1920 / 92 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Apr 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Es i} weiter die Notwendigkeit betont worden, für die Personen, die durch den Krieg eine Beschädigung erlitten haben, ohne daß sie unter dieses Geseß fallen, zu sorgen, zum Beispiel für die Opfer von Flieger- angriffen, für die Opfer der Russeneinfälle usw. Für alle diese Opfer ist das Ministerium des Jnnern zuständig, und es wird ein Geseh aus- 6earbeitet, das sih im großen und ganzen diesem Geseh onpassen wird.

Gegen den Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Luppe, Andre, Meier (Sachsen) zu § 87, die Möglichkeit zu schaffen daß die Grenze des steuerpflichtigen Jahreseinkommens erhöht werden soll, möchte ih erklären, daß wir uns diesem Antrag nicht widerseßen. Jch halte mich aber für verpflihtet, darauf hinzuweisen, daß der Vollzug einer solchen Aenderung mit erheblichen Scbwierigkeiten verbunden ist. Es trifft auch niht zu, daß alle Neserveoffiziere durch dieses Geseh sleter gestellt werden. Das Gesey wird für diejenigen Neserveoffiziere, die in ihrer Erwerbsfähigkeit stark beeinträchtigt sind, insbesondere diejenigen, die einer Heilbehandlung oder eines orthopädishen Mittels bedürfen, eine wesentliche Besserstelung gegenüber früher bringen. Eine Ver- \{lech{terung könnte nur bei denjenigen Reserveoffizieren eintreten, die verhältnismäßig wenig in ihrer Erwerbstätigkeit beeinträhtig sind. Aber auch diesen Beschädigten kann ja in der vorgesehenen Abfindung ein erbeblicher Geldbetrag zugewendet werden. Herr Laukant hat dann gebeten, daß aus den „Neichskrankenhäusern“ die dort behandelten In- sassen niht vor der Zeit entlassen werden sollten, sondern daß ein Sustand des Uebergangs geschaffen werden sollte. Zunächst möchte ih bemerken, daß ih Neicskrankenhäuser niht kenne. Sollten damit die Biôßér' auf die Versorgungsabteilung des Arbeitsministeruums über- ohimeénen Lazarette gemeint fein, so habe ih allerdings den ernsten Pillen, diese Lazarette möglicst schnell abzubauen. Darunter soll aber ‘die Behandlung der Lagarettinsassen nicht leiden. Jch stehe aber auf ‘dem Standpunkt, daß es nur im Interesse der Lagarettinsassen selbst “Tiegt, wenn sie niht wie bisher in Gruppen unter sich behandelt, sondern möglichst in allgemeinen Krankenhäusern untergebraht werden. Das fannüberall da geschehen, wo die Zahl der Lazarettinsassen niht mehr Pei ist. Dadurh kann zweierlei erreicht werden: sie können viel eiter, als jeßt in den Lazaretten, in der Nähe ihrer Familie unter- gebracht werden. Weiterhin meine ih aber auch, daß die viel umfang- -xeichere Tätigkeit der bürgerlichen Krankenhäuser, eine viel größere ckGufahrung auf allen Gebieten namentlih den Lazarettinsassen ganz "wesentlich zugute kommen wird, die an inneren Krankheiten oder Be- schädigungen leiden.

Weiterhin bin ich der Meinung, daß mögli früh dazu bei- getragen werden sollte, daß die Lazarettinsassen unter andere Menschen fommen, wieder dem bürgerlihen Leben zugeführt werden. Dazu erscheint mir die Ueberführung in bürgerliche Krankenhäuser der erste geeignete Schritt zu sein. Jch erkläre aber noch einmal: Das Heil- verfahren soll darunter keinedwegs leiden.

Es ist dann noch Beschwerde über das langsame Arbeiten der Ver- sorgungsbehörden geführt worden. Sch habe schon früher einmal darauf hingewiesen, daß es mein ernstliches Bestreben und ernster Wille ift, gerade auf diesem Gebiete eine Aenderung herbeizuführen. Ich kann heute nit auf alle Einzelheiten eingehen; ih bemerke nur, daß es zum Teil fehlt an geeigneten Personen, zum Teil aber auch an geeigneten Unterkunftsräumen für die Versorgungsbehörden. Das sind Schwierig- Feiten, die sih nit im Handumdrehen beseitigen lassen. Jch glaube aber, dur die Neuorganisierung und dur den neuen Aufzug, den das ganze Versorgungêwseen durch das Geseh bekommt, wird eine mesent- liche Förderung der Arbeiten herbeigeführt werden, und hoffe, in einer nicht zu fernen Zukunft vernehmen zu dürfen, daß Beschwerden in größerem Maßstabe niht mehr vorkommen. (Bravo! bei den Mehr- Geit8parteien.)

Ministerialdirektor Maeder: Der Geseßentwurf geht auf Grund von Verhandlungen mit den Organisationen der Kriegs- beschädigten um ungefähr eine Milliarde über den ursprünglichen Plan der Regierung hinaus und hat im Ausschuß eine weitere Stärkung um etwa 400 Millionen Mark erfahren. Daran dürfte sich das Haus genügen lassen.

Die Anträge der Unabhängigen und Deutschnationalen werden abgelehnt. Das Reichsversorgungsgeseß wird mit der beantragten Sterbegelderhöhung und einigen weiteren kleinen Mehrkosten angenommen, ebenso das Geseß über die Kosten der sozialen Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenenfürsorge. Die Entschließung zugunsten der erwerbsunfähigen Veteranen gus früheren Kriegen wird ebenfalls angenommen.

Beide Gesehe werden sodann in der dritten Lesung bei der Gesamtabscimmung unter Beifall einstimmig angenommen.

Nächste Sißkung Donnerstag, 10 Uhr: Heimstätten- gese, Wohnungsgeseß, Postgebühren, Tumultschäden u. a.

Schluß 834 Uhr.

175. Sißung vom 29. April 1920, Vovmiftags 10 Uhr. (Bericht tes Nachrichbenbüros des Vereins deutscher ZeitungWerleger.)*)

Zur zweiten Beratung steht der Gesehentwurf über Maß - nahmen gegen Wohnungs3mangel, wonah die Bekanntmachung über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel vom 23. September 1918 auch über den 31. Dezember 1920 Se mit einer Reihe von Aenderungen in Kraft bleibt. Der

usschuß hat den Entwurf mit einigen Aenderungen ange- nommen und beantragt eine Entschließung wegen Vorlegung eines Gesebes gegen die Wohnungsnot, Bemessung der Bau- kostenzuschüsse nah dem Bedürfnis, Hergabe der Kriegsanleihe egen dreiprozentige unkündbare Hypotheken zum Nennwert, Beseitigun der Hinderenisse für das Zusammenziehen von Fa- örigen zweds Führung gemeinschaftlichen Haus-

sts und Bereitstellung von Mitteln zur Fertigstellung von auten.

Abg. Dr. Runkel (D. V.): Das Geseh hat in der Aus\chuß- beratung mancherlei Verbesserungen bekommen; vor allen Dingen sieht es jeßt eine Berufsinstanz vor, und außerdem steht fest, zu wessen Lasten eine eventuell notwendig werdende Entschädigung geht. Sonst

äre der Hausbesiß wieder einmal der alleinige Leidtragende gewesen. [;) E jeßt gewisse Garantien geschaffen worden, so namentlich die, daß das Geseg nur bis zum 30. September nächsten Jahres Geltung Haben soll daß bis dahin ein neues eseß alle die Probleme zu lösen hat, die dieser Gesehentwurf aufgeworfen hat. Hierin erbliden wir cine gewisse Garantie für loyale Ba des Geseßes. An ih sind wir in der Opposition den Versprechbungen der Regierung egenüber reichlich mißtrauisch, in diesem Falle liegt dazu aber ein Grund niht mehr vor. Wo Härten entstehen könnten, erwarten wir von der Regierung, daß sie nit rigoros vorgeht. Wir stimmen dem Deley gern zu. e bg. Kraut (D. Nat.): Maßnahmen zur Beseitigung des Wohnungsmangels sind unbedingt nötig, die Vorlage stellt aber immer

milienange

| noch elnéñ unerträglißen Eingriff in die Freiheit des Eigenkums dar. Die Einzelbestimmungen gehen uns zu weit. Ganz unmöglih war die ursprüngliche Faffung des Gesepes, die niht einmal ein geriht- lihes Verfahren zuließ. Ein Teil meiner Freunde kann dem Geseße nicht zustimmen.

Abg Sollmann (Soz.): Die Deutshhnationalen hätten alle Veranlassung, diesem Geseße zuzustimmen, denn sonst müßte die Zwangseinquartierung AirGaetiun werden. Die Lage ist do so, daß Hunderttausende von Familien feine Unterkunft finden können. Dies ift aber nur ein Mittel zur Bekämpfung der Wohnungsnot, wir fordern deshalb daß das Reich weitere Viittel zur Fertigstellung der Bauten hergibt, die aus Mangel an Baukostenzuschussen niht haben fertiggestellt werden können,

Reichéarbeitsminister S chlide: Jh möchte nur kurz erklären, daß die Regierung in der Bestimmung des Art. 2 keine Verfassungs- änterung erblickt. Der Art. 2 soll lediglich eine Richtschnur für die Gerichte darstellen, da die Judikatur heute durhaus gegensäßlich ist.

Der Geseßentwurf wird in der Ausschußfassung mit den Entschließungen des Ausschusses angenommen. der dritten Beratung wird das Geseg in der Gesamtabstimmung ange- nommen.

Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines R e i chs -

O Ermächtigung des Reichs, der tänder, der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Ueberlassun von Finfamilienhäusern mit Nußgarten ( oinheimfältn)

oder von fleinen landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Anwesen (Wirtschaftsheimstätten) als A zu Eigentum. Ein- familienhäuser ohne Nußgarten können ausnahmsweise als Heimstätten 0 v werden). Der Ausschuß empfiehlt neben der Annahme der Vorlage eine Entschließung wegen Ausbaues der bestehenden Zentralstelle zu einem besonderen Wohnungs-, Siedlungs- und Heimstättenamt, Berücksichtigung der aus den abgetretenen Gebieten Vertriebenen im Siedlungs- und Heim- stättenwesen und Vorlegung eines Geseßentwurfs zur sozialeren Ausgestaltung des Enteignungsrechts behufs Erleichterung der Heimstättenerrichtung. ie Abgg. Dr. Runkel (D. V.) und Lockenvißth (Dem.) beantragen eine Entschließung über Vorlegung eines Gesehentwurfs zur Bekämpfung der Bodenspekulation sowie einen Zusay im Geseß, wonach die Enteignung gegen ange- messene Entschädigung unter Berücksichtigung von Wertminde- rungen und A raBilesina von Oels abrungen durch die außerordentlichen Verhältnisse des Krieges zu erfolgen hat. Abg. Sollmann (Soz.): Der Gesehentwurf beschränkt si darauf, die neue Nechtsform der Heimstätten rechtlich zu gestalten, aber Maßnahmen zur Bereitstelung von Mitteln an Sans und Geld, um Heimstätten zu schaffen, gehören nah der Begründung nicht zu seiner Aufgabe. anach kann dieses Geseß zu Sa unaan führen, denn die Hauptsache bleibt die Beschaffung der Heimstätten; n sind weitere Maßnahmen entsprehend den Entschließungen

des Ausschusses zu erwarten, und immerhin gibt die a der Ent- aa Ln Land zu Heimstättenzweden eine Handhabe zur Erreichung es Zieles,

Abg. Hagemann (Zentr.): Das Geseß maŸt einen Fortschritt i dem Gebiete des Siedlung8wesens. Wi wn die Bestimmung, daß Kriegsteilnehmer, Kriegsbeschädigte sowie Witwen der im Kriege Gefallenen und kinderreihe Familien bei der Vergebung der Heim- stätten vorzugsweise zu berüdichtigen sind. Aber auch außerdem gibt es auf dem Lande zahlreiche Familien, die sich nach einem kleinen eigenen Anwesen sehnen. Gegen die spekulative Ausbeute der Heim-

en sind gemügende Vorbeugungsmitiel gegeben. Wir nehmen die rlage an und sind zum weiteren Ausbau des SiedlungSwesens ent- sprechend den Entschließungen des Ausschusses bereit.

Abg. Heidsick (Dem.): Wir ergreifen jede Gelegenheit, die Verbesserung des Wohnungswesens zu fördern. Die soziale Frage läßt sih nur mit einer gesunden Wohnungs- und Siedlungspolitik lösen, und dazu ist dieses eine Ctappe auf dem Wege. Der neue Neichstag wird sih mit dem Ausbau dieses (C e zu befassen haben. Wenn bisher so wenig Erfolg auf diesem Gebiete zu verzeichnen ge- wesen ist, so liegt es daran, daß die Behörden und Beamten, besonders in Meenien, immer noch an der alten E festhalten. Wir hoffen, daß die Reichsregierung mit Cnergie den Siedlung8gedanken nunmehr praktish durchführen wird.

Abg. Frau von Gierke (D. Nat): Die Wiederherstellung der Harmonie in unserm ganzen Wirischaftsleben hängt mit dem Grund- gedanken der Siedlung eng zusammen. Die gegenwärtige Vorlage hat fehr große Aehnlichkeit mit dem {hon in den 9er Jahren von dem Abgeordneten v. Niepenhausen beantragten g Jebht machen sich die Gewerkschaften den Gedanken zunutßze, den die Deutschnationale Volkspartei in Weimar als einen ihrer ersten Anträge dem Hause vor- legte. Wir verlangten, daß Heimstätten mit staatlicher Hilfe gescaffen werden und daß der \pekulative Verkauf der Heimstätten ausgeschlossen werde. Ebenso muß die Enteignung möglichst ausgeschlossen bleiben, denn Enteignung und Siedlung sind einander entgegengeseßte Begriffe. Wir pverden dem Gesehe zustimmen, warnen aber davor, es dahin zu versteben, daß ein Landbunger gefördert werden soll, der eine ver- nünftige Siedlung unmöglich macht. Hand in Hand mit dem Siedlungsgedanken muß die haus- und landwirtshaftlihe AuWildung der Frauen gehen. Das ist eine unbedingte Konsequenz. Die Vorteile, die der Achtstundenarbeiistag zweifellos dem Einzelnen bringt, müssen dadurh gewabrt werden, daß man dem Einzelnen Gelegenheit gibt, in der Heimstätte zu gesunden. Das ist besonders wichtig vom Stand- punkt der Kinder- und Jugendpflege aus. Die Nogierung muß alle diese Probleme großzügig ausführen. Nicht vergessen darf man die Kulturpolitik, die Schulfragen und die Frage anderweitiger Volks ausbisdung. Es wäre zweckmäßig, eine Bestimmung zu treffen, wonach nur der Besiß von eingetragenen Grundstücken sih- „Reichsheimstätte“ nennen darf. Insbesondere müssen Kriegsbeschädigte angesiedelt werden, aud für die vertriebenen Elsaß-Lothringer ist auf diesem O zu sorgen. Jeder mag sich aber bewußt sein, daß Gigentum verpflichtet.

Aba. Dr. Runkel (D. Vp.): Wir hätten gewünscht, daß die Zentralstelle mehr ausgebaut worden wäre. Den Wünschen der Krieger nah einem Kricgerheim hätte mehr Recbnung getragen werden sollen, den Kriegern hätte nicht nur ein moralisbes Recht, sondern ein wirk- lies eingeräumt werden müssen. Der (Enteiagnunasgedanke ist hart, er kann aber in diesem Geseß nit gang ausgeschaltet werden.

Aba. Zubeil (U. Soz.): Das Geseß entspricht nicht entfernt unsern Wünslen, wir lehnen es ab.

Aba. Frau Zet tler (Bayer. Vp.): Wir begrüßen die Vorlage, wenn wir au der Entschließung, hon jeßt ein Neichsheimstättenamt zu scchaffen, nit zustimmen können.

Abg. Sollmann (Soz.): Die Unabhängigen lehnen ein Geseß ob, das unzweifelhaft einen ungeheuren Fortschritt bedeutet. Sie haben im Aué\ckuß keinerlei Verbesserungsanträge gestellt, diese stammen von unserer Partei mit Unterstühung der Bürgerlichen.

Reichsarbeitsminister S ch{li cke: Es is an mich die Frage ge- richtet worden, wie die Regierung das Siedlungsgeseß turchzuführen gedenke. Jh möchte darauf bemerken, daß seitens des Reichsarbeits= ministeriums eine Kontrolle dadur versucht wird, daß vierteljährlich Statistiken von den Ländern über das eingereiht werten müssen, was sie getan haben. Weiterhin werden öfter von meinen Referenten Reisen unternommen, die in der Hauptsacke den Zwek haben, die be- treffenden Stellen mit ten eins{lägigen Vorschriften bekanntzumachen und darauf hinzuwirken, daß etwas in dieser Sache gescieht. Uls leßte Kontrollinstanz könnte \ckließlich nockch der beim Reibs-

x Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben werden,

avbeitsministerium bestellte Sietlungsausschuß unter dem Vorsiß des

Herrn Geßeimrats Prof. Sering in Betracht kommen, der E natür d aub sehr lebhaft dafür interessiert, was in den einzelnen Ländern geschieht.

Sodann i} von mir die Wiederholung der Erklärung verlangt worden, die seitens eines Vertreters der Regierung gegeben worden ift, Jch erkläre also:

Das Wort „angemessen“ bedeutet, daß niht {lechthin der ge- meine Wert erseßt, son:zern eine b:llige Abfindung unter Berüct- sihtigung aller Umstände des Falles gewährt werden soll. Zur Be- hebung von Zweifel wird ausdrüdklih ausgesprochen, daß wirt- shaftlihe Vorgänge, die den Wert des Grundstücks hindern, zu bes rüdsichbigen sind. Wenn in einer Gegend die Bautätigkeit zurü geht oder dort Bebauungspläne dahin geändert werden, daß an Stelle hoher Häuser nur nochd Fladlhbauten zulässig sein sollen, oder wenn die ein Gelände aufsdließenden Verkehrsmittel ersckémwert oter ver- veuert werden, so werden hierin regelmäßig wertmindernde, für die Bemessung der Entschädigung erheblitdæ Umstände gegeben Tein, Auch die unter ten heutigen Verhältnissen besonders bedeutsam ge- wordene Frage, inwieweit die Entwertung unseres Geldes in Be- tracht zu ziehen ift, wird nur unter eben diesen Gesichtspunkten der Angemessenheit befriedigend beantwortet werden können. Er ver« langt einerseits eine entsprechende Berücksichtigung der gesunkenen Kaufkraft des Geldes, andererseits {ließt er es aus, taß dem Ent» eigneten aus besonderen Währungs\dwankungen Zufall8gewinne zu- fließen sollen, wie überhaupt Preissteigerungen, die mit dem inneren dauernden Werte nichts zu tun haben, außer Betracht zu lassen sind,

Der leßte Sah der neuen Vorschrift schließt sh im wesentlichen an die entsprehende Vorschrift des Siedlungégeseßes und ter er- wähnten Verordnung an. Wenn hiernach außerordemtlide Wert steigerungen, die auf die besonderen wirtshaftlihen Erscheinungen des Krieges zurückzuführen sind, bei der Festseßung der Entschäd:gung außer BVetracht bleiben sollen, so erscheint es gerechtfertigt, dig gleichen Gesiht&punkte auh auf die dem Kriege nachfolgende Zeit anzuwenden.

Das Geseß wird mit den Entschließungen des Auss{hu}ses und den Anträgen Runkel - Lockenvig in zweiter Lesung an- genommen. |

Es folgt die dritte Lesung.

Reicks8justigminister Dr. Blu n ck: Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung erfüllt es mit besonderer Freude und Genug- buung, daß es dur die eifrige Mitarbeit aller beteiligten Kreise ge« lungen ist, dieses Geseß noch durch die Nationalversammlung zu ver- abschieden. Das deutsche Volk darf daraus die Gewähr entnehmen, ‘daß nun ouch die Länder und Gemeinden, die das Geseß ins Leben eingu- führen und zur praktischen Anwendung zu bringen berufen sind, alles daran segen werden, was in wihren Kräften steht, um die Schaffung von Wohn- und Wirtsckaftélhoimstätten und damit unser wichtigstes Ziel, die körperlide und sittliche Gesundung unseres Volkes, zu fördern. (Bravo! bei den Mehrheit&parteien.)

Das Gesey wird endgültig gegen die Stimmen der Unalu Mg Len angenommen. / |

8 folgt die zweite Beratung des Geseßentwurfs über die

durch innere Unruhen verursachten Schäden (Tumult- 19g L Lten fe vie S

ach § 1 bestehen für diese ähen Ersaßansprüche gegen das Reich, jedoch nicht für Beschädigungen am Eigentum des Reichs, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Nach § 2 ist ein Anspruch auf Entschädigung nur gegeben, wenn ohne solche das Fortkommen des Betroffenen unbillig erschwerkt würde, wobei seine gesamten Vermögens- und Erwerbsverhält- nisse zu berüsichtigen sind. Nach § 10 trägt den Schadensersaß zu sechs Zwölsteln das Reich, zu vier Zwölfteln das Land und zu zwei Ywölfteln die beteiligte Gemeinde.

Die Abg. Dr. M o st (D. Vp.) und Genossen beantragen zu S 1, daß auch für Beschädigungen am Eigentum der Ge- meinden und Gemeindeverbände der Ersaßzanspruch gegen das Reich bestehen soll, und die Aenderung des § 2 dahin: :

_»Der Anspruch auf Ent\{ädigung umfaßt nit den mittelbaren »aden, den entaangenen Géwinn und Ersaß für Gegenstänve, die aus\{ließlih dem Luxus zu dienen bestimmt sind.“

Ahg. Wa ld st e i n (Dem.) beantragt, daß die Kosten einer Ct gegen Schäden als Werbungskosten steuerfrei eiben.

Abg. Wald stein e Das Gefeß trägt die Spuren des Kompr-omisses, tas Kompromiß bedeutet aber immerhin eine erbeb- li®e Ver Us der Vorlage. Ursprünglich sollten die wohl- emorbenen Ansprüche mcht durckweg anerkannt werden, aber das ist eändert. Wenn allerdings der Schaden nur erseßt werden soll wenn onst das ne des Betroffenen unbillig ersckwert wird so kann diese Ausdruck8weise Mißverständnisse hervorrufen. Ih bitte dringend um die Annahme meines Antrages, denn das Reich kann nicht Ver angen, daß jemand, der sich gegen solhe Schäden versicbert, die Kosten dieser Versicherung auch noch versteuert. Die Interessen der Gemeinden sind in diesem Geseh nicht voll befriedigt, abe: immer- hin einigermaßen gewahrt, besonders wenn nah § 13 d die Gemeinden, die ihrerseits Schadensersaß nicht leisten können, vom Reiche unter- E Aa Gub

dg. Dr. Herschel (Zentr.): Wir stimmen dem Geseß zu, das allerdings eine sdckwere Geburt gewesen ist; denn A v fe Das Geseh ist

Geseß würde der ustand „ganz une: träglich sein. ution, ein Sorgenkind und nicht das einzige, das

ein Kind der Revo die Nevolution zur Folge gehabt hat. Wenn die Nationalversamm- machen würde, müßte man an ibrer Be-

lung dieses Geseß nich fähigung zur Gesebgebuna zweifeln. Wir können dieses Kind mit gutem Gewissen in die Welt seßen, selbs in der Form des Kom- E Die finanzielle Tragweite, welhe Summe selbst vor den ubrscbäden zu erseßen ist, wissen wir nicht; es wurde erst die phantastishe Summe von 17 Milliarden genannt, dann von 12 und {ließlich nur von einer M'lliarde. Wix konnten das niht nah- prüfen, nachdem die Negierung sih nit in die Lage versebte, es zu a Bekl sind an a N L thva 5 Milliarden R entstanden. n meiner imatsta reslau sind noch als Folge des Kapp-Pul ches oroße Étaen entstanden: die ha:mlose November- revolution vollzoa si dort sozusagen in gesitteten Formen, sie fand wegen {lechten Wetters zum Teil im Saal statt (Heiterkeit), wobei Herr Löbe die Taufrede hielt. Wir hatten damals in Breslau nur 29 000 Æ# Schaden. Aber daurch den Kapp-Putsch ist noch ein M'lionenscbaden entstanden. Der Reicbsfinanzminister sagt: Non habeo pecuniam. Unter allen Umständen muß aber die Mit haftung der Gemeinden sidbergestelt werden. Jedoch wegen der Not- lage der Gemeinden nur zu zwei Zwölfteln. Wenn der alte Zustand geblieben wäre, würden die Gemeinden viel s{lechter fabren. Den Grundsaß der erworbenen Recbte haben wir nit preisgegeben. Mögen die Gemeinden und auch alle Steuerzahler bedenken, daß Nube und Ordnung das wichtigste ist nit nur zur Vermeidung von Tumulk- äden, sondern aub zum Gedeiben des Vaterlandes, dem wir dureh dieses Geseß cinen Dienst erweisen. (Beifall.)

(Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

wollen wir,

Gweite Veilage

zum Deutschen Reichs9auzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.

e Nd C.

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

: U Bruhn (D. Nat.): Nachdem wir uns ein halbes Jahr mit diejem Geseß beschäftigt haben, kommt Herr Waldstein aus-

S am leßien Tage mit seinem Antrag. Wir können wegen des § 2 mit gutem Gewissen gegen das Gesetz stimmen, denn dieser

aragraph ist das Ungeheue-lihste, was geschlih möglich ist. Herr

derscbel wollie wieder dem Kapp-Putsch etwas anhängen, aber der app-Putsh kam erst, als wir uns {on 5 Monate lang mit diem

Gese gequält hatten. Man kann doch nicht bei jeder Gelegenheit mit dem Kapp-Vutsh kommen. (Abg. Gothein: Die Kappisten haben 50 Menschen ermordet!) § 2 war schon vor dem Kapp-Putsch beslossen. Danach soll ein Schadenersaß nur eintreten, wenn das

ortkommen des einer Vermögens- und Erwerbsverhältnisse. Nach der Verfassung

r Nepublik find alle Staatsbürger vor dem Geseh gleih, und das Eigentum wird gewährleistet. Hier aber sollen die Staatsbürger nah ihrem Vermögen und Einkommen unterschieden werden. Darin sehen wir den Anfang einer Klassengesehgebung. Welcher Schußz- mann wird bei einem Tumult noch das Eigentum eines Wohlhabenden \{üßen, wenn er sich sagen kann, daß das Ne'ch dafür keinen Schaden u erseßen habe? Mit diesem § 2 können wir uns niht abfinden und stimmen deshalb gegen das gange Geseß.

„- Aba. Dr. Be de r - Hessen (D. Vp.): Diese Kompromißgeburt als Kind der Nevolution ist niht befriodigend. Wir haben Tis dasselbe auszuseßen wie der Abg. Bruhn. Der Grundsaß, daß die Allgemeinheit den Schaden zu tragen hat, kommt n'cht zum Ausdruk. Die Neichsregierung hat erklärt, daß die Reichskasse unter keinen Umständen diese gewaltigen Schäden tragen kann, und wälzt sie auf

eine gewisse Gruppe der wohlhabenden Staatsbürger ab. Die größten Schäden sind aber gerade den Wohlhabenden erwachsen. Nechts-

anwälte und Aerzte werden ) threm weiteren Fortkommen n1cht wesentlich gehindert werden. Ferner daß auch den Gemeinden der Schaden erscht wird. Es is} ein Gebot der Gerechtigkeit, daß die wenig leistunasfähigen Gemeinden einen Anspruh an das Neich erhalten; sie können die ewaltigen Lasten der Nachkriegszeit nicht tragen, zumal ihnen die

teuern genommen sind. Wegen des § 2 können wir dem Gesecyz nicht zustimmen. Wenn dann die Gemeinden L zahlen haben würden, so wünschen wir zwar auch eine einheitlihe Grundlage für den Ersaß durch das Reich, aber nicht eine solche, die gegen die Ge- rechtigkeit ift.

Abg. Fischer - Berlin (Soz.) spricht ssti{ch im Interesse der Ge- \famtheit für das Geseß aus. Der künftige Zustand würde allerdings nit ideal sein, aber immer noch besser, als wenn das Geseß nicht gustande käme. Ein Unterschied nah der Wohlhabenheit werde auch in der Steuergeseßaebung gemacht. : :

Ministerialdirektor Maeder: Es handelt sich hier um ein Kompromiß, das unter den \{chwersten Umständen zustande gekommen ist. Jch bitte, nichts mehr daran zu ändern, das Zustandekommen des Geseßes würde dadur in Frage gestellt. Die finanzielle Trag- mwiéite der Anträge ist nicht zu übersehen. Der Antrag Waldstein würde ein vollkommen neues Moment hineinbringen. Prämien für Feuer- und Hagelversicherung sind auch nicht abzugsfähig, die Lebensversiherungsprämien nur bis zu 600 Mk;

ier würde eine derartige Grenze mcht gegeben jn: Diese Be- timmung gehört überhaupt nicht in dieses Geseß hinein. Jch bitte Sie deshalb, auch diesen Antrag abzulehnen.

Sämtliche Abänderungsanträge werden darauf abgelehnt, darunter auch en rein redaktioneller, der statt */,, „1,“ sagen wollte. (Heiterkeit.) i N

Das Gese wird darauf in zweiter und ebenso in dritter Lesung angenommen. / / N

És folgt der Einspruch des Reichsrats gegen die Beschlüsse bér Nationalversammlung über den Entwurf des Po st - déebührengeseßes. : i

W Reichspostminister Gies8bert s: Grundsäklich stehen wir auf détn Standpunkt, daß die portopflichtigen Dienstsachen baldigst ver- chwinden müssen, sie sind aber niht mit einem Federstrich zu be- eitigen, nahdem sie jahrzehntelang bestanden haben. Wir werden 18 zum Herbst eine Vorlage ausarbeiten und geeignete Wege für die. Beseitigung dieser portovflichüigen Dienstsachen suchen. Auch wird der. Frankierungszwang im Verkehrsbeirat erneut geprüft werden.

Die Beschlüsse des Ausschusses werden angenommen, ebenso eine Entschließung auf Vorlegung einer Denkschrift über den Umfang und die finanzielle Bedeutung des Verkehrs mit En Dienstsachen. Das Geseß, das bis zum

. Mai nicht mehr in Kraft geseßt werden kann, wird am 6. Mai in Kraft treten.

Es folgt die erste Beratung des Geseventwurfs, betreffend die Uebernahme einer Haftung des Neiches für Lasten des Saarbrücker Knapp-

\chaftsvereins. : O i Der Geseßentwurf wird ohne Aussprache in allen drei VLesunaen unverändert angenommen. e Es folgt der mündliche Bericht des 18. Ausschusses für die Ausführung des Friedensvertrages. Es han- delt sich um die. Erledigung einer Reihe von Petitionen. Berichterstatter Abg. Schiele: Die Arcitektenvereine be- \{weren \sih darüber, daß sie vom Wiederaufbauministerium- gegen- über anteren Organisationen zurückaestellt seien, insbesondere dur die Nichthinzuziehung zu den nach Paris entsandten Kommissionen. Mehrere Landwirtschaftskammern haben Petitionen eingereiht be- treffend die Bezahlung von Vieh für den Feindbund. Es wird ge- beten, den Preis durch die Marktlage bestimmen zu lassen. Die titionen heben hervor, daß man den Landwirten nicht zumuten ónne, daß sie eine Sondersteuer trü n. Der Au s \ch emvfiehlt eine Entschließung, daß denjenigen Tierhaltern, die aus Anlaß des riedensvertrages Pferde, Nindvieh, Schafe und Ziegen an die ntente abgegeben oder noch abzugeben haben, eine angemessene Ent- schädigung zuteil werde. Als angemessen gilt derjenige Preis, der der am Tage des Ankaufs bestehenden Marktlage annähernd entspricht. Abg. Mi helsen (Soz.): Besonders bedenklich ist die rüdck- wirkende Kraft, die hier ausgesprochen werden soll. Es dürften da ewaltige Preistreibereien auf dem Markte eintreten, die finanziellen E olgen wären nit zu überseben. Allen gerechten Wünschen der Land- wirte ift durch dreimalige Erhöbung des Preises {bon entsprochen worden. M ein Pferd werden schon 25 000 Mk. bezahlt, für Nind- vieh ein dreifacher Preis gegenüber dem vom November. Wird der jeweilige Markivreis angenommen, so wird eine künstlihe Preis treiberei, eine Spekulation der Händler und einzelner agrarischer Kreise getrieben werden. Wir lehnen die Entschließung ab.

Abg. Dr. Noesidke (D.Nat.): Hätte man gleih einen ange- messenen Preis festacsekt, dann wären alle Forderungen uns erspart eblieben. Wer diesen Antrag nich! annimmt, will den berechtigten B oiderünzen der Landwirtschaft nit Rechnung tragen.

Abg. Henke (U. Soz.): Wir beantragen den Uebergang zur | Taaesordnung. Der Spekulation würden Tür und Tôr geöffnet werden.

Während des Krieges haben die Landwirte sih sehr wohl ihre Ver- teile zu sichern gewußt; damals war ihre goldene Zeit, als sie ihre

Betroffenen erschwert is unter L E |

z. B. durch die erlittenen Schäden in |

in die Steuergeseßgebung |

Berlin, Freitag, den 30. April

Pferde zu hohen Preisen anmustern ließen. Jeßt mag man einmal an ihr patriotisdes Herz appellieren.

Abg. Schiele (D. Nat.): Der Vorredner beweist, wenn er von |

exorbitant hohen Preisen spricht, die die Landwirte für ihre Pferde bekommen häiten, daß er feine Ahnun rechnet nicht die sonstigen e Nachteile, die durh die Tierabgabe entstanden sind, und daß die Landwirte die allergrößten Verluste da- bei gehabt haben.

Die Entschließung wird angenommen.

Es folgt die zweite Beratung eines von allen Parteien eingebrachten Gejeygentwurfs, betreffend Abände- rung ber LetsbUngen Und déx Beiträge i: Lex JnvalidenvéersicchGerutg;

Berichterstatter Abg. Gilsing (Z): Durch dieses Geseß soll den UAlters- und Invalidenrentnern eine monatlihe Zulage von 30 M gewährt werden, den Empfängern von Witwen- oder Witwer- renten 15 M, den Empfängern einer Waisenrente monatlih 10 M. Dafür i ein erhöhter Woctenbeitrag vorgesehen: in Lohnklasse I von 90 Pfennig, I] 100 Pfennig, TIT 110 Pfennig, IYV 120 und V 140 Pfennig. ö

Die Vor.age wird ohne weitere Aussprache auch in dritter Lesung angenommen.

Es folgt die erste Beratung des von den Abgg. Schneider-Sachsen (Dem.) und Gilsing (Z.) bean- tragten Gesegentwurfs über Ausdehnung der Versicherungsgrenze der Angestelltenver- {i VEruna von 09000 auf 15 000 56

Abg. Ho ch (Soz.) (zur Geschäftsordnung) hält es für unmöglich, wegen der Rückwirkung auf die Invalidenversiherung diese michtige Frage jeßt noch in allen drei Lesungen zu erledigen, und beantragt, den Sntmwurf an den Sozialpolitiscen Aus\cuß zu überweisen.

Abg. Scch{neider- Sachsen (Dem.) verlangt dringend die s\o- fortige Beratung seines Antrages, da die Angestellten einschließlich derjenigen, die der sozialdemokratishen Partei angehören, einig seien in dem Wunsche, daß die Versicberungsagrenze dem heutigen Geldwert entsprechend erhoht wird. Diesem Wunsche wollten sih also die So- zialdemokraten hier versagen. j

Nach weiterer Geschäftsordnungsdebatte wird der Geseß- entrou:f dem Ausschuß überwiesen.

Auf Antrag des ‘Abg. Dr. Pachn i cke (Dem.) wird die Regierung ersucht, aus Heeresbeständen den öffentlichen Krankenhäusern Bett- und Leibwäsche und den wissenschaft- lichen Forschungsinstituten Laboratoriumsapparate zu er- shwinglihen Preise zur Verfüguna zu stellen.

Ein von allen Parteien eingebrachier Geseßentwurf über das Wiederaufnahmeverfahren gegen- tber ULleilén déx auUßerorbentlichen Kriegss- gerichte wird ohne Erörterung in allen drei Lesungen an- genommen.

Es folgt die zweite Beratung des Geseßentwurfs, betref- fend Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit, und des Ge}fegentwurfs über die Stellung der Heeresjustitiare.

Abg. v. Graefe (D. Nat.) (zur Geschäftsordnung): Ich bitte diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzuseßen. Wir meinen au wie die Linke, daß es sich hier um eine Lebensfraqe des deuten Volkes handelt, nur in entgegengeschtem Sinne. Diese bedeutsame Frage kann in einem so sckchwacbesekten Haus nicht erledigt werden. Es liegt ein Berg von Eingaben gegen das Geseß von Angehörigen des Heeres, von NiBioanwilien und anderen Sachverständigen vor. Ein solches Geseh kann nur bei vollständiger Beseßung des Hauses endgültig beschlossen werden.

Aba. Stüccklen (Soz.): Dieser Antrag ist keine Ueberras{huna.

Die Rechte sekt alles daran, um dieses Geseß zu verhindern, Die Eingaben sind aber kein Argument, denn die Willen8äußerung ist den Truppen vorgelegt worden. Sachlide Scbvierigkeiten bestehen nit, das Gescß ist gründlich im Ausschuß beraten worden. Die Rechte hofft, daß das Geseß überhaupt nicht mehr zustande kommt und die Müitär- gericht8harfkeit erhalten bleibt. __ Abg. Geyer - Leipzig (U. Soz.): Die Kommission hat gründ- lih beraten. Mit diesem Geseß wird ein Stück des alten Militaris- mus abgebrochen, die Nechte will deéhalb die Situation des Hauses benußen, um es zu verhindern. Bei den Wahlen wird man dies ckon verstehen, wenn es sich dann darum handelt, ein Stück des Militaris8mus zu beseitigen.

Abg. Graf zu Dohna (D. Vp.): Wir stimmen dem Antrag v. Graefe durckaus qu. Die Partei des De Siücklen hat uns diesen Ent‘\cbluß erleichtert. Boi dieser Beseyung des Hauses kann man niht Lebensfragen des Volkes lösen. Das Volk kann verlangen daß solhe Lebensfragen gründlid erledigt werden. Es fragt \ich überhaupt, ob es angezeigt war, ein soldes Geseh noch im leßten Augenblick einzubringen und durchzusezen. Auch wir haben Mandate von unserem Volke übertragen erhalten (Widerspruch und Lachen links), und wir üben sie gewissenhaft aus.

Aba, v. Graefe: Ueben unsere Motive lasse ib mich mit Herrn Geyer nicht in eine Diskussion ein. Ich habe mein Ge- wissen vor meinen Wäblern zu rechtfertigen und kann es verantworten. Jch kann meinen Wäblern beweisen, daß meine Motive gut sind. Ich bedauere, daß die Linke unserem Antrag kein Verständn!s entoegen- bringt, denn ib hätte es lieber vermieden, die Beschlußfähigkeit des Hauses arzuzweifeln.

Neichsjustizminister Dr. Blunck: Jh möchte im Namen der Reichsregierung erklären, daß die Reichsregierung großen Wert auf die Verabschiedung dieses Gefeßes legt, niht aus irgendwelclhen politischen Gründen, sondern lediglih aus sachlichen Gründen. Jn der Ver- fassung ist, wie ih bereits bei der ersten Lesung ausgeführt habe, fest- gelegt, daß die Militärgerichtsbarkeit aufgehoben werden muß. Jch habe auch bereits in der ersten Æsung an Hand von urkundlichen Zeugnissen, auf Grund berufenster Sachverständigenäußerungen aus- geführt, wie unlecidlih die Zustände in der Militärgerichtsbar keit heute sind, und daß es nicht angängig ist, diese Zustände, unter denen die Militärgerichtsbarkeit geradezu zusammenzubrechen droht, auf unbestimmte Zeit noch aufrechtzuerhalten. Gegen die Nichtigkeit der sahlihen Darstellung, wie ih sie in der ersten Lesung hier gegeben habe, ist von feiner Seite irgendetwas eingewendet worden. Es würde eine außerordentlich bedauerlihe Störung, ja ih möchte beinahe sagen, eine Lahmlegung der ganzen Rechtspflege auf dem Gebiet der militärishen Strafgerichtsbarkeit die Folge sein, wenn die Verabschie- dung dieses Gesetzes aus irgendwelchen Gründen jeßt scheitern sollte. (Beifall bei den Deutschen Demokraten.)

Abg. Stüccklen (Soz): Die Necchbte seht alles daran die Annahme des Gesetzes zu verhindern. (Aba. legen keinen Weit auf dieses Gesez! Sie wollen die Anarchie in der Militärjust’z aufrecht erhalten.)

Präsident Fehrenbacch will die Abstimmung über den Antrag v. Graefe erst na der Erlcdigung der übrigen Gegenstände der Tages- ordnung vornehmen lassen.

von den Dingen hat. Er be- |

Graf zu Dohna: Wir |

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Auf einen Antrag des Ausschusses für soziale Angelegen- heiten wird die Regierung um eine Ergänzung des Hauss arbeitsgeseßes behufs Errichtung von Lohnämtern, um Vermehrung der Fachausschüsse und Errichtuna eines Beis- rats für die Gewerbeaufsicht über die Heimarbeit ersucht. Ueber eine Petition um Zurücknahme einer Bekanntmachung des Ar- beiter- und Soldatenrats Hamburg über das Verbot der Heim- arbeit geht das Haus zur Tagesordnung über.

Auf Antrag des Ausschusses für Volkswirtschaft wird das Neichswirtscha|tsministerium ersucht, bei der Durchführung der Vorschriften über die Shuh-Notstandsversorgung das selbständige Schuhmacherhandwerk in weitestgehendem Maße heranzuziehen.

Der Verordnung über den vorbereitenden Reichswirt- schaftsrat wird auf Antrag des volkswirischaftlihen Aus- schusses zugestimmt.

Auf Antrag des Abg. Dr. Semmler (D. Nat.) wegen Aufhebung der Zwangswirtschaft für Zucker für die Kampagne 1920 beschließt das Haus nah dem Antrag des volkswirtlschaftlichen Ausschusses, die Regierung zu ersuchen, die Bucker-: und Rübenpreise den steigenden Produktionskosten an- zupassen im Verhältnis zum Kartoffelpreis, den Rübenbauern für 100 Ztr. Rüben 20 Pfd. Zuker zum Hausagebrauch aus der Ernte 1920 freizugeben, einen Pian über möglichst baldiaen Abbau der Zwangswirt\chaft auszuarbeiten und die Zucker- bewirishaftung für das Jahr 1921 freizugeben.

Der Verordnung über das Reichswirtschaftsgericht wird auf Antrag des voltswirtschaftlichen Ausschusses zugestimmt.

Pn Fehrenbach teilt hierauf mit, daß die Beschluß- fähigkeit formell von dem Abg. von Graefe bezweifelt sei, daß die Be-shlußunfähigkeit aber ohne weiteres ersibtlih sei. Infolgedessen fönne über das Geseß, betr. die Militärgericht8barkeit, nicht abs gestimmt werden.

Abg. be (Soz.) bittet, diesen Gegenstand als ersten auf die nächste Tagesordnung zu seßen.

Nächste Sißung Mittwoch, 19. Mai, 3 Uhr (Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit; Erhöhung der Versicherungsgrenzs für die Angestelltenversiherung u. a).

Schluß 314 Uhr.

Vrenßische Landesversammlung.

141. Sißung vom 29. April, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Zunächst wird ver Geseßentwurf über Teuea rungszushläge zu den U verNotare, Rochisanwälte, Gerihtsvollziether, zu dén Gerichtskosten und zu den Shreibgebühren der Schied8männer in zweiter und dritter Beratung angenommen.

Dann ergreift zur Einbringung von Besoldungs- vorlagen das Wort der

Finanzminister Lüdemann: Sehr geehrte Herren und Damen! Die Besoldungsverhältnisse der preußischen Staatsbeamten sind zuleht am 26, Mai 1909 geseylih geregelt worden. Jn dert darauf folgenden Jahren hat infolge der allgemeinen Hebung des Wohlstandes si die Lebenslage sämtliher übrigen Bevölkerungskreise ganz erheblich gehoben, diejenige der auf feste Bezüge angewiesenen Beamten ist jedoch steben geblieben, so daß, als im Jahre 1914 der Krieg ausbrach, die Be- soldungêverhältnisse der Staatsbeamten bereits durch die wirtscaftliche Entwiflung überholt maren und {on damals eine neue Regelung der Beantenbesoldung dringend notwendig, auch bereits ins Auge gefaßt worden war. Durch ten Krieg und die durch ihn hervorgerufene sehr weiigehende Geldentwertune und die dadurch bedingte Teuerung hat sich die Lage dann weiter verschlimmert, so daß gegen Ente des Krieges die Beamtenbesoldungen in einem offenbaren Mißverhältnis zu den notwendigen Lebensbedürfnissen der Beamten standen, ein Mißver- hältnis, das von ten Beamten um so drückender und um so mehr als ein Unrecht empfunden werden mußte, als gerade während der Kriegs zeit, wie wiederholt anerkannt worden ist, von der gesamten Beamten- schaft eine außergewöhnlich große, umfangreihe, aufopferungsvolle Urbeit geleistet worden ist. Es war deshalb tringend notwendig, daß nah Abschluß des Krieges mit aller Beschleunigung die Neuregelung der Beamtenbesoldungsverhältnisse in Ançriff genommen wurde. Das ist geshehen. Der sehr große Umfang der Arbeit, die zu leisten war, hat es jedoch bedingt, taß das Zustandekommen der endgültigen Ent« würfe sich bis jeßt hinausgezögert hat.

Meine Damen und Herren, die Neuregelung der Beamten- besoldung ist um desn-llen so dringend, weil unser Staat wie jeder Siaat ein dringendes Interesse daran hat, dafür zu sorgen, daß sich die Beamtenschaft in gesicherten und auskömmlichen Einkommensverhält- nissen weiß und frei von der Sorge um das tägliche Brot \sih mit voller Kraft und ganzer Hingabe der dienstlichen Tätigkeit widmen fann, aber auch teshalb, weil nur dur geregelte Anstellungs- und Besoldungsverhältnisse der notwenvige Anreiz für die Heranziehung neuer tüchtiger Staatsdiener geschaffen werden kann.

Die Aufgabe, die die neue Negierung sich gestellt hatte, ist dur verschiedene Umstände ganz erheblich erschwert worden. Zunätst be- steht die allgemeine Ershwerung für jede Regelung von Besoldungs- verhältn:ssen in der Gegenwart darin, daß unsere Wirtschafts-, unsere Geldverhältnisse sih auch heute noch in einem durchaus unaus- geglihenen, immer noch fließenden Zustand befinten, daß man au heute noch nit übersehen kann, ob die gegenwärtigen Preisverhältnisse bestehen bleiben werden. Aus diesem Grunde ist es auch notwendig gewesen, bei der Neuregelung der Beamtenbesoldungen von vornherein auf tiese Unausgeglichenbeit der wirtshaftliden Verhältnisse Nüksiht zu nehmen und einen Autgleicksfaktor in die Besoldung jedes Be- amten einzufügen, der dazu dienen soll, das Gehalt der Beamten mit den s{hwankenden Teuerungsverhältnissen einigermaßen in Einklang zu bringen.

Eine andere große Ershwerung ter Arbeiten lag darin. daß die Grundlagen auf denen bisher die Beamtenbesoldungen beruht baben, in dieser Form nit mehr aufrecht erhalten werden konnten, weil sich die Anschauungen über die Art und Weise, wie die Beamten zu be-