1872 / 253 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Oct 1872 18:00:01 GMT) scan diff

schaft nièdergeseßte Despeelungsforunissian wegen der Bankvaluta- Angelegenheit hat den Gegenstand in drei En sehr eingehend behandelt. Während die an derselben theilnehmenden Mitglieder des

Senates \ich auf den Standpunkt des Senätsantrages vom 23. Sep-

tember stellten, erklärten ih die bürgerschaftlicheèn WMiitgliéder ein- stimmig dafür, daß der bürgerschaftliche Antrag vom 12. Juli 1872 mindestens in seinem Grundgedanken zum Geseß erhoben iverden möge.

e Besprechungen. drehten sich vorzugsweise um die drei hauptsäch- lichsten Verschiedenheiten beider Entwürfe, nämlih um die Fragen, ob die Bancoschulden zu einem festen Course tarifirt werden sollen, ferner, ob der zur Zeit, wo die Bank für ungemünztes Silber e- {lossen werden wird, vorhandene Bankfonds zu-demselben Course für Staatsrechnuung in Reichsmünze oder preußijche Thaler fonvertirt iverden, und endlich, ob der S{luß der Bank für ungemünztes Silber unmittelbar oder erst längere Zéit nah der Publikation des zur Be- rathung stebenden Geseßes eintreten solle.

Der Bericht fährt dann fort:

Nachdem die Senat8mitglieder dem Senat über dlese ae berichtét M hat der Vorsißende der Kommission den bürgerschaft- lichen Mitgliedern schriftlich angezeigt, daß, da die Mehrzahl erselben erklärt habe, auf der Konvertirung des vorhandenen Bankfonds für Rechnung der Staatskasse unter- allen Umständen und auch dann be- stechen zu wollen, wenn der Senat in die Tarifirung des Bankogeldes uach cinem bestimmten Werthverhältniß zur Reichsgoldmünze ein- willigen sollte, der Senat von weiteren Verhandlungen „der Be- sprehungskommisiion einen, die entgegenstchenden Ansichten vermit- telnden Erfolg si nicht versprechen fönne. Er sehe si deshalb zu scinem lebhaften Bedauern genöthigt, der Bürgerschaft von der Erfolg- losigkeit der Bemühungen der Kommission Mittheilung zu machen, und werde nunmehr ‘eine Aeußerung der Bürgerschaft über den von thm unterm 23. Septembéèr vorgelegten Geseßentwurf erwarten.

Weißenburg, 20. Oktober. Das Grabdenkmal* welches das Königs-Grenadier-Regiment seinen gefalle- nen Kameraden auf dem von dem Bimen erstürmten Gai8- berge errichtet hat, wurde am 18. Oktober eingeweiht. Das Denkmal besteht aus einem einfachen Kreuze auf hohem Soel mit der Inschrift: » Sei getreu bis in den Tod und ich werde dir die Palme des Lebens geben.« Qu der Feier waren Offi- ziere und Mannschaften des Regiments und Angehörige der Gefallenen hierhergekommen.

L

__ Desterreich-Ungarn. Wien, 23. Oktober. Jn Durch- führung der für die einzelnen Kronländer bestehenden Landes- geseße über die Benußung, Leitung und Abwehr der Gewässer hat der Ackerbau-Minister im Einvernehmen mit den Ministern der Justiz, des Jnnern und des Handels unterm 20. September 1872 für Böhmen, Mähren, Schlesien, Nieder-Oesterreich, Ober- Oesterreich , Salzburg, Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Istrien, Triest, Tirol und Vorarlberg Verordnungen, betreffend die Form der Staumasse und die“ bei deren Aufstellung zu beobachtenden Vorsichten, dann für dieselben Länder mit Aus- nahme Schlesiens Verördnungen, betreffend die Einrichtung und Führung des Wasserbuches mit der Wasserkarten- und Urkundensammlung, erlassen und die Publikation derselben in den bezüglichen Lande8geseßblättern verfügt.

_ Pesth, 23. Oktober. Jn der gestern Abend stattgefundenen Sigzung dér gemeinsamen Nuntien-Kommission wurde cine Verständigung bezüglih aller übrigen in den Beschlüssen beider Delegationen vorhandenen Differenzen erzielt bis auf denjenigen Beschluß der Reichsrathsdelegation, welcher die Ueber- shreitung beim Ordinarium des Krie sbudgets inn Tit: 18 »Militärgrenze«, im Betrage von 311,000 Fl. betrifft, die als nicht gerechtfertigt erklärt und bezügli deren das Kriegs- Ministerium angewiesen wurde, den Erfaß von der ungarischen Regierung nil Sig Der Vermittelungsvorschlag seitens eines Mitgliedes der ungarischen Delegation, diese Post bis zur nächsten Delegation in suspenso0 zu lafsen, wurde nicht acceptirt, weil kein Grund für diese Vertagung @&orlag, Und die der Reichsrathsdelegation angehörigen Auss{ußmitglieder si{ nit bestimmt fanden, dem Plenum ein Abgehen von dem in der Vormittagssizung gefaßten Beschlusse vorzulegen. Man erwartet darüber ein weiteres Nuntium seitens der ungarischen Delegation.

In der heute Bormittags stattgefundenen Sißung des

Budgetaus\chusses der reihsräthlichen Delegation referirte Generalberichterstatter Demel Über die in der gestrigen Bd der gemeinsamen Nuntieh - Kommission vereinbarten Beschlüsse, und wurden dieselben angenommen. "Ueber den einen noch bestehenden Differenzpunkt bezüglich der Militär- grenze erwartet man einen Vermittlungsvorschlag seitens der ungarischen Delegation. Jedenfalls wird aber adurch der Schluß der Delegations-Session. verzögert. __— In der heutigen Sihung der Neichsrath8delegation wurde Über die Differenzen in den Beschlüssen beider Delega- tionen, betreffend, das ordentliche und außerordentliche Erforder- niß des stehenden Heeres, die Nachtragskredite pro 1872 und die vorliegenden Refolutionen verhandelt. Die von dem General- Berichterstatter Demel Nasnens des Budgetqusschusses gestellten Anträge wurden ohne Debatte angenommen und der bei Titel 11, Posi 16 von Poklukar gestellte Antrag auf Einstellung von 35,000 &l. für den Bau eines Stockwerkes auf der Peters- Kaserne in Laibach abgelehnt. Somit ist bis auf die Differenz in Bezug auf die Militärgrenze in den Beschlüssen beider Dele- gationen die Uebereinstimmung hergestellt.

In der ungarischen Delegation wurden die

zwischen den beiden Delegationen betreffs des Heeresbudgets

obwaltenden Differenzen ausgeglichen; nur betreffs jenes Be- {lusses der ungarischen Delegation, nah welchem die Organi- sation der Armee als abgeschlossen und das jeßt bewilligte Budget als Normalbudget betrachtet werden, besteht noch keine Einhelligkeit.

__— 24. Oktober. Beide Delegationen haben heute das Finanzgeseh pro 1873 in dritter Lesung angenommen und die prage bezügli des die Militärgrenze betreffenden Nachtrags- redites bis zur Berathung der 1871er Schlußrehnung zu ver- tagen beschlossen. Die diesjährige Session beider Delegationen ist darauf geschlossen worden. Jn der Schlußsißung der österreichischen Delegation drückte der Minister des Auswärti- en, Graf Andrassy, im Auftrage des Kaisers den Dank und die

nerkennung Sr. Majestät für den Fleiß und die Ausdauer aus, mit denen die Delegationsmitglieder die Arbeiten erledigt ; er fügte Namens des Ministeriums Worte des Dankes für das Entgegenkommen und das Vertrauen hinzu, welches man demselben seitens der Delegation bewiesen. Der Präsident Hopfen gab ein furzes Resumé über das Resultat. der Delega- tionSarbeiten und E hervor, daß troß der erhöhten Forde- rungen für die Bedürfnisse des Heeres die gemeinschaftlichen Ausgaben des Neiches für das Jahr 1873 sich dcch nur um 3% Millionen Gulden höher als im Vorjahre beliefen und daß dle für 1873 auf die cisleithanishe Reichshälfte entfallende Quote noch um 1 Million niedriger als im Vorjahre sei. Nachdem derselbe ferner darauf MngEple lew daß nach der von der Regierung betreffs des jezigen Normalbudgets ab egebenen Erklärung au für die nächsten Jahre erhöhte Anforderungen nicht zu erwarten ständen , {loß er “die Session mit einem

dreimaligen Hoch auf den Kaiser, in welches die Versammlung enithu fiat einistimmte. :

Agram, 23. Oktober. Der bis Z. November vertagte Landtag wurdé auf unbestimmte Zeit vertagt.

Großbritanuien und Jrland. London, 23. Oktober. Der Prinz ‘und 'die PELR Zetti Christian von Schles- wig-Holstein sind nah 14tägiger Abwesenheit vom Konti- nent nah Windsor zurückgekehrt. i.

Die Königin der Niederlaüde hat sich mit ihrem Gefolge zu einem Besuche des Earls von Derby nah Knowsley unweit Liverpool begeben. / Jhre Majestät wird daselbst bis Ende dieser Woche verweilen und dann den Norden von Eng- land besuchen. R i

Der französische Bevollmächtigte bei Unterhandlun des neuen englisch-französischen Handelsvertrages, Ozenne, is von Paris hierher zurückgekehrt. Derselbe überbringt den rati- fizirten Text des Vertrages, dessen Dauer bës/ zu Ende des Jahres 1876 mit sechsmonatliher Kündigungsfrist bestimmt ist.

Die Vollendung des Telegraphen nach Austrälien hat zu einem Austausch von Glückwunsch-Telegrammen

wischen den städtischen Behörden von Melbourne und London nlaß gegeben. Der Bürgermeister von Adelaide hat dem Lordmayor das folgende Telegramm übersandt: } »Adelaide, 21. Oktober, 9 Uhr 12 Min. Morgens.

Der Bürgermeister von Adelaide beglückwüns{cht den sehr ehren- werthen Lordmayor -von London anläßlih der Eröffnung der tele- graphischen Verbindung zwischen Australien und Großbritannien, und hofft, die so glülih begonnene Verbindung möge jene Gefühle der Loyalität Und Zuncigung für Ihrer Majestät Thron und Person, welche die gesammten australischen Provinzen des britischen Reiches harafterisiren, fernerhin befestigen Gott erhalte die Königin. «

Auf dieses Telegramm hat der Lordmayor Folgendes

geantwortet :

»Der Lordmayor von London freut si sehr über den Einpfang des Telegramms vom Bürgermeister von Adelaide und erroidert voll= ständig die séhr gütigen Acußerüngen in seiner höchst angenchmen Mittheilung. « j

Großbritanniens Staats - Einnahmen vom 1. April bis zum 19, Oktober betrugen laut amtlichem Aus- weise 36,916,495 Pfd. Sterl. oder 2,072,604 Pfd. Sterl. mehr als in der entsprechendèn Periode des Vorjahres, und die Au§- gaben im gleichen Zeitraum 41,660,693 Pfd. Sterl. Die Bilanz des Schaß-Amies in der Bank von England belief sich am 19. d. M. auf 1,950,985 Pfd. Sterl. und in der Bank von Jrland auf 1,026,946 Pfd. Sterl.

Das Kriegsschiff »Supply«, das, wie mitgetheilt, am 1s. d, Mts. auf der Höhe von Kap Palmas strandete, ist nach einer der Admiralität zugegangenen Nachricht wieder slott gemacht worden und wird in den Stand geseßt werden, um eine Reise nach England oder nach dem Kap der guten Hoff- nung, zur Vornahme gründlicher Reparatur, anzutreten.

Frankreih. Paris, 23. Oktober. Der Finanz- Minister de Goulard hat einen Urlaub von cinigen Tagen angetreten.

Von Seiten der Militärverwaltung werden augenblicklich Versuchsstationen von Brieftauben errichtet, und g in Paris auf dem Mont-Valerien, in Vincennes und in

er Militärschule , ebenso in Marseille, Perpignan und Lille. Im Falle die Versuche befriedigend ausfallen, foll die Anzahl der Stationen vermehrt werden. /

Der Gesetzentwurf wegen Unterstühung der nah Algier auswandernden Elsaß-Lothringer, welchen der Präsident der Republik’ in der leßten Sizung der Permanenzkommission in Ausficht gestellt hatte , liegt, wie: der »Temp8« meldet, dem Staatsrath vor und bezweckt die Eröffnung cines Kredits von 600,000 Frs. Jede nach Algier au8wandernde Familic foll auf Grund diescs Geseßes für die Summe von 500 Frs. LebenS8mittel, Saamen, Vieh, Ackerwerkzeuge 2c. erhalten.

24. Oktober. Jn der Car en bim Lr der Permanenz- ommission verlas der Präsident Grévy die von Rouher und Maurice Richard an die Kommission gerichteten Eingaben, in denen Über dic ungeseßliche Ausweisung des Prinzen Napoleon Beschwerde geführt und eine Untersuchung dieser Angelegenheit durch die Per- manenzkommission gefordert wird. Grévy erklärte, daß seiner Ansicht nach die Sache nicht zur Kompetenz der Permanenzkommission ge- hóôre, sondern die Nationalversammlung angeheund beantragte, die-

selbe an die Nationalversammlung zu verweisen ; die Kommission.

trat diesem Antrage bei. Auf eine Frage Bottieaus über den Stand der Untersuchung betreffs der bei der Pilgerfahrt in Nantes vorgekommenen Unruhen erklärte der Minister des Innern, Lefranc, daß die gerichtliche Untersuchung ihren Fortgang habe. Sodann wurde der Antrag Pagés-Duport's auf Schluß der diesjährigen Sißung8periode der Permanenzkommission ‘ange- nommen und die Sizung aufgehoben, nachdem Pagés-Duport noch den Antrag gestellt hatte, alle Berichte und Gesezentwürfe, welche sih auf Finanzgegenstände beziehen, drucken und ver- theilen zu lassen, damit sofort bei Wiedereröffnung der National- versammlung die DiKkussion darüber eröffnet werden kann.

Spanien. Madrid, 22. Oktober. Die Kommission, welche mit der Berichterstattung über den Gesehentwurf Be- treffs Aushebung eines Jahreskontingents von 40,000 Mann befaßt ist, hat ein Amendement angenommen, welches die Los- kaufsfumme auf 4000 Realen festseßt. Im Kongreß machte der Abg. Jove y Hévia der Regierung Vorwürfe wegen angebli schlechter Behandlung der gefangenen Carlisten. Der Kriegs-Minister wies die Anschuldigung zurü.

Portugal. Lissabon, 20. Oktober. Die Pairs- kammer ist vorgestern Nachmittag eröffnet worden. Nachdem das Einberufungsdekret verlesen , entspann sih eine längere Diskussion über dessen Verfassungsmäßigkeit, welch leßtere von Ferrer, Silva Ferrao, dem Vicomte von Fonte Arcada und dem Marquis von Vallada in Abrede gestellt wurde. Für das Ministerium sprach der Vicomte „on Algés, Der an Loulé’s Stelle zum Präsidenten ernannté Marquis von Avila nähm seinen Sih ein. h '

Der E ee hat einen Gesehentwurf Über die Besoldunf der Geistlichkeit vorbereitet, dessen Grund- lagen dem Vernehmen nach darin bestehen, daß die Zahl der Diözesen und Klöster vermindert werden, so daß für jede Diözese nur ein Kloster bleibt. Die Einkünfte der Klöoster- güter follen nach Abzug des -zum Unterhalte der bleibenden und der etwa austretenden Nonnen erforderlichen Theiles zur Besoldung dér ganzen Geistlichkeit verwandt werden.

__ Nußland und Polen, St. Petersburg, 23. Oktober. Einem Télegramm aus Li vadia vom 21. d. M. zufolge sind die Großfürsten Wladimir, L und aul Alexandrowitsch am 20. d. M. von Jalta nách Odessa abgereist, von wo Jhre Kaiserlichen Hoheiten nach hierher zurü- kehren werden.

Der »Invalide« theilt das von dem General-Gouverneur von Turkestan aufgestellte und dem. Kriegs-Ministerium

übermittelte Einnahme- und Ausgabebudget des seiner

Verwaltung unterstellten Landes für das Jahr 1873 mit Danach belaufen \ich die Einnahmen auf 3,291,889 Rubel, die Ausgaben auf 1,691,994 Nubel, wonach 1,599,894 Nubel zur Verfügung“ verbleiben. : A

Der »Regierungs-Anzeiger« enthält folgende Mittheilung;

»Die englische »Pall-Mall-Gazette« vom 18. September bringt ibren Lesern die auch in den russischen Journalen abgedructe Nag. richt über den zwischen Rußland und dem C von Kaschgar abgeschlossenen Handelsvertrag und fügt dieser Nachricht ihrerseits mehrere gänzlich ungenaue Auskünfte hinzu. Nach den Worten ter genannten Zeitung joll einer der Artikel des Vertrages, welcher de freicri Durzug nicht nur russischer Kaufleute und Karavancn, fondern auch von Truppen betrifft, anfangs von Jafub Bek zurückgewiesen wor: den sein, und Leßtererden Vertrag nur unter dem Einfluß von Drohungen als zurrussisten Grenze Truppen vorgerückt worden waren, unterschrieben haben, Diéesc Mittheilung erweist sih als unwahr. Die Ver handlungen des, General-Gouverneurs von Turkestan mit Jafuh Vek hatten einen durchaus freundschaftlichen und friedlichen Charakter Ihr einzizer Zweck war die Feststellung gutnahbarltcher Beziehungen und die Regelung der Handelsverhältnijse. Dieses beßätigt auch selb} die »Pall-Mall-Gazette«, indem ste sagt, daß der Gencral-Gouverneuy von Turkestan dem Abgesandten Jakub Bet's' die formelle Erklärung abgegeben habe, ‘daß Rußland keine Eroberungen suche, sondern nur für die Einbürgerung der Prinzipien der Civilisation Sorge trage Kann eine solche, den Tendenzen der Kaiserlichen Regterung dur: aus entsprechende Erklärung mit den Forderungen freten Dur{zugz von Truppen oder mit der Drohung, zu den Waffen zu greifen vereinbar sein? Was nun die Versicherungen betrifft, welche angebli Jafub Bek dem Baron Kaulbars ‘in Bezug darauf gegeben y »daß ¿r die Freundschaft des großen Zaren der Freundschaft Englands vorziéhe und daß er alle Anerbietungen der ostindischen Regierung abgelehnt habej« so sind dieselben nichts weiter als einer jener asiatischen Kunss- griffe, welchen Niemand eine ernstliche Beachtung schenkt. Takub Bek nimmt wahrscheinlih keinen Anstand, mit ebensolchen Versiche: rungen sich auch an die englischen Agenten zu wenden, wenn er mit denselben Verhandlungen zu führen hat. Eine Achtung ‘der seenleltigen internationalen Verpflichtungen at in dem Rechtksleben der Asiaten noch keine Wurzel gefaßt, Fine Aenderung in dieser Bezichung kann nur von der Zeit; noch mebr aber von dem guten Beispiel zweier Großmächte erwartet werdey welche’ den gemeinsamen Beruf haben, die Civilisation in Mittel-Asien zu verbreiten. So lange England und Rußland, ein jedes in seiner Sphäre, im Einverständniß mit einander handeln und“ ihre frühere, gegenivärtig jeder Brdeutung entbehrende Nebenbuhlerschaft aufgeben, werden alle Kniffe asiatisher Politik niht im Stande seien, dieses Einverständniß zu stören. Ein Bündniß Englands mit Nußland wird wenn es darauf gerichtet i, in jenen Ländern eine bessere Ordnung der Dinge herbeizuführen ohne Qweifel ebensowohl der Menschbeit als den beiden Staaten, wel®e mit einander nur in der Ausbreitung der Civilisation und des Handels wetteifern können, von Nußten sein.«

Schweden und Norwegen. Stockholm , 20. Oktober. Der zu heute angeordnete Trauertag für den verstorbenen König wurde nach Bestimmung mit dreimaligen Gottesdienst in allen Kirchen Stockholms und des ganzen Reichs gefeiert. In der Hauptstadt waren, den Stockholmer Blättern zufolge, alle Kirchen überfüllt und die Stimmung cine tiefernste. Die Mehrzahl der Mitglieder der \{hwedischen Königsfamilie, der König, die Königin, Prinz August mit Gemabtin Und den fleinen Prinzen wohnten der Hochmesse in der Schloßkirche bei, wo auch die Hofftaaten, sowie eine große Anzahl von Civil- und Militärbeamten zugegen waren. Der Gesang wurde mit Orgelbegleitung von den Schülern der musikalischen Akademie au8geführt. Auch in der Synagoge in Stockholm wurde ein [eee Gottesdienst abgehalten. Jn mehreren der {we- ischen Provinzstädte beabsichtigte man am Trauertage Pro- zessionen u. \. w. zu veranstalten.

Jn diesen Tagen soll ein Verzeichniß über die dem ver siorbenen König Carl gehörenden Nachlaßgegenstände auf- genommen twerden. Der Ordens-Ceremonienmeister, Kammer herr Lövenskjold wird heute hier erwartet, um als Bevoll: O des Kronpcinzen von Dänemark dabei anwesend zu sein.

Dánemark, Kopenhagéên, 21. Oktober. Der König empfing heute auf seinem Schlosse Amalienborg in besonderer Audienz den aus Schweden zurückgekehrten Königlich schwedis{ norwegischen Gesandten am dänischen Hofe, Baron Beckfriis.

Wie die »Berl, Tid.« meldet, wird die Residenz am 23. d. M. von Bernstorff nach Fredensborg verlegt werden.

22. Oftober. Die Jolleinnahmen haben ‘in den verslossenen 6 Monaten des Finanzjahres 1872—73 circa 4,109,653 NRdl. gegen 3,827,083 Rdl. in dem entsprechenden Zeitraume des vorigen Jahres betragen. Die Kriegsfsteuer betrug in den bezeichneten 6 Monaten 651,827 Rödl. oder 24,804 Rdl. mehr als im vorigen Jahre.

Da die Errichtung cines dänischen Konsulats in Panama vom Ministerium der auswärtigen Angelegenheit als zweckmäßig angesehen wird, so werden die daselbst ansässigen Kausleute, welche diesen Posten zu bekleiden wünschen, in der heutigen »Berl. Tid.« aufgefordert , ihre desfallsigen Gesuche vor dem 1. März 1873 an das obengenannte Ministerium

einzusenden.

« Unter dem 18. d. Mts8. is der Legations - Sekretär; Kammerjunker Hegermann-Lindencrone zum Königlih dänischen Chargé d’afsaires und General-Konsul in den Ver einigten Staaten von Nord-Amerika ernannt worden.

Amerika. New-York, 12. Oktober. Die durch das Schiedsgericht in Genf den Vereinigten Staaten zuerkannte Entschädigungssumme wird innerhalb der nächsten zwölf Mo- nate, nach Verkündigung des Schied8gerichts\spruches, bezahlt werden, wie der Vertrag solches bestunmt. Das Geld wird von Großbritannien dem Minister des Auswärtigen über wiesen werden, und da bisher kein Geseh über die Verwendung

des Geldes erlassen worden ist, wird der Kongreß bei seinem ZU- '

sammentritt Näheres darüber zu bestimmen haben. Am 10. Oktober erhielt der Minister des Aus8wärtigen in Washington das Orl- ginal der in Genf aus8gefertigten Urkunde des Schiedsgerichts. Die auf Pergament geschriebene Urkunde ist von den Schicds- rihtern unterzeichnet und war in einem feinen polirten Käflchen eingeschlossen. Nachdem der Präsident Grant das Dokument besichtigt, wurde dasselbe im Staatsarchiv deponirt.

_ Der 9. Oktober, der Jabrestag des Brandes von Chicago, wurde in genannter Stadt als Erinnerungstag g“ feiert. Die Handelskammer bezog an diesem Tage ihr neu Ee und weihte dasselbe unter entsprechenden eierlich* citen ein. /

Der vierte Jahrestag der Unabhängigkeit Cuba’s wurde am 10. Oktober gefeiert. Auf Ciky- Hall war neben der Nationalflagge die Flagge Cuba'’s aufg pflanzt und wurde von den Cubanern beim Aufhissen dur eine Ehrensalve von 100 Kanonenschüssen begrüßt. Am Abend fand im Cooper-Jnstitut ein Bankett statt.

Asien. Ein in Ranjoon von Prome eingegangenes Tele- ramm meldet, daß die Panth ays von den Chinesen aufs aupt geschlagen worden, / daß die Straße nach China offen

sei, und daß unter den Chinesen in Bhamo und Mandalay

über die Unterdrückung des rohen und argwsöhnischen® Grenz- volkes große Freude sei. Dadurch wird die E e China über die Birmanische Halbinsel über Prome und Bhamo (die

rrawaddy-Route), die von britischen Agenten durch das Pan- fhayland nah den Grenzen des himmlischen Reiches erforscht wurde, eröffnet.

Laudtags-AngelegenheieO Berlin, 25. Oktober. Der §. 7 der Kreisordnung

handelt von der Verpflichtung der Krei8angehörigen zur Annahme von unbesoldeten Aemtern. Die vom Abge- ordnetenhause amendirte Regierungs - Vorlage bestimmt im j 8 in eter Beziehung, daß der Kreisangehöri e, welchor

ih ohne die in dem ‘Paragraphen näher formulirten ntschuldigungs8gründe weigert, ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung des Kreises zu über- nehmen, oder fi der Verwaltung solcher Aemter, troß vorher- egangener Aufforderung seitens des Kreisaus\{husses, that- ächlih entzieht, erstens für einen Zeitraum von drei bis sechs ahren der Ausübung seines Rechtes auf Theilnahme an der Bertretung und Verwaltung des Kreises für verlustig erklärt wird und zweitens für Denselben Zeitraum bis zum vollen Prozentsaß stärker als die übrigen Kreisangehörigen zu den Krei8abgaben herangezogen werden kann. Die Kommission des Herrenhauses beantragte, bei der ersten Strafbestimmung des ÿ. 8 statt »wird« zu Jeßen: »werden kann« und die zweite anz zu streichen, dagegen beantragte Hr. Baumstark, die Fase ung der Regierungsvorlage wieder herzustellen.

In der gestrigen* Sißung des Herrenhauses erklärte Herr Dr. Zachariaëe, die Entziehung des Rechtes auf Theilnahme an der Berwällung. des Kreises auf eine gewisse Zeit sei kein genügendes Mittel, um Jemand zur Uebernahme eines un- besoldeten Amtes zu zwingen , es- müsse auch eine Geldstrafe festgeseßt Fsein, wie dies in der Regierungsvorlage geschehen sei, Graf Sierstorff meinte, wie man ein Ehrenamt in Verbindun bringen könne mit irgend einer Geldstrafe für den Fall, daß es nicht angenommen. Herr von Kleist-Reßow äußerte später, man müsse Rücksicht nehmen auf die Personen, mit denen man zu thun habe ; beiden Personef, umdie es sihin diesen Paragraphen handle, würde das von der Kommission beibehalteneMittel vollständig genügen. Er habe {on früher die Behauptung aufgestellt, daß sich die Leute gern zur Uebernahme von unentgeltlichen Ehrenämtern ' melden würden. Hierauf ergriff der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg das Wort:

Wenn die Ueberzeugung dieses Hauses die if, daß zu solchen Ver- waltung8ämtern, von welchen in diesem Paragraphen die Rede ist; sid eine Masse von Leuten drängen werden, dann is dies ein glän- gendes Zeugniß für die jeßige Regierungsvorlage. Dann werden Sic auch keine Geldstrafe brauchen, und hätte ih diese Ueberzeugung ge- theilt, dann hätte ih eine solche Bestimmung in den Geseßentwurf nicht aufgenommen. Aber Sie stellen diese Behauptung ‘in dem Augenblicke auf, wo Sie eine Regierungsbestimmung bekämpfen wollen; während Sie an eiñer anderen Stelle gesagt haben, daß das Material zur Selbstverwaltung {wer zu finden sein werde. Jch glaube; die Wahrheit liegt in der Mitte. Ueberfluß werden wir nicht

» haben, aber hinreichendes Material werden wir finden.

Was der Herr Graf Sierstorpff gesagt hat, klingt verführerisch. »Wie können Sie ein Ehrenamt in Verbindung bringen mit irgend einer Geldstrafe für den Fall, daß es nit angenommen wird Ja, meine Her- ren, derjenige, der das Ehrenamt freiwillig Übernimmt, für den if es ein Ehrenamt, und der Begriff einer Geldstrafe im Hintergrunde spielt keine Rolle. Aber habe ih nit recht, wenn ich behaupte, es werden in jedem Kreise eine, zwei oder drei Personen sein , die zur Ausfül- lung eines Ehrenamtes vollständig geeignet find, die der Kreis als solhe im Auge hat, und die doch entweder zu bequem, oder zu egoistisch oder wie Sie es nennen wollen, sein werden, um das Ehren- amt anzunchmen, die sich um das Ehrenamt, um den vulgären Aut- druck zu gebrauchen , werden drficken wollen ; auf diese Leute ist cs ‘abgesehen, niht, um sie zu bestrafen, sondern um diejenigen Herrcn, die aus eigenem Antriebe die Aemter Übernehmen, zu erleichtern; um sie nicht unausgeseßt auf dem Posten, um den es si handelt; fißen, sondern ihnen eine Abwechselung angedeihen zu lassen, indem man andere veranlaßt, einmal die Mühen und Sorgen des Amtes zu über- nehmen. Jh bin überzeugt, wenn Sie den Paragraphen in Ihrer Weise amendiren, oder überhaupt das Zwangsmittel herausbringen, dann wird die Zeit kommen, wo die Krei8versammlungen und Kreis- aus\schüsse selber einen Antrag stellen werden, cin solches Zwangs- mittel einzuführen. t M

Qu §. 3, welcher die Veränderung der Kreisgrenzen und die Bildung neuer Kreise nur auf dem Wege der Geseÿügebung zulassen will, beantragte Freiherr von Senfft-Pilsach unter Wiederherslellung der Regierung8vorlage, die Befugnisse zu derartigen Veränderungen nur von Königlichen Verordnungen abhängig zu machen. Der Regierungs8eKommissar, Geheimer Regierungs-Rath P ersius bemerkt hierzu: _ i

Meine Herren! Jh glaube Namens der Staatsregierung der Ansicht Jhrer Kommission beitreten zu dürfen, daß dem Gegenstande, auf welchen sih das Amendement des Herrn Baron von Senfft be- zieht, eine sehr erhebliche praktische Bedeutung nicht beizumessen scin möchte. i Die Bildung neucr Kreise bedingt der Regel nah zugleich auch eine anderweitige Regelung des Etats dur Bewilligung der Gehälter für die neu anzustellenden Beamten und erscheint insofern nit durcch- » führbar ohne gleichzeitige Mitwirkung der Landesvertretung. Da in Etats8angelegenhbeiten diesem hohen Hause verfassungsmäßig“ mindere Befugnisse zustehen, als dem anderen Faktor der Geseßgebung, so wird das Herrenhaus auf die Bildung neuer Kreise cinen größeren Einfluß

ewinnen, wenn dieselbe im Wege des Geseßes erfolat, als durch eine Statsregulirung/ beziehungsweise den auf eine solche sih stühenden Erlaß einer Königlichen Verordnung. A

Es kommt dann weiter in Betracht, daß auch na der ursprüng- lihen Vorlage für diejenigen Fälle, in denen bei der Bildung neuer Kreise oder der Veränderung bestehender Kreisgrenzen zugleich eine Veränderung der Grenzen von Wahlbezirken in Frage steht, der Erlaß cines Géseßes vorgeschrieben war, und daß sich in der That wohl Be- denken dagegen erheben lassen, materiell gleichärtige Angelegenheiten in einem verschiedenen Verfahren zu erledigen.

Tch erlaube mir Pas die Bitte, bei dem Antrage Jhrer Kom- mission stehen zu bleiben. / :

Später fügte der genannte Negierungs-Kommissar noch

hinzu: s

Jch glaube, daß der geehrte Herr Vorredner bei seinen Bemer- kungen nicht die Bestimmungen des vorleßten Alinea dieses Para- graphen vor Augen gehabt hat. Nach leßterem sollen Veränderungen solcher Gemeinde- oder Gutsbezirf8grenzen, welche zuglei Kreisgren- zen sind, die Veränderung dieser Pru und, wo die Kreis- und Wahlbezirks-Grenzen zusammenfallen, auch die Veränderung der leßteren ohne Weiteres nah sich ziehen. 7

Meine Herren! Die Fälle, die der Herr Vorredner erwähnk hat; dürften, wenn nicht sämmtlich, so do ihrer überwiegenden Mehrzahl na, unter die Bestimmungen dieses Alinea fallen. Es wird si in jenen Fällen um Grenzstreitigkeiten handeln, die sih zugleich auf die Grenzen von Gemeinden oder Gutsbezirken beziehen.

eränderungen der Grenzen von Gemeinden und Guts- bezirken aber find nach den Bestimmungen des Geseßes vom 14. April 1856 beziehungsweise der Städte-Ordnung vom Jahre 1853 zur Aus- führung zu bringen. Haben dieselben auf dem dort vorgeschriebenen Wege ihre Erledigung gesunden, so sollen sie dann nach der Vorschrift des vorleßten Abjaßes des zur Disfussion stehenden Paragräphen auch unmittelbar die Veränderung der Krei8grenzen nach sich ziehen. Jn den Fällen dagegen, die nah der Bestimmung des ersten Absaßes auf dem Wege des Geseßes ihre Erledigung finden sollen, wird es sich der Regel nach darum handeln, Kreise, welche im Laufe der Zeit eine für eine ordnungsmäßige landräthliche Verwaltung zu große Einwohnerzahl,

* die Annahme des Antrags JThrer Kommission die O a g

*

K

erlangt haben, zu trennen und dadur die Bildung neuer Kreise vor- zunehmen, Jn solchen Fällen aber wird es wie ich bereits vorher erwähnt nothwendig sein, ugleich auch eine Etatsregulirung ein- tréten zu lássen und damit die Angelegenheit vor das Forum der Landesvertretung zu bringen. Die Fälle, in dénen die Bildung” neuer Kreise ohne Etatsregulirung möglich 4 werdén si, soweit ih es zu Überséhen vermag, lédiglih auf ‘die Bildung neuer Stadtkreise be- s{ränken. Und, meine Herren, wie damit verfahren ist, darüber ent- häst der §. 4 die erforderlichen Bestimmungen. Jch erlaube mir nah diesen Bemerkungen meine Bitte wegen Annahme der Vorlage Jhrer Kommission zu wiederholen.

_*— §. 4 behandelt das Ausscheiden großer Städte (von 25,000 Einwohner nach dem Vorschläg des Abgeordnetenhauses) aus den Kreisverbänden, Die Kommission will folgende Absäße hinzugefügt wissen: »Städte, welche mit Aus8\ch{luß der aktiven Militärpersonen eine Einwohnerzahl von mindestens 15,000 Seelen haben, find befugt, aus dem Kreisverbande auszuscheiden und für fich einen Stadtkreis zu bilden, wenn die Vertretung der Stadt und die Vertretung des Kreises darüber einig sind. Die Beschlußnahme der Kreisvertretung erfolgt in diesem Falle dur den Kreistag mit Aus\chluß der Vertreter der auszu- scheidenden Stadt.«

. Terner beantragt die Kommission statt des 3. Absaßes des Abgeordnetenhaus-Entwurfes, welcher lautet: »Auf den Antrag der Stadt wird dieselbe durch den Minister drs Innern für ausgeschieden erklärt« , zu e: »Auf den Antrag der Stadt, beziehung8weise den gemein|ch{haftlichen Antrag der Stadt und der Krei A A wird die Stadt durch den Minister des Innern für ausgeschieden erklärt.«

Hierüber äußerte der Regierungs - Kommissar nach dem Abg. Herrn von Kleist-Reßow :

J bedauere, mich dem Antrage Ihrer Kommission Namens der Staatsregierung nicht ans{ließen zu können. Ein wesentliches Prinzip der gegenwärtigen Kreisordnung wie der von der Staatsregierung projektirten künftigen Kreisverfassung ist die Gemcinsamkeit zwischen Stadt und Land. Mit diesem Prinzipe erscheint es woll vereinbar) daß den wenigen in den 6 östlichen Provinzen vorhandencn großen Städten von 25/000 und mehr Einwohnern, welche im Laufe der Zeit aus allen Beziehungen zu dem plattcn Lande heraus8gewachsen e GENO Ie Uetde aus dem Kreisverbande auszuscheiden. Ein gleiches Recht wird man aber kleineren Städten von nur 15-, 16- und 20,000 Seelen nit einräumen können. Die Städte sind mit dem platten Lande durch lange Gewöhnung und gemeinsame Interessen eng verwachsen, sie find ein schr anregendes; {wer zu entbehrendes Element für die Ent- wickelung des fommunalen Lebens der Kreise, die Staatsregierung vermag deshalb ihrerseits die Auflösung einer größeren Zahl von Kreisverbänden dur Ausscheiden der in denselben vorhandenen grs- ßeren Städte für cine politisch richtige Maßregel nicht zu erachten. Allerdings \{lägt Jhre Kommission nit vor, daß sämmtliche Städte von 15- bis 25/000 Einwohner ohne weiteres aus dem Kreisverbande ausscheiden sollen, sie will dieses Ausscheiden abhängig machen von der beiderseitigen Zustimmung der betreffenden Stadt, welche aus- scheiden will, und der Vertretung des zurücbleibenden Kreistheiles. Allein, indem Jhre Kommission jenen Städten die Möglichkeit des Ausscheidens gewährt, giebt sie ibnen gewissermaßen einen Rechtstitel für das Ausscheiden aus dem Kreisverbande wozu die Neigung ae betreffenden Städten wohl überall vorhanden is zu agíitiren.

Jch glaube , dadurch hemmen Sie die weitere Entwielung des fummunalen Lebens in einer nit geringen Anzahl von Kreisen. Die Abgeordneten der betreffenden Stadt werden fernerhin niht mehr wie bisher bereit sein, mitzuwirken für neue zweckmäßige Kreiseinrich- tungen; dieselben werden solche Einrichtungen , wie Chausseebauten, Krankenhäuser u. \. w. zu verhindern suchen, um nit ihrer Stadt neue Lasten ee 1 Und zugleich die Möglichkeit des Auss\chei- dens durch eine Vermehrung gemeinsamer Einrichtungen, die im Falle des Ausscheidens eine Auseinanderseßung fordern, zu ers{weren. Die Zaÿl der Städte, welche von dem Amendement Jhrer Kommission betroffen werden, ist denn aber doch eine sehr bedeutende.

Es i} bereits von oren Herrn Referenten bemerkt worden, daß Städte mit mehr als 25 Seelen gegenwärtig nur vier vorhanden find, nämlich Görliß) Elbing, Bromberg und Stralsund. Dann folgen Brandenburg und Halberstadt mit nahezu 25,000 Einwohnecn. Dagegen beträgt die Zabl der Städte zwischen 15—25,000 Einwoh- nern, wenn ih recht gezählt habe, 28. Der Grenze von 15,000 Seelen nähern sich steben bis aht Städte, Es ergiebt sich mithin, daß etwa vierzig Städte eine Einwohnerzahl von 15/800 und mehr Seelen, beziehungsweise eine Einwohnerzahl baben, die der Zahl von 15,000 sehr nahe steht. Die Zahl der sämmt- lichen Kreise in den 5 östlihen Provinzen», in denen die Kreis8ordnun zunächst eingeführt werden soll, beträgt 210. Es würde also dur

fünften Theiles der sämmlilichen Kreise jener Provinzen ermöglicht werden. Unter den Städten von 15— 20,000 Einwohnern be- findet \sich zudem tine nicht geringe Zahl von Gemeinden, die {nell emporgewachsen sind, die eine große Fabrikbevölkerung baben, und denen es an einem bedeutenderen Kämmereivermögen fehlt, diese Städte kann die Regicrung nit für hinreichend E fävig erachten , um alle diejenigen Aufgaben ju erfüllen , welche die Kreisverbände nach dem Geseße zu exfüllen haben. Zu jenen Städten ehören unter anderen Cottbus, Luckenwalde, Königshütte, Beuthen, Burg u. #. w., alles Städte, die niht im gleichen Maße potent sind, wie die vorpommershen Städte, wie grade die Stadt Greifswald, die Jhre Kommission bei ihrem Antrage wohl zunähst im Auge gehabt hat. Aber nit allein, daß deese Städte niht leistungsfähig für \sich sind, auch die übrigen bleibenden Kreisthéile werden in vielen Fällen nicht mehr den An- forderungen genügen können, die das Gesep an sie stellt. Swließlich möchte ih auch noch darauf hinweisen, wie es der Königlichen Staatsregierung nicht unbedenklih erscheint, Städte mit starker Fabrikbevölkerung, deren sich niht wenige unter den hier in Rede stehenden befinden, ganz von der Polizeiaufsiht des Landraths zu entbinden. Ih möchte Sie nach alle dem bitten; den Paragraphen in der Fassung des Abgeordnetenhauses annehmen zu wollen.

Die Ausstellung älterer Ron DCIRA E Gegen- stände im Königlichen Yeughause.

VII.

Die Zimmer IV. und V. enthalten auss{ließlich Erzeug- nisse des deutschen Kunstgewerbes in der Periode der Re- naissance des 16. und 17. Jahrhunderts, von dessen hoher Entwickelung in der kunstreihen Behandlung der mannig- fachsten Aufgaben diese Gegenstände eine vielseitige An- \hauung geben. Möbel mit g eingelegter Arbeit, solche von derben Formen und fast zu überreicher Dekoration, und solche von größter Zierlichkeit, find längs der Rück- und Seitenwände beider Zimmer aufgestellt. h ;

In den Glasschränken, in der Mitte der beiden Räume, sicht man eine große Zahl der \{önsten Gold- shmiede - Arbeiten: kunstreihe, aus Elfenbein, Cocosnuf, edlen Steinen, Horn, Muscheln 2. E pv mit silber - vergoldeten und vielfah emaillirten An, Füßen, Henkeln, Deckeln versehene Prachtgefäße; kostbare Spielereien, wie sie namentlich in Nürnberg und Augs- burg in einer, jede Schwierigkeit befiegenden, vollendeten Technik ausgeführt wurden; endlih die in jener Epoche sehr beliebten eigenthümlichen Kunstschränke, zu deren Herstellung sich die Genen Kunstgewerbe zu vereinigen pflegten, um ein Ganzes zu schaffen, das in kleinem Maßstabe und Umfang die reichste Fülle sinniger Erfindungen und kunst- voller Arbeiten in den edelsten Materialien vereinigte. Von einem Hauptwerk dieser Gattung, dem im Besiß des

Königlichen Museums befindlihen Pommerschen Kunst- shrank, von seiner Gestalt, seinem Jnhalt und seiner Ent- stehung8geschichte , ist im 11. Aufsag eine ausführlihe Dar- stellung gegeben. Ein zweites derartiges Werk, ‘von E ie Ausdehnung, ‘aber von noch edlerem, reinerem Geschmáck in Formen und Dekorirung, bei gleicher Meisterschaft der “téh- nischen Ausführung, ist der hier ausgestellte »Aug8burgische Kunstshrank«, über dessen Geschichte die Nachrichten so völlig fehlen, als die über den pommerschen rei{chlich und ‘voll- ständig erhalten sind. 3

In der mittleren Höhe der Rückwand des 1V. Zimmers sind 15 lebénsgroße in Holz geschnizte männliche und -weib- liche Halbfiguren angebracht, welche dem Fuggerschen Fat in Augsburg entstammen, trefflihe Arbeiten des 16. Jahr- hunderts. In den Ecken dieses und des nächsten Zimmers sieht man einige der von der Decke niederhängenden Kron- leuhter angebracht, die aus Hirschgeweihen mit darañ gefügten Meerweibchen und andern phantastischen, aus Holz geschnitten, bemalten und - vergoldeten Gestalten fombinirt wurden. Eine außerordentlich s{ön, naiv und liebenswürdig im Sinn mancher Bilder Dürers im »Leben der Maria« erfundene, und ‘aufs Lebendigste ausgeführte, plastishe, aus dem Holz geschnißte, mit den natürlichen Farben und Gold kolorirte Darstellung der Geburt St. Johannis des Täufers zeigt sich'am Ende der ersten Seitenwand. Die Pflege der Wöchnerin durch die Freundinnen, das Baden des Neugebornen (die Figur des Kindes selbst auf dem Arm der Wärterin ist leider verloren gegangen), ist mit einer naiven Herzlichkeit der Empfindung und in voller Lebenswahrheit geschildert. Das ange Treiben einer bürger- lichen Wochenstube des 16. Aabrbun erts spiegelt fich aufs treulihste darin. Unter den Möbeln zeichnen \ich ein großer venetianischer Schrank aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, dessen Flächen reich mit bunten Holzornamenten aus elegt find (Bes. Herr Ohse); ferner ein Schrank nebst Solzinosaitbildern in Relief von Adam Eck, Georg Fischer Uü. A., 1660—1700 zu Eger ausgeführt, und Siymöbel nicderländischer Arbeit mit Siten aus s{chön iee Ran Leder, aus.

Von der deutschen Kunsttöpferei, welche in der Periode der Renaissance, besonders in der Herstellung von reih mit Relief- bildern und farbigen Glasuren ges{mtckter Oefen Außerordent- liches leistete (Augsburg und Nürnberg, zumal das Rathhaus der ersten Reichsstadt, zergen heut noch die herrlichsten Proben der hohen Entwicklung dieses Kunstgewerbes), enthalten diese Zimmer einige charakteristische Erzeugnisse: einen Gewerks\{ild der Töpfer mit bunt glasirten Figuren, Tiroler Arbeit von 1561, im Besiß des Bildhauers Sußmann - Helborn; kleine Ofenmodelle und farbige Kacheln; im V. Zimmer aber besonders nieder- ländische (Delffter) Fayencen, Vasen und Blumenständer, meist weiß, mit blauem Ornament; und Thierfiguren aus bunter Fayence, die zu Pastetenschüsseln dienten.

Außerordentlich schön und prächtig sind die Arbeiten der ebenfalls besonders in Nürnberg und Augsburg zur höchsten Blüthe gelangenden deutschen Goldschmiedekunst, welche sich in den Glasschränken des V. Zimmers zusammengestellt finden. Der große Abendmahlkelch und die Patene der berliner St. Nikolaikirhe im 6. Schrank entstammt , wie bereits er- wähnt wurde, nicht den Erzeugnissen dieser, sondern der vorangegangenen gothischen Periode. Wohl aber die übrigen Oen vergoldeten Prachtkelche daselbs, welche zum Besiß des

öniglihen Krontresors gehören. Der Kelch is getriebene Arbeit, die Füße sind gegossen. Figürliche und Ara- besfenzierrathen von der phantasievollsten und mannig- fachsten Erfindung und Form s{mücken fie in “ihrer ganzen Höhe. Bei dem größeren der beiden, dessen Deckelgriff die Figur einer Diana mit ibren Hunden bildet, ist das Figür- liche an Kelch und Fuß von rein phantastisher Gestalt; bei dem zweiten, etwas fleineren und in seiner ganzen Kompo- sition noch edler und stylvoller gebildeten (von J ämttie ausgeführt), Trönt den Deckel die Gestalt des römisch-deutschen Kaisers, und etwas tiefer ordnen sich die aufs Äm i gearbeiteten Figürchhen von zwei weltlichen Fürsten mit emaillirten Wappenschildern und zwei Bischöfen, Kurfürsten des Reiches, um dessen Postament. Qwei- kleine Abend- mahlkelhe, ‘Nürnberger Arbeiten des 16. Jahrhunderts, find mit je vier gravirten Bildern aus der Apofstelgeschichte, ein Pokat, der anscheinend in Bezug auf die Stiftung der Univer- sität Marburg! gearbeitet wurde, ist mit den Bildnissen hessischer Landgrafen ges{chmücckt. In doppelter Hinficht wichtige Arbeiten der deutschen Gold- {miedekunst sind die beiden Prachtschwerter aus dem Besiß des Krontresors: das Reich8schwert des Hauses Hohenzollern, und das Kurschwert des Hauses E Dieses leztere ist ein in sehr verschiedenen Kunst- und Geshmaks8- perioden vom 15. bis 17, Jahrhundert entstandencs Werk, Sein Griff, seine Bügel, aus vergoldetem Silber mit emaillir- ten Wappenschildern geziert, bekunden ihren - spätgothischen Ursprung, während die reiche durhbrochene Arbeit der Scheide sehr deutlich das Gepräge der Spätrenaissance trägt. Einheitlicher ist der Charakter des Reichs schwertes, einer vergoldeten Nürnberger Silberarbeit des 16ck Jahrhunderts. Hier ist die Scheide fest und ihrer ganzen Länge nach mit neun \hön getriebenen Flachreliefbildern aus der biblischen Ge- schichte geschmückt, während der Griff die Reliefporträts des OOAA Albrecht und seiner Gemahlin und das Bild Gott Vaters, des Weltschöpfers, zeigt. Von der Menge der andern Erzeugnisse deutscher Gold- \{hmiedekunst seien nur einige noch hervorgehoben: ein großer von Christoph Jamnigzer 1600 gearbeiteter filbervergol- deter Tafelaufsaÿ, gebildet in der Gestalt eines Elephanten, welcher auf seinem Rücken einen Thurm mit bewaffneten Steine und Pfeile s{hleudernden"Kriégern trägt. Das Horn eines Rhinozeros, durch Goldfassung in einen Wallfish ver- wandelt, der die kleine Figur des Jonas im Rachen hält; die silberne Figur einer Diana, auf goldnem Hirsch reitend, aus der Sammlung Sr. Königlichen B des Prinzen Carl, ein kleiner Dreifuß mit goldenen Chimärenfigürchen an den. Ecken als Füßen und mit Wänden von Lapis lazuli aus dem Besiß Ihrer Kaiserlichen und E Hoheit der Kronprinzessin; ein prachtvoller und künstlich in Silber ge- arbeiteter Leuchter aus demselben Besiß; mehrere Schalen und Präsentirbretter aus getriebenem Silber im Besiß Sr. Durch- laucht des Fürsten v! Putbus; Becher aus Kokos8nuß mit ierlich daraus geschnizten Reliefs und kunstvoller goldner assung; zwei Pokale aus einer Nautilu8muschel, deren Gold- 4 emel Henkel und Fuß ‘durch höchst phantastische Gestalten aus vergoldetem Silber gebildet wird ; eine runde Schale mit Deckel und Fuß, welche in symbolischen Ltguren eine Darstellung der Himmelskarte und die Bilder der Stamm- herren des Reiches s{mücken, von Jonas Silber 1589 zu Nürnberg angefertigt. Der größte Meister, sowohl der roßen Bildhauerei und des Erzgusses, als des kleineren plasti- chen Kunstgewerbes, welcher der deutschen Renaissanceperiode erwuch8s, Peter Vischer von Nürnberg, is der Autor zweier Ge enstände in diesem Schrank: eines Bronze-Reliefs, Orpheus und Eurydice darstellend, und seiner eignen kleinen Bronze«