1898 / 50 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Material zu vershaffen.durh Einforderung von Berichten und Acuße-

rungen der zuständigen Regierungen.

Fn dieser Hinsicht gehen die Ansichten aber weit augeinander, und es stellt fih heraus, daß bei der Bildung der Handwerkerkammern ih große Schwierigkeiten finden, sodaß anzunehmen ist, daß die Errich- tung der Handwerke:kammern niht in fo kurzer Zeit erfolgen kann, wie der Herr Abg. Schwarze es wünscht. Das s{chatet aber auh nach meiner Ansicht nichts, und zwar deshalb nicht, weil ja die Wakhlkörper, aus denen die Handwerkerkammern hervorgehen sollen, nur die korporierten Handwerker sind. Man muß daher dem Hand- werk au eine gewisse Zeit lassen, um sich zu korporieren, sei es in freien oder in Zwangsinnungen, sei es in Handwerker-Vereinigungen.

Nun hat der Herr Abg. Schwarze gesagt, er vermisse ramenilich, daß die Regierung nicht auch ihrerseits in Aus\fiht genommen habe, neben der Thätigkeit der Handwerker- kammern auch ihre Verwaltungsbehörden in eine entsprechende Thâtigkeit zu seßen und dafür die erforderlihen Mittel zur Verfügung zu stellen. Ih bin auch der Meiuung, daß, wenn wir die Land- wirthshaftiskammern eingerihtet haben, es nothwendig fein wird, eine korrespondierende Einrichiung, sei es bei den Regierungen, sei es bei den Ober - Präsidien, zu trefen, um die Thätigkeit der Handwerkerkammern fruchtbar zu machen. Wie aber diese Einrichtungen zu treffen sind, wird erst dann zu beurtheilen fein, wern feststeht, für welhe Bezirke die Handwerkezkammern zu errichten sind. Das ist aber gecenwärtig noch Frage der Erwägung; zur Zeit ist es also noch niht mögli, nach dieser Richtung hin unsere Thätigkeit zu beginnen,

Im übrigen kann ih nur wiederholen, was ih \chon öfter ausgesprohen habe, daß es vor allen Dingen wesentlich is, die materielle Lage des Handwerks zu heben, und daß zu diesem Zweck es wesentlich if, das genossenschaftliche Leben unter den Handwerkern zu fördern. Bereits im vorigen Jahre habe ih gesagt, daß nah dieser Richtung hin die einleitenden Ver- fügungen erlassen sind, daß bereits in mehreren Regierungsbezirken mit der Bildung solher Genossenschaften begonnen ist, daß wir In- struktoren angenommen haben, die in die einzelnen Bezirke entsendet werden, um zur Bildung \foller Genossenschaften anzuregen. Diese einleitende Thätigkeit hat inzwishen entschicden Früchte getragen: 150 Genofsenschaften find gebiltet und ungefähr 40 sind noch in der Bildung begriffen, sodaß konstatiert werden kann, daß das genossenshaftlite Leben unter den Handwerkern im Wachsen begriffen is. Wenn diese Genossenschaften sih zu Ver- bänden zusammenschließen, sind sie in der Lage, die erforderlichen Kredite aus der Zentralgenofsenschaftskasse zu bekommen, der ja erhöhte Mittel zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt werden, sodaß dem Hand- werk die Möglichkeit eröffnet is, auf den Gebieten des Kredits und der Ausrüstung mit Motoren und solchen Hilfsmitteln, die zur Hebung des Handwerks nothwendig sind, sich das erforderlihe Geld zu ver- schaffen.

Nun hat Herr Schwarze gesagt, daß die geringe Summe von 10 000 M, die vorgesehen ist für die Unterstüßung des Handwerks, für die Bildung von Genossenschasten unzureihend ift. Ich meine auch, daß e auf die Dauer nit aus? reiht; aber wenn wir mit den geringen Mitteln im

vergangenen Jahre einen olen Effekt erzielt haben, können wir vor-

läufig mit dem Ergebniß zufrieden fein.

Unseren Wünschen auf Erhöhung dieses Fonds stand auch das Bedenken entgegen, daß man mit einer gewissen Vorsicht verfahren muß. Die Erfahrung lehrt, daß leiht auch Bildungen eintreten, die nit haltbar sind und naher wieder zusammenbrechen ; man muß sich also vor Ueberslürzungen hüten. Das war der Grund, den Fonds in diesem Jahre auf den geringen Betrag einzushränken.

Fch kann meine Ausführungen \{ließen, indem ih wiederhole: nach der Bewegung, die im ganzen Lande entstanden is, auf Hebung des Kleinbetriebs und des Handwerks, und nah der Auffassung, von der die Regierung si leiten läßt, ist die Hoffnung begründet, daß Handwerk und Kleinbetrieb wohl Ausfihi haben auf eine glüdckliähere Zukunft, als es die Gegenwart ist. (Bravo!)

Abg. Wallbrecht (nl.) {ließt sich dieser Hoffnung an und bittet den Minister, in jeder großen Stadt eine Baugewerkschule cin- zurihten. Die Eltern würde ihre Kinder gern solhen Schulen an- vertrauen, und damit würde dem Bestreben entgegengearbeitet werden, daß jeder seine Kinder zu Beamten machen möchte. Für die gewerb- ben Schulen müsse besonders nah der Richtung hin gefor;t werden, daß die einmal herangezogenen Lehrer auch den Schulen erhalten bleiben. Das sei immer sehr chwer gewesen, weil die Lehrer denen an den höheren staatli&en Lehranstalten nicht gleichgestellt seien. Diese Gleichstellung sei unbedingt erforderlich.

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Lüders: Die Ver- handlungen über diese Frage haben noch nicht beendigt werden können; es wird also die Gleichstellung erst zu einem späteren Zeitpunkte erfolgen können.

Abg. Gothein (fr. Vagg.): Ich habe den Minister des Innern gefragt, auf Grund welcher geschlichen Vorschriften er ih für be- rechtigt bält, Delegirte der Landwirthschaft in die städtishen Markt- kommissionen zu shicken. Der Minister des Innern wies wih an den Handels-Minister. Nach der Gewerbeordnung wird die Mearkt- ordnung festgestellt durh die Gemeindebehörden. Für Breslau ist eine dnung für ten Getreidemarkt festgestellt, und troßdem wird die Stadt gezwungen, jeden beliebigen, von der Landwirth- \chaftskammer bestimmten Delegirten in die Kommission aufzu- nehmen, obwohl die Gewerbeordnung als Reichsgeseß dem preußishen Geseh über die Landwirthschafstskammern vorgeht. Die Organifation des Handwerks ist {wer durchzuführen. Ich beneide den Minister um diese Aufgabe garniht. Wenn er sie löst, wird dem Handwerk damit nicht geholfen, da der Schwerpunkt des Hand- werks niht mehr in den Städten, sondern auf dem Lande liegt. Diese über das Land zerstreuten Meister kann man nit organisieren zum gemeinsamen Ankavf von Maschinen, zu Ein- und Verkaufs- genossenshasten 2c. Der Verein für Sozialpolitik hat sih das Ver- dienst erworben, dur seine Untersuchungen festgestellt zu haben, daß ein Theil des Handwerks allerdings rettungëlos dem Untergange preisgegeben if, daß aber neue Handwerkézweige entstehen. Wenn ein Theil der kleinen Meister zu Werkmeistern in den roßen Betrieven wird, so befinden sie ih dabei meistens viel besser als früher die Kleinmeister. Ein wunder Punkt ist die Heimarbeit, namentlich im Scchneidergewctbe. Scmoller und Böhmert haben nachgewiesen, daß der Mittelstand nit verschwindet, sondern ih anters gestaltet. Wenn er abhängig wird, so hilft dagegen nur, daß er politis selbständig bleibt, daß jeder, der die von ihm abhängigen eaen politis beeinflußt, als niht anständig betrachtet wird.

Solde wirthschaftlihen Umwandlungen darf man niFt aufhalten, weil man sonst ledigli unerfüllbare Hcffnvngen hervorruft. Herr Hahn hat geglaubt, einen Unterschied machen zu sollen zwischen der Intustrie, welche für den Export, und derjenigen, welche für den inneren Marft arbeitet. Wenn die Exportindustrie durch die Mac Kinley-Bill 2c. geschädigt wird, so entsteht gleich ein allgemeiner Nothstand in der

SFndustrie, ein Drücken ter Preise und eine Ueberproduktion, Die ‘ganze Industrie ist eben solidarisch mit einander verbunden, - mag sie D den Inlands- oder den Auslandsbedarf arbeiten. Der Handels-

inister betheiligt sich hoffentlich fleißig an den Arbeiten des wirth- \chaftlihen Ausschusses, der auch eine Produktionsftatistik auf- stellen \oll. Dieselbe wird ergeben, daß die in einer Waare steckende Arbeit das einzig wirklich Nationale daran ift, nicht der Stoff, aus dem f hergestellt i. Bezüglih Oberschlesiens habe id gefunden, daß selbst bei dcn Kohlen 46 °/s auf die eigent- lichen Arbeiterlöhne entfallen, bei den Blei- und Zinkwerken sogar über 55 9%. Je komplizierter ein Fabrikat ist, desto größer ist der Antheil der menschlichen Arbeit daran. Urxsere Einfuhr besteht zu 2 aus Rohprodukten und Halbfabrikaten, unsere Ausfuhr dagegen zu F aus Fertigfabrikaten. Ueber 74 Millionen Menschen leben von der Ausfuhr, und ein Theil der übrigen Einwohner lebt von der Arbeit für diese 7} Millionen Menschen. Das follte auch die Landwirth- haft bedenken und follte sih in ihrem eigensten Interesse hüten, die Exportindustrie zu s{ädigen.

Abg. Felisch (kons.): Ich. halte eine Erhöhung der Aus- gaben für die Förderung des S D E R für Kleingewerbe- treibende für nothwendig, da die Hoffnung vorhanden ist, daß das Kapital der Zentralgenossenshaftskasse erheblih erhöht wird. Bisher hat das Handwerk von dieser Kasse nur wenig erhalten. Es muß aber für die nöthige Verbreitung des genossenschaftlißen Ge- dankens gesorgt werden. Handwerksmeister können {ich dann bei billigem Kredit gemeinschaftlich Maschinen anschaffen, z. B. die kleinen Unternehmer aus dem Holzgewerbe Holzbearbeitungsmaschinen. Ich beneide den Minister, daß er die {dne Aufgabe hat, die Hand- werkerorganisation durchzuführen. Wer den Minister um diese Auf- gabe nidt beneidet, kann ein warmes Herz für den Handwerkerstand nicht haben. Wenn wir dem Handwerk niht die Organisation wieder hafen, durch die es groß geworden ist, wenn wir nicht die goldene Dreizahl : Meister, Geselle und Lehrling, wieder s{hafen, O wird tas, was wir geschaffen haben, nur ein halbes Werk

etben.

Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.): Die feste Anstellung ven Lebrern an den Fahshulen wird an dem Unvermögen der Gemeinden und der Innungen scheitern. Kleine Gemeinden können keine Fadß- \chulen mit festen Lehrerstellen und keine Fortbildungss{ulen aus eigenen Mitteln errichten. Wenn Handwerksömeister als Lehrer an- gestellt werten sollen, so können dabei schr leiht Mißgriffe vorkommen. Sackverständige zur Beaussichtigung der gewerbliden Schulen werden fich sehr shwer finden. Baugewerkshulen find jehr {ön, aber man darf se niht für wenige Schüler eirrihten. Die Negierung geht ja mit der Gründung solcher Schulen in hinreihendem Maße vor. Um die Organisation beneiden wir das Handwerk niht. Wir stehen nicht auf dem Standpunkt des laissez aller, wir wollen nur nicht unnüge Gesetze haben.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. konf.): Fh stehe allerdings auf einem etwas anderen Boden als Herr Gothein. Ich halte es für die Aufgabe des Staats, den selbständig thätigen gewerblichen Mittelstand zu kräftigen und zu stüßen. Es wäre ver- kehrt, dasjenige, was absterben muß, Tünstlih am Leben zu erhalten. Wir dürfen uns der Hoffnung hingeben, daß unter kräftiger Hilfe des Staats ein großer Theil des Handwerks ih gesund und lebensfähig erhalten kann. Der Mirister hat eine aklerdings schr {were Aufgabe bekommen, die aber, wenn se gelöst werden kann, von großer Bedeutung ist für die Entwickelung des Handwerks. Ich fürchte, die Schwierigkeiten, welhe der Durch- führung des Gesetzes entgegenstehen, werden sh mehren, wenn es ih darum handelt, die freien Jnnungen in Zwangsinnungen überzuführen und neue Zwangsirnungen zu bilden. Die Bezirks- regierungen werden nicht im stande sein, diese Arbeiten leiht zu bewältigen. Wenn die österreichischen Innungen fo liebevoll gefördert werden, so liegt das nicht nur au ter besseren wirthschaftlißen Aus- bildung, sondern auch daran, daß die dabei betheiligten Beamten den gewerblichen Verkältnissen viel näher stehen als unfere Nes gierungé-Präsidenten. Wir müssen an den Gedanken herantreten, eine weitere Dezentralisation der Verwaltung zu Gunsten des Hand- werks vorzunehmen. Die Staatsregierung hegt die Absicht, mit der Errichtung von Handwerkerkammern provinzielle Zentralstellen zur Förderung des Handwerks einzurichten. Solche Zentralstelen haben fich in Württemberg, Baden und Hessen als überaus wirksam er- wiesen, Die Förderung des Genofsenschaftäwesens ist für das kleine Gewerbe von größter Bedeutung, und ich freue mich, daß bereits fo qute Erfolge erzielt sind. Das Fortbildunass{hulwesen wird zur besseren gewerblichen Ausbildung der Lehrlinge nicht ausreichen, wcil unsere &hrer dem Handwerk nicht nahe genug stehen. Jn Defterreih findet für diejenigea, welche sich zu Handwerkern auébilden wollen, ein mehrjähriger Kursus im Zeichnen 2c. statt, der den jungen Leuten {hon eine gewisse Handfertigkeit gewährt, ehe sie zu eincm Lehrmeister fommen. Es müßte auch den Handioerkern selbst noch die !Möglih- keit zur Weiterbildung in ihrem Gewerte gegeben werden, wie dies in Oesterrei der Fall ist. Der Besuch von Meisterkursen wird in Oesterreich gefördert durch die Gewährung von Stipendien u. |. w. Diese österreihische Einrichtung sollte der Minister, auch auf die Gefahr bin, daß es etwas Geld fosten wird, bei uns -durchführen. Das Geld, welches dafür ausgegeben wind, wird gute Zinsen tragen.

Abg. Gothein: Ein warmes Herz für das Handwerk bekundet man au dadur, daß man ihm keine Kur einredet, die nicht helfen kann. Troß der vielgerübmten Fürsorge befindet sih das Handwerk in Oesterrei noch s{chlechter als bei uns. Den über das platte Land und in den kleinen Städten zerstreuten Handwerkern kann mit Motoren und mit Einkaufsgenossenscaften u. st. w. nicht geholfen werden, am wenigsten aber durch die Unterdrückung der Maschinenindustrie. Ge- seße sind ein nothwendiges Uetel. Wenn sie nicht einmal nothwendig find, dann bleiben sie ein einfahes Uebel. Dahin gehören solche \chwerfälligen Organisationen, die den Handwerkern niht nüßen.

Abg. Rickert (fr. Vagg.): Durch eine Verfügung vom Sommer vorigen Jahres hat der Handels-Minister die Ziele der Fortbildungs\Gulen höher gesteckt. Das war erfreulich; aber cs hat eine gewisse Erregung unter den Lehrern hervorgerufen, daß die bisher für die Stunde auf 2 Æ bemessene Bezahlung in Westpreußen auf 1,50 oder bôchstens 1,75 ermäßigt werden soll. Wie kann man jeßt in der Zeit der Erhöhung der Lehrer- und Beamtengehältec sür diefe Arbeit der Lehrer eine Grmäßigung verlangen ?

Geheimer Regierungs-Rath Simon : Die im vorigen Sommer erlassenen Vorschriften über die Fortbildungéschulen stehen mit dieser Ermäßigung der Lehrergehälter niht im Zusammenhang. Wir mußten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln außerordentlich sparsam umgehen. Es wurden für die Besoldung der Lehrer 400 000 # ver- langt, während nur 300 000 4 zur Verfügung standen. Wir haben in größeren Städten, wo über 2 #4 gezahlt wurden, nah billigeren Lehrkräften gesuht, dafür aber auch in anderen Fällen höhere Zah- lungen geleistet, wo die bisherigen niht ausreichten ; wir haben ferner eine geringece Zahl von Klassen geschaffen und die allgemeinen Ber- waltungsausgaben eingeschränkt. Troßdem ist det Fonds immer noch um 60 000 M überschritten worden. Es sind nun allerdings im Etat 75 000 M mehr verlangt, aber wir werden dafür auch neue Fort- bildungé\hulen einrihten und namentli das Fortbildung8wesen auf die Mädchen ausdehnen müssen.

Abg. Latacz (Zentr.) empfiehlt ebenfalls eine Vermehrung der Fortbildungs\chulen, wünscht aber neben der fahlihen Ausbildung auch die Förderung der religiösen und sittlihen Erziehung. Man folle tie Ziele d-r Fortbildungs\chulen nicht allzu hoh s{rauben, aber au nit auf den Kreis der Lehrgegenstände der Volksschule beschränken, Es sei erfreuli, daß dafür gesorgt werden solle, daß die Lehrer, welhe an Fortbildungss{hulen unterrihten, durch einen besonderen Kursus Uebersicht über die gewerblichen Berhältnisse erhalten sollen.

Geheimer Regierungs-Rath Simon mat darauf aufmerksam, daß die im vorigen Sommer erlassenen Vorschriften nur * Normal- vorschriften, aber nicht in allen Einzelheiten für alle Schulen bindend sind.

Abg. Ehlers (fr. Vgg): In Westpreußen ijund Posen hat der Staat die Fortbildungsshulen übernommen, während» im übrigen

Lande die Gemeinden dafür eintreten. Da ist es nicht richtia, daß der Staat, um zu sparen, das Gehalt der Lehrer ermäftgt zu einer Zeit, wo die Beamten- und Lehrergehälter im übrigen erhöht worden find. Bei uns wird der Widerstand gegen cine Vermehrung der Ausgaben für das Fortbildungsshulwesen nicht liegen. :

Das Gehalt des Ministers wird bewilligt. Bei den Gehältern der Ministerialbeamten spricht

Abg. Hermes- (fr. Volksp.) seine Befriedigung darüber aus, daß eine bautehnishe Hilfskraft zur Beaufsichtigung des Gewerbes \{hulwesens berufen werden solle; der Minister hätte aber auch eine [chultehnische Hilfskraft zu gleiher Zeit berufen follen.

Bei den Ausgaben für den Börsenkommissar in Berlin richtet

Aba. Gothein an den Minister die Frage, was diese Beamten über die Mißstände an den Börsen berihtet und ob sie dieselben ab- gestellt haben.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Fch kann in Beantwortung der an mi gerihteten Frage mich auf die kurze Antwort beschränken, daß di: Berichte der Börsen- kommission mir keinen Anlaß geben, anzunehmen, daß das Börsen- gesetz diejenigen Zwecke nicht erreihen werde, welche thm zu Grunde gelegen haben. (Bravo! rets.)

Abg. Freiherr von Erffa (kons.): Aus den Worten des Herrn Gothein [chließe ih, daß eine ftille Sehnsucht nach der Zeit vor Erlaß des Börsengesetßes vorbanden ist. Diese {ne Zeit is vor- über. Das Börsengeseß is vorhanden und zu meinem Bedauern leider noch nit ganz durhgeführt. Die liberale Presse, die eine fo große Abneigung gegen die Junker hat und ein so treuer Schild- knappe für die Börsenmänner ist, behauptet, taß das Börsengeseyß dfe Landwirthschast geschädigt habe. Ich kann nur die gute Wirkung des Gesetzes für die Landwirthschaft konstatieren. Der Getreidetermin- handel ift dezentralisiert worden; Berlin is nit mehr der Haupt- play; der Effektivhandel ist erheblih erstarkt. Die Zentralstelle der Landwirthschaftskammern - giebt täglich die Preisnotierung heraus; jeder Landwirth kann sich dana über die Preise orientieren. Durch den Strike der Berliner Börse sind wir zu dieser werthvoUsten Gin- richtung des Börsengesctzes gekommen. Die Börsennotizen haben sich alsentbehrlih beroiesen, da 160 gelesene Zeitungen die Notierungen der Zentralstelle veröffentlichen, welche auch von den Proviant- ämtern anerkannt werden. Der Polizei - Präsident von Berlin und das Statistishe Amt des Reichs benußen ebenfalls diese Notierungen. die freilich von der der Börse ergebenen liberalen Presse bemängelt werden. Die Notierungen - zerfallen in dret Gruppen: Lokalnotierungen ohne Unterschied der Qualität, Nos- tierungen der größeren Handelspläße nah einer bestimmten Qualität und endlich Weltmarktspreise. Kann es bessere Notierungen geben? Durch den Strike der Börse ift dieses für die Landwirth- schaft so wichtige Ergebniß erzielt worden. Das Sprungweise der früheren Pretsbewegung ist erseßt durch eine sietige und ruhige Be- wegung der Preise. Die Einfuhr von Getreide ist gesunkea, weil das Börsenspiel gefehlt hat, wcil cs sch nicht mehr lohnte, große Massen an die Börse zu bringen. Die Mitläufer der Spekulanten- firmen werden dadur vor Schaden bewahrt. Die Landwirthschaft ist also mit èec Wirkung des Börsengesetßes zufrieden, und wir können nur wünsch{en, daß das, was zur völlizen Durchführung fehlt, auch noh geschieht, daß alle Winkelbörsen, ramentlich in Berlin, ge- {lossen werden. Der Bezirksaus\shuß hat die freie Vereinigung im Feenpalast nit als cine Börse anerkannt. Wie kann man obne Börseneinrihtungen u gleihmäßigen Preitnotierungen kommen ? Hoffentlich holt das Ober-Verwaltungêgeriht das vom Bezirkéauës]chuß NBersäumie nah und vernimmt Zeugen. Der Minister folite die Ent- {eidung nah Möglichkeit beschleunigen, damit eadlich der Zustand aufhört, daß in dec Hauptstadt keine amtlichen Preisnotierungen er- folgen. Sollte das Ober-Berwaltungsgeriht das Urtheil des Bezirks- aus\{chusses bestätigen, dann muß unzweifelhaft eine Novelle zur Deklaration des Börsengesetzes erlassen werden. Der Täuschung soUte si aber niemand hingeben, daß der börsenmäßige Terminhandel, der urs die öffentlihe Meinung gerichtet ist, wieder eingerichtet werden önrite.

Abg. NicGter (fr. Volksp.): Eine Börsendebatie habe ih nit für nöthig gehalten, weil wir im Reichstage, vor den eigentlich dieje Frage gehört, diese Debatte erst gehatt haben. Der Vorredner hâtte seine wohlvorbereitete Nede auch wohl ohne die Frage des Herrn Gothein gehalten. Der Vorredner lobt die neue Einrichtung der Notterung der Zentralstelle und bezeichnet sie als eine Wirkung des Börsen- gesezes. Die Preisnotierungen sind früher {hon schneller verbreitet worden durch „Wolff's Telegraphenbureau“. Das einzige Neue ist die Umrechnung. Das ist eine Verbesserung, für die man aber das Börsen- gesey nicht gebraucht hätte. Die Preise anderer Orte sind auch früher schon telegraphisch mitgetheilt worden. Bei aler Zufriedenheit hat der Vorredner beklagt, daß es keine amtliche Preisnotierung in Berlin giebt, und hat den Minister gebeten, diesem Uebelstande abzuhelfen. Graf Schwerin hat selbst zugegeben, daß die Umzebung von Berlin unter dem Fehlen der Berliner Notierungen leide. Der Mangel der neuen Notierungen bleibt bestehen, daß sie nur von den Produzenten ausgehen. Aus Ursachen, die mit dem Börfengeseß garnicht zu- fammenhängen, sondern mit den Ernteverhältnissen, sind die Preise gestiegen ; das deckt manches zu, was sonst als Wirkung des Vörfen- agesezes hervortreten würde. Der Mangel eines börsenmäßigen Terminhandels is eine Ershwerung im internationalen Ausgleich. Die Verminderung der Einfuhr is eine Folge der reihlicheren Ernte Deutschlands, nicht eine Wirkung des Börsengescßes. Der Minister soll die Winkelbörsen s{ließen. Der Begriff Börse scheint allein nicht mehr auszureihen. Der Vorredner hat das Urtheil des Bezirks- aus\chUfses fritisiert und vorgeschlagen, wie das Ober-Verrwoaltungs- geriht verfahren soll, als ob dasselbe ein agrarisches Ministerium sei, welches von hier aus Instruktionen entgegenzunehmen hätte. Die Vorstandsmitglieder der Feenpalast-Versammlung haben an der Vers dffentlihung der Preise in keiner Weise mitgewirkt. Die Preis- veröffentlihungen beweisen nichts für das Vorhandensein einer Börse ; denn es werden au Preise von Waaren mitgetheilt, für die gar keine Börse besteht. Das Urtheil des Ober-Berwaltungsgerichts hat ledigli einen thecretischen Werth; denn selbst wenn das Polizei- refolut aufgehoben werden sollte, fo würde die Versammlung im Feen- vyalast doch nit wieder stattfinden. (Zuruf : Kloster!) Das Urtheil würde A niht gelten für die Versammlung in der Heiligengeist- straße. Dazu wäre ein neues Polizeiresolut erforderlih. Schlicßlich müßte das Zusammenwohnen unserer Getreidehändler in einem Hause verboten, und es müßte beim Telephonverkehr neben das Fräulein ein Delegirter der Landwirthschaftskammer gestellt werden. Der Vor- redner hat den Getreideterminhandel als gerichtet bezeihnet. Sorgen Sie (rechts) lieber dafür, daß man niht Ihre Politik der Verkehrs- beshränkungen als gerihtet bezeihnen kann!

Abg. Graf von Kanißtz (kons.): Herr Richter sieht wohl ein, daß es ein Fehler war, das Börsengesez im Reichstage zu stande kommen zu lassen. Wenn die Berliner Getreidehändler immer noch klagen, fo mögen sie doch das Termingeshäft ins Ausland verlegen, wie uns immer gedroht worden ift.

(Schluß in der Zweiten Beilage. )

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

¿ 90.

Zweite Beilage

Berlin, Sonnabend, den 26. Februar

1898.

uon: (Schluß aus der Ersten Beilage.)

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ich habe zwar keinen Beruf, mich in den Streit der Meinungen einzumischen, der so oft und in so ausgedehntem Maße zwishen den entgegengeseßten Auffassungen in diesem Hause geführt worden ist. Ich möchte nur glauben, daß für die Erledigung unserer heutigen Aufgaben es zweckmäßig is, wenn ih einige kurze Bemerkungen mache, die den Standpunkt der Regierung darlegen, um dadurch vielleilt abkürzend auf den Gang der Verhand- lungen selbst einzuwirken und Mißverständnissen vorzubeugen.

Meine Herren, die Regierung ist der * Meinung, daß die Er- fahrungen, ob und in wie weit das Börsfengeseß in allen seinen Theilen sich bewährt habe, noch nit als vollständig abgeschlossen zu betraten sind, daß noch weitere Erfahrungen abzuwarten sind, um zu beurtheilen, ob und in wie weit eine Aenderung, Vervollständigung oder fonstige Korrektur des Börsengeseßes in Ausficht zu nehmen ift. Inzwischen aber hält die Regierung an der Auffassung fest, die ich hier wiederholt ausgesprochen und gerechtfertigt habe, daß fie befugt is, Privatbörsen zu nöthigen, fich unter das Gese) zu stellen, wenn sie ihnen den Charakter einer Börse beilegt. Sie hat von dieser ihrer Befugniß in einem Falle Gebrauch gemacht. Dagegen is der Weg der verwaltungegerihtlihen Klage besGritten und in der Entscheidung des Bezirksaus\{husses i der Regierung die von ihr in Anspruch genommene Befugniß abgesprolhen worden. Ih enthalte mi jegliher Prüfung, jeglicher Kritik dieses Urtheils. Es ist dagegen die Berufung ein- gelegt an die oberste Verwaltungsinstanz. Die Entscheidung derselben bleibt ledigli abzuwarten. So lange die Entscheidung nit ergangen ist, wird die Regierung von der Befugniß einen weiteren Gebrauch niht mahen. Diese Erklärung kann ich hier abgeben im Ein- verständniß mit dem gesammten Königlichen Staats - Ministerium. Sollte die Entscheidung in der Folge zu unseren Gunsten erfolgen, so wird natürlich in jedem einzelnen Fall bezüglich folher Privateinrihtungen, von welchen in Frage kommt, ob sie Börfencharakter haben oder nicht, eine sorgfältige, genaue Prüfung vorzubehalten fein.

Fm übrigen muß ih sagen, die Regierung steht auf dem Stand- punkt, daß sie allerdings für erwünscht hält, daß regelmäßige Preis- notierungen stattfinden, sei es einer Börse, sei es eines Marktes, aber bffentliche Preisnotierungen, bei denen fowohl die Käufer wie die Ver- käufer mitwirken. Solhe Preisnotierungen haben wir nit, seit- dem die Produktenbörse {ih aufgelöst Hat; wir müssen uns an teren Stelle mit dem begnügen, was uns einerseits von der Zentralnotierungsstelle der Landwirthschaft geboten wird und auf der andern Seite seitens des Ret&# in der Einrichtung einer ähnlichen Notierungéstell: geschaffen ist, deren Vervolllommnung und Fortbildung noch der Erwägung unterliegt. (Hört! Hört!)

Die Einrichtung einer Börse oder eines Marktes hier in Berlin, die ih meinerseits für erwünscht halte, ist eben nicht Sache der Regierung; sie ist Sache der Interessenten. Die Regierung bat ihrerseits nur die Genehmigung dazu zu ertheilen, wenn seitens der Interessenten eine ähnlihe Einrichtung geplant und planmäßig zur Genehmigung vorgelegt wird. Die Regierung ist auch gern bereit, wenn aus den Kreisen der Betheiligten solche Anträge an sie gelangen, diese Anträge zu fördern und zu unterstüßen, denn sie legt, wie gesagt, Werth darauf, daß öffentlihe Preiênotierungen stattfinden.

Dabei muß ich bemerken : \g verdienstvoll au die Preisnotierungen von der Zentralstelle sein mögen, sie können jedenfalls die Notierungen eines öffentlihen Marktes, einer Börse deshalb nicht vollständig ersegen, weil die Preisnotierungen eines öffentlichen Marktes, einer Börse aus dem lebendigen Handel, dem Kontakt der entgegen- stehenden Meinungen, aus dem Angebot und dem Gegenangebot hervor- gehen. (Sehr richtig!) Das ift der¿Werth der Preisbildung eines dffentlihen Marktes, einer Börse im Gegensaß zu nachträglichen statistishen Ermittelungen. Eine solhe Preisbildung wünschen wir für die Folge, und wir würden es nur mit Freude begrüßt haben, wenn aus den Kreisen der Interessenten eine solchWe Einrichtung ge- \haffen wird, sei es, daß die Produktenbörse wiederhergestellt wird, sei es, daß, wenn die Kaufleute sich weigern, die Produktenbörse wiederherzustellen, eine andere gleihwerthige Einrichtung an ihre Stell- tritt. (Lebhaftes Bravo.)

Abg. Graf von Shwerin-Löwiß (kons.): An anderen Orten gehen die Regierungs-Präfidenten damit um, Marktkommissionen für den Getreidehandel ins Leben zu rufen. Ein Getreidehandel besteht au in Berlin; es liegt also kein Grund vor, in Berlin nicht ebenso wie anderwärts vorzugehen und einen Markt einzurichten. Damit würde auch eine richtige Preisnotiecung eintreten. Den landwirthshaftlihen Interessenten genügen die Notierungen der Land- wirtbshaftskammern durhaus und den Interessenten des Effektiv- handels ebenfalls, Ih fürhtete hon bei den Verhandlungen des Börsenausshusses, daß die Notierungen der Landwirthshaftskammern dem Mißtrauen der Händler begegnen würden. Das ist eingetreten, aber niht in dem Maße, wie ih annahm. Denn thatsächlich sind die Preisnotierungen der Zentralstelle zur Grundlage für den ganzen Getreidehandel geworden, weil sie mit der strengsten Objektivität fest- gestellt werden. Früher wurde gesagt, der Terminhandel wirke garnicht auf die Preise; jeßt foll das : Pat desselben die Preise drücken! Die Diéparitat zwishen dem Preise in Deutshland und deim auf dem Weltmarkt ift geringer, als sie früher war. Die Disparität gleich bei

der Umrehnung in Betracht zu ziehen, hat man nach längerer Er- wägung bis jeßt bei der Zentralstelle abgelehnt.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ich habe mir das Wort erbeten zu einer kurzen berihtigenden Bemerkung gegenüber einer unzutreffenden Voraus- seßung, von der Herr Abg. Graf S{hwerin auêgegangen ist. Herr Graf Schwerin is der Meinung gewesen, daß im Landwirthschafts- kammergesez der Regierung die Verpflichtung auferlegt wäre, Märkte zu errihten. Das ist nicht richtig; der Negterung is darin nur die Verpflichtung auferlegt, dafür zu" sorgen, daß Marktkommissionen errihtet werden, in denen die Landwirthschast vertreten is. Das liegt auch dem Erlaß des Herrn Ministers des Innern zu, Grunde.

Darin ist in Ausfiht genonmen, daß überall da, wo Märkte bestehen, Mearktkommissionen gebildet werden, in denen die Landwirthschaft vertreten ift, dagegen die Errichtung der Märkte selbst bleibt Sache der Interessenten.

Abz. Gothein bittet um eine klarere, weniger deutungsfähige Antwort seitens des Ministers und fährt dann fort: Es haften an den Börsen immer ncch die Vorwürfe. Sie haben ein Net, zu fragen, ob sich denn die Mißitände wirklich vorgefunden haben, welhe zur Bestellung des Staatskommissars geführt haben. Meine Anfrage hat nicht die Frage des Getreidehandels berührt ; denn die Getreidebörse giebt es bei uns ja niht mehr. Die Getreide- händler und Müller haben sich der Einaabe der Bromberger Handel8s- kammer um Wiedereinführung des Terminhandels fast nirgends angeshlosscn. Troß allen Rühmens über die Notierungen der Zentral- stelle verlangt man nah amtlichen Notierungen der Börse. Wenn wir eine gute Welternte haben, dann werden einige aus Amerika an- kommende Schiffsladungen, wenn sie nicht durch Terminhandel ver- theilt werden können, auf den Markt im Ganzen drücken. Die Ent- scheidung des Ober-Verwaltungsgerihts is eine reine Doktorfrage; denn die Versammlungen im Feenpalast werden niht wieder eröffnet werden. Herrn Grafen von Schwerin empfehle ih das Studium des S 69 der Gewerbeordnung, welcher den Gemeinden die Einrichtung der Märkte überträgt. Die Regierung kann keine Märkte auf eigene Faust einrichten.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Nachdem der Herr Vorredner die vorher an mich gerichtete Frage, ob aus den Berichten der Börsenkommissarien |ch Mißstände beson- derer Art ergeben hätten, unter anderem dahin präzisiert hat, ob nah den Berichten der Börsenkemmissarien unrihtige Notierungen vor- gekommen seien, kann ih diese Frage mit Nein beantworten. Im übrigen sind mancherlei Ausstellungen an den auf den Börsen be- stehenden Einrichtungen und Usancen und Vorschläge zu ihrer Ver- besserung gemacht worden. Jch habe es aber nicht für angängig ge- halten, hier in eine detaillierte Erörterung dieser Vorschläge kinzu- treten, um so weniger, als ich sie vorläufig als Interna der Ver- waltung. betrachte.

Abg. Schwarze (Zentr.) : Die Preise der Zentralstelle find nicht lediglih Preise der Verkäufer.

Abg. von Arnim (kons.): Der Vorredner hat Recht; es giebt {hon mehrere kleinere Börsen, welche bei der Feststellung der Preise mitwirken. Durch die Beseitigung des Termingeschäfts ist der Import von ausländishem Getreide vermindert worden.

Abg. Graf von Schwerin-Löwihß: Wenn unsere Notierungen deshalb mangelhaft sind, weil sie nur von Verkäufern herrühren, fo U damit der Wunsch nah Einrichtung neuer Getreidemärkte durhaus

egründet,

: Abg. Richter: Es ist leibter, einen Mohrenkopf weiß zu waschen, als jemand von der Rechten von seinen vorgefaßten Meinungen über den Getreidehandel abzubringen. Herr von Arnim is} der Ansicht, daß die Verminderung des Imports eine Folge des Börsengeseßz2s ist. Ft die Ausfuhr von Roggen von Deutshland nah Böhmen etwa au eine Folge des Börsengeseßes ? Es handelt sich darum, daß nicht in Deutschland, aber sonst in der Welt eine s{lechte Ernte vorliegt.

Das Gehalt des Börsenkommissars wird bewilligt.

Um 43/4 Uhr wird die weitere Berathung bis Sonnabend 12 Uhr vertagt. (Vorher zweite Berathung der Vorlage über die Zentralgenossenschaftskasse und Jnterpellation von Brock- hausen, betreffend die Besteuerung der Waarenhäuser.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Eisenbahnen Deutschlands im Betriebsjahre 1896/97. IT. *)

Personenverkehr. Der Personenverkehr hat in dem zehn- jährigen Zeitraum von 1886/87 bis 1896/97 einen weiteren er- freulihen Aufshwung genommen. Im Jahre 1896/97 wurde bei einer dur{schnittlihen Betriebslänge von 45110 km eine Einnahme von 44461 Millionen Mark gegen 284,63 Millionen Mark im Jahre 1886/87, mithin ein Mehr von 159,98 Millionen Mark = 56,2 v. H,, erzielt, obwohl die Betriebslänge durch den Hinzutritt neuer Bahnen nur um 21,6 v. H gestiegen is. Jedes Kilometer brachte eine Einnahme von 9856 A gegen 7671 A im Jahre 1886/87, mithin ein Mehr von 2185 #, d. \. 28,5 v. H. Dagegen ist die Einnahme für je 1000 Achskilometer der Personen- und G:päckwagen von 117 auf 107 M zurüdckgegangen, was sich vornehmlih durch den Hinzutritt neuer Bahnen mit anfänglih geringem Verkehr erklärt. An der Gesammteinnahme aus allen Verkehrszweigen war die Ein- nahme aus dem Personen- und Gepäckoerkehr mit 28,04 v. H. gegen 27,85 v. H. im Jahre 1886/87 betheiligt.

Die reine Personenbeförderung, einschließlich Militär- und Sonderzüge, hat ein Mehr von 153,12 Millionen Mark, d. f, 55,7 v. H., die Beförderung von Gepäck und Hunden ein \olhes von 4,34 Millionen Mark, d. \. 47 v. H, aufzuweisen, während die Nebenerträge einen Zuwahs von 2,593 Millionen Mark, d. #\, 683,8 v. H,, erzielten. Die erheblihe Steigerung der Nebenerträge ist hauptsächlih dur die Einführung der Bahnsteigkarten entstanden, was vornehmlich auf den Staatsbahnen zutrifft, bei denen die Ein- nahmen von 0,29 auf 2,87 Millionen Mark = 889,7 v. H. zugenommen baben. Während die Einnahme aus der I. Klasse eine Steigerung von 5,04 Millionen Mark = 38,3 v. H., die der Il. Klasse eine fole von 27,51 Millionen Mark = 36,2 v. H. erreiht, hat die Einnahme aus der 111. Klasse einen Zuwachs von 70,47 Millionen Mark = 51,1 v. H. und die aus der 1V. Klasse einen so!lchen von 44,85 Millionen Mark = 109,4 v. H. aufzuweisen. Die erheb» lie Steigerung der Einnahme aus der 17. Klasse ift, obgleih bet einer greßen Anzahl von Bahnen eine solche- niht besteht, namentlich auf eine Vermehrung der Züge mit f Wagen dieser Klasse sowie darauf zurückzuführen, daß die Wagen inzwischen größtentheils mit Sigpläßen eingerihtet worden find. Bei einer Bevölkerung von 52,73 Millionen im _Jahre 1896/97 aegen 47,10 Millionen im Jahre 1886/87 entfallen auf jeden Einwohner im Jahre 1896/97 durchshnittlich 12 Eisenbahnfahrten

egen durchshaittlich fechs im Jahre 1886/87, dagegen ist die durh- fnittlich zurückgelegte Wegelänge von 28 auf 23 km gesunken. Jn dem Rückgang kommt die beträhtlihe Zunahme des Stadt- und Norortverkehrs zum Auésdruck. An Personenkilometern sind im Jahre 1896/97 im Ganzen 15 117,33 Millionen gegen 8363,73 Millionen im Jahre 1886/87, also reihlich 80 v. H. mehr, zurück- gelegt worden; auf 1 km der durchshnittlißGen Betriebs- länge beträgt dic Zunahme 48,6 v. H. An dieser Zunahme find die Staatsbahnen mit 90,2 v. H. bezw. 46,66 v. H. be- theiligt. Jn der Personenfrequenz auf das Betriebékilometer nimmt die baverishe Ludwigsbahn im Jahre 1896/97 mit 2,26 Millionen die erste Stelle ein. Ihr folgen die Main-Neckar-Eisenbahn mit

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1,24, die Cronberger Eisenbahn mit 0,57, die Lübeck-Büchener Gisen- bahn mit 0,43, die sähsischen Staatseisenbahnen mit 0,42, die Zittaus- Reichenberger Eisenbahn und die preußischen Staatseisenbahnen mit je 0,38, die hessishe Ludwigs-Eisenbahn und die badishen Staats- eisenbahnen mit je 0,35, die württembergischen Staatseisenbahnen mit 0,29, die pfälzishen Eisenbahnen mit 0,28, die Reichseifenbahnen mit 0,27 und die Königsberg-Kranzer Eisenbahn mit 0,26 Millionen.

Von den zurückgelegten Personenkilometern entfielen auf die I. Klasse 229,01 Millionen (161,37), auf die II. Klasse 2200,29 Millionen (1423,85), auf die IIL1. Klasse 7549,77 Millionen (4344,16), auf die IV. Klasse 4328,78 Millionen (1982,17) und auf Mílitär 809,52 Millionen (451,18). Bei allen Klassen if} somit eine Zunahme eingetreten, und zwar bei der I. Klasse um 41 v. H., bei ter 11. Klasse um 54,5 v. H, bei der III. Klasse um 73,8 v. H., bei der IV. Klasse um 118,4 v. H. und bei dem Militär um 79,4 v. H. Die prozentuale Steigerung der Personen- filometer ist indessen bei allen Klassen höher als die der Einnahme; die durchschnittlihe Einnahme für ein Personenkilometer hat im Jahre 1886/87 3,29 &H§ betragen und is auf 283 Z im Fahre 1896/97 zurüdckgegangen. Die Ursache für diese rund 14 v. H. betragende Ermäßiguna ist theils in der Herabseßung der Fahrpreise der verstaatlihten Privatbahnen und im Naheverkehr, theils in der vermehrten Ausgabe von Arbeiterfahrkarten, der stärkeren Benutzung der Zeitkarten und in der durch Freigabe der Schnellzüge, Ausdehnung der Gültigkeitsdauer 2c. begünstigten Zunahme des Rück- fahr- und Nundreiseverkehrs, sowie in der vermehrten Benußung der 1V. Klasse gegenüber den höheren Klassen zu erbliden. Während die Ausnuzung der bewegten Pläße in den drei oberen Klassen zurüdckging, nämlich in der 1. Klasse von 9,11 auf 8,77 v. H., in der II. Klasse von 20,34 auf 19,73 v. H., in der I[I. Klasse von 25,00 auf 24,93 v. H,, ist fie in der IV. Klasse von 29,62 auf 34,67 v. H. gestiegen.

Güterverkehr. Wie der Personenverkehr, hat auch der Güter- verkehr hinfihtlih des Umfanges und der Erträgnisse in dem zehn- jährigen Zeitraume von 1886/87 bis 1896/97 eine erhebliche Steis gerung erfahren. Während die Einnahme im Jahre 1886/87 692,84 Millionen Mark betragen hat, ist fie im Jahre 1896/97 auf 1071,27 Millionen Mark gewachsen, mithin hat eine Zunahme von 378,43 Millionen Mark oder von 546 v. H. statt- gefunden. Jedes Kilometer brahte eine Einnahme von 93 361 e gegen 18403 #, also 26,9 v. H.,, mehr ein. Die Einnahme für je 1000 Ahskilometer der Güterwagen hat ih von 93 auf 99 M gehoben. Diese Steigerung, die auf den ersten Blick befremten könnte, weil der durchschnittlihe Frachtertrag für das Tonnenkilometer, wie weiter unten bemerkt, herabgegangen ift, rührt von der Erhöhung des Ladegewihts der Güterwagen her. An der Gesammteinnahme aus allen Ve:kehrszweigen war die Einnahme aus dem Güterverkehr mit 67,56 v. H. gegen 67,82 v. H. im Jahre 1886/87 betheiligt.

Von der Einnahme aus dem Güterverkehr entfallen im Jahre 1896/97 1041,79 Millionen Mark auf Frachterträge, 1,61 Millionen Mark auf die Entschädigung für die Beförderung von Postgut und 27,87 Millionen Mark auf Nebenerträge, gegen 672,62 Millionen Mark, 1,45 Millionen Mark und 18,77 Millionen Mark im Jahre 1886/87. Hiernach sind die Frachterträge, die aus der Beförderung von Eil- und Expreßgut, Frachtgut, Militär- gut, Vieh, Leichen und frahtpflihtigem Dienstgut nebst Baumaterialien erzielt wurden, um 54,9 v. H., die Entshädigung für die Beförderung ves Postgut um 11,0 v. H. und die Nebenerträge um 48,5 v. H. gestiegen.

Bon den Frachterträgen aus\chließlich derjenigen für Militärgut und für frachtpflichtiges Dienstgut nebft Baumaterialien, die sih wegen der darin eingetretenen grundsäßlihen Aenderungen zum Vergleich nit eignen, haben im Jahre 1896/97 die einzelnen Tarifklassen mehr eingebraht als im Jahre 1886/87 :

A. Na dem einheitlihen deutshen Gütertarif:

1) das Eil- und Expreßgut . 8,23 Mill. Mk. oder 42,40 v. H. 2) das Stückgut eins{chl. des

Spezialtarifs für bestimmte

Stückgüter Ce E 46,75 3) das Frachtgut in Wagenladungen:

der Klasse AT o in 2 27,39 24,26 69,57

ü D e E Spezialtarifklasse A2 . 3,74 14,89 z T 0s 42,93 L Ia S 150,99 L III , 109,22 83,66 B. Nach Ausnahme- und fonsti- gen abweihenden Tarifen: das Eil- und Expreßgut, das Stückzut und die Wagen- ladungen von 5 bis 10 t aus- T e L D e O die Wagenladungen von 10 & ünd darüber O L

O. Der Viebtranöport. . O a O

Die Anzahl der zurückgelègten Tonnenkilometer der gegen Frachtberechnung beförderten Güter mit Aus\{luß des Postgutes ist von 16 489,01 Millionen Mark im Jahre 1886/87 auf 26 672,02 Millionen Mark im Jahre 1896/97, also um 61,76 v. H. gestiegen. Bei Zurückführung der geleisteten Tonnenkilometer auf 1 km der durchschnittlihen Betriebslänge hat sich eine Zunahme von 437 965 Tonnenkilometern im Jahre 1886/87 auf 581 637 Tonnenkilometer im Jahre 1896/97, mithin um 143672 Tonnenkilometer oder 32,80 v. H. ergeben. Die geringere Zunahme der Verkehrsdichtigkeit gegenüber der des Verkehrsumfanges erklärt ih daraus, daß die neu hinzugetretenen Strecken“ den älteren Bahnen hinsichtlih déêr Verkehrs- dihtigkeit beträchtlich nachgestanden haben. An den Zunahmen der geleisteten Tonnenkilometer im Ganzen und auf das Betriebskilometer find die Staatsbahnen mit 64,89 und 26,92 v. H. betheiligt.

Fn der Tonnenfrequenz auf das Betriebékilometer nimmt die Main-Neckar-Eisenbahn mit 0,98 Millionen die erste Stelle ein. Jhr folgen die Reichseisenbahnen mit 0,86 Millionen, die pfälzischen Eisenbahnen mit 0,76 Millionen, die preußishen Staatseisenbahnen mit 0,69 Millionen, die Peine-Ilseder Eisenbahn mit 0,62 Millionen, die sächsishen Staatseisenbahnen mit 0,57 Militonen, die Da Staatset}enbahnen mit 0,50 Millionen, die Ostpreußishe Südbahn mit 0,41 Millionen, die bayerishen Staatseisenbahnen mit 0,39 MiPionen, die Lübeck - Büchener und die Zschipkau - Finsterwalder Eisenbahn mit 0,38 Millionen, die Eisern-Siegener Eisenbahn mit 0,36 Millionen und die hessishe Ludwigseisenbahn mit 0,35 Millionen.

Die durch\chnittliche Einnahme auf einen Tonnen- kfilometer aller gegen Frahtberechnung beförderten Güter ist von 4,08 auf 3,91 H gefallen. Die dana eingetretene dur\{chnittliche Vérbilligung der Frahten um rund 4 v. H. erklärt sich aus Tarifermäßigungen verschiedener Art, wie Herakbminderung der Se Eta Verseßung vieler Artikel in niedrigere Tarifklassen, erweiterte Einführung ermäßigter Ausnabmetarife für Massentrans- porte 2c. Auf die Abnahme der durhschnittlihen Einnahme auf einen Tonnenkilomcter beim Viehtransport von 8,64 auf 8,14 Z =

5,79 v. H. if neben der Einführung von Frachtermäßigungen auf einzelnen Eisenbahnen die Ausdehnung der direkten Expedition [und