1920 / 89 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Apr 1920 18:00:01 GMT) scan diff

werden. Das ist der Sinn der neuen Zeit, daß dur die Anerken

nung der Bedeutung der Arbeit und der Träger der Arbeit eine ganz andere Wertshäßung der Persönlichkeit des Arbeiters, auch des ein- fahsten Mannes erzielt wird, als dies vor noch nit langer Zeit Der Besiß tritt in seiner Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft zurück, die Arbeitswerte dagegen steigen in

der Fall gewesen ist.

gewaltiger Weise.

Das ist mchts anderes als ein volkswirtshaftlißer Ausdruck für die ungeheure Bedeutung, welche der Arbeit für den Wieder-

aufbau an sich zukommt.

: Mir sind in einer Wirtschaftsrevolution begriffen, davor wollen wir doch die Augen nicht verschließen und auf das Wollen kommt

es an, wenn man da niht begreifen will. Jn mancher Hinsicht liegen die Dinge ähnlich wie in der Zeit, da in den mittelalterlichen Städten die Herrschaft aus den Händen der Patrizier in die Hände der Handwerker überging, weil damals das Handwerk eine immer ftärkere Rolle für das Wirtschaftsleben der Städte zu spielen be- gann. Deshalb seßte G s{ließlich der Handwerkerstand gegen- über den herrschenden Patrizieren durch, und so seßt sih heute das arbeitende Deutschland gegenüber dem fkapitalistishen Deutschland von gestern durch, weil eben die gesamten Lebensbedingungen des Volkes auf die Arbeit gestellt sind. :

Aber es darf auch keine Uebershäßung, kein Mißbrauch dieser neuen politishen Macht erfolgen.

Wenn ih zusammenfassen darf, dann sind unsere Auw n i der nächsten Zukunft die folgenden, 4a

Erstens. Finanzpolitish ist es dringend notwendig, Klarheit über die Forderuncen der Entente zu erhalten. Erst dann kann eine gielsichere Finanzpolitik in Deutshland einsezen. Daß dabei die Forderungen der Entente sich in einem Nahmen halten müssen, der bolkswirtshaftlih erträglih ist, sollte für Menschen, die Vernunft haben, nicht mehr näher begründet werden. Denn wird die Leistungs- grenze überschritten und damit die deutshe Volkswirtschaft ruiniert, so schlägt das selbst wieder zum Schaden der Gegenseite aus. Die Folgen für ganz Europa, ja für die Weltwirtshaft müßten einfach katastrophal sein.

Zweitens. Die Anleihepelitik im Inneren muß sobald wie möglih auf neue Grundlagen gestellt werden. libation der sdwebenden Schuld ist die Losung für die kommenden Monate.

Drittens. Die internationalen Kreditverpfkißtungen müssen wieder angebahnt werden. dann müssen wir sorgen, entsprechende Sicherungen zu schaffen, Der wilde Ausverkauf von deutschen Werten, besonders von Grundeigen- tum ist meines Erachiens kein Mittel, um unseren Kredit zu stärken. (Sehr wahr!) Wir müssen dabei immer vpn der Tatsache ausgehen, daß die Einfuhr von Nohbstoffen und Lebensmitteln lezten Endes durh reale Gegenleistung, dur deutsche muß. Das Ziel muß also sein, mögli ein Gleichgewicht zwischen Einfuhr- und Ausfuhrwoerten herzustellen.

Dazu ist notwendig viertens die Vermeidung aller Ver-

\{leuderung deutsher Waren. Es ist ein toller Widerspvuch, daß in |

einer Zeit höchster Wirtschaftsnot die deulshe Erwerbswelt monate- lang die Waren ins Ausland verschleudert hat. | Wollen wir zu dem eben genannten Gleichgewicht kommen, so Heißt es fünftens: Vermeidung jeder unnötigen Einfuhr, Hebung der Ausfuhr, besonders in den Fertigprodukten, höchstmöglihe Cnb« | wicklung der inneren Produktion. ; Secstens. Das kann unter den heutigen Verhältaissen nicht |

Möglichste Konso- |

Wenn wir größere Kredite haben wollen, |

i j Bedarfs nur zum geringen Teil möglih war und die Tätigkeit des Arbeit, bezah i \ ger Ld) ; die Tätigkel ; eat werden | Sigates in der Hauptsache sich auf eine gerechte Verteilung der zur

/ Verfügung stehenden Mengen beschränken mußte.

ÿ ergänzen.

und Wirtschaftsfragen nicht geregelt werden. (Sehr richtig!) Verzweiflung, gegenseitige Anerkennung des guten Willens, wo ein guter Wille ist, da wird sich auch ein Weg finden. Bravo bei den Mehrheitsparteien.)

zusegzen.

Neichsminister für Hermes: Meine Damen und Herren! eines besonderen Ministeriums für

wirtschaft, durch Erlaß des Herrn

Ernährung und Landwirtschaft Bei der Ernährung und Neichspräsidenten

die Lebensmittelversorgung unseres Volkes nur dann allmählih ge- bessert und dauernd gesichert werden kann, wenn der landwirtshaftlihen Produktion die fkräftigste Förderung zuteil wird. Das neue Ministerium unterscheidet sh daher wesentlih von dem im Septem- ber v. J. mit dem Meich8wirtshaftsministerium vershmolzenen früheren Meichsernährungsministeriuum, das aus dem im Mai 1916 gegründeten Kriegsernährungsamt hervorgegangen war und im wesent- lichen die Aufgabe hatte, die Erfassung und Verteilung von Lebens- mitteln sowie Rohstoffen und anderen zur Lebensmittelversorgung er- fordenlichen Gegenständen zu regeln. Eine planmäßige Fürsorge für die landwirtschaftliche Produktion durh das Neich begann erst Ende 1918 mit dem Ausbau der landwirtschaftlichen Sektion, späteren land» roirtschaftlichen Abteilung des Neichswirtschaftsministeriuums, die jetzt mit den bisherigen beiden Ernährungsabteilungen des Reichwirtschafts- ministerums von diesem abgetrennt und mit ihnen zu dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft vereinigt worden ist. Daduvh sind nunmehr Volksermnährung und landwirtschaftlice Produktion, die ein- ander innerlich bedingen, auch in ihrer behördlichen Regelung in eine enge organishe Verbindung gebvaht.

Menn das frühere Reichsernährungsministevium sich auf hie Be- | wirtschaftung der vorhandenen Lebensmittel beschränkte und sich im j allgemeinen der Einwirkung auf die landwirtschaftlite Erzeugung | enthielt, so ift dies aus den Verhältnissen des Krieges zu erklären, ! welche eine zielbewußte Förderung der landwirtschaftlichen Produktion | außerordentlich ershwerten. Der ungeheure Bedarf des Heeves und 1 der Marine sowie die Blokade hatten einen folhen Mangel an Noh-

stoffen und Betriebsmitteln zur Folge, daß beispiel8weise auf dem j wichtigen Gebiete der Düngemittelversorgung die Befriedigung des

y

Obwohl auch heute noch die Beschaffung der notwendigen Betriebsmittel die größten Schwierigkeiten bereitet, i doch jeßt die Möglichkeit wieder her- gestellt, ihre Produktion im Inlande planmäßig zu steigern und durch Einfuhr, zum Beispiol von Phosphaten und Kraftfuttermitteln, zu

Die Förderung der lkantwirtsckaftlicen Produktion muß die wichtigste Grundlage der Tätigkeit des neuen Ministeriums fein, gerade auch im YJuteresse der Velk3ernährung, in deren unbedingter Sicherung id meine vornehmste Aufgabe erblide.

gesehen; wenn jeder nur seinem eigenen Interesse folgen will, aber- niht das Interesse der Gesamtheit beachten will. Zie!bewußte energishe Wirtschaftêpolitik, eine geregelte Wirtschaft ih will kein weiteres Wort gebrauchen ist darum in Deutscslland unbedingtes ; Erfordernis. j

Siebentens. Diese Wirtshaftspolitik muß Produktions- * politik sein. Produktionspolitik muß sie sein. Und ih will das Wort „Produktionspoliti k“ zum dritten Male den Annalen der Geschichte der Nationalversammlung eirwerleiben. Da- j durch wird dann auch am raschesten die NRationierung@politik des ! Krieges entbehrlich werden.

Achtens. Die Produktionspolitik darf keinen einzelnen Zweig ! der Wirtsckaft begünstigen gegenüber einem anderen. Sie muß von ! unten, von der Grundlage des Wir!shaftslebens aufbauen. Sie muß vor allem fih stüßen auf die Bodenschäße und quf die Landwirtschaft.

Wir dürfen nit weiter Deutschland aufessen, wie es bisher tatsächlich : der Fall gewesen ist.

Neunten®s, Zur rashesten Förderung unserer Produktion sind | alle diejerigen Organisationsformen, die einen höheren wirtschaftlichen Nußeffekt versprechen und die sich zum Teil ckon in der freien Wirt- {haft langsam auszubilden begonnen haben, zielbewußt auszubauen.

Zehnten s muß in Verbindung damit soweit es nötig und volks- wirtshaftlih wichtig ist, die Finanzpolitik gebracht werden.

Elftens. Mle diese Maßnahmen würden eine Hebung unseres Geldroerts zur Folge haben und eine Stabilisierung desselben erleichtern. Dieses Ziel ist eines der wichtigsten, das wir zu erstreben haben. Dur finangpolitishe Maßnahmen wird es auf die Dauer nicht zu erreichen sein; Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik müssen deshalb Handin Hand gehen.

Zwölftens. Die Verfolgung aller dieser Ziele seßt voraus, daß wir unseren besten uns verbliebenen Schaß, unsere Arbeitskraft, nüßen nac der quantitativen und nah der qualitativen Seite. An allo ergeht der Ruf: Es darf keine Arbeitsmöglichkeit in Deutschland brach liegen. Es gibt keinen Zauberer und auch kein volkswirtschaftliches Lehr- \ystem, welches die Arbeit erseßen kann. Nur in der Arbeit liegt die Rettung. Wir dürfen nicht vergessen, daß nahezu 2 Millionen der tüchtigsten Arbeitskräfte auf den Schlachtfeldern geblieben sind, teren Leistung muß das übrige Volk erseßen. Gemeinsame, geschlossene, pflidttreue Arbeit aller Volksgenossen an dem Aufbau in finan- gieller und in wirtschaftliher Hinsicht soll unsere Losung sein. Dieser Dienst, dieser Arbeitsdienst mit der Hand und mit tem Geist, dieser Dienst am Volke ist wahre Demokratie. (Sehr rihtig! im Hentrum.) Es i} kein Anlaß für uns geboten, zu verzweifeln. Der Berg, der sich vor uns auftürmt, ist gewiß hoh. Ein guter Wille führt zum Ziel, zum Gipfel, und ein guter Wille führt auch zur Rettung. Und zu diesem Rettungswerke, meine Damen und Herren, rufe id die Nationalversammlung in den lehten Stunden ihrer Arbeit auf. Rettung am Volke in finanzieller, in politisher Hinsicht ist die Hauptaufgabe, die es vorzubereiten gilt in. dem großen nun be« ginnenden Wahlkampf. Aber auch das Wirtschaftsleben das sollte

i Naubibau verarmt.

| ertrages auf unter % der durdshnittlihen Friedensernte, die Kartoffel-

Erzeugung kommt noch der {were Verlust, den die Abtrebumg wichtiger Uebers{Gußgebiete für die Lebensmittelversforgung des deutschen Volkes bedeutet, Besonders Posen und Westpreußen waven für unsere Ge- treide-, Kartoffel- und Zukorversorgumg von großer Bedeutung. Außer- dem ist cin verbängnisvoller Eingriff in unsere Viehbestände dur dee uns ohne Nüksicht auf unsere dringendsten Bedürfnisse auferlegte Ab- lieferung von Vieh an die Entente notwendig gervorden. Die überaus barten Friedentbedingungen erfckweren also unferen wirtschaftlichen Aufbau cutch auf dem Gebiete der Aandwirts{aft und der Volks- evnährung außerodentli.

Die Einfuhr von Lebenêmitteln ist nur ein Notbehelf (sehr wcihr!), da sie die deutshe Volkêrwirtischaft auf das shroerste belastet. Vorx dem Kriege waren die dem Auslande für die eingeführten Lebens- und Futtermittel zu zahlenden Beträge mit Leichtigkeit aufzubringen. Die ungeheure Verarmung unseres Volkes durch den Krieg und die unglücklien Fricdensbedingungen zwingen uns aber, uns in unserer Versorgung so weit als möglich vom Ausland unabhängig zu machen; so wird die Erhaltung und Jntensiwvierung der heimishen Landwirt- {haft zu einer der wichtigsten Vorbedingungen für den Wiederaufbau unseres Wirtschaftslebens.

Zu der durchgreifenten Hebung der landwir\{aftlihen Produktion auf den früheren FriedenAstand und darüber hinaus bedarf es langer intensiver Anstrengungen, Unter dem Einfluß des Krieges und des darauf folgenden allgemeinen wirtschaftliten Niedergangs hat die Land- wirtschaft {weren Schaden erlitten. Gebäude, Viehstand und sonstiges Inventar sind hervuntergewittschaftet, der Boden ist durch jahrelangen Die Gesamternte an Getreide i} infolge des Anbaurückgangs und vor allem der Verminderung des Durcschnitts-

ernte auf weitiger als die Hälfte gesunken. (Hört, hört!) Die Zuker- rübenkultur, die wegen ihres Einflusses auf den gesamten Betrieb einen Maßstab für die Intensität der Landwirtschaft darstellt, hat einen folhen Rückgang der Anbaufläche und des Ertrages erlitten, daß unsere Zuckergewinnung heute kaum den dringendsten Bedarf unserer Be- völkerung zu deen vermag, während Deutschland vor dem Kriege das bedeutendste Zuckevausfußhrland war. Der Rindviehbestand verminderte si aemäß den Novemberzählungen von 1913 und 1919 um 12,3 %, der Scweinebestand um 50 %; gleickgettig sark das Durhschnitts\schlacht- gewicht infolge der mangelhaften-Ernährung des Viehes um 40—s50 %. Jm Frieden deckte die Schweinezuht fast zwei Drittel des Fleischs bedarfs der Bevölkerung; heute beruht die städtische Fleisckversorgung fast gang auf dem in sciner Leistungsfähigkeit außerordentlich zurüd- gegangenen Nindviechbestand. Der Mangel an Kraftfuttermitteln verursachte ferner einen Rückgang des durshnittlicen Milckertrages der Kühe bis zum Jahre 1919 um ungefähr 60 %; außerdem wurde die MilEgewinnung noch dadur beeinträchtigt, daß die Fleischnot teilweise zur Abschlacbtung guter Milchkühe zwang. Die Verminderung des Viohbestandes und der Mangel an Futtermitteln hatte auch einen entspre&Senden Ausfall an animaliskem Dünger zur Folge.

Zu diesem außerordentlichen Rückqana dor landwirtbschaftlichen

- f in Deutschland keine Neuigkeit sein, das müßten auch die verstehen, die unsere politischen, vielleicht auch unsere wirtshaftli6en Gegner sind —, auch das Wirtschaftsleben hat seinen moralishen Kern, und ohne Wiedererweckung des moralishen Sinnes können auch Finanz- Keine

und (Lebhaftes

M Zum Notetat ist ein Antrag Dernbur g eingegangen, für Errichtung einer wirtschaftlichen Abteilung für Volks- bildung an der Universität Frankfurt a. M. 500 000 ein-

Dr. Errichtung Land- vom 30. Mörz d. J. ift die Neicßsrogievung von der aus der heutigen Grnährungslbage sich zwingend ergebenden Erkenntnis auêgegangen, daß

__ Solange die Wiederherstellung der früheren Produktivkraft unserer Landwirtschaft nicht erfolgt ist, sind wir besonders ¿m gegenwärtigen und im nächsten Wirtschaftsjahre auf einen erheblichen Zuschuß von Lebensmitteln aus dem Auélande angewiesen, um unserem Volke eiae einigermaßen ausveihende Ernährung zu sichern. Gestatten Sie mir, hierbei eimige furze Darlegungen über den gegenwärtigen Stand und die Aussichten unserer Lebensmittelversorgung.

Die Lage der Lebenêmittelversorgung gab vor einigen Monaten zu ernsten Befürchtungen Anlaß. Die daraufhin ergriffenen Maß- nahmen haben jedoch eine wesentlice Besserung bewirkt, und es be- steht die begründete Hoffnung, daß es gelingen wird, auch über die kommenden, erfahrungêgenräß in jedem Jahre besonders \ckchwierigen Monate hinweazukommen.

Besondere Besorgnisse erweckte Ende des vergangenen Jahres ie Breotversorgung. Durch die Einführung von Lieferprämien und dur die Bereitstellunag von Druschkoble sind aber die Getreidelicferungen für die öffentliche Hand erbsht worden. Die Bestände und Eincänge der Neicbsgetreidestelle sind gegenwärtig verbältni2mäßig befriedigend. und auf Grund von Verfandlungen der Meibsaetreidestelle mit ten Kommunalverbänden und der organisierten Landwirt\{aft bestebt die begründete Hoffnung, deß aus den noch erfaßbaren Vorräten der eitt- heimishe Bedarf no& für einige Zeit gedeckt werden kann. Die weite-e Versoraung der Bevölkerung bis zur Ernte wird aber nur mit Hilfe einer fehr erheben Ginfußr möch fein, besonters da im Sni die Ausgcehbe von Mebl als Ersaß für die dann berabzusehende odor cilt8- fallende Kartoffelration notwenbig fein wirb. :

Es ist Vorsorge getroffen, den bis zum Beginn des neuen Wirt- schaftstahres si ergebenden Bedarf dur& Einfubr zu deken.

Ein wenig erfreuli®es Bi!d bietet die Kartoffelversorgung. Von den dur die Neichskartoffelstelle auferloaten Lieferungen ist bis Ente März erst rund die Hälfte geliefert Wieviel von den rücksländigen Mencaen noG cinqebracht wird, läßt G! beute noch nit übersehen N Für die Versorgung in den kommenden Monaten müssen neben den Inlandslieferungen auch weiterhin die ausländisGen Kartoffeln heran- gezogen werden. i

Bei der Fleisbwversorgung bleibt leider die öffentlike S{ladtvieh- aufbrinqung hinter der ausgcschriebenen Umlage erheblich zurü und die Zuteilung der bescheidenen Fleischralion an die versorgungsberectigte B-wölTeruna kann nur dur fehr bedeutende Einkäufe von auslöndi\kem Vieh und Fleisch einigermaßen aufreGterHalten werden. Bis gegen S&luß des vergangenen Jahres war die Aufbringung befriedigend, weil das Schlachtviehangebot im Herbst aus natürlihen Gründen stets am größten ist und außerdem sich im vergangenen Herbst in ver! Hiedenen Gegenden, besonders in Siüddeuts{kland, ein starker Futtermangel geltend machte. Der in den ersten Monaten des Jahres regelmäßig eintretende Nülgang der Anlieferung war æbèr in diesem Jahre bes sonders stark, teils wegen der vorhergegangenen starken Ablieferung, dann aber aud besonders wegen der Unzufriedenheit der Landwirte mit mit den Schlachtvießipreisen und der Neaelung des Häuteerls\es. Eine Besserung darf im Laufe des Sommers und von der Angleichung der Viehpreise an die gestiogenen Erzgeugungskosten erwartet werden.

Mit großen Schwierigkeiten het auch die Milch» und Sipeisefett- versorgung zu kämpfen. Der in der Presse für den Winter 1919/20 vorausgesagte Zusammenbrucch i allerdings niht eingetreten. Fin Gegerrtei!! ist es gelungen, die MilÆwersorgung teilweise gegenüber detn Vorjahre sogar zu verbessevn. Z. B. stieg in Berlin die Deckung des Milnotbedarfs von 73,6 % im November 1919 in den folgenden Monaten stetig bis auf 105,3 % im Februar und überstieg damit bas Verhältnis vom Februar des vorigen Jahres sehr erbeblich. Aehnlich ist auch in einer Reihe andever Städte eine Besserung eingetreten, während in vielen Orten die Defung im Februar 1920 gegenüber Februar 1919 sich zwar mt verbesserve, aber auch feine Verscbilechieruna erfuhr.

Die Verbesserung der Milchversorgung wurdo vorx allem bewirkt durch eine den gestiegenen Erzeugungsfosten folgende Preiägestaltuna und dur die Ueberweisung von Futtermitteln (Kleie und Oelkuchen). Ferner wurde eine größere Frishmülcliéferung aus den Uebershuß- gebieten durh Zuweisung von Speisefetten erzielt und Frischmil aus Holland nach dem rheinish-westfälisten Industriegebiet sowie aus Danemark nach Berlin und den Großstädten Mitteldeuts{lands ein- geführt.

Die imländishe Buttererzeugung ift erheblih zurückgegangen. Dies Hat seinen Grund nicht nur in der geringen Milcherzeugung, \onderm vor allem darin, daß große Buttererzeugungsgebiete vom Reiche ab- getrznnt worden sind, Die Buttererfassung war ferner vielfa unzu- reichend.

Um die zurzeit vorgeschriebene Wochenration von 100 Gramm Speisefett nebst gelegentlichhen Sonderzuweisungen ausgeben zu fönnen, ift die Manrgarineproduktion erheblih gesteigert worden, wofür eine starke Vermehrung des Einkaufs von Nobstoffen im Auslande not- wendig tar.

Auf einen ershredenden Tiefstand ift die deutshe Zuckererzeugung gesunken. Die Folge ist eine {wer empfundene Einschränkung des ein- heimischen Zudecverbrauches.

Würde in den uns verbliebenen Zuckerrübengebieten der Anbau wieder auf die Héhe der Friedenszeit gebracht, so könnte die bann wioder möglihe Zuckergau@uhr für die Gesundung unserer wirtscaft« sichen Verhältnisse von der größten Bedeutung werden. Die Schwierig teiten liegen vornehmlih auf dem Gebiete der Kunstdüngerversorgung, der Avbeiterfrage und der Zuteilung von Kohlen an die Zuderfabriken. Sie müssen und werden allmählih überwunden werden. Zusammenfassend ist über den Stand unserer Ernährung zu sagen, daß in Brotgetireide der Bedarf der nächsten Monate dur Erfassung der noch vorhandenen einheimischen Vorräte und durch Einfuhr sicher- gestellt wird. Die Kartoffelversorgung wird Einschränkungen und Unter- brechungen evleiden; soweit als möglich, soll der Ausfall durch Einfuhr

ausländischer Frühkartoffeln und durch Zuweisung von Mehl gedeck

werden. Für die Milchversorgung ist eine Besserung durch die bevor- stehende Weidezeit zu ermarten.

Durch das in diesen Tagen abgeschlossene zweite Lebenêmittel- und Kreditabkommen mit den amerikanisden Packerfirmen sowie durch ähnliche Verträge mit Holland und Norwegen wird die notwendige Einfuhr besonders für unsere Fleish- und Fettversorgung auf längere

Zeit sichergestellt. Für den Wiederaufbau unserer Viehwirtshaft wer den sie eine wesentlide Erleichterung bringen. Die dadurh bewirkte Schonung des heimischen Viehbestandes is von um fo größerer Be- deutuna, als in den Monaten April bis Juni die Schlachiausbeute der im Inland ges{lachteten Tiere wegen ihres \{le{chten Ernährungs-

_zustandes besonders gering ist (sehr richtig!), während der Weidegang

cine bessere Verwerhung der Tiere în den späteren Monaten ermöglicht. Ferner ist auf sehs Monate für die Einfuhr größerer Mengen Heringe aué Holland und den skandinavischen Ländern gesorgt.

Für die kommende Ernte sind die Aussichten gegenwärtig günstig, so daß eine Erleichterung unserer Ernährungslage im nächsten Wirt- schaftsjahre erhofft werden darf, wenn nit noch ein Umschwung der Verhältnisse eintritt. Die Störungen und Schäden, welche der außer- gewöhnlich frühe Frost im leßten Herbst der Ackerbestellung zugefügt hat, sind durh die milde Witterung der leßten Zeit vielfah ausge- glichen. Besonders erfreu!ih ist die nah zahlreichen Nachrichien zu envartende Vergrößerung der Dartoffelanbaufläche sowie der günstige Stand der Wiesen, der eine reichliche Futterernte erhoffen läßt.

Dieser kurze Ueberblick über die wichtigsten Zweige unserer Ernährungswirtschast zeigt den großen Ernst unserer Lage. Außer-0 ordentlicher Rückgang der inländischen Erzeugung und wachsender Widerstand gegen die Zwangswirischaft, das sind die Hauptucsachen unserer {lehten Ernährung, welche beseitigl werden müssen, wenn wix zu einer Besserung der Verhältnisse gelangen wollen, (Sehr rihtig!)

Zunächst die Zwangswirtschaft. Ju der öffentlihen Erörte- rung der Ernährungslage hat der Kampf um die Zwangswirtschaft im legten Jahre eine beherrshende Rolle gespielt. Unter dem Hinweis auf ihre produftuonshemmenden Wirkungen sordert ein Teil der Landwirte die möglichst baldige restlose Beseitigung jeder óffentlihen Bewirtschaftung, während andere weite Kreije der Landwirtschaft eine solche Véaßnahme als äußerst bedenklih auch für die landwirtschaftlichen Interesjen ansehen. Wer die heutigen Zustände vorurteulslos und im Bewußtsein der Verantwortung für das Gesamtwohl prüft, der kann sich der Einsicht nicht verschließen, daß für die wihtigsten Lebensmittel eine öffentliche Bewirtschaftung noh unentbehrlich ist, solange niht eine sehr erhebliche Steigerung des Angebots die Gewähr dafür gibt, daß beim freien Spiel dex Kräfte jeder seinen notwendigen Bedarf zu erschwinglichen Preisen deten fann.

Wenn wir sona glauben, vorerst no@ an der öffentlichen Be- wirtshaftung festhalten zu müssen, so gejchieht das aus ter Ueber- zeugung, daß die Einführung der freien Wirtschaft unter den heutigen Verhältnissen die schwersten Gefahren für unser durch politische Kämpfe und wirtschaftlichen Druck schwer bedrohtes Volk mit si bringen müßte, Gewiß würde die völlige Freiheit des landwirtschaft lihen Betriebs der Produktion einen neuen Antrieb geben, Das wünrte dann mit der Zeit auch wieder zu einer Verbilligung der Lebends- mittel führen. Aber in unseren Maßnahmen dürfen wir uns nicht nur von diesem heute noch fernen Ziel leiten lassen, sondern müssen vor allem die Enwwidklung in der nächsten Zukunft im Auge behalten. Un- vermeidlih würden die Preise sich mit der Wiederherstellung der freien Wirtschaft sehr shnell den Weltmarktpreisen anpassen. Dieje LUn- gleichung wird ja von manchen Seiten ausdrüdlih verlangt und als das natürlidæ Mittel zur Heilung unserer wirtschaftlichen Nöte hin- gestellt. Aber sie bedeuten, daß bei dem jeßigen Siand unserer Valuta die ion so sehr gestiegenen Kosten der Lebenshaltung eine Höhe er- reid,en, welche erhebliche Teile der Bevölkerung, besonders auch des unteren und mittleren Bürgerstandes, der Verelendung preisgeben würde: oder ter Staat müßte zur Linderung ibrer Notlage ungeheure Summen aufwenden, was die dringend notwendige Gesundung unseres Finanzwesen aufs neue erschweren würde. Die Arbeiter würden die Verteuerung der Lebenshalbung durch entsprechende Lohnsteigerungen auszugleichen suchen. Neue evbitterie Lohnkämpfe. und neue Crf ütte» nungen unseres Wirtschaftélebens wären die Folge; die Ausfwhrindu- îtrien würden den Vorteil einbüßen, dex sich außer aus dem Sband der Valuta auch aus ihren jehzigen erheblich billigeren Produk bions- bedingungen gegenüber dem Auslande ergibt; die Einfuhr von Lebens- mitteln und Robstoffzn würde in Frage gestellt, eine weitece Ver- \cled;ierung unserer Valuta würde abermalige Preissteigerungen mit den gleicher Folgen nah si ziehen; am Ende käme der Zusammen- bru, von dem auch das platte Land met verschont bleiben würde. Denn die S&icksale aller Teile unseres Volkes sind so eng ineinander verflochten, daß ein Erwerbszmeig nicht gedeihen kann, wenn andere uttergehen. Die Landwirtschaft würde mit von dem Strudel vers {lungen werden, ter bei einem Versagen unsorer Ernährungswirtschaft unser Volk in den Abgrund reißen müßte. (Sehr richtigl)

Einer fol&en Entwicklung vorzubeugen, muß das oberste Ziel sein, und ich darf die Ueberzeugung aussprechen, daß die Erkenntnis der geschilderten großen Gefahren ih in ter Landwirtschaft durcseßen wird, Menn die Arbeitsleistung in den Fabriken und Werkstätten gegenüber den Vorkriegéleistungen einen so außerordentlichen Rückgang aufweist, so. ist daran unstreitig zu einem erheblichen Teil auch die ungenügende Ernährung \{uld, welche die Arbeitslust und Arbeitsfähigkeit auf das stärkste beeinträchtigt. Diesen von uns allen beklagten Mißständen abzuhelfen und damit zur Wiedergesundung unseres Volkes beizutragen, liegt nicht zuleßi in der Hand der deutschen Landwirtschaft, die damit ihre Kräfte für den Wiederaufbau unserer nationalen Wirtschaft ebenso wirksam einsehen wird, wie sie es während des Krieges [ür die Ver-

digung des Vaterlandes getan haîï. 1 ‘Uber die Ablehnung einer restlosen Beseitigung der öffentlichen Bewirtschaftung oder {oler Vorschläge, die von ihr kaum no etwas übrig lassen, bedeutet feineswegs starres Festtalten an allen bisherigen Arten und Formen der öffentlichen Bewirtschaftung. Die nachdrückliche Betonung des Grundgedankens der öffenilichen Bewirischaftung darf nidt dazu führen, berechtigte Gründe der Unzufriedenheit der Land- wirtshaft zu übersehen. Der Kampfruf gegen die Zwangswirtschaft, ver vielfa zu einem Schlagwoort geworden ist und eine starke Bes unruhigung in die landwirtschaftlichen Kreise getragen hat, hätte nie» mals einen so gefährlihen Einfluß erlangen kêönnen, wenn den wirk- lichen Lebensnotwendigkeiten der Landwirtschaft rechtzeitig Rechnung getragen worden wäre. (Sehr rihtig!)) Wie allen anderen Erwerbs zweigen müssen auch der Landwirtschaft füx ihre Leistungen und ihre Erzeugnisse Preise zugebilligt werden, welche ihr einen Grsaß für die gewaltig gestiegenen Produktionskosten bieten. (Sehr richtig) Sonst wird die Erzeugung zurückgehen oder sich anderen, wonigoer wichtigen, aber bei den jeweiligen Preisverhältnissen lohnenderen Erzeugnissen zuwenden. Die Preiéerhöhungen für landwirts{aftliche Erzeugnisse werden, weil es \sich hier um tägliche, unentbehrlide Lebensbedürfnisse handelt, in der Regel seitens der Verbraucber einer viel gründlicheren Kritik unterzogen als die Preiserhöhungen in der Industrie. (Sehr rihtig! bei den Mehrheitsparteien.) Wenn immer auf die aroßen

rufenen Vertretern der Landwirtschaft und der Verbraucher gelingen,

iellen und zum Wiederaufbau der Betriebe nobwendig sind, der beute außerordentli große Mittel erfordert. Vor solchen Aufgaben s{chreckt heute mancher Landwirt zurück und es besteht in der Tat eine nit zu untershäßende Gefahr einer Exrtenfivierung der Landwirtschaft, d. h. eines Rüdtganges der landwirtschaftlichen Kultur, weil die Kosten der Produktion im Verglei zu den Preisen der Erzeugnisse zu hoh er- scheinen. Viele Landwirte beschränken {on heute die Verwendung von künstlißem Dünger, einesteils, weil sie fürchten, daß später die Preise niht dem Aufwand entlspreben werden dann aber auch, weil die Düngemittelverwendung heute Ansprüche an das laufende Betriebs- kapital stellt, die schlehterdings nit befriedigt werden fönnen. Das gilt sowohl für bäuerliche als auch größere Wirtschaften. Ferner spricht hier die Psyche des Bauern mit, den son allein die außergewöhnliche absolute Höhe der Düngemittelpreise zurückschreckt auch wenn die Preise der Erzeugnisse so bemessen sind, daß sie die Ausgaben deckten. Aus diesem Grunde sind vor einiger Zeit für die näcste Ernte Mindest- preise für Getreide und Kartoffeln festgeseßt worden, die erheblich über die gegenwärtig geltenden Höchstpreise hinausgehen und der Land- wirtschaft eine Preisgarantie bieten sollen. Jch habe ferner die Bildung einer aus landwirtshaftlihen Sachverständigen und Verbraucher- vertretern zusammengeseßten Inderkommission in Angriff genommen, die in bestimmten Zwischenräumen si einen Veberblick über die weiteren Steigerungen der landwirtscaftlichen Produktionskosten ver- schaffen und dana Zus(läge zu den Mindestpreisen in Vorschlag bringen soll. die als sahlich gerechtfertigt nachgewiesen werden.

Ein weiterer Grund, der das Widerstteben der Landwirte gegen die Zwangswirtschaft erklärt, ist die übermäßige Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Landwirts innerhalb seines Betriebes. Wenn man hinsichtlich der Haushalts- und Wirtschaftsbedürfnisse, besonders hinsichtlih der Fütterung der Gespanntiere und des Milh- und Mast- viehes, zu enge Grenzen zieht, so leistet man nur der Verlebung der geseßlichen Vorschriften Vorschub und bereitet durch Üntérgrabung des Ansehens dec mit der Durchführung der Gesehe betrauten Behörden dem Schleichhandel das Feld. Soweit es mit der Sicherung der Volksernährung vereinbar ist, muß daher au in dieser Beziehung dem Landwirt Entgegenkommen gezeigt werden. Die Wieder- herstellung des Friedens hat uns in unseren wirtschaftlichen Maß- nahmen wieder eine größere Freiheit gegeben. Bei der Dringlichkeit des Wiederaufbaues unserer Landwirtschaft müssen jeßt die Bedürfnisse der Erzeuger eine stärkere Berücksichtigung erfahren.

Diese beiden Forderungen: auskömmliche Preise und größere Be- wegungsfreiheit des Landwirts in seinem Betrieb, sind die Voraus- seßungen für die weitere Aufrechterhaltung der öffentlichen Bewirts haftung. Das Verlangen nach ihrer restlosen Aufhebung verliert an wirtschaftlicher Berechtigung, wenn der Landwirt in seinem Be triebe von hemmenden Fesseln befreit wird und für seine Erzeugnisse angemessene Preise erhält. Die Art des Absaßes, ob auf dem freien Markt oder an eine behördlihe Stelle, ist demgegenüber von unter- geordneter Bedeutung. Jn früheren Zeilen hat doch die Landwirb- haft die Preisbildung œuf dem freien Markt sogar als Nachteil empfunden und als Damm gegen dos Sinken der Getreidepreise ein staatliches Getreidemonopol verlangt, um stetige und nah den Pro- dultionskosten bemessene Preise zu. erhalien.

Auch heute liegt die Anpassung an die Weltmarktpreise nit im woblverstandenen Interesse der Landwirtschaft; sie würde fonst allen durch die Valutaschwankungen riesenhaft vergrößerten Schwankungen des Weltmarktes ausgeseßt sein, und ein plößglicher starker Um- \{wung könnte, wie schon die Rückwirkung der verhältnismäßig ge- ringfügigen Valutasteigerung der leßten Zeit auf die Preisbewegung im Jnland zeigt, für eine auf hohe Preise eingestellte Landwirtschaft verhängni8voll werden. Für alle Teile ist daher die Anpassung der JInlandpreise an die Meltmarktpreise erst annehmbar, wenn unsere Veibuta sich hrem inmeren Werte ontspvechend gebessert und zugleich stabilisiert haben wird und damit die Vorbedingung für die Wieder- herstellung eines dauernden Gleichgewichts zwischen den Produktions kosten, den Kosten des wichtigsten Lebensbedarfs und dem Ginkommen der verschiedenen Volksklassen gegeben sein wird.

Wonn wir aber gar, über die außergewöhnlichen Verhältnisse der Gegenwavt himausschauend, inm Betracht ziehen, daß vielleicht in einer nit allzu fernen Zukunft wieder ein icharfer Wettbewerb ausländischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu erwarten ist, fo wird die Land wirtschaft nicht verkennen können, daß in den Einrichtungen der heutigen öffentlihen Bewirtschaftung Grundlagen und Erfahrungen vorhanden sind, an die unter Umständen mit Erfolg angeknüpft werden kann, um der deutschen Landwirtschaft die UVeberwindung von Gefahren zu er- möglichen, denen gegenüber die heutigen Schwierigkeiten vielleiht gering erscheinen werden.

So ergibt sich, daß nur eine allmähliche und planvoll durchgeführte Milderung der öffentlichen Bewirtschaftung in Frage kommen kann. Nichts hat ih so nachteilig erwiesen als das planlose Herausbrechen einzelner Steine aus dem Gesamtbau der öffentlichen Bewirtshaftung. In den leßten Monaten haben landwirtschaftliche Organisationen mit großer Gründlichkeit die Frage eines planmäßigen Abbaues der Zwangs» wirtschaft erörtert und im Benehmen mit Vertretern der Vervraucher und des Handels Einzelwvorschläge vorgelegt. Ich werde diese Vors schläge sorgfältig prüfen und bin bereit, der Landwirtschaft diejenigen Erleichterungen zu gewähren, welche irgendwie mit den Interessen der Allgemeinheit vereinbar sind. Die Regierung, die die Verantwortung für die Volksernährung hat, kann einer grundlegenden Aenderung des Wirtschafts\ystem3 jedoch erst dann zustimmen, wenn sie die Gewißhert hat, daß sie einen Fortschritt darstellen und dem Vobkswohl dienen wird, Es muß und wird in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den be-

hier den rihtigen Weg zu finden.

Die Frage der Aufhebung oder Milderung der Zwangswirtfchaft hat au eine wichtige staatsfinanzielle Seite. Die Wiederherstellung des freien Handels würde eine vermehriec Einfuhr von Lebensmitteln nötig machen. Da wir daneben auch noch Futtermittel, Phosphate und industrielle Nobstoffe in großen Mengen aus dem Auslande brauchen, fo würde unsere geringe Zahlunagskraft auch bei ftärkster Einschränkung kaum mehr ausreichen.

Je größer die Einfuhr, desto größer wird ferner die Belastung des Verbrauclhers durch den traurigen Stand unserer Naluta. Bei unseren bisherigen Leben8mitteleinfuhren hat das Reich einen großen

Teil der dur den niedrigen Stand der Valuta bewirkten Verteuerung |

auf sich genommen, Zur Verbilligung der eingeführten Lebensmittel wurden für die Zeit vom 6. Juli bis zum 6, Oktober 1919

bis Ende März 1920 weitere 6% WViilliarden Mark zur Berfügung

gestellt, Für die Zeit vom, 1. April bis Ende Juni sind weitere

3 Milliarden im Notetat beantragt.

Das eingeführbe Getreide wird so weit verbilligt, daß das Mehl

zu dem ÎInlandpreise ausgegeben werden kann. Bei den übrigen Waren

werden die Preise nah Möglichkeit den inländischen angepaßt. Nach

einer vorläufigen übershläglihen Berechnung wird der größere Teil

der 3 Milliarden, etwa 4 für die Getreideverbilligung, der Rest für

die übrigen Einfuhren erforderlich sein. Ob die Summe von

3 Milliarden Mark für die Fortführung der Verbilligungsaktion bis

Ende Juni ausreichen wird, hängt nicht allein von dem Bedarf, sondern

vor allem auch von den Weltmarktpreisen und der. Gestaltung der

Valuta ab, die heute noch nicht beurteilt werden können, Die s\taat-

lichen Zuschüsse zur Verbilligung der Lebensmittel sind keine auf

Deutschland beshrönkte Erscheinung. Auch England, Frankreich,

Jtalien und andere Linder wenden sehr große Beträge aus allge-

meinen Mitteln auf, um die Lebensmittelpreise und besonders die Bretpreise nicht zu hoh werden zu lassen.

Die Verbillizungsaktion bedeutet für das Deutsche Reich in seiner finanziellen Bed: ängnis eine schwer zu tragende Belastung, und es

erscheint zweifelbaft, ob der bisherige Weg auf die Dauer weiter begangen werden kann. Jedoch darf bei der Beurteilung dieser Frage folgendes nit außer aht gelassen werden: Wenn sih auch heute über die in den nächsten Jahren benôtigten Ginfuhrmengen an Lebens- mitteln bestimmte Angaben noch niht machen lassen, so läßt sich doch schon jebt sagen, daß sie au bei einer günstigen Ernte sehr beirähb lich sein werden. Es ist sogar notwendig, die Einfuhrmengen vorüber» gehend höher zu bemessen, als dem dringendsten Bedarf entspricht, um eine Resorve zu schaffen, die uns beim Eintritt ungünstiger Umstände vor solhen Gefahren bewahrt, wie wir sie in diesem Wirkschafts- jahr zu überwinden gehabt haben. Die Preise, zu welchen duese Einfuhr erfolgen wird, werden sich selbst bei weiterer Besserung der Valuta erheblich über dem heutigen Jnlandspreise “bewegen. Troß der bisherigen erheblichen Staatszuschüsse hat daher schon in den leßten Monaten eine erhebliche Erhöhung der Abgabepreise für die Auslandswaren eintreten müssen, und jeßt steht wieder eine empfind- liche Verteuerung des Brotes bevor, die dennoch zur Deckung der Einfuh:kosten des ausländischen Getreides bei weitem nicht auêrercht. Dabei können weite Kreise schon jeßt das Gleichgewicht zwischen ihrem Einkommen und den Unterhaltékosten nur durch Aufzehrung ihrer Ersparnisse oder durch Verschlechierung threr Lebenshaltung aufrechterhalten. (Zustimmung.) Auch hieraus ergibt sich für den Staat die Notwendigkeit, die Preisentwicklung .in der Hand zu des» halten und einer nichl auf den tatsählichen Produktionsfkosten, sondern auf dem ungeheueren Mißverhältnis zwischen dem Warenbeédarf und der Warenproduktion beruhenden Preisgestaltung entaecgenzurirfen. Allerdings muß auch die verbrauchende Bevölkerung mehr als bisher über die allgemeinen Ursachen der Lebensmittelverteuerung sih klar werden, deren starkem Druck wir uns nun einmal nicht entziehen fönnen. Besonders notwendig erscheint mir in diesem Zusammens- hang noch eine gründliche Nachprüfung der Ursachen, welche die bet vielen Waren außerordentlich starke Verteuerung auf dem Wege zum Verbrauch herbeiführen (sehr rihtig!), um unnöôtige und unberechtigte Aufs{läge zu verhindern. Dem schnellen Abbau aller irgentwie ents behrlichen Kviegsge\ellshaften, die meinem Ressort unterstehen, werde ¡h meine besondere Aufmerksamkeit schenken (Beifall) und mich auf diesem Wege zur Vereinfachung unsever Verteilungsorganisation von feiner anderen Rülsiht bestimmen lassen als von der Sorge um das allgemeine Volkswobhl. (Lebhafte Zustimmung und Beifall.)

Die Früchte dieser Arbeit können nur langsam, zum Teil erft im Loufe von Jahren zur Reife kommen. Aber wenn es gelingt, wieder eine geregelte Lebensmittelversorgung herzustellen, so werden unsere gesamten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eine grunde legende Besserung erfahren. Dies und die Befreiung von der Ah hängigkeit, in ber wir uns heute auf dem Gebiete der Ernährung noch mchr als auf anderen Gebieten gegenüber dem Auslande bes» finden, wird für unser Ansehen, unjeren Kredit und unsere wirtschaft« lie und politishe Geltung in der Welt von größter Bedeutung sein,

Zuc Lösung dieser schweren Aufgabe bedarf es des Verständniffes und der Mitarbeit aller Kreise des Volkes.

Eine die Verhältnisse des praktischen Landwirt schastsbetriebes verständniésvoll würdige"de Produktionspolitik bedeutct nicht eine Ver- kürzung der berechtigæn Interessen der Verbraucher, sondern im Gegenteil leßten Eubes deren wirksamste Förderung. EGine erfolg« veiche Produktionspelitik ist auch die beste Konsumentenpolitik, und obne Verbindung mit der ersteren muß nah der Lage, in der fich unser Vaterland befindet, {ließli jede Verbraucherpolitik scheitern. Notwendig ist aber, die Durchführung der gesamten Ernährungs- und Produktionspolitik des Ministeriums auf dem soliden Fundament einer engen Zusammenarbeit von Produzenten und Verbrauchern auf} zubauen. Eine solche Zusammenarbeit stellt niht nur eine unerläß- lihe Vorausseßung für den sachlichen Enderfolg dar, sondern ist auch in besonderer Weise geeignet, gegenseitige Aufklärung zwischen den einzelnen Bevöfevungsteilen zu sckaffen und damit die allmähliche Veberbrü@ung des starken, neuerdings leider versbärften Gegenfaßyes zwischen Stadt und Land einzuleiten, den wir nun einmal auf die Dauer nicht ertragen können.

Dié städtische Bevölkerung muß die ungeheuven Schwierigkeiten, unter denen aub der Landwirt heute seine harte Arbeit verrichtet, anerkennen und seine Leistungen mit Gerechtigkeit beurteilen; der Qands wirt seinerseits muß bei allen seinen Forderungen der Not der Städte eingedenk sein und darf seine Hilfe zu ihrer Linderung nicht versagen.

Ohne geregelte Lebensmittelversorgung ist das deutsche Volk ver« loren! Wer diese gefährdet, der gefährdet die Zukunft E va

Ï D: | jelen wir mit dem Grnährungs3- minister d Mka t Bir un Lo aeistungsfähigkeit der And wirtschaft erleichtern und wir wollen ihre Erzeugnisse der Bevölkerung

u Bedingungen zuteil werten lassen, die die Ernährungsschwierigkeiten Feseitiqen. ir find nicht Freunde der ZwangKwirtschaft, M ten daran nux fest, weil sie unser Volk durch die Nôte der Zoit hindurch- gebracht hat. Wir wünschen dem Ernährungsminister Grfolg, werden es aber gegebenenfalls auch an Kritik nicht, fehlen lassen. Die Pro- grammrede des ñeuen Finanzministers hat im ganzen unsere Zustim« mung gefunden. Unserem Volke wäre viel eres erspart geblieben, wenn seine Genn {con M in der Staatspolitik befolgt worden wären. (Sehr richtig! b. d. C Ge Ea M Das Bild der Reichs- finanzen ist nicht sehr trostreich, Es is die Aufgabe des Finanzministers, dem "Polke klaren Wein einzuschenken. Das Volk scheint noch immer wie es um uns steht. Die Valuta i eiwas ge=

nicht wiffen, s T air n Geldentwertung im Inlande ist noch weiter fortoe-

Kriegsgewinne der Landwirte hingewiesen wird, so ist dem entgegen- aubalten, daß sie zum erheblichen Teil liquidierte Betriehsmittel dar-

124 Milliarden Mark und für die Zeit von Anfang Oktober 1919

schritten. Dadurch kann das Vertrauen des Auslandes R a Deut\chland und unsere Kaufkraft im Ausland nicht gewinnen. Untere Stouer-