute in abmahnendem und beruhigendem Sinne. Ziehen Sie sich in dkejenigen Grenzen zurück, die Ihnen angewiesen sind. Sje könnten fonst leiht zu Ihrem Sghaden er- fahren, daß es gefährlich ift, mit dem Feuer zu spielen. (Bravo!)

_ Abg. Gamp: Herr Rikert hat in den leßten Jahren eine solhe Fülle von Wandlungen durhgemacht, daß es schwer ist, seinen Antheil an der Geseßgebung festzustellen. Die Jnitiative zur Regulierung der Grundsteuerfrage ist jedenfalls von der Fortschrittspartei ausgegangen. Daß die Freisinnigen eine besondere Vorliebe für die amerikanischen Trichinen und die Schildlaus haben, beweist die Rede des Abg. Gothein (Zuraf: Vorliebe?) Nun, Sie bezeihnen doch die Schildlaus als harmloses Thier. Herrn Bax habe ih nur “angezogen, um zu be- weisen, daß der Verein „Nordost“ durchaus keine mäßige Agitation

treibt. Um Entschuldigung muß ich bitten, daß mir nit bekannt ge-

wesen, daß Herr Rickert für die Aufhebung des Chausseegeldes und der Mahl- und Shlachtsteuer gestimmt hat; aber das geschah doh wohl im Interesse der Städte, niht in dem der Landwirthschaft.

Abg. Ehlers (fr. Vgg.): Wie kann Herr Gamp den Herrn Bax mit dem Gehalt des Unter - Staatssekretärs in Verbindung bringen? Er greift Herrn Nickert an und übersieht, daß der Minister selbst dessen Beschwerde als berehtigt anerkannt hat. Ein großer Theil der Reden wird nit gebalten für uns, sondern zum Fenster hinaus. Die Gamp'she Rede war wohl bestimmt für den Wahlkreis, in dem der erwähnte Herr Bax thätig ist, oder für den Wahlkreis des Herrn Gothein. Jch bestreite, daß Herr MRiert und fcine Freunde an ernstem Streben für die Landwirthschaft hinter irgend einer anderen Partei zurüdkstehen ; aber wir können nicht Vorschlägen zustimmen, deren Annahme dem Staat und den Landwirthen felbst {ädlich sein würde. Herr Gamp hat eine heftige Rede gehalten, obwohl Herr Gothein diesmal gar nit ge- sprochen hat. Deshalb hat er sich an Bax gehalten. Herr Rickert würde den großen Werth seiner Ausführungen vom Freitag und Sonnabend abschwächen, wenn er si mit den Herren Gamp und Barx befaßte; darum habe ich das Wort ergriffen.

Abg. Hische (nl.) erklärt, daß sämmtlihe Vertrauensmänner seines Wahlkreises ihn aufgefordert hätten, für den russischen Handels- vertrag zu stimmen. Einige Tage nah der Annahme des Vertrages habe Herr Hahn eine Versammlung abgehalten und die Anwesenden gefragt: Hat Herr Hische Sie befragt? Natürlich sei „nein“ geant- wortet worden, weil die erste Versammlung gar keine Versammlung von Vertrauensmännern des Bundes der Landwirthe, \ondern eine allgemeine Wählerversammlung gewesen set.

Abg. von Eynern (nl.): Während meiner 20 jährigen par- lamentarishen Thätigkeit ist noch nit einmal der Versuch vor- gekommen, sih troß cinstimmtgen Ausschlusses an die Nockshöße der Nationalliberalen zu hängen, wie es von seiten des Herrn Hahn ge- Zehen is. Wäre er nationalliberal „bis in die Knochen", so würde er doch nicht von uns angenommen, weil uns die Art und Weise, wie er seine politischen Ansichten vertritt, nicht paßt, Bei uns ist für folche Art des Vorgehens kein Raum; wir können Herrn Hahn bei uns nit gebrauchen, und wenn er sih wieder meldete und einträte, so würden die übrigen 86 Mitglieder aus der Fraktton auéscheiden. Herr Schoof ist gebeten worden, aus unserer Fraktion auszu\cheiden, weil er sein der Fraktion gegebenes Wort nit gehalten hat.

Abg. Schröder (Pole) tritt den Autführungen des Ministers entgegen und hält den Vorwurf bewußter Rehtsbeugung aufrecht.

Unter-Staatsfekretär Braunbehrens weist diesen Vorwurf entschieden zurü.

Abg. Ning (kons.): Wir wollen nicht aufeinander los\{chlagen, wir wehren uns bloß. Der Landrath Stubenrauch hat nur seine Pflicht gethan, als er die Bauern zum Anhören der Vorträge über die O IERIAIE einlud. Die Rickert’shen Behauptungen waren unrichtig.

Abg. Dr. Sattler: Der Abgeordnete für Otterndorf hat fi über seine Haltung zur Industrie und zum Handel fo unklar ausgesprochen, daß es unmögli ift, darüber ein klares Bild zu gewinnen. Interessant war nur die Schilderung seiner Jugendgeschichte.

Abg. Dr. Hahn: Wenn Herr Sattler mih nicht verstanden hat, fo lag das an ihm, nicht an mir. Jh hatte mi gegen eine langsihtige Handelsvertragépolitik und gegen eine Förderung der In- dustrie auf Kosten der Landwithschaft ausgesprochen. Jch habe gesagt, daß ih wieder der nationalliberalen Partei beitreten würde, wenn der agrarische rechte Flügel der Partei übrig bliebe. Meine An- sihten gewinnen immer mehr an Anhang. Herr Sattler und seine Freunde haben bei den Bauern in Hannover alle Sympathie verloren, und die nähsten Wahlen werden zeigen, daß diese Bauern sih cine Ver- tretung snchen, die sie bither nit gehabt haben. Daß Herr Schoof sein Wort nicht gehalten hat, is eine obj-ktive Unwahrkteit, die ih mit Entrüstung zurück:veise. Dur die Beschlüsse des Herrenhauses war ein vollständiges Novum geschaffen.

Abg von Czarlinski (Pole): Daß wir einen ‘gefährlichen Weg gehen, dafür fehlt jeder Beweis. Wir suchen den Fricden im Lande zu erhalten. j f

Abg. Dr. Sattler: Man kann sehr wohl langsihtige Verträge verlangen und doh die Interessen der Landwirthscaft vertreten ; die Verträge brauchen sih ja nicht auf landwirthschaftlihe Produkte zu beziehen. Herr Schoof is aus unserer Partei auégefchlossen, weil er fein Wort nicht hielk. Wir fürchten die Musterung des Abgeordneten für Otterndorf im Lande nicht, die Wähler werden ihm nicht folgen. Das Wahlcomitó in Otterndorf kann doch nicht entscheiden, was nationalliberal ist. Wir wollen den Gegensaß der Interessen über- brüdckcn, soweit er unnöthig ist. j

Abg. Vopelius (fr. kons.) tritt der von dem Abg. Hahn beliebten Unterscheidung zwischen den Interessen der vershiedenen Industrie- und Gewerb8zweige entgegen; eine solhe Unterscheidung fei verfehlt. Industrie und Landwirth\haft würden zusammenstehen. :

Abg. von Sanden- Tilsit (nl.) stellt feft, daß sein Verhalten in der Fraktion den besten Beweis dafür liefere, daß auch unter der jeßigen Führung der Fraktion der nationalliberalen Partei Wahruno und Ausdruck der eigenen festen Ueberzeugung j¿2zem Mit- gliede gesichert ift. i i

Abg. Dr. Hahn bleibt bei seiner Ansicht, daß ein Theil der Induftrie sih hauptsäblich mit dew Export beschäftige, der andere mit dem inländishen Absaß. Der Wahlkreis Otterndorf, den er jeßt vertrete, sei früher eine Hohburg der Nationalliberalen gewesen, dort sei immer Herr von Bennigsen aufgestellt worden. Durch diese Aus- sprache sei die Sachlage für die Wähler in Hannover geklärt. Die nationalliberale Partei werde die ländlihen Wähler niht mehr hinter {ih haben, wenn sie wirths{chaftlich so einseitig bleibe.

Abg. von Eynern weist darauf hin, daß Herr Hahn in der höflihsten Form vom Eintritt in die Partei zurückgehalten worden fei, aber er habe das erste Zeug gezeigt, das ein Abgeordneter haben müsse, nämlich ein dickes Fel. Er habe die Zurückweisung nicht ver- ftanden. L i

Präsident von Kröcher erklärt die Bemerkung von dem dicken Fell nah dem Spracbg?brauch für parlamentarish unzulässig.

Darauf wird die Debatte geschlossen. Nach einigen per- sönlihen Bemerkungen der Abgg. Dr, Sattler, Dr. Hahn,

Nickert und Ring wird das Gehalt des Unter-Staatssekcetärs

bewilligt.

1898,

Bei den Ausgaben für das Statistishe Bureau will

Abg. Herold (Zentr.) die statistishen Nachweise in den Amts- blättern über die. Getreidepreisnotierungen besprehen, wird aber vom Präsidenten von Kröcher daran verhindert, weil das Statistische Bureau \ich nur mit Zahlen beschäftige, welche bereits festgestellt seien, nit mit folhen, welchz erst festgestellt werden sollen.

Bei den Ausgaben für das Ober-Verwaltungs= gericht bemerkt

Äbg. von Eynern (nl.), daß das Reichsgeriht und das Ober- Verwaltungsgeriht verschiedene Erkenntnisse über die Besteuerung der Aktiengesell'haften gefällt hätten, und wünscht eine andere Organisation des Ober-Verwaltungsgerichts.

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Nsöll bestreitet, daß in dem erwähnten Fall eine Meinungsverschiedenheit bestehe. Wenn au juristishe Meinungsverschiedenheitrn unausbleiblih feien, fo empfehle sich doch keine andere Organisation des Ober-Verwaltungs- gerihts. In der Frage einer geseßzgeberishen Aenderung der Besteuerung der Aktiengesellshaften könne er dem Finanz-Minister niht vorgreifen. :

Aba. von Eynern bleibt dabei, daß die Meinungêverschieden- heiten der beiden obersten Gerichtshöfe dur eine Organisationsänderung beseitigt werden müßten. Es müsse in solhen Fällen beim Ober- Verwaltungsgeriht eine Plenarentsheidung herbeigeführt werden, um zu versuhen, ob sich das Ober-Verwaltungsgeriht nicht der Auf- fassung des Reichgerichts anshließe. i

Wirkliczer Geheimer Ober-Regierungs-Rath Nsöll weist die Möglichkeit einer folhen Organisation ab; es lasse sich höchstens inm Wege der Geseßçebung die Besteuerungsfrage regeln.

Bei den Ausgaben für die Standesämter bemängelt

Abg. von Hagen (Zentr.) die vershiedene Handhabung bei den Mittheilungen der Standesämter an die Kirhenorgane über Geburten, Aufgebote und Eheschließungen, die theils unentgeltlich, theils nur gegen Erstattung der Schreibgebühren erfolge. :

Geheimer Dber-Regterungs-Rath Dr. Kruse erwidert, daß es zweifelhaft sei, ob eine allgemeine Anweisung in dieser Hinsicht den Standetämtern gegeben werden könne; eine Verpflihtung zu folchen Mittheilungen bestehe nicht. Indessen solle die Anregung erwogen werden, um den Wünschen der Geistlihen möglichst entgecenzukommen.

Nachdem ein Antrag des Abg. Sa ck (kons.), im Jnter- esse der rehtzeitigen Fertigstellung des Etats Abendsißungen abzuhalten, und zwar schon heute eine, abgelehnt ist, vertagt das Haus nah 41/4 Uhr die weitere Berathung auf Dienstag 11 Uhr. (Außerdem steht die erste Lesung des Geseßes, be- treffend das Anerbenrecht für Westfalen, auf der Tages- ordnung.)

Handel und Gewerbe,

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Rubr und in Oberschlesien. An der Ruhr find am 21. d. M. gestellt 11 853, nicht reht-

( zeitig gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 21. d. M. gestellt 4842, nicht reht-

¡eitig gestellt keine Wagen. Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht T Berlin standen die nah- bezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Hage nauerstraße 15 und 16, dem Tischlermeister Paul Franke und dem Maurermeister Nob. Kunst gehörig; Fläche 7,44 a und 7,19 a; Nuzungswerth 9850 M und 9760 46; mit dem Gebot von 134 000 A und 1350004 blieb Frau Rentier L. Rohn, geb. Schult, Luisenstraße 14, Meist- bietende. Diejsfenbachstraße 76, am Plat D., Planufer, und am Urban belegen, dèm Maurermeister Friß Harder gehörig; Fläche 10,86 a; für das Meistgebot von 200 100 4 wurde Maurermeister A. Linke, Nankestraße 9, Ersteher.

Am Sonntag Morgen is hier in Berlin der persische General-Konsul und Königliche Kommerzien-Rath Hermann Gilfa, ie der bekannten Firma J. A. Gilka, im 56. Lebensjahre verstorben.

In der gestrigen Sißung des Aufsichtsrathes und der Direktion der Leipziger Bank in Letpzig legte die Direktion den Abschluß für 1897 vor. Nachdem auf die Bankgebäude in Leipzig und Dreöden 35 000 M zur Abschreibung gebraht worden sind, wonach die beiden Bankgebäude zusammen mit nur noch 500 000 #6 zu Buche stehen, ergiebt sich nach sehr reihlichen Rücklagen auf Konfortial-Konto und bei vorsihtiger Bilanzierung ein Nettogewinn von 4453 204 (4 oder rund 1 Million Mark mehr als für 1896. Hierbei ist zu berück- sihtigen, daß eine Anzahl, großen Nutzen lassender Konsortialgeschäfte im abgelaufenen Geschäftsjahre nicht zur Ausschüttung gelangt find, diese Gewinne vielmehr erst in Zukunft zur Verrechnung gelangen werden und das 1897er Er!rägniß fast ausfcließlich aus dem regelmäßigen Geschäfte erzielt worden ist. Sämmtliche Arbeitskonten weisen wesentlich höhere Gewinnziffern gegen- über dem Vorjahre auf; ebenso weisen die Umsfaßtziffern auf sämmt- lichen Arbeitskonten eine bedeutende Erböhung aus, wie auch der Kundenkreis der Bank eine weitere große Zunahme erfahren hat. Aussichtêrath und Direktion schlagen der auf den 17. März einzus berufenden Generalversammlung die Vertheilung des Gewinnes wie folgt vor: 3 200000 4 = 1009/ Dividende auf das 32 000 000 4 betragende Aktienkapital (gegen 9% auf 28 000 000 \ für 1896); 384 723 4 als statutarishe und fkontraktlihe Tantième an Aufsichts- rath und Direktion; 100 000 4 Ueberweisung in den Spezialreserve- fonds; 3C0 (00 M Ueberweisung in den Baureservefonds für das in Leipzig zu errichtende neue Bankgebäude, welcher Fonds damit auf 500 000 M gebraht wird; 150 000 A Zuweisung an den Beamten- Pensfions- und Unterstüßungsfonds, sowie zu Gratifikationen an die Beamten; 318481 # Vortrag auf neue Rechnung. - Die Verwaltung beantragt in Anbetracht des au er Pa Ens ge- wahsenen Geschäftsumfanges und der günstigen Entwickelung der Geschäfte der Bank, die mit Sicherheit au in der nächsten Zeit eine weitere Zunahme der an die Bank gestellten Anforderungen erwarten lassen, die Erböhung des Aktienkapitals um 16 000 000 4 durch Aus- gabe von 16 000 neuen Aktien , welhe den alten Aktionären der Bank zum Bezuge zu 155 %/% überlassen werden sollen, und deren Vollz lung im Laufe des Jahres 1898 allmählich zu erfolgen hat. Die jungen Aktien nehmen an der Dividende für 1898 zur Hälfte theil. Zur glatten Durchführung dieser Transaktion hat sih ein Garantie» konsortium erster, der Leipziger Bank befreundeter Banken und Bank- firmen gebildet, das unter der Führung den Bankhauses S. Bleih- rôder in Berlin steht und dem in Leipzig die Allgemeine Deutsche Kredit-Anstalt angehört. Auch im neuen Jahre hat die Entwickelun der Geschäftsthätigkeit der Bank bereits weitere Fortschritte arina

Potsdam, 21. Februar. (W. T. B.) Heute fand bier eine Versammlung verschiedener Bürgermeister und Großindustrieller aus dem Regierungsbezirk Potsdam statt, um über die Frage der Gründung einer eigenen Handelskammer in Potsdam zu berathen. “Es wurde einstimmig beschlossen, eine Petition an den P iller zu rihten um Errichtung einer Handelskammer

erselbft.