Der Minister des Jnnern hat dem „Wolff chen Tele- graphenbüro“ zufolge an die Sicherheitspolizei in Preußen nach sciner Rückkehr aus dem Rußhrxrrevier den fol- genden Begrüßungserl aß gerichtet :
beit im Ruhrgebiet verzögert hat, begrüße ih die Beamten der Sicherheitspolizei Preußen. Die Erichütterungen der baben der Siherheitspolizei in den einzelnen Landesteilen \ckwere Nerluste zugefügt. Ich gedenke voller Dankbarke't der treuen Toten, die für uns alle ihr Leben hingaben im Dienste unseres Volkes. Für ihre Hinterbliebenen zu sorgen, ist ebenso heilige Pflicht, wie diejenice: Kameraden nicht zu vergessen, die în den Kämpfen fo \chwer verleßt wurden, daß sie den Dienst als Beawter nicht mehr versehen fönnen. Unser Vaterland blutet aus tausend Wunden. Wenn überbaupt no% Hoffnung ou! eine bessere Zukunst bleiben foll, dann ist es notwendig, daß unser armes, zermartertes Volk erst einmal zur Ruhe kommt. Hierfür und für die Sicherheit jedes ein- zelnen Staatébürgers zu sorgen, ist Aufgabe der Sicherheitspolizei. Dieser vaterländishen Aufgabe kann nur eine Beamtenschaft gerecht werden, die, einig in sih, aufgebaut auf oegenseitiaes Vertrauen zwischen oberen und unteren Beamten, in straffer Disziplin im Dienst, bei aller Freiheit der einzelnen Person, fest und uners{hütterlih hinter der dur den Volkswillen verfassunaëmäß!a etingesetten Negterung
steht. Die Einreihung in den Staaishausbalt werde ih entschicden betreiben. Für eine zufriedenstellende Lösung der Bekleibungs- Und
Unterkunfts\srage werde id mich mit allen Mitieln einseten. Ich bitte, mir mit vollstem Vertrauen entaecgenzutommen, und vertraue meinerseits auf die Beamtenschaft, daß sie bereit und fest entschlossen ist, die verfassungsmäßige Negierung zu süßen, wenn noch einmal Wahnsinnige oder Verbreher versuben follten, fie mit Gewalt zu stürzen. Einig wollen wir zusommenstehen und zusammenarbeiten zum Wohle unseres {wer geprüften Volkes. Severing.
Ein von der „Schlesischen Volkszeitung“ veröffentlichter
Nach Uebernabme meines Amtes, die sich durxh meine Abwesen- ; Märztage ‘
sireng vertrauliher Geheimbefehl des „Polnischen ' Komiteces zum Schuße Schlesiens“ beginnt mit den
Worten: „Das Houplkom mando hat mit der Ausstellung einer neuen Militärocaanisation sofort zu beginnen, bezw. die jetigen Formationen nach besonderen N!chtlinien neu zu organisieren“ unh fährt dann fort: „Es naht die Zeit, in der die Organi- sation von unserer Arbeit Zeugnis ablegen wird, wenn wir die aufdringlichen Deutschen aus unseren polnischen Landen heraus- treiben werden und hie Sicherheitswehr durch die polnische Volkswehr erseßt wird.“ Die obenerwähnten Richtlinien beziehen sich
Mobilisationsalisten, Errichtung politisher uxrd militärischer Nachrichtenabteilungen, Bildung einer Gendarmerie, Sammlung von Waffen, Munition und militärishen Lusrüstung8gegen- fiänden uw. sowie auf die Errichtung von Woffenniederlagen. Der von Kostanecki gezeichnete Befehl ist an das T Ag Beuthen gerichtet, in dem Korfanty den Vorsiß ührt. Sachsen.
Die Meldung über deu bevorstehenden Rüdtritt des sächsi- {hen Ministerpräsidenten Dr. Gradnauer bestätigt sich dem „Wol!ffschen ae zufolge.
zurücktreten. Der zurükgeiretene Ministerpräsident Dr. Grad- nauer mird bis zur Neuwohl seines Nachfolgers und Bildung des neuen Ministeriums die Amtsgeschäfie fortführen.
Danzig. Der Oberkommissar Sir Neginald Tower teilte gestern im Staatsrat mit, daß er sich Abends zu Verhandlungen mit der Botschafterkonferenz nah Paris begeben und voraus- sichtlih 14 Tage von Danzig fernbleiben werde.
— Laut Bekanntmachung des Oberfommifsars hat sich auf Grund der mit der polnischen Regierung cepflogenen Ver- handlungen die polnishe Regierung bereit ertlärt, daß sämtlihe Eisenbahnwaggons mit Lebensmitieln, Saatgut und sonstigen Waren, die für die Landwirtschaft im Freistaatgebiet gebrauchi werden (7. B. künstlicher Dünger), troy der Verkehrssperre im polnischen Gebiet abgefertigt und nach Danzia umgehend weitergeleitet werden. Die Weiterbeförderung bezieht sich auf alle Güter, welche aus polnischem Gebiet kommen, wie auch auf die Güter, welche ps dem Deutschen Neich ober aus dem Abstimmungs8gebiet ommen.
Das vorläufige Ablommen zwischen der Republik Polen und der zukünftigen freien Siadt Danzig, das die Regelung des Paß-, Eisenbahn-, Zolli-, Post-, Telegraphen- und Telephonwesens betrifji und 68 Arülkel umfaßt, ist gestern abend vom Departementscvef im Ministerium des Neufjern Olszowski als Vertreter Polens und dem Oberkommissar Sir Reginald Tower unterzeichnet worden. Das Abkoinmen soll von viermonatiger Dauer sein, das heißt, bis zum 22. August d. J. in Krast bleiben, voraus8gesett, daß bis dahin der durch den Versaillec Frieden vorgesehene Staats- vertrog zwischen Polen und Danzig zustandegetommen ist.
Dex Antrag der sozialdemokratischen Partei, den 1. Mai als gesezmäßigen Feiertag zu erklären, ist dem Wolffschen Telegrophenbüro“' zufolge abgelebnt worden. Der n der Deutschen Nationalversammlung vorliegende Tarif- uerirag mit den Lohnbediensteten der Eisenbahn- verwaltung soll auch für den Freistaat nah Annahme in der Nationalversammlung entsprechende Geltung haben.
Dejsterreith.
Die Nationalversammlung nahm in fortgeseßter Beratung des Haushalisplanes eine Reihe von Kapiteln an. Jin Verlauf der Erörterung verwarsen die Großdeuischen Straffner und Ursin laut Bericht des „Wolffshen Tele- graphenbüros“ die \hwankende Außenpolitik des Staats3- kanzlers und erklärten, der Staatsfkanzler solle nicht inter- nationale Politik, soadern nationale Politik verfolgen. Nur die Einverleibung in das deutsche Mutterland biete die Mög- lihkeit, aus dem Elend herauszukommen Sie bedauerten, daß der Staatskanzler sih niht der 31/4 Millionen Deutschen im ischechishen Staat erinnert habe.
Ungarn.
Der neuernannte Minisier des Aeußern Graf Teleki rihteie aus Anlaß seines Amtsant:itts cine Ansprache an die Beamtenschaft seines Ministeriums, in der er dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge u. a. sagte, wenn Ungarn auf die Verwirklichung jeiner Jdéale jeßt -auh verzihten müsse, so förne es O nie auf den Jdealismus verzichten. E überzeugt, daß er die notwendige Vereinigung aller Kräfte in
¡i teilweise geräumt, um sich mit den regulären Truppen gegen
2 E E E M T E A E E EMER E r
Mit dern Minister- ! präsidenten wird verfassungsmäßig das gesamte Kabinett |
auf die militärische Organisation von Sofol- und Sporlvereinen, E n
möalicherweise später eine Abgabe auf die dur den Krieg | von
der ganzen Nation finden wecde, j Ungorn die sicherste, dz die einzige Grundlage sei, auf welcher eine Konsolidierung Osteuropas geschaffen werden könne.
Großbritanien uud Jrland.
Nach einer Havasmeldung ist gestern in London ein französisches Abkommen über die deutsche Hande ls- tonnage erzielt worden. Dem „Temps“ zusoige tritt England bie gesamte Handelstonnoge, die Fronkreich verwaltet, ab. Die Handelsionnage, die über 250 000 Tonnen hinausgeht, wird von Frankreich durch Verrechnung auf das Wiedergut- machungskonto bezahit.
— Blätiermeldungen zufolge ist an die Vereinigten Staaten von Amerika eine besondere Einladung zur Teilnahme an der internationalen Finanzkonferenz in Brüssel ergangen. Ferner 1 in Aussicht genommen, daß außer den Mitgliedern des Vö!kerbundes auch andere Staaten, barunter ehemals feindliche Länder, an der Konferenz teilnehmen jollen, um Er!äuterungen zu geben oder sih übzr besonde:e Fiaçen in den Sißungen der Konferenz zu äußern.
Bei der Besprechung des Friedensvertrags zwischen Oesterreih und Jtalien im Oberhause sagte Lord Milner laut Bericht des „Wolfsschen Telegraphenbür os“:
Es sei den Abmaclungev, die beim Eirtritt Italiens in den Krieg seinerzeit abgeschlossen wurden, zuzuschreiben, wenn nit uner- heblicße deutschvöltisde Elemente unter italienishe Herrschaft ge- ommen seien. Mit dem vollkommenen Nuin Dester- reis müsse, nachdem die Donaumonarchie nun einmal fo zerstückelt sei, gerehnet werden, troß der Hilfe, die die Alliierten Oesterreich angedeihen ließen.
— Im Unterhaus fragte ein Mitglied, ob es Tatsache sei, daß einige englische Regimenter im Rheinland jo gerioge Bestände hätten, daß deutsche Zivilisten Kompagnien zugeteilt würden, um als Offizierburschen, Schreiber usw. zu dienen. Churchill erwiderte, er habe Bericht eingefordert. Jn der tortgesezien Besprechung des Haushalisplans betonte der Finanzminister Chamberlain nochmals die Stärke der Finanzlage Enalands und hob ferner hervor,
daß für das folgende Jahr eire weitere Verminde- rung der Schuld um 8300 Millionen Psund gu er- warten sel. England sei hierzu imstande, ohne zu außer-
wie z. B. einer Kapitalsabgabe seine
nehmen. “ Chamberlain bemerkte ferner, daß
um Europa zu zeigen, daß | Anzavur Pascha
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zu vereinigen. Jm Bezirke von Balikesi, 80 Kilometer südlich vom Marmara-Meer, werde seit orei Tagen heftig gekämpft. Der Kampf scheine un- günstig für Anzaour Pascha zu sein, dzn er sei in Richtung Panderma zurückgegangen und aus Konjtantinopel seien Mannschaften und Munition an ihn abgesandt worden. Die Regiecung, die den Offizieren der regulären Truppen nicht traue, sei damit beschäftigt, Freiwilligenkorps gegen die Nationalisten zusammenzustellen. Auch in Thrazien sei es jehr unruhig. Damad Ferid Pascha, der zum Gouverneur von Rodosto ernannt wurde, sei zurückgetreten, ohne sein Amt über- nommen zu haben, weil sein Leben in Gefahr sei. Jaffar
Tajar Bey, der Militärgouverneur von Adrianopel, habe, ermutigt durch die Niederlage Anzaour Paschas, wiederum revoltiert.
merika. | Das Staatsdepartement der Vereinigten Staaten hat den
amerikanishen Botschafter in Rom aufgefordert, an der Konferenz von San Remo teilzunehmen, ohne sich
} jedoch an der Debatte zu beteiligen.
| Entwurf
Wie die „Times“ meldet, hat die Weigerung der Kon- fererz von San Remo, die vom Präsidenten Wilson gegenüher der Türkei vorgeschlagene Politik anzunehmen, diesen zur Ver- öffentlichung einer Erklärung veranlaßt, in der er betont, daß er beabsichtige, von jeßt an seine Ansichten den olliierten Mächten solange nicht kundzugeben, bis der amerifanishe Senat den
Friedensvertrag ratifiziert habe.
— Der amerikanisch?2 Senat hat dem „Telegraaf“ zufolge mit 46 gegen 10 Stimmen einen Geseßentwurf an- genommen, dur den das stehende Heer im Frieden auf 17043 Offiziere und 280 000 Mann vermindert wicd.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Deutschen Nationalversammlung sind dec eines Geseyges, betreffend das Land
* Thüringen, und dec Entwurf eines Gesezes, betreffend
erworbenen aroßen Vermögen gelegt würde, und wendete sich |
gegen die von der Atbeiterpartei vorgeschlagene allgemeine Kapitalsabgabe, die er als ungerecht bezeichnete. :
Dem „Algemeen Handelsblad“ zufolge wurde im Unier- hause ein Ausschuß zur Untersuchung der Lage in Pas- lästina unter dem Vorsiy von Lord Robert Cecil gebildet.
— Jn einem Aufruf des Vorstands der englischen Arbeiterpartei zur Einseßung einer internationalen Wir tschastskommission, in der die Alliierten und die
ehemals scindlichen Staaten vertreten sein sollen, wicd laut |
Meldung des „Nieuwe Courant“ vorgeschlagen, doß diesér Ausschuß dem Völkerbund unterstellt werde. Die finanzielle und wirischoftlicze Verwüstung, die die ganze Welt bedrohten, könnten durch ein abgesondertes Vorgehen eines oder elnzelner Staaten nicht verhindert werden. Die Jndustrien und der Kredit ganz Europas müßten auf internationole Grundlage ge- stellt werden, da sonst bei der engen Vez: slechlung der wirt- schaftlihen Bande zwischen den einzelnen Ländern der Zu- sammenbruch eines Staates den seiner Nachbarn zur Folge haben würde. :
Frankrei.
n der vorgestrigen Sizung des Botschafterrats aut Kenntnis genommen von dem Bericht des Prä- sidenten der interalliierten Kortrolllommission für Luftschiffahct, Generals Masterman. Wie die „Agence Havas“ meldet, schildert der Bericht die Schwierigleiten aller Art. die die Mitglieder der Kontrollkommission in der Ausführung ihrer Aufgabe gefunden haben, und betont die Noiwendigkeit eines energischen Vor- gehens, um von der deutschen Regierung die Ausführung der Be- stimmungen, betreffend die Vernichtung ber deutschen
militärishen Luftflotte, zu erlangen. Auf Antrag der franzöfischen Regierung beschloß der Botjchafterrat, eine Kom-
und Telegraphenver-
schaffen, um die Post- n zu organisieren.
mission zu l i mit Mitteleuropa wieder
bindungen
Deutschland, Oesterreich und Ungarn sollen eingeladen werden,
Vertreter für diese Kommission zu ernennen.
— Die Unterrichtskommission der Kammer hat si für die Verlängerung der Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr ausge}prochen.
— Der Oberste Gerichtshof hat mit 213 gegen 93 Stimmen den Antrag des Genecalstaatsanwalts, Caillaux auf Grund der Artikel 77 und 79 des Strafgeseybuchs zu ver- urteilen, zuüdgewiesen. Der Oberste Gerichtshof prüft nun- mehr, ob andere Artikel des Strafgeseßbuchs gegen Caillaux angewendet werden können.
Nußzïaund.
Ein leitendes Mitglied der trussishen Handelskommiision in Kopenhagen hat na einer Meldung des „Wolffschen Tele- araphenbüros“ dem dortigen Vertreter des „Neuterschen Büros“ erklärt, daß Rußland zu Verhandlungen über bie alte russishe Staatsschuld und das beshlagnahmte Aus- landseigentum bereit sci. Die Entente müsse jedoch ihren Widerstand dagegen aufgeben, mit den Vertreterin der Sowjet- regierurg zu verhandeln. Bevor nicht gewisse Fragen, darunter die “‘lockadefrage, mit den alliierlen Regierungea geregelt seien, sei jeder Handel mit Sowjetrußland in Wirklichkeit unmöglich.
Jtalien.
Die Konferenz in San Remo seßte gestern die Aus3- arbeitung des Friedensvertrags mit der Türkei fort.
Niederlande.
Zweiten Kammer is eine Denkschrift der Minister für Finanzen, Landwirtschast und auswärtige An- gelege! heiten, betreffend das mit der deutshen Regierung geschlossene Abkommen über Gewährung eines Kredits von höchstens 200 Millionen Gulden und Versorgung Hollands mit Steinkohlen und ähnlichen Erzeugnissen ein-
egangen. / Türkei.
Nach einer Meldung der „Times“ aus Konstantinopel haben die nationaiistiscen Truppen den Smyrna-Abschnitt
Jn der
die Vereinigung Coburgs mit Bayecn, nebst Bes gründung zur Beschlußfassung zugegangen. Nach dem ersts genannten Gesegentwurf sollen die Länder Sachsen-Weimar- Eisenach, Sachsen - Meiningen, Reuß, Sachsen - Altenburg, Sachsen-Gotha (Sachsen-Coburg und Gotha ohne das Gebiet Coburg), Schwarzburg - Rudolstadt und Schwarzburgs- Sondershausen mit Wirkung vom 1. Mai 1920 an zu einem Lande Thüringen vereinigt werden.
Ferner ist der Nationalversammlung der Entwurf eines Gesetzes, betreffend das deutsh-französi1che Abkommen über die Zahlung der elsaß-lothringishen Pens sionen, nebst einer erläuternden Denkschrift zugegangen.
Der ¿weiteUnterausschuß des parlamentarischen UntersuGungsausschusses der deutschenNational-
| versammlung hat gestern in nichtöffentliher Sißung sih mit
dem Stande und der Fortsezung seiner Arbeiten beschäftigt. Wie „W. T. B.“ berichtet, wurde zunächst beschlossen, den für die Friedensaktion des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Wilson wesentlichßen Teil der Aussagen des kommissarisch ver- nommenen Majors von Papen zu - veröffentlichen. Weitere Vere nehmungen übec die Frievensaktion Wilsons jollen voraussichtlich nit mehr stattfinden, fo daß die Arbeiten des Untersucungsausschusses über diesen Gegenstand der Untersuhung vor dem Abschluß stehen, Der Aus\chuß beschloß ferner, nunmehr das gesamte Aktenmaterial über die Vorgänge, die zur Julicesolution 1917 geführt haben, sowie über die Wirkung, welche diese Resolution in der Friedensfrage aus- gelöst hat, mit Bac ónderir Rücksicht auf die E e, ob tatsählich durch die Resolution Friedensmöglichkeiten unterbrohen worden sind, zu veröffentlihen. Der Bericht des Unterausshusses über die Ergebnisse seiner UntersuGungen über die Friedensaktion Wilsons foll dem Plenum des Untersuchungsausshusses noch vor dem Znsammentritt des neuen Reichstags dur den öteferenten erstattet werden.
Nach Schluß der Redaktion eingegangents Depeschen. London, 23. April. (W. T. B.) Reuter meldet aus Paris: Caillaux wurde mit 150 gegen 91 Stimmen des Einverständnisses mit dem Feinde shuldig erklärt.
(Fortsebung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.)
Theater.
Opernhaus. (Unter den Lindea.) Sonnabend: 83. Dauer- bezugsyorstellung. Dex Troubadour. Anfang 7 Uhr.
Sovntag: Mittagsveranstaltung des Schußtverbandes ‘deutscher Schriftsteller: Bajazzi. Anfang 12 Uhr. — Abends: Die Frau ohue Schotten. Anfang 5 Uhr.
Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Sonnab. : 86. Dauer-
bezugsvorstellung. Der Marquis von Keith. Anfang 7 Uhr.
Sonntag: Nachmittags: Einmalige Wohltätigkeitövor|!ellung zu halben Preisen: Die Rabensteinerin. Anfang 24 Uhr. — Abends: Der Marquis von Keith. Anfang 7 Uhr.
nagen
Familiennachrichteu.
Verlobt: Frl. Erica von Krosigk mit Hrn. Leutnant Ulrich Frhrn. von Nichthofen-Oberfaulbrück (Nathmannsdorf).
| Verehelicht: Hr. Rittmeister a. D. und Kreisrat Georg Bertram
mit Frl. Hildegard Neumann (Berlin-Friedenau).
n}
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg-
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle, Wecbnungsrat Véengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Menaerina) in Berlin. DruE der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt. Berlin. Wilhelmstrake 32.
Neun Beilagen
(cin\{lteßli% Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 31 A und B) und Erste, Zweite und Dritie Zentral-Handel3reaister-Beilage.
jowie die Juhalt8anugabe Ne. 5 zu Nr. & des öffentlicheu Anzeigers-
Erste Beilage
zum Deutschen Reich8anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.
M S6,
ANAichtamlliches, Fortseßung aus dem Haupiblaë.})
Deutsche Nationalversammlung. 167. Sißung vom 21. April 1920.
Nachtrag. Die Erklärung, die bei Besprehung d ters pellation der Abgg. Baerecke, SÑchulh-Brombera (6 " Nat.)
und Genossen über die vertragswidrige Er \schwerung des deutshen Durchgangsverkehrs mit Ofst- preußen durch die Polen der Reichskanzler Mü ller abgegeben hat, lautete wie folgt:
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Schulh-Bromberg hat es für zweckmäßig gehalten, bei einer Frage, die uns alle auf das tiefste berührt, dem Schuß Ostpreußens, Dinge zu erörtern, die an und für h gar nihts damit zu tun haben. Er hat zum Schluß heftige Angriffe auf die Regierung gerihtet wegen der Auswahl des Herrn Außenministers, die mi veranlassen, hier einiges dazu zu bemerken.
Der Herr Abgeordnete Schulß hat zunä} gemeint, daß es #weckmäßig sei, die Herren Minister des Auswärtigen aus dem Par- lament herauSzuheben. Jh stelle demgegenüber fest, daß der derzeitige Minifter des Auswärtigen überhaupt kein Parlamentarier ist, er also mcht nach pavlamentarishen Gesichtspunkten ausgewählt worden ist, sondern von mir dem Herrn Reichspräsidenten nur deswegen verge- {lagen ist, weil ih ihn fahlich für durhaus qualifiziert hielt. Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß ih einer ganzen Reihe von Herren das Amt angeboten habe, unter anderem dem zweiten Vorsibenden des NReichsverbandes der Deutshen Industrie, der ebenfalls dem Parlament nicht angehört. (Hört, hört! bei den Deutschen Demokraten.) Ih muß deshalb den Herrn Abgeordneten Schulß bitten, sich in Zukunft seine Angriffe zu über- legen, ehe er sie gegen die Regierung richtet. (Bravo! bei den Mehrheitsparteien.) Der Herr Abgeordnete Schulß hat ebensowenig, wie das sonst von seiner Seite aus geschieht, jemals einen geeigneten Mann genannt. (Lachen rechts.) — Ja, meine Herren, wenn Sie den Bismarck îin der Westentasche haben, dann doh heraus mit Ihrem Bismarck! (Æbhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien. — Rufe vdts: Sie nehmen ihn ja nit!) — Zeigen Sie ihn mir, Sie werden ja dann sehen, ob ich ihn nehme. (Vielfahe Nufe links: Kapp!) Es
_ sind bisher nur in der liberalen Presse Diplomaten für diesen Posten
genannt worden. In der Presse Ihrer Partei habe ih bisher einen Vorschlag nit gelesen umd auch von Ihnen keinen gehört, Wenn die Herren, die aus dem Fah hervorgegangen sind und die bon liberaler Seite genannt worden sind, mcht von mir dem Herrn Reichópräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen wurden, troßdem ih sie periönlih außerordentlih hoch\chäße, so nur deswegen, weil sie nah meiner Kenntnis der Verhältnisse im Auslande zurzeit niht möglih
sind, und zwar wegen der Tätigkeit, die sie unter dem Regime
Wilhelms I1. draußen entfaltet haben. (Sehr gut! und Hört, hört! bei den Sogialdemokraten.) Mit diesen Tatsahen müssen wir eben renen, und darauf müssen wir uns einstellen,
Ganz unverständlich war mir, daß der Herr Abgeordnete Schulß- Bromberg der Republik den Vorwurf machen konnte, daß sie ihre auswärtigen Minister zu \chnell verbrauhe. Jh mache darauf aufmerk- sam, daß unter der „glorreihen“ Regierung Wilhelms. I1. meine beiden Vorgänger Solf und Hinze eine viel kürzere Zeit im Amte gewesen sind, (Zuruf rehts: Da waren Sie schon die Maher!) — Nein, wir übernehmen für diese Zeit in keiner Weise die Vevantwortung. (Zuruf rets: Dw hatte der Kaiser nihis mehr zu sagen!) Wir haben unter Wilhelm Il. keinerlei Einfluß auf die Grnennung des Herrn bon Hinbe gehabt. Sie sollten doch keine solche Behauptung auf- stellen, Herr von Graefe, Sie haben doh damals auch im Parlament gesessen, Unser Ginfluß war damals leider niht so, wie wir es uns gewünsht hätten. Sonst hätte dieser Krieg niht dieses unglüdselige Ende für Deutshland gefunden. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)
Am meisten hat mih aber gewundert, daß der Herr Abgeordnete Stulbß-Bromberg \o sehr auf die Fachausbildung der Diplomaten pohte und troßdem so viel auszuseßen hat an all den Diplomaten, die aus dem Fah herausgekommen sind und unter Wilhelm IL Natfolger Bismarcks gewesen sind. Ich bin der leßte, der die Fach- auébildung niedrig einshäßt. Jh habe selbst, und zwar gut, mit einer ganzen Reihe von Diplomaten in meiner zehnmonatigen Tätigkeit im Auswärtigen Amt gearbeitet. (Zuruf rechts: Gut?) — Ja, nah Auffassung der Mehrheit dieses Hauses — wir haben das parlamen- tarishe Sytem — gut. Ih möchte den sehen aus Jhren Reihen, der in diesen schwierigen Zeiten für Deutschland besser gearbeitet hätte! (Lebhafte Zustimmung und Zurufe links: Graefe!)
Dann hat der Herr Abgeordnete Schulß gemeint, ein Minister des Aeußeren könne nur nüßlich für das Deutsche Reih wirken, wenn er die Herren, die draußen in den anderen Ländern die auswärtige Politik führen, persönlih kenne. Bromberg ist eben immer noh in den Gedankenkreisen einer Zeit vor 40 bis 50 Jahren befangen und sieht gar nicht, wie sich die Welt in- wishen verändert hat. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wer sind denn die erfolgreichen Staatsmänner des Auslandes? Sie sind zum großen Teil nit aus der diplomatischen Karriere hevvorgegangen. Wer ist dex französishe Minister des Auswärtigen? Ministerpräsident Millerand war Rechtsanwalt, Loyd George war Nechtsanwalt; Nitti, den Sie gewiß als erfolgreihen Staatsmann ansehen, ist National- öfonom und sein Außenminister Scialoja ist Rechtslehver in Rom gewesen. Alle diese Staatsmänner haben nicht die übliche Fachaus- bildung genossen, und ich glaube andererseits, nah den Erfahrungen, die wir vielfa, wenn auch niht mii allen Fachdiplomaten gemacht haben, brauchen wir nit das Prinzip aufzustellen, daß der Minister des Aeußeren absolut ein Fahmann sein soll. (Sehr rictig! bei den Mehrheitsparteien.) Jb will gar niht von den Außenministern der neuen Staaten sprechen, die in dex lebten Zeit entstanden sind und die
Der Herr Abgeordnete Schulÿ- .
Berlin, Freitag, den 23. April
1920,
über Fachdiplomaten gar nit verfügen, troßdem sie auch einige Erfolge in der au&@wärtigen Politik bereits erzielt haben. (Zurufe links: Leider!)
Jch habe mi vor allen Dingen auch deswegen zum Wort ge- meldet, weil der Herr Abgeordnete Schult einen Artikel des „Berliner Tageblatts“ zitiert hat, für das er doch sonst nicht allzu viel übrig hat. J habe diesen Artikel des „Berliner Tageblatts“ ganz außer- ordentlih bedauert, und zwar nit wegen seiner Kritik — ich bin nicht der Empfindlichste gegen Kritik, am allerwenigsten in der Presse: ih bin selbst früher in der Presse gewesen und weiß, wie Zeitungen ge- macht werden, welche Bedeutung sie für den Tag haben und welche
Bedeutung sie unter Umständen auch darüber hinaus haben können."
— Jh habe ihn aber deshalb bedauert, weil er ganz ungerehtfertigte Angriffe insbesondere gegen den Herrn NReich8präsidenten enthalten hat. In diesem Artikel ist es so dargestellt worden, als ob wie unter Wilhelm 11. die Minister bei uns nah Kamerad\chafts-, nah Korps- rüdfsihten und ährlihen Grundsäßen ausgesuht würden. Das ist. abs solut fals. Jch stelle für meine Person hier fest — ich habe es im Auvs\chuß für Auswärtige Angelegenheiten bereits getan —, daß ih in meinem Leben außeramtlih mit dem Herrn Außenminister Dr. Köster im ganzen feine 48 Stunden zusammen gewesen bin. Für den Neichs- präsidenten trifft das ebenfalls zu. Wenn Herr Dr. Köster Außen- minister geworden ist, so nur deshalb, weil er uns unter allen Kan- didaten, die wir überhaupt zur Verfügung hatten, der geeignetste zu sein sien.
Dann noch ein paar Bemerkungen über das, was der Herr Ab- geordnete Schulß-Bromberg uns, der Mehrheit des Hauses, gegenüber wegen der Zeit behauptet hat, in der wir das Schwert aus der Hand gelegt hätten. Meine Damen und Herren! Wir haben das Schwert doh niht aus der Hand gelegt. Wer hat denn die Order gegeben, wer hat denn gedrängt, daß dieser Waffenstillstand abgeschlossen werden sollte? (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitäparteien.) Die Dokumente sind veröffentliht. Es ist niemand anders als Hindenburg gewesen. (Erneute lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien. — Widerspru rechts.) Wir haben auf Geheiß des Militärs das Schwert aus der Hand gelegt, weil sonst der vollständige militärische Zusammenbruch Deutschlands gekommen wäre, und weil die Militärs Angst hatten, daß sonst bis in das Herz Deutschlands hinein die sieg- reichen Armeen Fochs vorgedrungen wären. (Wiederholte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien. — Unruhe und Widerspru rechts.) Und warum ist es so atommen? Wie wagen Sie immer und immer wieder den Mund darüber aufzutun, wo Sie doch wissen, daß Sie mit Ihrer Gründung der Vaterlandéspartei, mit Jhrer unseligen U-Bootspolitik Deutschland in den Abgrund hineingestürzt haben, in dem wir uns jeßt befinden! (Stürmisher Beifall links. — Große Unruhe und Zurufe rechts.) Also bedanken Sie sich bei Ihrem Ludendorff, be- danken Sie sih bei denen, die die Kraft des deutshen Volkes restlos verwüstet haben und die alle Gelegenheiten berpaßt . haben, die das gewesen sind, einen früheren Frieden abzuschließen. (Erneuter Beifa]l links.)
So viel über diese Ausführungen, die immer und immer wieder« kehren und mit denen Sie, glaube ih, auch draußen keine allzu großen Geschäfte machen werden; denn die Tatsachen liegen doch zu offen- tundig da,
Meine Damen wnd Herren! Mir scheint im übrigen bei der Auswahl eines Ministers des Auswärtigen in den schwierigen Zeiten, in denen wir uns als deutshes Volk nah diesem unglüdsegligen Kriege befinden, die Hauptsache zu sein, daß dieser Mann durch seine Persönlichkeit und durh seine Politik in der Lage ist, draußen im Auslande Vertrauen zu erwerben. Ich habe zu Herrn Minister Köster das Vertrauen, daß er dieses Vertrauen draußen erwerben wird, und deswegen allein habe ih ihn vorgesh!agen. (Lebhafter Beifall bei den Mehrheitäparteien.)
Zum Antrag des Abg. Kotzur (Soz.), betreffend Teuerungszuschläge für die Eisenbahn- und Verwaltungsarbeiter, hat der Reichsfinanzminister Dr. Wirth folgendes erklärt:
Meine Damen und Herren! Es ist ein außergerwöhüliher Vor- gang, der sih hier abspielt, und der es wohl verdient, daß Sie mit einiger Aufmerksamkeit den Verhandlungen entgegenshauen. Es ist das erste Mal, daß sih die Nationalversammlung mit der Frage der Entlöhnung der ECisenbahnarbeiter zu beschäftigen hat, und das, troß- dem der Verreichlihungsvertrag der Eisenbahnen der Linder noch niht zu einer Annahme gekommen ist.
Wenn Sie den Antrag des Ausschusses noch einmal würdicen wollen, so finden Sie, daß darin die Reichsregierung ermähtigt wird, die Teuerungszuschläge für die Eisenbahnarbeiter, die zwischen der preußishen Eisenbahnvenvaltung und den Eisenbahnerorganisationen als Tarifkontrahenten vereinbart worden find, auszuzahlen. Ver- einbart sind diese Löhne im lebten Stadium allerdings unter Mit- wirkung des Reichsverkehrsministers und des MNeichsverkehts- ministeciums wie des Finanzministeriums.
Dann ist an mich die Frage herangetreten, ob ih als Reichs- finanzminister die Zustimmung geben will und kann, daß Preußen diese Lohnzuschläge auszahlt. Jh war als Reihsfinanzminister dazu nicht in der Lage, ohne, dem parlamentarishen und demokratishen System entsprechend, zunächst die Zustimmung mindestens der Haus- haltskommission dafür zu haben. Die Haushaltskommission ist meiner Anregung zur Mitwirkung durhaus entgegengekommen und hat ihrer- seits gewünscht, daß über diese Forderung. Lohnzuschläge zunächst im April zu gewähren, im Haushaltsauss{uß verhandelt werden. müsse. Der Haushaltsaus\huß hat sich heute morgen auf den Standpunkt gestellt, daß die Nationalversammlung darüber auch im Plenum gehört werden müsse. So werden Sie nun allerdings vor sehr {wah — außerordentlih s{wach beseßtem Hause vor einen sehr weittragenden Entschluß gestellt. (Sehr richtig!) 9
Die finanzielle Tragweite dieser Ermächtigung, die dem Reichs- finanzminister beziehungsweise dem Reichsverkehrsminister und dem NReichspostminister erteilt wird, ift eine außerordentlich weitgehende. Es ist vorhin vom Herrn Berichterstatter die Zahl in der Höhe von 12 Milliarden genannt worden. Diese Zahl bezieht si aber nur
auf Preußen allein. Die Gesamtaufwendung dieser Lohnzushläge für alle eisenbahnführenden Länder ist auf mindestens 2 Milliarden ein- zushäßen. (Hört, hört! rechts.) Aber die fallen niht zu Lasten der Under, sondern diese Lohnzushläge, die natürlich weiter geführt werden müssen über den April hinaus, fallen, da der Verreihlihungs-
vertrag rücfwirkend auf den 1. April in Geltung treten soll, zu Lasten
des Reichs. Es ift für den Reichsfinanzminister, für den jeßigen oder einen späteren, eine außerordentlih \ckchwere Entscheidung, die er heute morgen im Haushaltsaus\{uß treffen mußte, als er zu diefer Maßnahme seine Zustimmung gegeben hat, und ih habe diese Qu- stimmung gegeben. Jh bin mir auch der Konsequenzen, wenn Sie zustimmen, durhaus bewußt, ebenso wie der Herr Reichsverkehrs- minister und der Herr Reichspostminister. Die sachliche Notwendig- keit der Zusbläge zu den Eisenbahnerlöhnen wird, wenn es notyoendig werden sollte, vom Herrn Neichsverkehrsminister dargetan werden. Es handelt sich nit nur um das stürmishe Drängen der Eisenbahner- organisationen im Norden, sondern dieselben sehr lebhaften Wünsche werden auch aus den Südstaaten Baden, Württembera und Bayern geäußert. Wir stehen mitten drin in einer neuen großen Lohn- und Gehaltsbewegung, deren erste Welle hiermit in der Nationalversamms- lung des Reiches zum Ausdruck kommt, und deren zweite Welle Sie in dena Auswirkungen sehen werden, die die Lohnzusbläge haben werden auf die Neichsbesoldungsreform, die zweifellos davon berührt werden wird, und der Haushaltsaus\{huß wird in den nächsten Tagen bei Verabschiedung der Reichsbesoldungsordnung dazu Stellung zu nehmen haben. Sie kennen die Anträge, um die es si handelt; die Frage der Erhöhung des Grundgehalts und andere Fragen, die damit im Zusammenhang stehen, sie alle werden behandelt werden müssen im Zusammenhange mit den Lohnzuschlägen, die den Eisenbabn- arbeitern gewährt werden sollen.
Aber, meine Damen und Herren, ih wäre nibt aufrihtig genug, wenn ich nicht auch noch auf etwas weiteres hinweisen würde. Das Neichsverkehrsministerium beginnt in den nächsten Tagen die Ver- handlungen über einen Reichslobntarif mit den Eisenbahnarbeitern. Die Löhne, die hier in den Zushlägen Ihrer Genehmigung unter- liegen sollen, werden natürlih noch nit die leßte Entscheidung für den Lohntarif sein in den kommenden Lohntarifverbandlungen mit den Eisenbahnerorganisationen. Jh made Sie darauf aufmerksam, und ¿war aus einem etatsrechtlihen Grunde beraus: ih glaube nit — ih habe es auch heute morgen bereit3 im Haushaltsaus\chuß ausgeführt —, daß es möôglih sein wird, daß die Nationalversammlung oder einer ihrer Ausschüsse, etwa der Haushaltsaus\{uß, über Lohntarife als Ganzes wie im einzelnen in Beratungen eintreten kann- Ih haba in Baden die Ehre gehabt, das Finanzministerium und das Verkehr3- ministerium seit den Tagen der Revolution zu führen. Es ist nit mögli, in einem Parlament Lohntarife in ihren Einzelheiten beraten ¿u wollen, eiwa gar von den verschiedenen Gruppen zu bereits abge- s{lossenen Lohntarifen Ergänzungen oder Erweiterungen vornehmen zu wollen. Das ist schlechGterdings nit durhführbar, und die Herren, die im gewerkshaftlihen Leben stehen, wie die, die in großen Be- triebsverwaltungen Erfahrungen gesammelt haben, werden mir ohne weiteres zustimmen, wenn ih abrate, etwa einen solhen Weg be- treten zu wollen. Aber vom demokratishen Standpunkt aus halte. ih es für notwendig, daß über die Mehraufwendungen eines solden Lohn- tarifs das Parlament gehört wird, weil sonst das Etatêre{t des Parlaments geradezu illusorisch gemacht wird. Nun geht aber dia Nationalvecsammlung in wenigen Tagen auseinander. Sie sehen, es tritt dana ein Vakuum ein für den Abs{chÞ:ß des Lohntarifs, dessen Verhandlung jeßt gerade in Anociff genommen werden soll. Daß ein Lohntarif geschaffen werden soll, wie ih höre. für das ganze Deutsche NReich, für die gesamten Reichseisenbahnen, das ist ein außerordent- licher Fortschritt. Jch bin mir aber aub der Schwierigkeiten eines solhen Werkes durhaus %ewußt. Man wird nißt von heute auf morgen eine einheitlihe Linie in einer solhen Verhandlung finden können, aber darauf habe ich Wert gelegt, daß bezüglich der Mehr- aufwendungen, wie sie zunäbhst einmal für den Monat April und hernah weiterlaufend in den Lohnzushlägen gewährt werden sollen, Sie, meine Damen und Herren, Ihre Zustimmung geben müssen, auch insofern, als ja in den nähsten Tagen Sie die Neichsbesoldungs- ordnung, das Reichsbesoldungsgeseß, zur Verabschiedung bringen müssen, wo sie sih der finanziellen Tragweite nah den großen Kommissions- verhandlungen, wie ih glaube, {hon längst bewußt geworden sind.
Nun is} soeben hon erwähnt worden, daß bereits eine sehr leb« hafte Bewegung der Arbeiter sh bemächtigt hat, weil sie glauben, die Angelegenheit sei verschleppt worden, und daß in einzelnen Teilen Deutschlands bereits Teilstreiks eingetreten sind. JIch will die Ge- legenheit sogleich benußen, bei diesem Anlaß zu erklären, daß ein solhes Vorgehen wirklich die Aufhebung des demokratishen Staates bedeutet, wenn inmitten der Verhandlungen im Haushaltsaus\{uß der Nationalversammlung Mitteilung von dem Berichterstatter gemachGt werden muß, daß Teilstreiks bereits eingetreten sind. (Sehr wahr!) Das geht gegen die Wurzel des demokratishen Staates! (Sehr rihtig!) Jch würde es ablehnen, in jedem Stadium der Verhand- lungen mi von derartigen Teilstreiks leiten zu lassen. (Sehr richtig! Zuruf rechts: Das tun Sie aber doG!) — Jch will aber gleich be- tonen, ih mae keine Polemik, meine Damen und Herren, die Polemik auf diesem Gebiete ist unfruhtbar, wie es auch die Politik gewesen ist, die Sie gemaht haben. Jch lasse mich auf eine Polemik nicht ein. Jh würdige die Tatsachen, und diesen Standpunkt habe ih heute morgen {on in der Kommission vertreten. Will man die Lohn- zushläge geben — und wenn Sie die Lage des Lebensmittelmarktes und des Marktes der Gebrauchsgegenstände überschauen, so sind sie nah der Auffassung des Reichsverkehrsministers notwendig —, dann gebe man sie rasch, weil man damit auch einen politishen Zweck ver- binden kann, nämlich Ruhe und Ordnung in diesen großen Lebens« adern unseres Wirtschaftslebens aufrechtzuerhalten. Weil wir wünschen, daß hier rasch gehandelt wird, habe ich und hat die Regie- rung dringend gebeten, die Angelegenheit heute noch auf die Tages- ordnung zu sehen, damit wir niht von großen Wellen der Erregung, von neuen Drohungen geleitet, unsere Beschlüsse fassen müssen,