1920 / 86 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 23 Apr 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Politish gesehen i} es besser, man kommt zuvor, als man fommt zu spät.

Wenn die Zeit niht {hon so vorgeschritten wäre, würde ich aller- dings diesen Anlaß benußen, um Jhnen heute abend eine große Finanz- véde zu halten. Denn darüber sind wir uns doch klar, daß mit dem Vorwegnehmeén dieser Lohnzuschläge eigentlih die Politik auf finan- ziellem Gebiete für die nächsten Monate festgelegt wird. Darüber ist do kein Zweifel, daß durch die Zustimmung zu diesem Antrage der Haushalt des Reichs auf das empfindlichste beeinflußt wird, Jch schähe die finanziellen Konsequenzen mit dem Inhalt des Antrages selbst auf 25 Milliarden Mark“ mindestens. (Hört, hört!) Vorhin i schon erwähnt worden, daß die Reichspost damit für die Post- aushelfer und die für Telegraphenarbeiter berührt ist. Jch weise noch auf cinen anderen Betrieb hin. Die Heeresbetriebe, die dem Reichs- {akministerium unterstehen, werden durch den Antrag ebenso berührt. Deshalb ist der Saß aufgenommen: eine entsprechende Ermächtigung wird für die übrigen Zweige der Verwaltung erteilt. Mit anderen Worten: an den Finanzminister wird eine Blankovollmact erteilt,

aus dieser Preisrevolution in Bemessung der Löhne die nötigen Konse- -

quenzen zu ziehen. Damit wird unsere Finanzpolitik natürlih auf das empfindlihste berührt. Jch werde noch im Laufe dieser Woche oder am Anfang der nächsten Woche Gelegenheit nehmen, in einer umfassenden Darstellung über unsere finanzielle Lage zu Jhnen zu sprechen. J werde aufrichtig, ernst und würdig, soweit es in meinen Kräften steht, der Lage gerecht werden, um Jhnen zu zeigen, auf welcher Bahn wir uns bewegen und welche Notwendiakeiten wirtschaft- licher, politisher und finanzieller Art gegeben sind, die raschestens zur Ausführung kommen müssen, so rasch wie die politishe Entwiklung und die bevorstehenden Wahlen es zulassen. Jch bitte, diesen Saß zu unterstreichen: die Lage wird berührt durch die Wahlbewegung. Die politischen Parteien werden \ich, was die Frage der Einnahme- beshaffung angeht, zu Beginn einer Wahlbewegung sehr schwer ver- anlaßt sehen, das zu tun, was man bei einer ruhigen Entwicklung bätte tun Ffönnen, sofern man die nôtige Zeit dazu gehaht hätte. (Sehr richtig!)

Jch will weitere Ausführungen dazu niht machen, weil ih gesagt habe, daß mir die Polemik fern liege, daß nihts unfruhtbarer ist für die Entwicklung eines Landes, als in polemishe Streitigkeiten zu ver- fallen.

Jh bitte Sie, dem Antrage des Haushaltsaus\husses Jhre Zu- stimmung zu geben. Jch weiß, daß der Ents{luß {wer ist, Die finanzielle Gestaltung des Reichs ist trübe; Sie müssen dem wohl Rechnung tragen. Aber an einem werden Sie nicht vorbeikommen, den Männern, die in der Arbeit stehen, ihren Lebensunterhalt zu garantieren. (Bravo!)

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168. Sißung vom 22. April 1920, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitunasverleger.)*)

Ein Ersuchen des Reichsministers des Jnnern, den Abg. Dr. Mare ky (D. V.) im Disziplinarversahren wegen der Beschuldigung hochverräterisher Betätigung bei den Vorgängen im März in Untersuchung zu ziehen, wird dem Geschä}ftsord- nungsausschuß überwiesen.

Éin Antrag des Ausschusses für Wohnungs olitik geht dahin, die Reichsleitung U ersuchen, in den Los über die BaNteuns von Beihilfen aus Reichsmitteln zur Er- rihtung von A MANNNDSHRCHLL F: den Erzberg- bau dem Nied Boa gleichzusehen. r Berichterstatter Abg. D. Mumm (D. Nat.) befürwortet den Keues my dem Hinweis, daß für den Wiederaufbau Deutschlands die Förde- rung des Erzbergbaues notwendig sei.

Abg. O sterroth (Soz.): Im Kohlenberabau if die Woh- nungsfrage fast gelöst. Für den Erzbergbau sind Reichsmittel nicht êrforderlih, denn die erren vom Stahlwerkêverband baben gangenbe Geschäfte gemaht. Wichtiger ist der Kalibergbau, in dem he nungen fehlen, Wir beantragen, dem Erzbergbau die Vthazung des Wohnungsbaues aufzuerlegen und dabei den Kalibergbau mit Woh- nungen zu versehen. Die Mittel dafür dürfen aber nicht aus einer Steigerung der Kalipreise, sondern aus den Auslandsüberpreisen ent- ommen werden. Die daraus zu entnehmernden Mittel mien in der- selben Weise für Wohnungen verwendet werden wie im Kohlenberg- bau, daß die Arbeiter an dem Besiß der Wohnungen beteiligt sind. Auf diese Weise leisten wir der Crschließung unserer Bodenshäve Vorschuó und tun ein großes Kulturwerk unter der Parole: ein freies Volk auf freiem Grun

Reichsarbeitsminister Schlicke: Ih möhte mi nicht gegen die gestellten Anträge wenden , halte es «aber für nol- wendig, darauf hinzuweisen, daß die Ausführung der Anträge auf séhr große tehnishe Schwierigkeiten stößt. Von dem Herrn Vorredner ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die Grundlage unserer ganzen Erzeugung zunächst die Fördevung von Kohlen ist. Von der Förderung der Kohlen hängt aber auch die

Herstellung von Baustoffen ab. Es ist bei dem heutigen Sbande der

Baustoffwirtschaft gar nicht möglich, die Jnangriffnahme eines noch weiter ausgedehnten Progvamms in Aussicht zu stellen, sondern wir wollen herglih froh sein, wenn wir das Programm, das wir uns für den Steinkohlenbergbau gestellt haben, veibungslos durchführen können.

, D. ¿ : Ausf 14 / Abg. D. Mumm (D. Nat. Der ntiuß Fat HE Tax

ng mit dem von mir eingebrachten Antrag be , von \\

Lutter Seite wurde Ms Arten R D den Anträgen

leih diese Fraktion mit 8 Mitgliedern im Aus Es geht eh an, daß man jeyt plößlich pit wiégnees An lis und dak man ogar der erforderlichen

kommt hinsichtlich, der Cinbeziehung des | r m aka A 5 de is “Si m e die Situation Mittel \haffen will. Jh bitte Sie, nit, 0 alle haben N , uns gegen diese allzu e he Dldblide feiten zur Wehr au eyen E, die Ant in ride gen S mim nträge ni prochen seten, die Ansráge nd e sann man ven Beriht ax den Audsthuß verweisen. Wir stimmen dem Antrage Osterroth u. Abg. Winnefeld (D. V.): Der Erzbergbau leidet s{chwer unter der Kohlenteuerung, auch ihm muß man lfe kommen. An habe ih nichts dagegen einzuwenden, die Auslandsüberpreise zur ung dieser Ausgaben zu verwenden, aber wer bürgt uns r, daß B Veberpreise solange anhalten werden, bis der im i- und Erzbergbau durchgeführt 1}?

Der Aus\h! R wird mit Eins Mang des Kaliber, | Maß

baues und der Verpflichtung, die Mittel aus Mer zu entnehmen, angenommen. Der Gesegentwurf über Maßnahmen gegen den dl laterds den

Etat 04 ften

fun rid oueiBlag [

Es folaë die zweite Beratung des Reich5wah ls gesetzes.

 1 besagt: Reichstagswähler ist, wer am Wahltage Reichsangehöriger und 20 Jahre alt is. Jeder Wähler hat eine Stimme.

Berichterstatter Abg. Kabenstein (Soz.) gibt einen Ueber- blick über den Fnhalt der Vorlage und die Beschlüsse des Aus\cHusses. Er knüpft daran die Hoffnung daß das neue Wahlgeseß die Demo- fratie im deutsben Volke festigen werde.

Meine Damen uúund Herren! Jch begrüße 08 mit großer Genug- tung, daß die Vorlage der Regierung mit den Aenderungen, die G aus der Sachlage ergeben, in der Verfassungskommission einstimmige Annahme gefunden hat. Jh begrüße das mit solcher Genugtuung niht etwa deswegen, weil es uns der Notwendigkeit längerer Erörterungen überhebt, auß nicht aus der erflärlihen Freude des Urhebers dieses Geseheniwurfs darüber, daß seine Vorschläge im wesentlichen Annahme gefunden haben. Nein, ich begrüße es vor allem deswegen, weil ih daraus hoffe, die Ueber- zeugung entnehmen zu dürfen, daß der Wahlkampf nicht mit der Behauptung vergiftet werten wird, als wenn die Mehrheit der Nationalversammlung oder die Negievung versucht hätte, bei der Vor- lage und Durefbringung dieses Gesehentwurfs irgendeine Wahlkreis- geometrie oder irgendwelhe andere Wahlschiebung vorzunehmen. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.) Es ist bei der Leiden- \haftlichkeit, mit der die Wahlkämpfe in Deutschland geführt zu werden vflegen, und mit der bvraussichtlih auch der kommende Wahlkampf geführt werden wird, von außerordentlitem Wert, daß die Atmosphäre wenigstens von dem Vorwurf einer Wahlfälschung oder Wahlschiebung entaiftet wird. Wenn das also durch den einstimmigen Beschluß der Bevfassunaskommission und, wie ih hoffe, auch der Nationalversamm- lung, erreiht werden wird, so ist damit vieles gewonnen.

Nun gebe ih mich nicht der Ueberzeugung hin, als wenn der Ver- hältniewahlgesebentwurf, der Ihnen vorliegt, alle die Vöängel bes- seitige, die man in der Regel dem Verhältniswahlverfahren zuschreibt. s ist ein Los aller derjenigen Länder, die die Verhältniswahl ein- geführt haben, daß sie fast in jeder Legislatuvperiode sih mit der Frage von Verbesserungen an ihrem bestehenden Wahlgeseß zu unter- halten pflegen. Schließlich is das aber auch kein Beweis für die Schlechtigkeit dieses Wahlsystems, sondern ein Beweis dafür, daß maa mit der Verhältniswahl auf dem richtigen Wege is, und daß man nur im allmählihen Fortschreiten zu dem Jdeal eines Verhältnis- wahlsystems gelangen kann.

Soviel steht jedenfalls fest: auch das roheste Verhältniswahl- system krankt weniger an Ungerectigleiten als irgend ein Mehrheit- wahlsystem, und wir haben deshalb alle Veranlassung, an dem Ver- hältniswahlsystem festguhalten und es in gemeinsamer Arbeit mit einander auS8zubauen.

Wenn nun einer der wichtigsten Vorwürfe gegen das Verhältnis- wahlsystem häufig in dem System der gebundenen Listen gefunden wird, so kann ih demgegenüber nur feststellen, daß auch die gebundene Liste dem Wähler noch eine größere Aussicht bietet, einem Kandidaten seine Stimme zu geben, dessen Wahlaussichten irgendwie voa Betracht find, als das System der Mehrheitswahl, bei dem der Wähler zwar die Freiheit hat, jeden Kandidaten zu wählen, der ihm gefällt, bei dem er aber, wenn er nit einer großen Partei in seinem Wahlkveise an- gehört, überhaupt keine Aussicht hat, daß seine Stimme in angemessener Weise verwertet wird. Aljo auch das gebundene Wahlsystem, das ja jeder beträchilichen Minderheit die Védglichkeit erläßt, eine eigene aus- sichtslose Liste aufzustellen, gibt dem Wähler noch eine. größere Freiheit, alé das Wahlsystem der Mehrheitäwahl.

Von dem gebundenen Wahlsystem aber abzuweichen und die freie Listenwahl einzuführen, hatte außerordentlich große Bedenken. Es fühnut dazu, daß nicht wur ein Wahlkampf zwischen den verschiedenen Parteien, die getvennte Listen ausgestellt haben, stabtfinizet, sondern es führt dazu, daß auch noch innerhalb der Parteien ein erbivbeuter Wahl- fampf entsteht, indem jeder versucht, den Kandidaten, den die offizielle Pavtei an die Spitze gestellt hat, dur eine andere Persönlichkeit zu ersetzen, die nach ihver ganzen Art, nah der Herkunft, nach dem Beruf des Wählers sein größeres Vertrauen hat. Wir haben deshalb tvoß der Wünsche, die nah dieser Nichtumg von mancher Seite laut ge- worden sind, das System der fveien Listenwahl ablehnen müssen.

Dagegen bedeutet es, wie mir scheint, einen wesentlichen Fort- {ruht in der Technik der Verhälimiswahll, daß, wir uns entschlossen haben, von dem System einer künstlichen und schwierigen Errechwung des Wahlirgebnisses abzusehen und statut dessen jedon Abgeordneten für gewählt zu erfllären, der 60 000 Stimmen erhalten hat. Wir müssen aus der Verhältniöwahl ein Wahlrecht machen, das auch der Mann auf der Straße versteht. Wenn wir, wie das bei dor vorigen Wahl der Fall war, gang Deutschland sich mit dem Rechenstift noch twa eine Woche lang nah der Wahl hinsezen lassen, bis ondgültig festgestellt werden kann, wer denn gewählt ist, so ist das nicht gerade geeignet, das Jntovesse an dar Wahl, die Wahlbeteiligung und die Erkenntnis von der Gevedtigleit ‘des Wahlsystems zu sbeigern. Wenn wir dagegen deu übergehen, jeden für gewählt zu erfkären, ber 60000 Skimmon erhält, so erlangen wir ein volfätümsiches und leiht verstäntlliches

ja wir kommen, wenn ih bas als einen Vorzug bezeichnen

darf, dann auch weder dazu, daß wir am Abend der Wahl im Lage sein werden, Wahlsiege zu feiern (Zustimmung und Heiter- und zwar bei dem Umstand, deß bei der Verhälbniswahll nicht nur eine Partei gesiegt hat, im den meisten Fällen sogar sämtliche Parteien im allen Bezirken. (Sohr gut! und Heiterkeit.) Das scheint

:

Nichtig ift, daß bei dem System, bas auf 60.000 Stimmen inen Abgeordneten für gewählt orflärt, die Gesamtzahl der Abgeordneten

| von vormberein nit volllommen fixievt ift. Je größer die Wahl»

beteisigung, um so größer die Zahl der Abgeordneten. Immerhin

s{eimt mir darin fein duvdhsclagender Fehler tes Systems zu beruhen,

Wir werden bei gleicher Wahlbboieiligung auf die Ziffer von eiwa

470 Abgeordneten zu vochnen haben. Sinkt die Wahlbeteiligung wm

10 %, so wird die Zahl der Abgeordneton nichi über das bisherige hinausgehen

Es ist der Gedanke angoregt worden, bei dieser Gelogenheit die Zusi tor Abgeordneten für den Deutschen Neichôtag überhaupt zu ver-

mgern. Dem muß entgegengeholten werden, daß der Deutsche Neis, dag mit werkger als 500 immerhin noch eims der aller-

| feinsten Parlamenten aller europäischen Großstaaten ist. *) Mit Ausnahme der Réden der Herren Minister, die im Wort-

Nichtig mag sein, daß es bisher, namentli auch in der schwierigen urid überstürzten Arbeit der Nationalversammlung, nicht immer ge-

fungen if, bie riGtige Oekonomie in der Behandlung des Menstken

matertals, das die Nationalversammlung uns geliefert hat, zu geben,

daß wir mandmal überstürzt an einzelnen Tagen in geringer Menze haben arbeiten müssen und daß wieder an anderen Tagen die volle Zak; der Abgeordneten auch da zur Verfügung stand, wo kleine Ziffern ge- ngt hätten. Es mird eine der wichtigsten Aufgaben im neuen Reis. tag sein, daß Reichstag und Regierung sich über die Frage unterhelten, wie eine bessere Arbeitsteilung und eine bessere Zeiteinteilung für den Neichstag gefunden werden kann (sehr wahr! bei den Deutschên Dee motkraten), die es jedem ermöglicht, seinen Pflichten nadgugehen, ohne daß er fortwährend zu überstürzten Sitzungen Pplöhlih aus derjenigen Tätigkeit herausgerissen wird, die er sonst noch für si beansprutt, (Sehr ribtig!) Ich hoffe, meine Damèn und Herren, daß das qe: lingen wird, wenn wir wieder in normale Zeiten zurüdkgekehrt sind, Fn der Nationalversammlung war es bei dem Maß von Arbeit, das thr zugemutet worden war und das sie auch geleistet hat, niht möglich. :

Ich bedaure es, wenn wir bei det diesmaligen Wahl noch niht zu wirkli Heinen Wahlkreisen gelangt sind. (Sehr rihtig!) Aller« dinas bin ih der Ueberzeugung, daß die Vorlage der Reichsregierung, die kleine Wahlkreise vorsah, es aber den Parteien ermöaglihte, da, wo ein Wahlkreis für sie zu klein wäre, um einen Abgeordneten dur zubringen, mehrere Wahlkreise zu einem gemeinsamen zusammenzu« chließen, sich bei der Kürze der Zeit niht mehr hat durch{führen lassen. Für die Volkstümlichkeit der Verhältniswahl. wird es von un: gemeinem Belang sein, werm wir dazu gelangen werden, die Wahl» kreise zu verfleinecn und damit die Fühlung des Abgeordneten zu seinem Wahlkreis wieder zu verstärken. Die gegenwärtigen großen Wahlkreise machen es dem Abgeordneten fast zur Unmöglichkeit, wirklich ein ört- licher Vertreter seines Wahlkreises zu sein und sh in alle An- \{hauungen und Interessen des Wahlkreises so einzuarbeiten, wie es er« forderlih ist. Nach dem früheren Reichstagswahlreht war es de immerhin \o, daß jede Partei in jedem Wahlkreis einen Kandidaten aufstellte, der selbst ba, wo er nit gerade Aussicht hatte, gewählt zu werden, es als seine Lebensaufgabe ansah, die Stimmen, die für seine Partei in dem betreffenden Wahlkreise abgegeben wurden, allmählich zu stärken, bis er zum Schluß seines Lebens vielleiht auf einen Wahl- erfolg hoffen durfte. Dadurch ergab si eine intensive Arbeit und Auf- Tlärung in den einzelnen Éleinen MWahlkreisen, die heute bei den aroßen Wahlkreisen der Verhältniwahl, wo die gesamte Last auf wenigen Abgeordneten ruht, zu verschwinden droht. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokrates.) Je eher wir also zu kleinen Wahlkreisen zurückehren, je cher wivd es möglih sein, die Fühlung des Abgeord- neten mit der Wählershaft wieder aufzunehmen und Aufklärung nicht eiroa nur kurz vor den Wahlen, sondern dauernd in die Wahlkreise und damit in das Volk hineinzubringen.

Mir haben diesmal an der alten Wahlkreiseinteilung festhalien müssen, mit wenigen Ausnahmen, Es sind an einzelnen Stellen Härten beseitigt worden, niht immer, ohne daß dann wieder an anderen Stellen über neue Härten geklagt worden wäre. Im ganzen aber ist

es weder den Wahlbehörden novch den Parteiorganisationen zuzumuten ,

gewesen, bei der beshleunigten Wahl, wie sie jeßt vorgesehen ift, sih noch in eine vollfommen neue Wahlkreiseinteilung hineingugewöhnen.

Mit dem neuen Verfahren, nah dem auf 60000 Stimmen ein Abgeordneter gewählt ist, ist es verbunden, daß ganz von selbst die Neste, die in den einzelnen Wahlkreisen überschießen, größer sind, alé das bisher der Fall war. Schon bisher war aber in dem Umstande, daß erhebliche überschießende Reste den Parteien - verlorengingen, eine Ungeredtigkeit vorhanden, die aus der Welt zu bringen unsere Auf- gabe sein muß.

Das frühere System der verbundenen Listen war ein gewisser An- klang an die wenig beliebte Einrichtung der früheren Stichwahl, indem 08 den Wähler zwang, jedenfalls eventuell das Fleine Uebel zu wählen.

Es hat aber au niht den Erfolg gehabt, daß er die Stimmreste |

wirflih in allen Fällen verwirklichte. Eine solche Verwertung kann nur gefunden werden, wenn man die Stimmen nicht innerhalb des Wahlkreises, sondern außerhalb einer Verwertung zuführt. Aus diesem Gesichlöpunkie ist der Gedanke der- Reichsliste entstanden, die aber, wenn wir alle Stimmen, die in den eingelnen Wahlkreisen über 60000 oder 120000 usw. überschießen, ihr zuführen würden, eine zu große Argahl von Abgeordneten auf sich vereinigen würde,

Es ist deshalb der Gesichtspunkt des Wahlkreisverbandes in den Vordergrund gerückt worden, nach dem die übershüssigen Stimmen innerhalb der Wahlkreise noch einmal wieder innerhalb des Verbandes gesammelt werden und dort demjenigen Kandidaten zugute kommen, der die 60 000 Stimmen am nächsten kommende Stimmenzahl erreicht hat. Erst die übershüssigen Stimmen entfallen auf die Reichsliste, Es darf deshalb auch wohl von dieser Stelle aus betont werdet, daß eine Uebershäßung der Bedeutung der Reichsliste nicht angebracht ist, und daß es für keine Gruppe möglich it, eiwa nun die Führer ihrer Partei auf der Reichsliste anstatt in den einzelnen Wahlkreisen unterzubringen. Die Reichsliste kann nichts leisten, als besondere Härten ausgleihen und im übrigen dafür sorgen, daß überzählige Stimmen den Parteien nicht verlorengehen.

Mit diesem Charakter der Reichsliste wäre es aber unvereinbar, wenn kleine Gruppen, die in einzelnen Wahlkreisen und Wahlveröänden überbaupt niht die Bedeutung haben, um dort Kandidaten dur bringen zu kömten, nun mittels der Reichsliste in die Möglichkeit geset würden, einen oder zwei Abgeordnete in den Reichstag zu ent senden. Ein demokratisher Reichstag, der andere Aufgaben zu lösen hat, als etwa nur Reden zu halten, kann sich nit gefallen lasset, daß er dur eine solhe Bersplitterung arbeitsunfähig gemacht wird. Wie also auch na dem bestehenden Verhältniswahlrecht keine Möglih- feit gewesen wäre, solhe Fleinen Splitter in einzelnen Wahlkreisen durbgubringen, so ist auch nach dem künftigen Verhältniswahlrecht die Möglichkeit auszuschließen, daß solhe Splitter in den Reichsta hineingelangen. Die Vorkehrungen, die dafür getroffen sind, hat Ihnen der Herr Berichterstatter bereits angegeben. j

Id gehe nit auf die kleinen tehnishen Verbesserungen ein, dit mit dem neuen Reichstagswahlrecht verbunden sind. Ich weise nü! darauf hin, daß denjenigen Berufen, die bisher genötiat waren, infols? Abwesenheit vom Wahlort auf die Beteiligung an der Reihstagswat! häufig ganz zu verzichten, in Zukunft die Gelegenheit gegeben sein wird, auf Grund eines Wahlscheines zu wählen. Das scheint mir l! Grundsaß der ausgleichenden Gerehtigkeit zu sein, der von keinÒ! Seite Widerspruch erfahren wird. Z

Nun noch ein Wort über die Abstimmungsagebiete. Es liegt m! daran, die heutige Erörterung nicht in eine Debatte herabzuzichet die zu einer Entfabung der Parteileidens{chaften führt.

will de&wegen nur das eine Wort sagen: 1h bedaure, daß die Darlegung der ernsten Gefahren, die für die Ab- stimmungsgebiete und damit für. unsere Nation mit einem früheren hier eindringlih vorzutragen, nicht im ganzen Hause auf Verständnis gestoßen ist. Ich habe den Eindruck, als wenn sich jetzt bei unseren Beratungen in der Verfassungskommission bei allen Parteien die Grfkenntnis Bahn gebrochen hat, daß mit den Wahlen vor Erledigung der Abstimmung in den Abstimmungsgebieten ernste Schwierigkeiten und unter Umständen eine Gefährdung der deutschen Abstimmung in diesen Gebieten verbunden sein könnten. (Sehr richtig!) Wenn jeßt einmal gewählt werden foll die Gründe dafür habe ih Jhnen ja vor einigen Tagen auseinandergeseßt —, fo war es iedenfalls Aufgabe aller Parteien, sich auf einer Lösung zusammenzufinden, die diese Gefahren nah Möglichkeit aus\{ließt. Eine andere Lösung, als die ahlen in ganz Ostpreußen und Obers(lesien, und vielleicht, wenn die (Fntscheidung nicht rechtzeitig fällt, auch in Schleswig-Holstein, zu ver- tagen, hat allerdings innerhalb der Verfassunaskommission nicht gefunden werden können. Es ist natürlih eine unerfreulide Lösung, eine Lösung, die den neuen Reichstag zunächst in acwissem Grade als ein Rumpfparlament erscheinen läßt, aber immerbis eine Lösung, die die Gefahren, die in einer Ershütterung ‘der Siimmuna in den Ab- Ftimmungsgebieten durch die Reichstagswahlen lieaen, na Möglichkeit in den Hintergrund treten läßt. Würden wir in den Abstimmungs- gebieten wählen, so wäre damit für die Abstimmungsgebiete unverkenn- bar cine Entfahung der Parteileidenshaften verbunden. Würden wir in ihrer nähsten Nachbarschaft, also im übrigen Ostpreußen und Ober- \{lesien wählen, so würde auch das noch dazu führen, daß das Getöse des Wahlkampfes in die Abstimmungsgebiete laut hineinshallte und sich die ganze Parteileidenschaft, die in der Nahbarschaft geweckt würde, auf die Abstimmungsgebiete übertrüge. Nur dadur, daß wir das Abstimmungsgebiet sozusagen mit einem Sanitätsgürtel umgeben, ift 28 möglich, diesen Bezriff auf ein Mindestmaß zu beschränken. Wir wollen hoffen, daß unter diesen Umständen der Schade, der durch die Verfrühung der Wahlen angerichtet ist, nit allzu groß wird. Wir wollen hoffen, daß das laute Bekenntnis zum Deutschtum, das jene Gebiete mehrfah abgelegt haben, sih aub nah den Reichstagswahlen wiederholen wird.

Bedauerlich ift es, daß an den Reichstagswahlen Eupen-Malmedy und das Shaargebiet niht teilnehmen können. Die harten Bestimmungen des Friedensvertrags haben es der Regierung wie der Verfassungs- kommission zu einer Pflicht gemacht, auf den Versuch zu verzichten, hier entgegen den Bestimmungen des Fricdensvertrags eine Wahl berbe:zuführen. Wir wissen, daß diese Gebiete ihre Zugehörigkeit zum Deutshtum troßdem niht preisgeben werden. Wir sind davon überzeugt und versprehen den Brüdern im Saargebiet und in Gupen- Malmedy, daß, auch wenn ihr Gebiet im Reichstag nicht vertreten ist, troßdem überall da, wo es gilt, ihre Klagen und Beschwerden zu hören, ein aufmerîsames Ohr für sie vorhanden sein wird.

Mit diesen wenigen Geleitworten kann ih das Wahlgeset, das von feiner Seite beanstandet worden ift, Ihrer Beschlußfassung emyfehlen. Ih nehme an, daß, wenn die Verabschieduna des Wahl- gesetzes heute erfolgt, unter allen Umständen an dem vorgesehenen Termin des 6. Juni für die Reichstags8wahl festgehalten werden kann. Bis dahin liegt es mir ob, die Wahlen vorzubereiten. Ich hoffe, Sie werden mir glauben, wenn i erkläre, daß es meine Aufgabe ist, die Wahlen zu leiten, daß ih es aber von mir weise, die Wahlen zu machen. (Beifall bei ‘den Mehrheitsparteien.)

bg. S{midt- Sachsen (Tes): im faiserlichen Deutschland nannte man das NReichstag8wah recht das allgemeine und gleide Wahlreht. AlUgemein war es aber nicht, weil die Armen- unterstügung beziehenten Bürger von ibm ausgeschlossen waren, und von Gleichheit konnte man angesihts der ungerechten Wahlkreis. einteilung au nicht \sprehen. Eine der vornehmsten Bn afen de: Revolution is das Frauenwahlreht, ohne die Revolution hätten wir auf das Frauen- und das Verhältmäwahlrecht noch lange warten müssen. Der wirtshaftlih Schwächere wurde stets mit niederträchtigen Mitteln gezwungen, einen Wahlzettel abzugeben, wie er seinem Arbeit- geber genehm war. Der Anregung, im Abstimmungsgebiet Ab- geordne ernennen, wie es von deut chnationaler Seite vorges{lagen worden ist, können wir nit en, der Abgeordnete tus eben ge- wählt werden. Der Aus\ t Tag und Nacht hindurch gute Arbeit gele! stet, der Gesetzentwurf kann si in seiner eigen assung in allen Kulturländern sehen lassen; hoffen wir, das auch der Reichstag von sich sagen kann, nah diesem Wahlgesey gewählt

ird, Abg. Brodauf ): In letzter Zeit wird in der Deffont- lihkeit besonders L die (Fwaceseßten Plenarsitzungen der Nationalve samerig Lingewiosen, Demgegenüber muß betont werden, daß das Schwergewicht unserer Arbeit gegenwärtig in den Luglpüsen und in den Fr i n liegt, die vielfah während der Plenar- tagung stattfinden en. (Hört, bórt! rechts.) Jn gr erstaunlich kurzer Zeit if diese Vorlage so umgestaltet worden, sie nun berechtigten Ansprüchen gerecht wird. Auch die rechte Seite

sich überzeugen müssen, Rome ‘im Hinblick auf die Ab- immungsgebiete, daß es durchaus trifti ründe waren, die zu dem Plan führten, die Wahlen erst im Herbst vorzunehmen. Jeßt ist aber die Situation dur die unglaubliche Heße gewisser Kreise die Regierung und gegen die Mehrheitsparteien ein früherer Wahltermin notwendig geworden, die Situation wurde Mgen unerträglich. re Wahltermin is nun das kleinere Uebel, um jene j ge führung der öffentlichen Meinung abzustellen, Die Deu onalèn, die die Hinaus\chiebung der Lebensdauer der Nationalversammlung für verfassungswidrig erklärten, wollen nun bezügli der Abstimmungsgebiete selber eine Verfassungäwidrigkeit ins Gese aufnehmen. Wir sind uns alle darüber klar, daß dies nicht ein wird, das auf längere Dauer berechnet ise nah ihm wird wohl nur eine Parlamentswahl fiatt inden, man hätte es benennen fönnen „Geseß zur Wahl des ersten Reichstags . Es wird Aufgabe des künftigen Reichstags sein, das Verhä tniswahlsystem auszubauen und au Hinsichtlich der gebundenen Lisben neue Bestimmungen zu treffen. Es i n den

S

j iffst no a, daß der Reichstag sehr bald na Mahlen wieder zusammenitritt. Die pee he Reise unseves Volkes 4 fo eit addiehen baß man Lu ren wirb, bah olle Staatsbürger

ablpfliht r Erkenntms kommen wir alle r und Slaatbtrgerinmen es als vornehmste Pflicht ansehen, das Wahl- recht auszuüben. Fefler bos Berbälinidwahl

. Eichhorn (U. Soz.): Der F i rhältni8wahl- by liegt namentli darin, daß den Wählern die Beer n zum Irdneten verloren Die Listenverbindung in Wahlkrei8ver- bänden hat feine figung, in der gegenwärtigen Situation aber fönnen wir uns nit anders entscheiden, al3 dem Geseß zuzustimmen. Die vorhandenen Fehler des Gesehes müssen vom neuen Reichstag tesori abgolndert werden, nit erst, wenn seine Wahlzeit zu Gnde geht. ir verlangen, daß auch den Soldaten das Wahlrecht gegeben wird. Wir müssen die Soldaten der Neichswehr vom Einfluß der reaklio- nären Offiziere befreien, denen sie auch für Putsche ausgeliefert sind. Wenn die Reich8wehr unpolitish bleibt, dann wird sie zur Prätorianer- truppe der reaktionären Offiziere. Die Soldaten verpflichten si zum großen Teil zur zwölfjährigen Dienstzeit, sie verheiraten sich und haben {ließli einen Familienstand, deshalb muß man sie in das bürgerliche eben eingliedera, und man darf ihnen, da sie eine Art Beamtenstellung

einnehmen, nicht das Wahlrecht vorenthalter, Aub binsichtliß dek

| Untersuchung3gefangenen genügen -uns die Vorschriften des Geseßes

nicht. Wir stellen dahingehende Anträge, um wenigstens die gröbsben Fehler aus dem Geseß zu beseitigen.

Abg. Dietri ch (D. Nat.): Eine Bemerkung von mir im Aus- {uß ist dahin ausgelegt wordea, als ob wir reuige Sünder für die Hinausschiebung der Wahlen bis zum Herbst seien. Ich habe aber im Aus\c{uß lediglich mit Nücksicht darau], daß die Entscheidung über die Grenzfestsezung in Schleêwig-Holstein vielleicht nit allzu lange vor dem 6. Juni fallen würde, und daß die Abstimmung in Ostpreußen vermutlih am 27. Juni stattfinden würde, zur Erwägung anheim- gegeben, ob man nit die Wahlen um 14 Tage oder drei Wochen ver- ieben solle. Das ist doch ganz etwas andere3 als eine er 00a bis zum Herbst. (Sehr richtig! rets.) Als der Abgeordnete [d stein im Ausschuß es unternahm, einen Gesinnungswechsel bei uns fest- stellen zu wollen, habe ih dies sofort zurückgewiesen. Als der Minister im Ausschuß darüber sprechen wollte, hat ihm der Vorsißende sehr \harf gesagt, darüber sei nit zu disfutieren, der 6. Juni stehe fest. In bezug auf das Geseb selbst hat der Ausschuß eine zufriedenstellende Arbeit geleistet, uns gefällt nur nicht das Ende, daß He Marien sih aus dem dürftigen Reidhssädel uo eine große Anzahl Millionen für die Wahlkosten bewilligt haben. Das ist ein starker Schönheits- rfehler des Geseßes.

Abg. Kempkes (D. V): Wir meinen, daß dieses Wahlgeseß nah maren Richtungen nur provisorisch ist und den billigen Wünschen entspricht. Der Gedanke der kleineren Wahlkreise muß zurücktreten, da sih die Organisationen im Lande nit so {nell au die neuen Verhältnisse einstellen können, Die Verwertung der Neskstimmen nah dem neuen System bedeutet einen wesentlichen Fortschritt gegen- über der bedenklichen gebundenen Liste. Der allgemeine Fes Ges danke drängt dahin, die Wahlen möglichst bald auszuschreiben; das hat ja jegt überall Anklang gefunden. Nach dem Sinn der N»9tver- fassung ist die Nationalversammlung erledigt. Daß das Wahlgeseß nicht früher vorgelegt ist, ist SGuld der Regierung. Den einzelnen Bestimmungen des Geseßes wird man in wesentlichen zustimmen können, Eine Schwierigkeit liegt darin, daß die Neststimmen in den Abstimmungsgebieten bei der späteren Wahl daselbst niht mehr dem Wahlkreisverband, sondern der Reichsliste zufallen, aber das ist nit sehr bedeutend. Ich. halte es für angebracht, daß bei einer Sache, die jo sehr Sache des Reiches ist, die Parteien einen Beitrag zu thren Wahlkosten erhalten, nur follte man einen anderen Maßstab als den der abgegebenen Stimmen dafür finden. JIch habe mih gefreut über das Wort des Ministers, er wollte die Wahlen leiten, aber nit machen. Ich hoffe, daß dies nicht nur dem Worte, sondern dem Geiste nah au von allen seinen Organen restlos durckgeführi wird, und daß die Regierung mit dem nötigen Takt ihre Machtmittiel einsebt, daß eine freie Wahl im ganzen Reich gewährt ist. (Beifall rechts.)

_ Abg. S ch midt-Sacsen (Soz.): In der Notverfassung wtrd gesagt, daß die Nationalversammlung alle dringenden Geseße machen joll. Da3 Wahlgeseß früher einzubringen, war unmöglich. Der Ersabß der Stimmzettel?osten soll allen Parteien zugute kommen.

Abg. Wald stei n (Dem.) stellt nochmals den Vorgang im Aus- {uß ausführlib dar. Es fonnte sih nur darum handeln, ob die Wahlen bis nach der Abstimmung hinausgeschoben werden sollten. Von den Terminen der Mstimmung, die der Abg. Dietrich anführte, war damals noch nit die Rede. Die Rechte hat immer erklärt, es müßte am 31. Mai Schluß gemacht werden, es könnte nur vor der Heuernte oder im Herbst gewählt werden. Der Abg. Dietrich war von der Darstellung der Schwievigkeiten in den Absttmmungsagehbteten durch den Minister Koch überzeugt, daß doch wohl mit einer Wahl im Herbst gerechnet werden müßte. Die Herren wollten wohl die Folgen der ungemütlichen Situation, die sie im März selbst hevbei- geführt hatten, hinter einer patriotischen Aufwallung für die Ab- \timmungsgebiete zurücktreten lassen.

Präsident Fehrenbah erklärt, daß ihm diese Erörterungen gerade nicht mit dem Wahlreht im Zusammenhang zu stehen scheinen, und daß man sie den Wahlrednern im Lande überlassen könne.

bg. Fes (Zemtr.): Wir nehmen das Geseß in der Kommilssionsfassung an. Weilergehende Wünsche, die auch wir , müssen in der drängenden Zeit zurückgestellt worden. Unser Fraktions- vorsttzender hatte aber Recht damit, daß rir agen der Schwierig» feiten in den Abstimmungsgebieten vorzeitige Wahlen mcht vornehmen fönnen. Die Lösung aber, die die Kommission funden hat, wird in den Abstimmungsge ieten auf das freudiaste begrüßt. Wir betraten die dortige Bevölkerung nah wie vor als bere Bevölkerung, (Leb- hofte Zustimmung.) Die Polen wollen jeßt die Abstimmung hinaus- \chieben; erst waren sie ihres Sieges sicher, jebt aber sind sie eite haft geworden und wollen die Bevölkerung erst bearbeiten. Gleich nah der Abstimmung können wir auch nicht wählen, die Grenz- festsezung durch die Entente wird sich ebenso hinziehen wie in Swleswtg-Holstein. Die Bestimmungen ugunsten der Abstimmungs- ebiete in diejem Geseß werden dazu etragen, daß die deutsche inheitsfront daselbst, von den Sonio mokraten bis zu den Deutsch- nationalen, in keiner Weise erschüttert wird. Diese einmüti Ver- teidigung des Deutshtums dur alle Parteien gibt uns die ähr, daß diese Bestimmungen das ihrige zum Siege des Deutshtums beitragen werden. Die Reststimmen in den Abstimmungsgebieten werden nit allein auf die Neichsliste verrehmet, denn der Reichs» präsident ist ermächtigt, über die Verwendun dieser Neststimmen zu bestimmen; er kann also, wenn z. B. die |pätere Wahl in Ober- lesien und Ostpreußen gleichgeitig stattfindet, anordnen, daß die NReststimmen in Ostpreußen und Dhers- lesien gegenseitig zunächst den Parteien und dann erst der Reichsliste zugeschrieben werden.

Abg. Di etri ch (D. Nat.): Ich habe nux ungern den Vorgang in der Kommission nochmals erörtert und teile die uffassung des Prá- sidenten, daß wir dies den Wahlrednern im Lande überlassen können.

1 wird angenommen. u § 2 (Ausschließung vom Wahlrecht) beantragen die

die Mehrheits\ozialisten und die Unabhängigen, die Soldaten

niht vom Wahlrecht Get. cchließen. Die Unabhängigen be-

antragen ferner, die Untersuchungsgefangenen nichi vom Wahl- recht auszuschließen.

Abg. S midt - Sachsen (Soz.) lohnt den Antrag dex Un- abhängigen wegen der Untersubungsgefangenen ab, weil die Wahl- agitation nicht in die Gefängnisse getragen werden könne, und tritt für das Wahlrechzt ver Solvaten ein. Wenn man sage, das Heer müsse entpolitisiert werden, so würde das den Erfolg , daß das Heer von reaktionären Führern abhängig würde.

Abg. Haußmann (Dem.): Dafür, daß man den Soldaten das Stimmrecht gibt, spricht der Grundsaß der Busnahmölohgteit ffir alle Staatsbünger und dann die Tatsache, day das leßte Mal die Soldaten glei [ls das Wahlrecht halten. als fam aber ein

eer von illionen aus Feindesland zurück, es war zum er eil noch nit demobilisiert. Das Wahlreht war ein kleines Zeichen der außerordentlichen Dankbarkeit des Vaterlandes. t aber haben wir es nur mit einem feinen Bruchteil zu tun, der ni mehr aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgeht. Gibt man dem eere das Stimmrecht, so erlaubt man seinen A, nament- ich den Offizieren, in der. atio di fts wäre unzweckmä iq: ehr richtig!) gegenwärtigen oment dürfen wir nicht die Agitation in das Heer A , Das kleine Heer muß ein wirkli Bameradschaftli 9 ultes Voll- apboram der Regierung werden, Von diesem Gesichtspunkte aus nen wir die Anträge ab. e

Abg. v. G r äf e (D. Nat.): Meine Partei steht ählih zu dem Gedanken, daß die Politisierung der Armee für den Staat ver- derblih wäre. Als der politische Geift in unser altes Heer hinein- getragen wurde, trat die Zerseßung ein. Ein Teil meiner mde tritt der Vorlage bedingungslos bei. selber stehe auf dem Standpunkt, daß man unserm jeßi öldnerheer nicht zumuten kann, 12 Sahre lang auf alle politishen Rechte zu verzichten, da be- kommt man schwerlich das Material, das wir im sheer brauchen. Jebt, wo die Soldaten das Wahlreht haben, darf man es ihnen nicht nehmen. Bekommen wir die allgemeine Wehrpflicht wieder,

der Kaserne Agitation zu treiben, und dieser

ann muß die Politik unb somit bas Wahlrecht aus bem Heer ger

shwinden. / . Graf Pofadows ky (D. Nat.): 3G halte eine politisierte Arme finn eine Gefahr für jede Regierung, sei sie rot, schwarz oder

swarz-weiß-rot. Gerade in diesen ernsten Zeiten darf man sih nit zut allen Gebieten von parteipolitishen Ansichten leiten lassen, sondern sih zu einer höheren Auffassung emporsckbwingen und prüfen, was für den Staat unbedingt notwendig ist. Unserm jebigen Heere liegt die Aufgabe ob, die Ordnung im Lande aufrehtzuerhalten, und dazu ist die Entpolitisierung des Heeres unbedingt nötig. Die Reichswehr muß cin Organ in der Hand der vollziehenden Gewalt sein. Die Ereignisse der leßien Sei sind ein warnendes Beispiel, Wenn fich unser Heer darauf einläßt, Politik zu treiben und in die Staats- gewalt einzugreifen, so würden wir zu rag g wie in Sydnien, in Mittel- und Südamerika kommen. Für jede geordnete Regierung ist die Politisierung des Heeres cine Gefahr, namentlih aber bei den jeßigen parlamentarishen Zuständen. Der Vorrourf, die Rechte sei schuld an den Juniwahlen, darf jeßt niht mehr erheben werden,

a

da Regierung und Mehrheit si auf den gleihon Standpunkt gestellt haben. Daraus ecaibt fich, daß unsere Forderung eine demokratish berehtiate war. (Beifall rechts.)

. Reich8wehrminister Dr. Geßle r : Meine sehr verehrten Dámen und Herren! Sczon der bisherige Gang der Debatte hat gezeigt, taß wir uns alle der ungeheuren Wichtigkeit der Frage bewußt sind, die hier zur Abstimmung steht. Es handelt sich um einen Bruch mit allen Traditionen, die bisher in der Auffassung, die wir von unserem Heère hatten, im Hause herrsGend waren, Die Behandlung ter Saa leidet darunter, daß wir uns bei der Abstimmung über ein Wahl- gesey über die Frage zu unterhalien haben, wie es mit der Politik künf- tig im Heere zu halten sei. J beklage eé, daß das Wehrgesetz, das vom Kabinett einstimmig verabschiedet war, wegen der Abkürzung der Session Ihnen nit mehr unterstellt werden konnte. Darin war be- absichtigt, die ganze Frage grundsäßlich im Sinne einer Enipoliti- sierung des Heeres zur Entscheidung zu bringen. Da hätte sich ganz von selbst die Entscheidung ergeben, die Sie heute hier zu treffen haben. Entweder Sie wollen kin politisiertes Heer, dann müssen Sie auch die Wahlen für alle Parteien im Heeve freigeben; denn eine ge« wisse Abtemperierung nah der jeweiligen Mehrheit im Naxrlament ist ausge\blossen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demekraten.) I meine, darüber wollen wir uns einig sein: wenn Sie das Nechti der politischen Betätigung geben wollen, dann kann das nit abgestimmt werden nach den Bedürfnissen der jeweils herrshenten Mehrheit, gleich gültig, wie diese Mehrheit ist. Deshalb wäre es nötig gewesen, daß wir uns über die gange Frage der politishen Vereins- und Versamm- lungsfreiheit, die im Wehrgeseß zur Erledigung zu bringen aewesen wäre, vorher hätten entscheiden fönnen.

Noch etwas anderes wäre nötig gewesen. Damit, daß man dem Heere etwa das politische Stimmrecht ninant, ist die Sache nicht ab- getan. Auh das Heer kann und darf nit mundtot gemacht werden. Wenn schon dem Heere das aktive Wahlreht genommen werden mußte aus den Lebensbedürfmissen des Heeres heraus; dann war Jhnen zu- gleih der Vorschlag gemacht worden, eine Heereskammer zu \caffen, die beruben sollte auf dem allgemeinen Wahlreht, in dem das Heer in der Lage gewesen wäre, die Berufsfragen und die Fragen, die nun einmal zum Leben des Heeres gehören, in geordneter Weise dem Pars lament gegenüber zu vertreten.

Ich beklage es, daß mun die Frage hier zur gelegentlichen Ab- stimmung kommen muß, und daß dadurch hei der ganzen Stellung, die die verschiedenen Parteien des Hauses einnehmen, möglicherweise eine Zufallsentsheidung herauskommt; denn dazu ist die Sache chließlich gu ernst, als daß wir sie solchen Zufallsentsheidungen unterstellen dürfen.

S bellage die Sache aber auch aus einew anderen Grunde. Es mag sein, daß die Gntwidlung dozu führt, daß, wenn die Reichäwehr gefestigt ist, wenn sie aufgebaut ist, wenn der innere Ausgleich ge- ichaffen ist, dann au vielleicht die Froge des politishen Wahlrech:8 eine ganz andere Stimmung im Hause vorfinden würde als im gegen- wärtigen Augenblick, wo sich die Reichswehr, das ist kein Geheimnis, noch in einer sehr s{weren Krisis befindet und wo nunmehr dur ten gxgen Wahllampf wiederum diese Kriss verlängert würde.

(Siner der Herren Vorredner hat darauf aufmerksam gemacht, daß troy aller Erlasse dvaußen immer noch Maßregelungen vorkommen. Das ist durchaus richtig; der alte Gegensaß zwischen Erlassen und An- ordnungen einerseits und Vollzug anderseits spielte natürlich auc bei uns seine Rolle, und es wird noch einige Zeit dauern. bis die Drähte zu den äußersten Stellen hinaus funktionieren. Jh befürchte, daß de3halb- au jeßt, wein die Reichswehr eiwa in diesem gegenwärtigen Zustand in den nächsten Wochen wählen sollte, Sie daun, sovald Sie zusammenkommen werden, si niht nur über den Kapp-Putsch wieder wie bisher zu unterhalten haben, sondern daß dann auch das Kapitel der Wahlbeeinflussung eine neue Rolle spielen wird, die es verhindert, daß die Reichswehr zu dem kommt, was sie untex allen Umständea haben muß, wenn sie gesunden soll, zu einer gewissen Ruhe. (Sehr wahr! bei den Demokraten.)

Jcch muß Sie deshalb dringend bitten, es für heute wenigstens bei dem Entwurf ‘der Regierung zu lassen und der Reichswehr wenigstens für die kommende Wahl das aktive Wahlrecht nicht zu geben. Dafür sipreden auch eine ganze Reihe von praktishen Gründen. Ein großer Teil der Truppen ist zurzeit gar. nicht in der Garnison. Die Truppen slehen teilweise noch im Ruhrgebiet, sie stehen an der Ostgrenze, Es ift zurzeit eine starke Bewegung in der Reichêwehr aus einer ganzen Reihe von Gründen im Gange, und son aus diesem Grunde wird der Vollzug des Wahlgeschäfts die größten Schwierigkeiten mit sich bringen. Dann aber ist auch das Verhältnis zwischen den Vorgeseßten und den Angehörigen der Wehrmacht heute micht so, daß wir es ers tragen könnten, daß neue Konfliktsstoffe hineingetragen werden.

Man kann auch nicht sagen, daß der Neichswehr das Wahlrecht genommen wird; denn das, was voriges Jahr im Januar zur National» versammlung gewählt hat, war überhaupt kein Heer mehr. ‘(Sehr richtig! bei den Demokraten.) Damals bestand auch die Reichs- wehr noch niht. Es ist interessant, daß bei einer Abstimmung, die der Bund der Berufssoldaten vorgenommen hat, das aktive Wahlrecht für das Heer mit erdrüdender Mehrheit abgelehnt worden ist. (Hört, hört!) Sie mögen daraus ersehen, meine sehr verehrien Damen und Herren, daß auch die Reichêwehr selbst in diesem Vertretungs- Pörper wenigstens im Augenbli das Wahlrecht micht will, weil gerade die Herren, die“in der Truppe sind, wissen, wie außerordentlich heikel und puekär dort die Situation im gegenwärtigen Augenblick ift,

Freilich etwas anderes wird nötig sein, Da das Wehrgeseß jeßt nicht verabschiedet werden kann, habe ih vor, {on in den nädsten Tagen die Wehrkammer einstweilen durch Verordnung einzuführen

so daß auch in dieser öffentlich-rehtlichen Vertretung dem Heere Ge-