1898 / 50 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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gering

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Marktort

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

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niedrigster | höchster } niedrigster | höchster Mh. M #6 6. h

Doppelzentner

——————_—_—_————————————————————————————————————————

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nach überschläglicher Schätzung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

Durchschnitts preis

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Durch- 1 Doppel- \chnitts- zentner preis

Ca Cd M

Am vorigen Markttage

Augsburg 13,60 Bopfingen s ; S 13,40 E é E 14,50 St. Avold . L e 11,00 Demmin ——— dee Q E i A 13,40 Sig. C R L 12,20 Breslau . : ¿ A 13,80

N S 12,00

N M

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.

Noch: Hafer. 15,60 15,80 14,40 16,00

15,40 14,50 14,70 14,00 13,50 14,00 13,90 14,00 14,60 13,00

17,00 367 16,00 127 15,40 Ï

15,60 700 14,090 8 14,00 42 14,90 50 15,00 é

14,40 j 14,29 200 16,00

14,80 13,40 14,50 12,50

13,40 12,70 14,20 12,00

15,00 14,40

13,50

13,50 13,40 14,40 13,00

14/89 15,30 15,30 16.00

14/40 13,20 15,80 16,00 16,40 24 Bemerkungen.

15,60

5 634 15,35

1824 14,36

10 535 15,05 112 14,00 573 13,64 13,60 676 13,52 13,52

. . .

1 028 13,70 13,60 383 15,95 15,89

15,12 14,67

15,00 14/20

95, 2. 19. 2.

Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niht vorgekommen ist; ein Punkt (.) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag. 50. Sißung vom 25. Februar 1898, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Be- rathung des Geseßentwurfs, betreffend die Entshädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen.

Die Erwiderung des Staatssekretärs des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding auf die Ausführungen des Abg. Lenzmann im ersten Theil der Sißung, über welchen in der gestrigen Nummer d. Bl. berihtet wurde, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Jh bedauere, der Aufforderung, die der Herr Vorredner so dringlich an die Adresse der verbündeten Regterungen gérihtet hat, nicht Folge geben zu können. Jch muß erklären, daß die verbündeten Regierungen auf die Aufrechterhaltung der Vorlage in dem Umfange wenigstens, wie Ihre Kommission sie beschlossen hat, den allergrößten Werth legen, und muß weiter hinzufügen, was auch bereits in der Kommission meinerseits erklärt worden i}, daß, wenn Sie nah Maßgabe des Antrags Auer beschließen und damit die Entschädigungspflicht des Staats für alle Fälle einer Freisprehung ein- führen sollten, nah meiner Ueberzeugung die Vorlage gefallen sein würde. Die verbündeten Regierungen werden fich ih glaube das erklären zu dürfen auf den Weg, den der Herr Abg. Auer ein- \{chlägt, in keinem Fall einlassen, und das Resultat würde sein, daß nah fo langjährigen Bemühungen für einen Fortschritt auf diesem Gebiet wiederum wir bei dem alten Zustand verbleiben würden.

Meine Herren, ih bin gegenüber den Vorwürfen, die der Herr Abg. Lenzmann .den verbündeten Regierungen macht, indem er be- hauptet, sie seien mit dem Volfksgefühl in dieser Frage nicht in Be- rührung, sie urtheilen nach bureaukratisch gesammelten Erfahrungen, und dasjenige, was die Vorlage enthalte, sei weit entfernt, demjenigen zu entsprehen, was das Volk seinerseits erwartet ih sage, diesen Vorwürfen gegenüber bin ich vollständig beruhigt. Au wir haben unsere Quellen, die Stimmung des Volkes festzustellen und wenn wir von allem Anderen absehen wollen, meine Herren, so wäre ich doch in der Lage, mich auf die Auffassung des Neichstages selbfi zu berufen, dem doch der Herr Abg. Lenzmann nicht absprechen wird, daß er seiner- seits Fühlung mit der Volksfseele habe. In der That hat der Reichstag im Jahre 1882 durch seine Kommission, im Jahre 1886 sogar dur das Plenum ausdrüdcklih festgestellt, daß er es für gerechtfertigt halte, die Entschädigung so zu beshränken, wie es die gegenwärtige Vorlage der Regierung thut. Und wenn auch im Jahre 1882 bei den Kommissions- berathungen anerkannt wurde, daß in gewissen Fällen über den Rahmen der Vorlage der verbündeten Regierungen hinaus eine Entschädigung noch angebracht sein möge, so wurde doch auch anerkannt, daß keines wegs in allen Fällen ein Entschädigungsanspruch näch dieser Seite mit Necht geltend gemacht werden könne. Uns genügt, daß der Neichstag früher sich so ausgesprohen hat, und wir sind über- zeugt nach der Aussprache, die hier in der ersten Lesung erfolgt ist, daß der Reichstag uns auh dieses Mal in seiner Mehrheit beitreten wird. Jh weise die Behauptung des Herrn Abg. Lenzmann, als wenn wir mit einer folchen Vorlage das Gefühl des Volkes verleßten und berehtigte Ansprüche nicht erfüllten, ent- schieden zurü.

Wenn der Herr Abg. Lenzmann \sich immer auf das Volksgefühl beruft, wie kommt es denn, daß in allen Ländern der kultivierten Welt das Volksgefühl fich bei einer Entschädigung unschuldig Verurtheilter in dem Rahmen, wie unsere Vorlage ihn enthält, beruhigt hat? Ja, wenn das Volksgefühl ein so Tlares, entshiedenes und dringlihes wäre, wie Herr Lenz- mann meint, dann würde es doch Wunder nehmen, daß wir allein in Deutschland noch zurückgeblieben wären, und das nit erfüllt hätten, was das Volksgefühl verlangt. Nun, überall, mit Ausnahme eines einzigen Landes, ist die Entshädigungspfliht in den Grenzen gehalten, welhe wir gezogen haben; und nirgends, foweit ih ver- nommen habe, ift die Behauptung geltend gemacht, als wenn diese Geschz- gebung mit dem Volkegefühl in Widerspruch gerathen wäre. Das einzige Land ich habe das bei der ersten Lesung der Vorlage {hon erwähnt —, welches nah dieser Richtung weiter geht, ist ODesterreih, aber in Oesterreih hat man keinen Anspru} von Rehtswegen, sondern nur von Billigkeitswegen. Wenn Sie sich auf diesen öfterreichishen Standpunkt \tellen, dann nimmt die Frage natürli ein ganz anderes Gesicht an,

Der Herr Abg. Lenzmann hat dann ausgeführt, daß man eine Gntschädigung hon teshalb in allen Fällen der Freifprehung im Wiederaufnahmeverfahren gewähren müsse, weil durch diese Frei- \sprehung ja dargethan wäre, daß das erste Verfahren ein mangelhaftes gewesen sei. In ähnlichen Darlegungen hat \ich ja au der Herr Abg. Munckel bei der ersten Lesung bewegt. Ich bestreite die Richtigkeit dieser Behauptung. Es wird keineêwegs in allen Fällen, in welhen im Wiederaufnahméëberfahren eine Frei- \sprechung eines Verurtheilten erfolgt, damit anerkannt, daß das Verfahren der erstcn JInftanz . ein mangelhaftes gewesen sei,

Dieses kann durchaus ordnungsgemäß gewesen sein. Es kann

der Fall so gelegen haben, daß ein Wiederaufnahmeverfahren ohne inneren Grund verstattet wurde, und es kann infolge dessen kommen, daß im Wiederaufnahmeverfahren gegen das materielle Net die Freisprehung des Angeklagten erfolgt. Das kann nicht nur vorkommen, es ist sehr häufig vorgekommen. (Sehr richtig !) Der preußische Herr Justiz-Minister hat uns vor Jahren bezeugt, daß in den Fällen der Freisprehung, wel@e im Wiederaufnahmeverfahren erfolgt ist, sehr häufig ich glaube, mi zu erinnern, fogar in den meisten dieser Fälle die Freispre(zung erfolgt ist, weil die Beweise, wele im ersten Verfahren erbraht werden konnten, nun nicht mehr vorlagen, sodaß die Freisprehung geschah formell zu Necht, aber materiell zu Unrecht. Da kann der Herr Abg. Lenzmann \sich meiner Meinung nah nicht darauf berufen, daß durch das Wiederaufnahmeverfahren, wenn es zur Freisprechung führe, die Mangelhastigkeit des ersten Verfahrens dar- gethan werde, und noch weniger darauf, daß derjenige, welcher das Glü hat, im Wiederaufnahmeverfahren freigesprohen zu werden, weil die Beweise gegen thn niht mehr vorliegen, welche abermals zur Ver- urtbeilung hätten führen müssen, obendrein noch eine Entschädigung vom Staat erhalten müsse; im Gegentheil, ich behaupte, daß dies dem Rechts- und Sittlichkeitsgefühl des Volkes widerspricht. :

Der Herr Abg. Lenzmann hat nun noch, und, das hat au s{chon der Herr Abg. Munckel in der ersten Lesung gethan, gegen die Prozedur, welcke wir gewählt haben, um diejenigen im Wiederaufnahmeverfahren Freigesprochenen, welche auf Entschädigung keinen Anspru erheben können, weil ein Theil des Schuldverdachtes sie auch noch nach der Frei- sprehung belastet, zu \{chonen, den Vorwurf erhoben, daß es künstlich sei, ja, daß es gewissermaßen eine Art Vehmgericht darstelle. Alle diese Versuße, das vorges{lagene Verfahren ins Komische zu ziehen, lasse ih auf fh beruhen ; ih glaube, ich darf sie der Würdigung des hohen Hauses ruhig überlassen. Es wird in Fällen der hier fragligen Art von seiten des Gerihtshofes nicht anders verfahren, als in vielen anderen Fällen des ganzen Aufnahme- verfahrens, und wenn dies Verfahren hier mit Aus8drücken wie Vehmgericht bezeichnet wird, so glaube ih, bedarf das keiner Wider- legung.

Ich gebe ja vollständig zu, daß das Verfahren nicht so durh- sichtig und cinfach ist, wie wir an und für fich es gestaltet zu sehen wünschten; aber JFhre Kommission hat anerkennen müssen, daß es eben nicht möglich is, es anders zu gestalten, so lange wir das Wiederaufnahmeverfahren in den Grenzen lassen, in denen es augenblicklich besteht. Wollen Sie ein eirfaheres Verfahren für die Entschädigung der Frei- gesproch-:necn einführen, dann müssen Sie das Wiederaufnahme- verfahren überbaupt beschränken. So lange Sie das nicht thun, bleibt kein anderer Weg, als eine Entschädigung überhaupt nicht zu gewähren oder die Entshädigung zu gewähren auf dem Wege, den wir Fhnen vorge\@lagen haben. Ich bin überzeugt, daß, wenn Sie den von uns vorgeschlagenen Wea wählen, Sie damit dem Volksgefühl gegenüber das Jhrige gethan haben werden, und daß keineswegs im Volk der Vor- wurf erhoben werden wird, als sei dasjenige, was das Gese gewährt, hinter dem zurückgeblieben, was Recht und Billigkeit auch ver- langen fönnen.

Ich bitte Sie also, lassen Sie es bei der Vorlage, und lehnen Sie den von dem Herrn Abg. Lenzmann befürworteten Antrag ab! (Bravo !)

Nach den Abgg. Roeren (Zentr.), Dr. von Buchka (d. kons.), Bolt (nl.), Mun ckel (fr. Volksp.) und dem Wirk- lichen Geheimen Ober-Regierungs-Rath von Lenthe nimmt das Wort der

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.), welcher erklärt, er halte den durch den Kommissionsbeshluß gewährten Entshädigungsanspruh nicht für ausreichend und werde gegen die Vorlage stimmen.

Abg. Haas e (Soz.) verwirft den Standpunkt derjenigen, welche, um doch etwas zu stande zu bringen, sch der Vorlage anbequemen wollten; hier komme alles auf das Prinzip an. Man sollte dem ents- \sprehend einmal die Entschädigung jedem Freigesprochenen zusprechen, ferner die „grobe Fahrläfsigkeit“ als Aus|chließungsgrund beseitigen und \ch{ließlich auch die Entshädigung für uns{uldig erlittene Unter- suhungshaft einführen. Nur einem fo umgestalteten § 1 könne die fozialdemokratische Partei zustimmen. Die Kommissionsfassung {hae keineswegs cine Verbesserung, zumal wenn man beate, daß das Wiederaufnahmeverfahren nicht mit genügenden Garantien um- geben sei.

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath von Lenthe: Meine Herren! Ih will mich mit dem Herrn Vorredner nicht in einen Streit darüber einlassen, ob die Aenderung des bestehenden Rechtszustandes nur aus Billigkeitsgründen gefordert werden kann, oder ob etiva nach Analogien andérer Verhältnisse es als eine reht- liche Fordemos ersheint, daß man ein solhes neues Gese, welches die Entschädigungspfliht der Staatskasse sür die im Wieder- aufnahmeverfahren freigesprohenen Perfonen in unser Recht ein- führt eine Thatsahe is jedenfalls, daß zur Zeit ein Rechts\saß, der eine folhe Entshädigungspfliht der Staatskasse begründet, nit besteht. Bestände ein solcher etolay, so würde ja eben die Einführung eines solchen Gesehes unnöthig sein. Der Herr Vorredner hat gemeint, man müßte dem Geseßentwurf, wie er jetzt vorliegt, aus allen Kräften widersprehen, weil die Hoffnung, daß demnächst noch etwas Besseres erreiht werden könne, eine geringere würde, wenn man sich eben auf die Annahme

dieses Entwurfs einließe. Insbesondere hat der Herr Vor- redner darauf hingewiesen, daß der vom Reichstage in einer Resolution etwa auszusprehende Wunsh nach Einführung einer Entschädigung für Personen, welche. mit Unrecht eine Untersuhungshaft erlitten haben, nur ein frommer Wunsch bleiben würde. Ich glaube, die verbündeten Regterungen haben wiederholt bewiesen, daß fie den vom Reichstag beschlossenen Resolutionen fo weit wie mögli entgegenkommen, und es ist nicht zu bezweifeln, daß, wenn der Reichstag eine dem Kommissions8antrage entsprehende Resolution faßt, diese seitens der verbündeten Regierungen mit der Rüksiht geprüft und erwogen werden wird, welche die verbündeten Regierungen den Beschlüssen des Reichs- tages stets entgegenbringen. Also die Möglichkeit, daß demnächst in dieser Beziehung weitergegangen werden könnte, wird, glaube ih, dadur, daß der Entwurf in seiner gegenwärtigen Gestalt angenommen wird, in keiner Weise ausgeschlossen. Dagegen bin ich mit dem Herrn Vorredner der Meinung, daß, wenn dieser Entwurf abgelehnt wird, nicht zu erwarten ist, daß scitens der verbündeten Regierungen ein anderer Entwurf vorgelegt werden wird, durch welhen jedem im Wiederaufnahmeverfahren Freie gesprochenen Entschädigung gewährt wird. Wenn der D Vorredner glaubt, daß eine Volks\trômung von fol@er Stärke hervortreten würde, um die verbündeten Regierungen zu einer Aenderung ihres Standpunktes zu bewegen, fo beruht das do, glaube ih, auf ciner Uebershäßuüng, (höôrt! hört !), die er der Bedeutung seiner eigenen Partei beilegt. Von den verbündeten Regierungen wird die Ansicht vertreten, daß man im Volke nicht weiterzugehen wünscht, als es in dieser Vorlage geschehen ist. Wenn dann der Herr Abgeordnete sich auf die Aeußerung eines Herrn aus der Zentrumspartei beruft, des Herrn Abgeordneten Roeren, der ausgesprochen haben foll, es schiene ihm das Konsequenteste und Richtigste, wenn die Entschädigung jedem Freigesprohenen gegeben würde, so beruht das doch, glaube ich, auf einem Mißverständniß. Der Herr Abg. Noeren will, wenn“ ich seine Ausführung in der Kommission und hier recht verstanden habe, nicht jedem Fret- gesprohenen die Entschädigung gewähren, sondern will ‘dies nur unter der Vorausfeßzung, daß das Wiederaufnahme- verfahren in der Weise beschränkt wird, daß dadur die nöthigen Garantien gegeben werden. Ich glaube, der Herr Abg. Roeren würde sich also dem Standpunkt anschließen, den der Herr Abg. Nintelen vertritt. Hiér is heute wiederholt hervorgehoben worden, daß die Vorlage das unerwünschte Ergebniß herbeiführe, daß dadur zwet Klassen Freigesprohener geschaffen würden, und daß in gewisser Beziehung das alte Uebel der absolutio ab instantia wieder eingeführt würde. Ich habe vorhin ja {hon zugegeben, daß, wenn das Wiederaufnahmeverfahren die genügenden Garantien böte, es das Er- wünschteste sein würde, daß man ohne weiteres jedem im Wieder- aufnahmeverfahren Freigesprohenen die Entschädigung gewähren könnte; aber ih glaube, daß doch die Beforgniß vor den Folgen, welche die Schaffung von zwei Klassen Freigesprochener haben würde, etwas übertrieben ist. Von einer Wiedereinführung der absolutio ab instantia fann unter keinen Umständen die Rede sein. Die Bedeutung dieser Einrichtung war die, daß der im Strafverfahren Freigesprochene jederzeit, au ohne daß neue Gründe hervortraten, von neuem wieder in Untersuhung gezogen werden konnte. Davon ift niht die Nede. Es wird na wie vor mit der erfolgten Freisprechung eine endgültige Erledigung der Sache herbeigeführt. Wenn nun jeßt im Entwurf, der insoweit von Ihrer Kommission gebilligt ift, vorgeschlagen wird, daß über die Frage, ob eine Entschädigung zu gewähren ist oder nit, nicht im Urtheile felbst, sondern in einem dem Be- treffenden besonders zuzustellenden Beschluß entschieden werden soll, so hat man damit allerdings vermeiden wollen, daß aus dem Urtheil felbst hervorgehe, ob der Freig:\prochene zu der einen oder anderen Kategorie von Freigesprochenen gehört ; aber von einer besonderen Geheimnißthuerei ist dabei keine Rede. Es soll nur äußerlich nicht sofort zur Ersheinung gebraht werden, daß man überhaupt zwei Kategorien Freigesprochener hätte; das Urtheil soll ih auf die Frage, ob der Angeklagte freizusprehen, beshränken. Die Entscheidung, welche in dem besonders zuzustellenden Beschlusse ergeht und welche von ganz denselben Richtern gegeben wird, bietet dieselben Garantien, als ob sie im Urtheil enthalten wären. Ih laube, es kann aus diesem Grunde daher ein Widerspruh gegen die Befilengung niht erhoben werden.

Abg. R oeren erklärt, er sähe es au lieber, wenn alle Frei- gesprohenen die Entschädigung bekämen; aber der kleine Reft, der nach der Kommissionsfassung ausgeschlossen bleibe, könne ihn nicht veranlafsen, durch Zustimmung zu dem Antrag Auer das ganze Geseh in Gefahr zu bringen.

Damit schließt die Diskussion. _ )

Der Antrag des Abg. Auer (Soz.) auf Streichung des Passus, welcher von dem Nachweis der Unschuld des An- he bezw. von dem Fortfall der Verdachhtsgründe handelt, wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und einiger freisinnigen und Zentrumsmitglieder abgelehnt.

Abg. Singer (Soz.) bezweifelt vor der weiteren Abstimmung die Beschlußfähigkeit des Hauses.

Dieser Zweifel wird vom Präsidenten als begründet erklärt und die Beschlußunfähigkeit konstatiert. Die Sihung muß abgebrochen werden.

Der Präsident seßt die -nähste Sißung auf 3 Uhr 10 Minuten an.

Schluß 2 Uhr 50 Minuten.

51. Sißung vom 26. Februar 1898, 31/4 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung dev von dem Abg. Dr. Rintelen und den Abgg. Lenzmann und Muncel eingebrahten Ge deutete, welche die Wiederaufnahme der früheren B Sai des Hauses wegen Abänderung des Gerichtsverfassungsgeseyes und der Strafprozeßordnung bezwecken. Die beiden Anträge weichen in einer Reihe von Einzelheiten von einander ab.

Auf Vorschlag des Abg. Dr. von Buchka (d. P wird die Erörterung begonnen mit § 77 des Gerichtsverfa|sungs- gesezes, der über die Beseßung der Strafïammern Be- stimmung trifft.

Nach dem bestehenden Geseß entscheiden die Landgerichts- kammern in der Beseßung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsißenden. Die Strafkammexn sind in der Hauptver- handlung mit 5 Mitgliedern, in der Berufungsinstanz bei Uebertretungen und in den” Fällen der Privatklage aber mit 3 Mitgliedern einschließlich des Vorsißenden zu beseßen.

Nach dem Antrage des Abg. Dr. Rintelen, der die Be- rufung gegen die Strafkammerurtheile aufgenommen hat, sollen die Straskammern in der Beseßzung mit fünf Mitglie- dern entscheiden in der Hauptverhandlung, wenn Verbrechen mit Ausnahme solcher strafbaren Handlungen, welhe nur des- halb als Verbrechen ih darstellen, weil sie im Rückfall be-

angen sind, den Gegenstand der Untersuchung bilden, sowie n der Berufungsinstanz bei Vergehen mit Ausnahme der Privaiklage.

Abg. Dr. von Buchka (d. kons.) beantragt folgende Fassung des § 77: „Die Kammern entscheiden in der Beseßung von 3 Mitgliedern mit Einschluß des Vorsigenden. Die Straf- kammern sind für die Hauptverhandlung in der Berufungsinstanz bei Vergehen außer den Fällen der Privatklage mit 5 Mitgliedern ein- \chließlich des Vorsigenden zu beseßen.“ Redner bittet um die An- nahme dieses Antrags, da die verbündeten Regterungen sh \#. Z. aus- drücklih gegen den von dem Antrag Rintelen aufgenommenen früheren Beschluß des Hauses ausgesprochen hätten und kein Umstand auf eine Veränderung in ihrer Stellungnahme {ließen lasse. Werde sein An- trag abgelehnt und der Antrag Rintelen angenommen, so werde er, wenn die Regierung sich nit äußere, an der weiteren aus\ihtslosen Berathunz sh nit betheiligen.

Abg. Dr. Pieschel (nl.) spricht fh für den Antrag Rintelen aus.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) ist der Meinung, daß die NRegie- rung seinem Antrage ernsthaften Widerstand niht mehr entgegenseßen fönnc. An einem Mangel an Richterpersonal werde die Durchführung des Antrages nit mehr scheitern. Es müsse ein Weg geschaffen werden, auf dem beide Theile fh entgegenkommen könnten. Auch die Frei- sinnigen müßten dafür timmen, wenn ihnen am Zustandekommen der Berufung etwas gelegen sei.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) spriht sein Bedauern darüber aus, daß die verbündeten Regierungen zu den einzelnen, hier in Be- traht kommenden Fragen keine feste Stellung genommen hätten und auch jeßi zu nehmen nit geneigt schienen. So lange aber keine Meinungtäußerung erfolge, habe man keine Ursache, von der wohl- erwogenen Ueberzeugung irgend etwas zu opfern. Für das Dreimänner- Kollegium mit Einstimmigkeit habe er sich ja {hon früher erklärt ; es komme aber nit auf seine persönlihe Ueberzeugung an, sondern die verbündeten Regierungen seien dem Hause den Beweis \{huldig, daß nah Einführnng der Berufung die fünf Richter der Strafkammer niht mehr nöthig wären, sondern au drei Männer genügten. Mit der Personal- und namentlich mit der Kostenfrage dürfe man solche Fragen nicht abthun. Solange der Bundesrath |chweige, müßten die Brian des Fünf-Richter-Kollegtums bei dem bisherigen geseßlichen

ustande verharren.

Staatssekretär des Reichs - Justizamts Dr. Nieberding:

Wenn der Herr Abg. Lenzmann der Erwartung Auvsdruck gegeben bat, daß ich ermächtigt sein würde, namens der verbündeten Regierungen hier Erklärungen abzugeben, so muß ich ihn zu meinem Bedauern in seinen Erwartungen täuschen. (Hört ! hört! Oh! oh!) Ich bin nit in der Lage, namens der verbündeten Regierungen hier irgend etwas zu erklären. Wenn Vertreter des Reichs-Justizamts heute hier ershienen sind, so geschieht das aus erklärlihem Interesse an der Sache und in dem lebhaften Wunsche, soweit es in unserer Macht ist, durch thatsählihe Aufklärungen Ihre Verhandlungen zu unterstüßen. Aber nah irgend einer Richtung für oder gegen die hier vorliegenden Anträge Stellung zu nehmen, bin ih nicht in der Lage. Ich bin deshalb auch nicht im stande, den Glauben, den der Herr Abg. Dr. Rintelen in seinem Vortrage aussprach, irgendwie entweder zu bekräftigen oder zu entkräften. (Hört! bört!) Ich muß die von ihm aufgeworfene Frage ganz dahingestellt sein lassen.

Diese Stellungnahme der Regierungen ift ja eine ganz erklär- lihe, und Herr Lenzmann fagte vorhin ja selbst, gegenüber cinem Jnitiativantrag, wie er hier vorliegt, set seitens der Regierungen irgend eine bindende Aeußerung nit zu erwarten. Das hohe Haus weiß, daß es feststehende Regel ist, welhe der Bundesrath beachtet, in Fragen dieser Art, Fragen, die aus der Initiative des Hauses zur Diskussion ge- bracht werden, keine Erklärung vor der dritten Lesung abzugeben. (Zuruf.) Ih weiß im Augenblick nicht, wie es mit dem Antrag Kanitz liegt. Ich sage nur: wenn Ausnahmen vorgekommen find ih habe von einer feststehenden Regel gesprohen, und beim Bundesrath werden Regeln wobl ebenso gut Ausnahmen finden, wie anderswo auf der Welt; ih bleibe aber dabei, daß die Regel dahin geht, daß auf Jnitiativanträge eine Erklärung seitens der Regierungen im Laufe der Berathungen nicht abgegeben wird. Wenn bet irgend einer Gelegenheit kein Anlaß vorliegt, den Negierungen aus dieser Haltung einen Vorwurf zu machen, so ift es, meine ih, hier fo. Die Regierungen haben die Vorlage, welche vor 2 Jahren \eiterte, zweimal im Reichstage eingebracht. Als das erste Mal trop der lebhaften Bemühungen der Regierungsvertreter die Vorlage niht zur Verabschiedung kam, haben sie nit gezögert, in der nähsten Session die Vorlage wieder einzubringen. Als die Kommissionsverhandlungen in der neuen Session sich fo hinzogen, daß wiederum keine Aussicht bestand, die Sache bald zum Abschluß zu bringen, erklärten sich die Regierungen damit einverstanden, im Snteresse der Vorlage die Session nicht zu s{hließen, sondern nur zu vertagen. Als “nah der Vertagung im Herbst die Verhand- lungen wieder aufgenommen wurden, habe ih, nachdem ich bereits im Sommer namens der Regierungen mein Möglichstes gethan hatte, innerhalb der Kommission eine Klärung über die definitive Stellungnahme der Regierungen zu \{chafen, Veranlassung genommen, im Kreise der verschiedenen Parteien meine Erklärungen vom Sommer zu bekräftigen und damit doch einigermaßen die Stellung der Re- gierungen für die Abstimmung im Hause erkennbar zu stellen, Aber das alles hat nichts gefruhtet. Sie sind über die damaligen Erklärungen ruhig hinweggegangen und haben eine Stellung genommen, die uns nöthigte, zu erklären, daß wir auf die weitere Berathung der Vorlage verzihteten. Diese Haltung der Regierungen in drei aufeinanderfolgenden Sessionen materiell bestand ja die zweite Session aus zwei Sessionen muß, glaube ih, die Regierungen gegen jeden Vorwurf s{hüßen, als wenn sie es bei der Sache nicht ernst gemeint hätten.

Wir können übrigens au jeßt garutcht übersehen, wie sih das Ergebniß der Verhandlungen gestalten wird. Herr Dr. von Buchka hob vorber . mit vollem Recht hervor, daß neben dem einen ODifferenzpunkt, welher jeßt zur Verhandlung teht,

¿wishen Regierung und Reichstag noch eine Anzahl anderer wichtiger Punkte, welche die Anträge enthalten, streitig find, und über die wir noch immer nicht die Ansicht des Hauses kennen. Es wäre vielleiht eine andere Sache, wenn es sich bloß um einen einzigen Differenzpunkt handelte. Das ift aber durchaus nicht der Fall. Die Vorlage ist durchzogen von Zweifelspunkten, denen gegen- über die Regterung vor zwei Jahren wohl ihre Stellung genommen hat, während das Haus diese Stellung außer Acht ließ und eine entgegengesetzte Stellung cinnahm. Da sollen jeßt die verbündeten Regierungen ohne weiteres wieder ihre Auffassung dem Hause doku- mentieren, ohne zu wissen, wie das Haus selbst diese Junitiativ- anträge aufnehmen wird? Das können Sie wirklich von ihnen nach allem, was vorgegangen, nicht verlangen. Ich wieder- hole: ich werde auch im weiteren Verlaufe der Verhandlungen nicht in der Lage sein, namens der verbündeten Regierungen irgend etwas Verbindendes zu erklären, wenngleich wir, soweit die Verhand- lungen Gelegenheit dazu bieten, gerne bereit sein werden, Sie bei der Diskussion zu unterstüßen. Dazu sind wir hicr erschienen, zu nichts Weiterem.

Wenn der Herr Abg. Lenzmann der Regierung aber vorhin den Vorwurf gemacht hat, daß sie in der Frage, die jeßt zur Debatte steht, sich aus\chließlich von finanziellen Gesichtspunkten habe leiten lassen, so muß ich dagegen doch ein Wort sagen. Den Vorwurf, daß bei dieser Frage für die Haltung der verbündeten Regterungen finanzielle Erwägungen maßgebend gewesen seien, indem die Verände- rungen der Organisation, die eventuell erforderli sein würden, mit zu hohen Aufwendungen verknüpft sein würden, muß ih zurückweisen. Der Vorwurf is {hon in den Verhandlungen der leßten Jahre wiederholt aufgetreten. Er hatte einen gewissen, aber doch nur äußer- lihen Anhaltpunkt darin gefunden ein Anlaß, der natürlich von den Herren Rednern, die gegen die Regierung sprachen, mit Leb- haftigkeit aufgenommen wurde —, daß ein Vertreter der Königlich sächsishen Regierung hier die Höhe der Kosten bezifferte, die annähernd aus den in Aussfiht genommenen Reorganisationen für Sachsen zu erwarten sein würden. Damals hat nun der preußische Herr Justiz - Minister selbt hier im Hause erklärt, daß es der preußischen Regierung durhaus fern liege, finanzielle Gesichtspunkte für ihre Haltung entscheiden zu lassen. Als am 14. Dezember 1896 hier die Frage zur Verhandlung stand, die auch heute wieder vorliegt, wie die Gerichte beseßt sein sollen, mit 3 oder 5 Nichtern, da habe ih nicht nur im Namen der verbündeten Regierungen die Unterstellung, als wenn für ihre Haltung finanzielle Gesichtspunkte entsheidend seien, bestimmt bestritten, sondern ih habe in einem ausführlichen Vortrag vor diesem hohen Hause die Gesichtspunkte dargelegt, die für uns entsheidend seien, um die damaligen Anträge nicht zu acceptieren. Wenn der Herr Abgeordnete Lenzmann dieser Erklärungen ungeachtet heute wiederum zu dem Borwurf anders kann ih es nicht nennen zurückkommt, dann haben wir überhaupt auf Glauben bei dem geehrten Herrn nicht mehr zu renen. Da muß ih verzihten, in diefer Frage mi mit ihm auseinanderzuseßen. Ich hoffe aber, das hohe Haus wird den Erklärungen, die der preußishe Herr Justiz-Minister hier abgegeben hat, denen ih mich angeschlossen habe, mehr Glauben senken, als er. (Bravo ! rechts.) \

Abg. Haase (Soz.) erklärt, daß nach Anficht der Sozial- demokraten die Rechtsgarantien für den Angeklagten viel zu gering seien. Seine Partei lege den Hauptnahdruck auf die Verbesserung des Vorverfahrens und des Untersuhungsverfahrens. Dennoch würde sie für die Anträge stimmen, soweit diese eine Verbesserung des bis- berigen Zustandes brächten.

Abg. Graf von Bernstorff (Rp.) erklärt sich bereit, bei der Wichtigkeit der Sache die Hand zu einem Kompromiß zu bieten. Aus praktishen Gründen habe er den Vermittelung8antrag Rintelen unterstüßt, er hoffe aber, daß, wenn dieser angenommen werde, man Gelegenheit haben werde, zwishen der zweiten und dritten Lesung die Stellung der Regierung kennen zu lernen, und daß man dann in dritter Lesung sich vielleiht do auf den Buchka’schen Antrag ver- einigen werde.

Abg. Schmidt- Warburg (Zentr.) fiellt gegenüber dem Abg. Lenzmann fest, daß niht das ganze Zentrum den Antrag Rintelen unterschrieben habe, dafür aber eine Anzahl Mitglieder aus anderen Parteien. Der Antrag sei auch keineswegs ver frühere Kommissions- beschluß, sondern decke sich wörtlih mit einem von ihm (Redner) st. Z. gestellten Eventualantrag. Einigermaßen aber fange doch auch Herr Lenzmann an, sich zum Fünf-Richter-Kollegtum zu bekehren. Hätte Herr Lenzmann nit #. Z. mit der Parole „Berufung um jeden Preis* alles darangeben wollen, so wäre man jegt weiter. Da der Regierung nit viel daran gelegen scheine, fie fih auch mit erneuten Erwägungen nicht beeilt habe, so wäre es unklug, sich aufs Ungewisse zu Opfern zu verstehen, die vielleiht acceptiert würden, ohne daß die Wünsche des Reichstages bezüglih der Beseßung der Strafkammern Erhörung fänden.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mir einen Vorwurf daraus gemacht, daß ih, obwohl {hon fo lange Zeit in Kenntniß dieses Antrages, dennoch das Meinige nicht gethan hätte, um eine Stellung- nahme der verbündeten Regierungen herbeizuführen, die mi ermächtigte, hier zu dem Antrage Erklärungen abzugeben. Der Herr Vorredner scheint dabei von der Ansicht auszugehen, als wenn es bloß einer An- regung von meiner Seite bedürste, um die verbündeten Regierungen zu einer Stellungnahme zu bestimmen. Da übershäßi er do meine Stellung und meinen Einfluß bedeutend, Er weiß ja au überhaupt nicht, ob ich nit vielleiht den Versuh gemacht habe, fest- zustellen, wie weit die verbündeten Regierungen geneigt sein würden, in der Sache gleih im voraus Stellung zu nehmen. Daß eine sehr große Neigung nach dieser Richtung hin nit vorhanden sein konnte, das habe ih bereits dem Herrn Abg. Lenzmann gegenüber hervorgehoben, das konnte {ih auch jeder denken; aber ob meinerseits uicht das Nöthige geschehen ist, die Sahe zur Erwägung der verbündeten Regierungen zu bringen, das weiß der Herr Abgeordnete nicht, und ich muß deshalb ablehnen, wenn mir ein Vorwurf gemaht wird, als ob ih zum Nachtheil des Antrages das mir Obliegende in der Sache nicht gethan hätte.

Was die Stellung der verbündeten Regierungen diesen beiden An- trägen gegenüber betrifft, von welchen der Herr Vorredner sprach, fo habe ih mehrmals in den früheren Verhandlungen Gelegenheit gehabt und von dieser Gelegenheit reihlihen - Gebrau ge- maht, um die Herren darauf hinzuweisen, daß im Schoß den verbündeten Regierungen keineswegs allseitige Uebereinstimmung in dieser Sache besteht, und den Herren ans Herz gelegt, sie möhten nicht zu“ viel verlangen, wenn sie die Widerstände, die im Schoße der verbündeten Regierungen vorhanden sind, nicht ftärken wollten.

Damals hat man auf meine Warnungen niht geachtet. Daß in-

zwischen diese Widerstände bei den Regierungen geringer geworden sein sollten, das anzunehmen werden Ste kaum einen Grund haben, und Sie werden \ich daraus, und nit aus einer Säumniß von meiner Seite sehr wohl erklären können, wenn die verbündeten Regierungen in der Sache vorläufig noch, wie es ihr Ret, Zurückhaltung beobalten.

Abg. Beckh (fr. Volksp,): Dann müssen wir unsere Vorwürfe also direkt an die verbündeten Regierungen richten. Warum will man die Sahe nicht wenigstens in Erwägung ziehen? Ist doch in dem Entwurf der Militär-Strafprozeßordnung die Berufung enthalten. Jeßt weiß niemand, wie er {ih zu der Sache stellen foll. Unter diesen Umständen kann ich auch dem Antrag Rintelen, dem ih persönli nit abgeneigt gewesen wäre, niht zustimmen.

bg. von Kardorff (Rp.): Die Unterzeichner des Antrags Nintelen sind keineswegs alle mit allen Einzelheiten desselben eine verstanden, sondern wollten z. B. die hohwichtige Frage der Berufung

wieder zur Verhandlung stellen. Abo, Dr. Spahn (Zentr.): Dem Antrag Rintelen wird die

Regierung nach der Erklärung des Staatssekretärs sicher ein Nein entgegensezen. Unter diesen Umständen is es doch ganz ungereht- fertigt, dem Hause, welches \. Z. mit so großer Mehrheit für die fünf Richter eingetreten ist, bei der heutigen chwachen Beseßung zu- zumuthen, einen entgegengeseßten Beschluß zu fassen.

“Abg. Dr. von Bucka konstatiert, daß seine deutsch-konfervativen Freunde, soweit sie den Antrag Rintelen unterschrieben hätten, dies nur aus dem gleihen Motiv wie der Abg. von Kardorff gethan hätten und für seinen Antrag stimmen würden.

Abg. Lenzmann: Die heutige Debatte ergiebt doh wenigstens die Feststellung, daß die verbündeten Regierungen auch einem zur Nachgiebigkeit geneigten Hause gegenüber aus ihrer Reserve nicht herauszutreten geneigt sind. Gegen den Vorwurf des Abg. Schmidt- Warburg muß ih mich entschieden verwahren.

Abg. Dr. Rintelen erklärt, er halte es keineswegs für dar- ethan, daß die Erklärung des Staatssekretärs so bestimmt gegen einen Antrag zu deuten wäre, wie der Abg. Spahn bel,aupte. Auch der Abg. Spahn möge bedenken, daß es Mensch und jede Korpo- ration {ih irren könne. Die Möglichkeit sei gegeben, daß die Re- gierung auf die Forderung der fünf Richter eingehen würde, wenn diese nur die Verbrechen zur Aburtheilung erhalten sollten. Es sei ibm um die Sache der Berufung zu thun; im politischen Leben komme es nit auf \tarres Festhalten an einmal gefaßten Ideen an.

Damit schließt die Diskussion. Vor der Abstimmung be- zweifelt Abg. Dr. von Buchka die Beschlußfähigkeit des Hauses. Da das Bureau den Zweifel theilt (es sind etwa 140 Abgeordnete anwesend), so wird die Beschlußunfähigkeit konstatiert und die Sißung abgebrochen.

Schluß 4/, Uhr. Nächste Sißzung Montag 2 Uhr» (Etat des Reichs-Eisenbahnamts.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 31. Sißung vom 25. Februar 1898,

Ueber den ersten Theil der Debatte ist schon berichtet

worden. Die zweite Berathung des Staatshaushalts- Etats für 1898/99 wird im Etat des Minifteriums für und Gewerbe bei dem Titel „Gehalt des

S inister s“ fortgeseßt.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ich kann dem Herrn Vorredner nur dankbar fein für die allgemeine wohlwollende Beurtheilung des Etats, ins- besondere desjenigen Theiles des Etats, der \sich auf die Mittel für das gewerbliche Fahshulwesen bezieht. Jch glaube auch in der That, daß der Herr Vorredner alle Ursache hat, mit dem vorläufigen Ergebniß seiner verdienstvollen Wirksamkeit auf diesem Gebiete zu- frieden zu sein. Jch erkenne dabei gern an, daß das, was in dieser Bezichung bisher geschehen ist, nur etwas Vorbereitendes ist, daß es nur die Einleitung zu der großen Aufgabe ist, die dem Staate noh vorbe- halten bleibt. Jch kann namentlich anerkennen, daß derjenige Betrag, der unter Kap. 69 Tit. 7 für die dort bezeihneten Zwecke vorgesehen wird, für die wirksame Erfüllung dieser Zwecke in der That nicht ausreiht; ich glaube aber in Aussicht stellen zu können, daß wir in der Folge erhöhte Aufwendungen werden machen können.

Was speziell die Regelung der Gehalts- und Pensionsverhältnifse der Lehrer an denjenigen gewerblihen Fahschulen anlangt, zu welchen der Staat einen Zuschuß leistet, so unterliegt dieselbe gegenwärtig der Ver- handlung, und ich glaube in Aussicht stellen zu können, daß das Gr- gebniß der Verhandlungen ein den Wünschen des Herrn Vorredners günstiges sein wird.

Nicht so günstig wie die Aeußerungen des Herrn Vorredners find diejenigen des Herrn Abg. Schwarze. Derselbe ist zwar ebenfalls damit einverstanden, daß dasjenige, was in diesem Etat für das ge- werblihe Fortbildungs- und Fachschulwesen ausgeseßt is, ausreihend sei; dagegen ist er der Meinung, daß dasjenige vollständig unzu- reichend sei, was speziell für die materielle Hebung des Handwerks ausgeworfen ist.

Mit der grundsäßlihen Auffassung bezügli der Förderung des Handwerks und des Kleinbetriebes kann ich mich in jeder Beztehung einverstanden erklären. Jch habe auch im vorigen Jahre sowohl in diesem hohen Hause wie auch im Reichstage erklärt, baß ih keineswegs der Meinung bin, daß das Handwerk und der Kleinbetrieb unrettbar zum Niedergang verurtheilt find. Jch bin der Meinung und halte daran fest, daß es wohl mögli ist, das Handwerk und den Kleinbetrieb, wenn auch in veränderter Gestalt, zu erhalten, und daß es Aufgabe der Regierung ist, mit allen Mitteln dahin zu wirken. (Bravo!)

Das kann geschehen durch das, was geleistet ist, und durch das, was in Aus\fiht genommen ift.

Wir haben inzwishen das Handwerkergeseß zur Verabschiedung gebraht, dessen Ausführung wir nunmehr in Angriff genommen haben, dessen Durchführung aber nicht so einfach ist, wie der Herr Abg. Schwarze es \ich gedaht hat. Es bedarf umfässender Vor- bereitungen, ehe wir zur Errihtung von Handwerkerkammern über- gehen können. Ehe wir diese errihten können, is es noth- wendig, zunächst eine Umbildung der freien Innungen zu bewirken durch die Aufstellung eines Normalstatuts, welhes dem neuen Gesetz entspricht ; ferner ist es nothwendig, für die Bildung der Zwangs- innungen ein Normalstatut zu entwerfen, auf Grund dessen die Bildung der Zwangsinnung demnächst erfolgt. Erst wenn diese Normalstatuten aufgestellt und der Reihsregierung mitgetheilt, sowie von dieser publiziert \ind, kann die Neubildung des Unterbanes für die Handwerkerkammern erfolgen. Auf Grund dieser Neu- bildung kann dann erst die Errichtung der Handwerkerkammern er*

folgen. Inzwischen haben wir für die Bildung der Bezirke uns das