1898 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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vertreten. m allgemeinen wirth\chaftlihen Interesse wünsche i, ‘daß der Sto die Üeberschüsse zur Verbesserung und Sicherung des “Verkehrs verwendet. Jetzt is die finanzielle Selbständigkeit des “‘preußishen Staats darauf e daß; die Eisenbahnen 200 bis 250 Millionen Mark UetersGüsse ergeben, Kann man denn immer einen solchen Ueberschuß herautwirthshaften ?. Jch habe in Preußen stets den Standpunkt verireten, daß ein vernünftiges Staatsbahnsystem nur durchgeführt werden kann, wenn die Eisenbahnfinanzen von den Staats- finanzengerennt werden, wie es in Baden geschehen ist. Ich habe nicht begriffen, was Graf Kaniß mit seinen Anregungen bezweckte. Er spräch dabon, daß in England ausländische Waaren billiger ge-

ahren würden als in Deutschland, wo es umgekehrt sei. Daraus

nnte man schließen, daß Graf Kaniß die Engländer auf die Aus-

E nahmetarife in Deutschland aufmerksam machen wollte, Wollte Graf

“Fanits die deutschen Interessen wahren, so bin ih damit einverstanden ; aber ; hat R Me nit gele wie der Präsident des NReichs- Eisenbahnamts dazu beitragen soll. " N

| 4 Wern L (Reformp.) erklärt, er fei gleihfalls der Ansicht, daß das Eindringen der Juristen in alle Verwaltungen vom Uebel sei. Er tadele ebenfalls die übertriebene Sparsamkeit der Gifenbahn- verwaltung. Bezüglich des Unfalls bei Cassel gehöre nicht der Beamte auf die Anklagebank, sondern die Behörde, weil sie einen ungeeigneten

Beamten an die gefährlihe Stelle in Wilhelmshöhe gestellt hätte. Züenn das Reichs-Eisenbahnamt seine Aufgabe erfüllen solle, so müsse s umgestaltet e edner suricut 10 gegen die Erhöhung des Gehalts des Präsidenten um é aus.

Abe Prinz L Schönaich- Carolath (nl.): Die Klagen der Sndustriellen über die mangelnden Güterwagen wiederholen ih von Fahr zu Jahr. Entweder sind also die Güterwagen nit vorhanden, dann müssen sie beshafft werden, oder sie sind vorhanden, dann fehlt es an den Organen, welche verständig über die vorhandenen Wagen zu verfügen verstehen. Im Gegensaß ¿u dem Freiherrn' von Stunim und dem Grafen Limburg halte ih den Wagenmangel für eine Thatsache ; ich weise nur auf die Montanindustrie Oberschlesiens und auf die Klagen der Fndustriellen in Kottbus, Forst 2c. hin. Die ershütternden Unfälle haben die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Es muß etwas Durchgreifendes gesehen ; dur einzelne Zeitungsartikel fann die Be- unruhigung des Publikums nit beshwichtigt werden Den Beamten wird so viel Arbeit zugemuthet, daß fie alle Dienstfreudigkeit dabei verlieren müssen. Hier muß entschieden Wandel geschaffen werden, auch wenn wir auf eine geringere Verzinsung der Eisenbahnen uns beschränken müßten. Ih wollte au ‘bie Klagen der Industriellen vou Chemniß wegen der Ausfuhr nach England und Schottland vor- bringen. Stücfgüter, von London abgesandt, werden am nächsten Tage in Glasgow bestellt. Eine solhe Schnelligkeit ist bei uns nicht vor- handen. Die genannten Industriellen wünschen eine \hnellere Be- förderung auf den preußishen Bahnen bis zur belgishen Grenze.

Abg. Dr. Graf zu Stolberg: Wernigerode (d. kons): Bei der Errichtung des Reichs-Eisenbahnamts handelte es sich allerdings nicht um die Schaffung von Reichs-Gifenbahnen, sondern zunächst um die Schaffung einer Aufsichtsinstanz im Reich. Das is} aber nicht vollständig durchgeführt worden. Ich achte die Thätigkeit des MNeichs- Eisenbahnamts durchaus nicht gering. Aber die großen Reformen wird das Reichsamt niht ausführen können; sie wüssen von den Einzelstaaten ausgehen. Die beiden Reformen der Personen- und der Gütertarife wird man nicht gleichzeitig in die Hand nehmen können. Jch halte die Reform der Gütertarife für nothwendiger, und zwar muß man zu Staffeltarifen übergehen. Die Exporttarife find ledig- lich eine innere Angelegenheit Deutschlands. : :

Abg. Beck h (fr. Volksp.) empfiehlt die Reform der Personen- tarife und weist darauf hin, daß 1892 bereits die bayerishe Regierung

ch dazu bereit erflärt habe, daß aber alles an dem Widerstand

iu gescheitert sei. : i

Abg. Noeside (b. k. F.): Die Worte des Grafen Kaniß konnten nur so verstanden werden, als ob er und seine Freunde anerkennen, daß England berechtigt ‘wäre, eine Aenderung der deutschen Aus- nahmetarife zu verlangen: Wie Graf Kaniß die Handelsverträge auf- faßt, wissen wir. Er mag im Prinzip dafür sein, in der Praxis ist er aber dagegen. A :

Abg. Fus (Zentr.) syricht ih im Interesse der Landwirthschaft des Westens gegen die Staffeltarife aus. E ;

Abg. Lenzmann (fr. Volkép.): Jh habe den Minister Thielen nit angegriffen, sondern! ihn in Schuß genommen, weil der Finanz- Minister von Miquel nah meiner Meinung der Schuldige ist; denn er hat die Uebershußwirthshaft zu Gunsten dés Staates eingeführt, während die Löhne der Arbeiter der Eisenbahnen zu niedrig sind und das rollende Material nichts taugt. Der Präsident des Reihs-Cisen- bahnamts giebt eine Vermebrung der Unfälle zu, Herr Gamp und Herr von Stumm leugnen sie. In den drei von Herrn Gamp ange- führten Unfällen liegt die Schuld an der Verwaltung ; sie hat ihre Aufsicht nit genügend geübt; bei Eschede kamen verfaulte Schwellen in Frage, und bei Gerolstein hatte der Zug bei ungenügender Beseßung mit Bremsern eine zu große Länge. Der Noth gehorhend, hat man einige Bahnhöfe umgebaut, aber in Dortmund rangieren die Züge immer noch auf der Straße. Die Trennung des Güterverkehrs vom E ist sehr leiht, wenn überall, wo ein großer Verkehr tattfindet, ein besonderer Rangierbahnhof eingerihtet wird. Jn der Eisenbahnverwaltung sind zu viel Juristen, es gehörèéèn mehr Techniker hinein.

Abg. Freiherr von Stumm (Np.): Auf die Frage der Löhne will ih nit eingehen, weil ih in den Verdacht kommen könnte, Wahl- manöver zu treiben. Daß die Uebertreibungen der Presse das Publikum und die Beamten nervöser gemaht haben, möchte ih aufrechterhalten. Daß man dem Minister Thielen vorwirft, er spare auf Veranlassung des Finanz-Ministers, is ein Vorwurf, der darauf hinausgeht, daß der Minister Thielen - unselbständig sei; das ist der {werste Vorwurf, der einen Minister treffen kann. Das Staatsbahnsystem hat die Er- wartungen, die man hegen konnte, übertroffen; die Einheitlichkeit des Verkehrs ift gesichert, und es sind erhebliche Uebershüsse erzielt worden. Bay 7 9/9 Zinsen bei den Eisenbahnen zu sprechen, ist nicht richtig. Man muß dabei nicht bloß ‘die rentierenden Eisenbahnen, fondern auch die niht rentierenden Wasserstraßen ins Auge fassen. Ein Vor- wurf ist es nit, daß ein Abgeordneter einzelne Interessen vertritt, wenn fie dem allgemeinen Interesse niht widersprechen. Die Lösung der Tariffrage ist niht in dem allgemeinen Uebergange zu Staffel- tarifen' zu finden.

Abg: Graf von Kaniß: Herr Hammaer follte seine Vorwürfe, weshalb ich wegen des englischen Handelsvertrags angefragt habe,

egen Herrn Barth richten, der beim Auswärtigen Amt danach gefragt

L Wir müssen noch in dieser Session mit England klar werden, mag ein Handelsyertrag zu stande kommen oder niht. Es würden sonst am 1. Juli d. J. unsere Generaltarife gegenüber England in Kraft treten, was ich sehr bedauern würde. Das englische Board of trads hat die englishe Regierung auf die Ausnahmetarife Deutsch- Tands aufmerksam gemacht. Ueber unsere zukünstige Handeléëvertrags- politik kann ih Herrn Roesickde morgen im Abgeordnetenhause unter- richten, wo ih einen längeren Vortrag darüber halten werde. (Zwischenruf : Wobei denn?) Bei einer Petition.

Abg. Gamp: Dur die Sparsamkeit sind die Unfälle nicht herbeigeführt. Sparsamkeit kann höchstens gefunden - werden in der Behandlung der Tariffrage.

Damit schließt die Debatte. |

Das Gehalt des Präsidenten wird bewilligt. Der Antrag Pachnicke bezüglih der Erhöhung der Betriebssicherheit und der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen wird mit großer Mehr- heit angenommen.

m übrigen wird der Etat des Reichs-Eisenbahnamts ohne erhebliche Debatte genehmigt.

Schluß 61/, Uhr. Nächste Sigung: Freitag 2 Uhr. (Anträge aus dem Hause und Petitionet) 9 q /

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 37. Sißung vom 3. März 1898.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Berathung der Nouelle zum Gescy vom 26. April 1886, betreffend die Beförderung deutscher Ansiedel ungen in den Pr 0- vinzen Westpreußen und Posen.

Nach dem einzigen Artikel der Vorlage soll der Fonds von 100 auf 200 Millionen Mark erhöht werden.

Abg. Sieg (nl.) beantragt den Bata „Jn Ausnahme- fällen ist auc die Bildung größerer Reftgüter zulässig.

Berichterstatter Abg. von Pappenheim beantragt namens der Budgetkommission die unveränderte Annahme der

Vorlage. / : Ueber den ersten Theil der Debatte ist bereits berichtet

worden. = Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Auf meine Aeußerungen bei der ersten General- debatte haben sih verschiedene Herren Redner bezogen. Ich habe damals die Stellung der Staatsregierung zu der {chweren nationalen Frage, die wir hier verhandeln, klar gelegt und habe meine Ueber- zeugung ausgesprochen, daß ih im Sinne des Staats-Ministeriums mi geäußert hätte. Dies kann ih iet nur in der bestimmtesten Weise wiederholen. Unsere Stellung ist niht entfernt so, daß wir gegen unsere polnischen Unterthanen Krieg führen wollen; aber wir können uns den ofenkundigen Thatsachen, die wir seit Jahrzehnten vor uns haben, unmögli verschließen und diejenigen Mafinahmen unterlassen, die der deutshnationalen Aufgabe des preußishen Staats, seiner kulturellen Mission im Osten und seiner eigenen Sicherheit und Verhütung von Gefahren entsprehen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, Einer der Herren Nedner aus dem Zentrum hat hier eine Rede gehalten, die ih von meinem Gemüthsftandpunkte aus sehr gern unterschreiben möchte. Er glaubt, oder er meint, daß ein versöhnlihes Verhalten seitens der Deutschen und seitens der Staats- regierung diese Frage lösen winde. Ich muß nun fagen, ih freuë mich, daß ein solch&er Glaube noch mögli ist; aber ih glaube nicht, daß der Herr Redner der Meinung sein kann, daß wir diesen Glauben noch gegenwärtig theilen dürfen.

Meine Herren, man kann do, wenn man nicht blind fein will, si garnicht verschließen, daß diese wahsende Srofsheit der Natio- nalitätenstellung wesentlih aus der Offensive, welche das Polenthum mebr und mehr gegen die Deutschen cingenommen hat, hervorgegangen ist (schr richtig!), und daß diese Offensize immer s{chärfer geworden ist. Die Neigung, sh abzusondern, die Neigung, gewissermaßen einen Staat im Staate zu bilden, sch sür gewisse kommende, vtelleict mögliche, vielleiht nicht möglihe Ereignisse zusammenzuschließen und vorzubereiten, Ereignisse, die sih gegen die Sicherheit des Staats rihten würden das haben wir alles so klar vor uns, daß man wirkli glauben müßte, eine preußishe Regierung wäre unfähig, nah vielleiht mandzen Schwankungen und verkehrten Versu@en von diesen gewaltig sprehenden Thatsachen überhaupt nur zu lernen. Meine Herren, ih habe {hon anerkannt, daß die Politik der Staatsregierung was aber au) gegerüber einer fo chweren Frage ganz entschuld- bar, ih möchte fast sagen, natürlich ist bisher mannigfah ge- \{chwankt hat, und daß dadurh ein großer Schaden entstanden ift. (Sehr richtig!)) Und ih würde es pêrsönlih wirklich unverantwortlich halten nah all ben Erfahrungen, die der preußishe Staat gemacht hat, ob er mit Schärfe, ob er mit Milde, ob er mit Schwäche und Nachgiebigkeit und Entgegenkommen verfuhr er ist immer eigent- lid) auf denselben Felsen gestoßen, dem man nit beikommen konate, nun noch nit nach alledem die unerläßlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Nun, meine Herren, haben wir aus der Erfahrung auch entnommen, daß ein kleines polizeiliGes Unterdrücken polnischer Aeußerungen nit viel nüßt (schr wahr! rechté), daß man si auch hineindenken muß in die Lage der anderen, daß man die Geschichte des ganzen Polenvolkes objektiv beurtheilen auß, und daß €s vor allen Dingen darauf ankommt, nit rein negativ gegen die Polen, sondern positiv für die Deutschen einzutreten. (Bravo! rets.) Damit werden wic auf die Dauer zwar langsame, aber sichere Fortschritte machen. Meine Herren, eine Politik, wie sie uns Herr Jaeckel anräth (Heiterkeit), das ist eine Politik derjenigen, die man vor der Gründung des Deutschen Reichs oft hörte, eine Politik der Stim- mung in Hamburg, die von einer deutshen Floite nichts wissen wollte, weil dadur möglicherweise mal ein Konflikt und ein kleiner Nachtheil für Handel und Wandel entstehen könnte; eine Politik des Unterduckens (sehr richtig! Bravo! rets), eine Vogel- \traußpolitik (Heiterkeit), wie mir einmal ein Herr aus einer Stadt, wo ih früher amtiert habe, sagte: ja, was haben wir von dem Deutschen Reih ? Seit der Zeit ist ja nur die Unruhe erst in die Welt gekommen, bis dahin haben wir -hier ganz ruhig gesessen, und es ift uns niXts passiert. (Heiterkeit.)

Ja, meine Herren, wenn der preußishe Staat seine Aufgabe so auffaßt, gegenüber dem permanenten Vordringen, den, ih möchte sagen, Rippenstößen, die uns von anderen Seiten gegeben werden, immer weiter zurückzuweihen, um nur ja den Gegner nur nicht noŸ mchr zu erzürnen; wenn die deutsch(e Nation unfähig wäre, auch mal die Schulterfreiheit sich selbst zu erkämpfen, wo wollte da überhaupt das Deutsche Reich bleiben und der preußische Staat? (Sehr richtig! Bravo!)

Meine Herren, ich glaube wirklich, daß die Polen am ehesten zu der auch von uns ersehnten vcrsöhnlihen Stimmung kommen, wenn sle sehen, daß eine konsequente, klare und maßvolle deutshe Politik ihnen entgentritt. (Sehr richtig! rechts.) Wenn wir fie bloß um Versöhnung bitten, aber immer weiter zurückgehen, nichts thun, das deutshe Nattonalbewußtsein niht heben, wenn nit die Deutschen aller Parteien \sih zusammenscließen ich glaube nicht, daß ein solches Verhalten auf eine Nation, die ein folches entschiedenes, kräftiges Nationalge fühl hat, den Eindruck des Respekts, vielmehr einen ganz anderen Eindruck machen würde, den ich nicht näher bezeihnen will. (Sehr richtig!)

Meine Herren, nun habe ih {on früher ausgesprochen, daß eine folche Politik cine fulturelle Politik ist so möchte ih sie bezeihnen, denn es werden auh die Polen nit bestreiten, daß sie von der dzutshen Kultur in die Höhe getragen sind, wahrscheinlich auf eine viel höhere Stufe gekommen sind, als sie bei der Fortdauer ihres eigenen früheren selbständigen Polenreihs jemals erreiht hätten (fehr rihtig!) ih meine, meine Herren, alles, was wir in dieser

Provinz thun, wird immer noch denselben Erfolg haben : die Bildung, die Wohlfahrt, die Entwickelung au unserer volnischen Uaterthanen glei den deutshen in die Höhe zu bringen. Hätten wir nicht dieses Vertrauen, meine Herren, daß wirklihe Kultur, beiden Nationen zugeführt, dahin führte, den preußischen Staat zu stärken, ein versöhnlihes Verhältniß zwischen den beiden Nationen {ließlich hervorzurufen, dann wäre diese Politik allerdings falsch. Dann dürften wir z. B. niht wie das ja ein Schriftsteller angerathen hat, von welchem ih zu meinem großen Erstaunen gelesen habe, daß er als ein sehr großer Polenfreund bezei(net wurde dürfen wir beisptelsweise nicht die Polen deutsche Sprache lehren; denn diejenigen Polen wären uns ja viel weniger gefährlich, die überhaupt nur polnisch verstehen und sich nicht bethätigen können als preußische Staatsbürger. Aber, meine Herren, wir wollen gerade das Gegentheil; wir wünschen nihts weiter, als daß die Polen sich wirkli befähigen und den Willen bekunden, sich in das preußische Staatswesen hineinzuleben, genau so wie die Deutschen, daß, wenn einmal eine große deutsche nationale Frage auf dem Spiele steht, wir auch auf die Polen renen können, daß sie anders handeln, wie z. B. jeßt nach den Zeitungs- berid;ten die polnisGe Nation in ker großen nationalen deutschen &lottenfrage (sehr rihtig!), wo fie nah den Zeitungsbericten einfah sagt: weil die Regierung bei uns Polen nit fo regiert, wie wir wünschen, kümmern wir uns niht um diese große Frage, an der doh die Polen in Wahrheit ebenfogut betheiligt find wie die Deutschen. (Sehr richtig!)

Nun, ih hoffe doch, daß diese Debatte und die Erklärungen, die wir hier abgeben, \{ließlich au die Polen überzeugen werden; hier geschieht nihis, was nicht innerlich berechtigt und durch die gesammten Verhältnisse bedingt wäre; hier geschicht namentlih nihts, was nicht dauernd aufreht erhalten werden könnte. (Sehr richtig!) Wir wollen nit Maßregeln treffen ab irato; im Gegentheil, alle Maßregeln werden nur den Zweck haben, diese Gegen\äßlichkeit, die [chroffffen Vers häftnisse der Nationalitäten auf die Dauer wenigstens abzus{wächen. Wenn die Regierung in gewisser Weise in dicser Beziehung cine Aenderung ihrer bisherigen Politik eintreten läßt, so wird das natür- li zuerst besonders verstimmend wirken. Aber sind die Maßregeln in sih berechtigt, und haben sie den Zweck der Ausgleichung der Gegensäße, dann wird diese momentan stärkere Verstimmung einer größeren Zufriedenheit in der Provinz {ließli Plaß maßen.

Nun hat man auf die Lage in den Städten hingewiesen. Wir find in der Staatsregierung vollständig davon durchdrungen, daß das deutsche Wesen in den Städten gegenwärtig fast mehr gefährdet ift als auf dem Lande, und daß namentli diese Maßregel der Ansiedelung von Deutschen doch nur sehr allmählich auch auf die Stärkung des Deutschthums in den Städten felbst einwirken kann. Schließlich allerdings wird eine deutshe landwirthschaftlihe Bevölkerung auh auf die Städte und deren Deutshthum fehr günstig zurückwirken ; das wird aber nur ganz allmähßlih geschehen.

Meine Herren, die Regierung is also davon durchdrungen, daß, soweit cs in ihrer Macßt liegt, sie auch das- Deutshthum in den Siädten fördern muß. Es finden in dieser Beziehung für eine Reibe von Städten eingehende Erwägungen statt, und wenn man an mich als Finanz-Minister in dieser Beziehung appelliert hai man hat mi ja vielfach als einen sehr engherzigen Geldmann bezeichnet (hört! hört !), was aber durhaus falsch is (Heiterkeit), wie ih das be- wiesen habe —, ih fage, wenn man an mich als Finanz- Minister in dieser Beziehung appelliert hat, so kann ih den Herren die Versicherung given, daß, soweit die Mittel des Staais irgend reihen, Maßnahmen, welche nach meiner Ueberzeugung wirklich zweckmäßig und geeignet sind, das Deuishthum in diesen Provinzen zu kräftigen, an der Selbfrage niht scheitern sollen. (Bravo!) Denn ih betrackte diese Frage als eine fo bedeutende, daß dafür auch er- heblihe finanzielle Opfer vom Staat gebracht werden müfsen, und daß diefe finanziellen Opfer {ließli} doch eine sehr gute Rente, wenigstens sehr gute Früchte tragen werden. (Sehr rihtig!)) In dieser Beziehung werden wir uns also wohl verständigen.

Nun möchte ich noch mit cinem Wort auf den Herrn Abg. Jaeckel kommen. Ih verstehe es vollständig, daß cin Katholik, der treu an seiner Kirhe und an seinem Glauben hängt, etwas zwiespältig in seinem Herzen bei dieser Frage ist, das verstehe ih vollständig. Es kaan ja sehr leiht die Befürchtung entstehen, daß doch, wenn auch nicht beabsichtigt, so do thatsählih eine besondere Begünstigung der evangelischen gegenüber der katholishen Kirhe stattfinde. Meine Herren, eine Partei, welche in diesem Reichstag das Deutsche Zivil- geseßbuch mit ins Leben gerufen, welche jeßt bei der Flottenfrage einen so entschieden deutsh-nationalen Standpunkt einnimmt, welhe ih

‘sagt, daß die katholishe KirWe mit einem national sehr ausgeprägten

Gefübßl in der ganzen Welt niht in Widerspruch steht, daß vielmehr die fktaibolishe Bevölkerung und Geistlichkeit in allen Staaten die nationale Seite auf das allerentshicdenste vertritt eine sclde Partei wird sich doch wenigstens, glaube ih, sagen müssea: s ist niht zu bestreiten, daß hier eine Frage unserer eigenen Nationalität vorhanden ift, daß wir Deutsche sind, und daß, sofern nicht die Lösung dieser Frage mit Maßregeln getroffen wird, welche einen böswilligen, feindseligen Charakter gegen die katholische Kirche haben, wenigstens doch die katholischen Abgeordneten und die katholische deutshe Bevölkerung sich hüten müsse, irgend welche Dinge zu unterstüßen, welche die Polen in ihrem nationalen Gegensaß gegen die Deutschen fördern. Ich bin überzeugt, wenn sie sehen, wie die Regierung in Zukunft operieren wird, dann wird ein, wie ich an- erkenne, gewisses natürlihes Mißtrauen chwinden, und ih hoffe noch immer, daß sie sich dann in vollem Maße au auf unsere Seite der Lösung dieser nationalen Frage stellen werden.

Meine Herren, ob ih diese Hoffnung hegen kann Anschauungen gegenüber, wie sie der Abg. Jaeckel hier vertreten hat, ist mir aller- dings sehr zweifelhaft. Leider is der Deutsche ja nur zu geneigt, die großen gemeinsamen Aufgaben und Interessen feiner eigenen Nation zurückzustellen, in kleineren Körperschaften sein Genüge zu haben und von dieser einseitigen Auffassung einer solhen kleinen Vereinigung aus die ganze Welt zu beurtheilen, beispielsweise au in die Gefahr zu gerathen, sch nit zu seiner eigenen Nation, zu halten, bloß um der Fraktion, der er gerade angehört, cinen vermeintlihen Vorschub zu leisten. (Sehr ri&tig! redts und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, selbst vom Fraktionsstandpunkte aus halte ih diese Politik für eine verfehlte. Denn wenn hier Herr Sieg sagt: wenn es gelingt, das deutshe Bewußtsein, das recht cinge- \{lafen war in diesen Provinzen ih will garniht sagen, wer dabei die größte Schuld trägt wieder lebendig zu mahen, wenn

die Kreife, die die Verhältnisse in der Provinz selbst kennen, allmäh-,

li anfangen, sich wieder än die Seite ihrer Landesgenossen konftant zu tellen, dann wird eine solche Politik selbft vom Fraktions\tand- punkie aus bedenklich wecden. (Sehr richtig! rechts.)

Man siebt den Unterschied so recht bei ten Wahlen. Wenn die freisinnige Partei in diesen Provinzen nit zusammengeht mit den übrigen, politisch anders gesinnten Deutschen, so wird ja kaum in einem Falle vielleiht in der Stadt Posen der Ecfolg der sein, daß ein Freisinniger gewählt wird, sondern der einzige Erfolg ift der, daß ein Pole gewählt wird. (Sehr richtig! rechts.) Wollen die Freisinnigen fich einfach als einen Annex der Polen betraten? Doch gewiß nicht! J traue ihnen das garniht zu; ‘ich bin sogar davon überzeugt, daß sie Nationalgefühl genug haben, um von diesem Weg zurückzukommen, wenn sie si die Folgen klar vor Augen stellen. In einer Reihe von Wahlkreisen find die Deutschen ledigli unter- [egea, weil sie nicht einig waren. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, ih habe noch die Zeiten erlebt fo unklar war damals noch unsere Nation —, daß deutshe Abgeordnete aus Preußen

im Jahre 1848, es war in einec Versammlung in Hanau, fast todt-

geschlagen wurden, wetl sie darauf aufmerksam machten, daß es si nicht darum handle, das große Polenreih wiederherzustellen, sondern die Deuischen in diesen Provinzen zu retten. (Hört! hört !) Ja, Gott sei Dank! ist jet, wo nunmehr fünfzig Jahre verflossen sind, die deutsche Nation einz andere geworten. Hat das deutshe Volk mal wirkli diese Frage begriffen, so ist es eine {chlechte Fraktionépolitik, sich nit an die übrigen Deutschen anzuschließen. (Lebbaftes Bravo! rechts.) JIch hoffe, daß wir au dies noch erleben, wie wir ja in unserem Volke fo gewaltige Fortschritte in den leßten Jahrzehnten gemackßt haben, immer allerdings unter Bekämpfung der uns Deutschen bur die Geschichte anhaftenden {weren Mängel in nationaler Kraft und nationalem Bewoußtsein.

Meine Herren, diese Verhandlungen werden, fo hoffe ih wenigstens,

nit bloß dur das Gese, welhes wir hier zum Abs{chluß bringen, } fondern auch durch die Klarheit, die bei Freund und Gegner über !

diese ganze Frage aus dieser Diskussion hervorgehen wird, einen großen Gewinn uns bringen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Stephan (Zentr.): Der Minister hat hier hohe Politik geirieben, ist uns aber den Beweis \@uldig geblieben, daß

das Ansiedelung8geseß wirklih den gewünschten Erfolg gehabt hat |

und der Gerechtigkeit entspricht. Es fehlt überhaupt an ciner statiftishen Unterlage über das Vordringen des Polenthums. Wir treiben hier ledigli) Gefühlépolitik. Gerade der polnishe L oykoit und der Zusammenshluß der Polen beweist, daß man mit dem Geseß nit cine Assimilierung der Polen mit den Deutschen erreidt hat, die man erreihen wollte. Man zwingt hiex die Polen von Gesetzes wegen, sih zusammenzuthun. Wir stärken mit solchen Mitteln nicht das deutsche, sondern das polnische Natioralbewußtfein, und neus Geldmittel, wie sie Herr Sieg wünscht, werden den Gegen- saß zur noch mehr verschärfen. Dieses Geseß ift ein Auenahmegesetz und steht im Widerspruch mit Artikel 4 der Verfassung, nah welhem vor dem Gese alle Alp glei find. Wenn für den polnischen Bauer wenig oder garnichts geschieht, so muß er zu der Ansicht fommen, daß ungereht, mit zweierlei Maß gemessen wird. Unbewußt eht dieses Gesey auf eine Protestantisierung der Provinz hinaus. Das Verhäliniß der katholishen und evangelishen Anßiedler ist un- gefähr wie 1:16. Es liegt hier ein dolus oventualis vor. Bei unserem Priestermangel wird es {wer sein, aus Westfalen u. |. w. Geistlihe nah Posen zu {icken für die wenigen Katholiken; in den Ansiedelungsóbezirken find deutsh sprechende Geistlihe genug vorhanden. Daß die Katholiken dort gewissermaßen einen Kampf um die deutsche

redigt führen, muß ih bestreiten. Die Bischöfe und Pfarrer haben | eine Schuid, wenn bei prävalierender polnisher Bevölkerung der i

Havptgotteédienst in polnischer Sprache abgehalten wird. Dieses Geseh widerspriht auch unserem Budgetrecht, weil die Geltungsfrist

beseitigt werden soll, denn* nah der Verfassung müssen die Ausgaben ! und Einnahmen des Staats in jedem Jahre festgeseßt werden. Bei | der ersten Lesung schienen auch die Konservativen unsere Bedenken zu }

theilen. 1886 hielt der Landtag eine Fristbestimmung für unbedirgt nothwendig, um si eine Kontrole zu sihern. Die Fristbestimmung bis zum Jaÿre 1907 rührt von Herrn von Rauchhaupt her. Ich bitte den Präsidenten, über diese Bestimmung des Gesetzes gesondert abstimmen ¿u lassen. Der Antrag Sieg steht in Widerspruch mit dem Gesetz, welches die Ansiedelung deutscher Großgrundbesißer garniht vorsieht. Ausnaÿhmefälle zuzulassen, lieat gar keine Veranlassung vor. Groß- polnishen Auswüchsen, namentlich der polnishen Presse, möge man entgegentreten, aber nicht mit Ausnahmegeseßen. Wir treiben damit nicht eine Politik der Sammlung, sondern der Eutzweiung, und dieser muß man aus nationalen Gründen entgegentreten,

f Minister für Landwirtbschaft 2c. Freiherr von Hammer- tein:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Vorredners bieten mir Veranlassung zu einer kurzen thatsählihen Mittheilung.

Der Herr Vorredner stellte in Ausficht, daß, wenn er annehmen dürfe, daß der früher {on vom Freiherrn von Huene gestellte An- trag, wenn er jeßt wiederholt würde, im Hause Annahme finde ein Antrag, der darauf gerichtet war, umfangreicheres statiftisches Material über die Verschiebung der verschiedenen Nationalitäten in den Provinzen Westpreußen und Posen herbeizushaffen so werde er einen solchen Antrag stellen.

Schon bei der Generaldebatte ift in Aussicht gestellt, daß die Königliche Staatsregierung versuchen wolle, foweit angängig, schon bei der zweiten Lesung das vom Herrn Vorredner gewünschte statistische Material vorzulegen. Die betreffenden Anordnungen find den nath- stehenden Behörden ertheilt. Aus der Provinz Westpreußen liegt mir das Material bereits vor; aus der Provinz Posen wird es wahr- \cheinlich in den nächsten Tagen eingehen. Ih werde dann das Material zusammenstellen und glaube, daß ih in der Lage fein werde, bei der dritten Berathung das Ergebniß dieser Erhebungen vor- zulegen.

Im übrigen habe ich keine Veranlassung, auf die Darlegungen des Herrn Vorredners weiter einzugehen. Es sind überall in feinen Darlegungen dieselben Gesichtspunkte hervorgetreten, die schon bei der Generaldebatte in gleiher Ausführlichkeit vorgetragen worden sind und die zu widerlegen {on derzeit von der Staatsregierung versucht ist. Ich enthalte mi also, auf diese Darlegungen jeßt erneut einzugehen.

Abg. von Puttkamer-Plauth (kons.): Polendebaiten sind auf dieser Seite niht populär. Wir würden am liebsten mit den Polen in Nuhe und Frieden leben; fie sind uns niht unsympathisch. Unsympathish is uns nur, daß ein Deutscher hier eine solhe Rede halten kann, wie es Herr Jaeckel gethan hat. Wenn die 36 Stadt- verordneten in der Stadt Posen von solchem Geiste beseelt sind, wie er, dann kann man sich über die Fortschritte des Polenthums nit wundern, Die Stadt Posen is jeßt {on eine überwiegend polnishe Stadt, und gerade im Mittelstande hat ‘das Polenthum in ershrecklicher Weise zugenommen. Der polnische Großgrundbesiß hat allerdings sehr erheblih abgenommen infolge {lechter Wirthshaft; er ver- chmäht es, dem preußishen Beamtenstande anzugehören, er dringt mit Gewalt in den polnishen Mittelstand ein. Die Zahl der polnishen Abgeordneten ift ftetig gewachsen, allerdings

vielleicht mit Hilfe der Herren Jaeckel und Genossen. ‘Die Geist- lichen Westpreußens und Posens sind mehr oder weniger von dem Polenthum angekränkelt ; wenn man fie dort anstellt, so spannt man die Pferde hinter den Wagen, und es würde den Katholiken ebenso gehen wie seiner Zeit den Bambergern. Die katholischen Oberen sollten dafür sorgen, daß national-deutsche Geistliche angestellt werden, dann werden au deutsche Katholiken dort angesiedelt werden. Das Staats- und Volksthum muß unter allen Umständen geschüßt werden. Drei Millionen Polen, die kompaklt zusammenwohnen, können in kritischen Zeiten für uns eine große Gefahr werden, dann roerden die Polen sih demaskieren ; ih \preche hier nicht von den Herren hier im Hause, sondern von den Polen im Lande. Die „Ansiedelung in den Herzen der Polen“ hat die Regierung seit hundert Jahren ohne jeden Erfolg versu)t. Der Kampf von Mann zu Mann, wie er vom H. K. T.-Verein geführt wird, kann gegen die geschulten, vom Klerus unterstützten Polen niht zum Siege führen, wir müssen in diesem Kampfe unterliegen. Dieser geschäftlihe Kampf is auch höchst unerquicklih, wenigstens nah meinem Gefühl. Hätte der Staat von vornherein mit starken Maßregeln, wie diese Vorlage, den Kampf geführt, so würden wir E viel weiter sein. Vor dem Gesetze können doch nur diejenigen gleich fein, die sich auf den Boden der Verfassung stellen. Höher aber als die Verfassung steht mir die Ordnung und Sicherheit des Vaterlandes. Mögen die Polen im Geiste der Verfassung si als loyale Unterthanen betbätigen, dann werden sie auch als solche behandelt werden. Die Politik der Verschleierung kann uns Deutsche nicht täuschen. Wenn der geeignete Moment gekommen sein wird, wird man

| die Maske abwerfen. Der poluishe Bauer wird lieber unter

preußischer Herrschaft leben, als unter der polnischen Knute; er Tlagt am roenigsten über Ungerechtigkeit. Auf eine bestimmte Frist dieses Geseß zu erlassen, hätte keinen Zweck, denn seine Wirkungen werden erst in Jahrzehnten ïlar hervortreten. Rußland geht gegen die Polen mit ganz anderen Mitteln vor. Wir wollen nur humane Mittel anwenden, die sicher und langsam wirken. Wir werden für den Antrag Sieg stimmen, niht im Interesse des Großgrundbesites, son- dern aus praktishen Gründen. Die Polen haben {hon lange vor der Gründung des H. K. T.-Vereins die gesammte deutshe Nation boykottiert. Dagegen müssen wir die Deutschen {chüßen. Daß diese Wirkung des Gefeßes {hon in ein paar Jahren hervortreten soll, kann auch Herr Jaeckel nit verlangen. Der Krebsshaden in dieser Frage liegt in dem Mangel an Zusammenhalt unter den Deutschen selbst; und es wird nicht eher besser werden, als bis die Deutschen es unterlassen, die Polen zu unterstüyen, wie es hier geschehen is. Wir werden die Regierung in dieser Frage au künftig unterstügen.

Abg. Mun ckel (fr. Bolksp.): Man hat die wirthschaftliche Seite der Vorloge etwas in den Hintergrund treten lassen. Man spricht von den fegensreihen Wirkungen des Gesetzes, diese Wirkungen werden aber hervortreten in einer Stärkung des Grundbesißes. Man darf polnische Sympathien haben, ohne in den Verdacht der Vater- landéfeindschaft zu kommen; denn Herr von Puttkamer hat auch polnische Sympathien. Auch Herr JaedLel hat solhe Sympathien. Ich glaube überhaupt, die beiden Herren haben noch mehr Berührungspunkte, zum Beispiel in Bezug auf den H. K. T.-Verein; ader ich weiß nicht, ob es fehr {ôn wäre, wenn das ganze Haus aus Herren von der Art des Herrn von Puttkamer bestände. Die Konservativen haben

einen besonderen Patriotismus, selbft vershieden von dem der Fret-

konservativen, und heller noch glänzt er bei den Nationalliberalen, Die Aeußerungen des Herrn Finanz-Ministers gegenüber dem Zentrum entsprehen ganz der Dankbarkeit, die er haben muß für die Hilfe des Zentrums in der Flettenfrage. Ich kann dem Herrn Finanz-Minister erklären: Wenn wir wirkli blind sein sollten, is er es nicht, der uns verblendet hat. Am 20. Januar wies der Finanz - Minister auf die französishe Kammer hin; das war ein unglückliches Beispiel, denn gerade an dem Tage platten die Geister in der Kammer aufeinander nah dem Prager Muster. In Frankreich hat ja jetzt die Wahrheit und Gerechtigkeit, wenigstens nah dem Urtheil einiger Fran- zosen, einen greßen Triumph gefeiert. Die Verhältnisse in Posen kenne ich nit aus eigener Erfahrung. Der Reichskanzler hat erklärt, niht nur das Deutschthum, sondern au däs Polenthum zu stärken mit dieser Vorlage. Ja, da nüßt sie do weiter nihts. Jh weiß niht, ob das Mittel zum Ziele führt. Denken Sie doch an den alten Saß: Was Du nicht willst, daß man Dir thu’, das füg! au keinem Anderen zu. Denken Sie doc, ein folches Gese würde in Böhmen gegen die Deutschen eingebracht. Jch weiß niht, ob Ihr (rechts) Patriotismus duldet, daß man in Rußland kräftige Maßregeln gegen die Deutschen zur Förderung des Nussenthums durchführt. Sie werden sie als unreht empfinden, und so empfinden wir hier das Un- recht; und die Hauptsache ist, dieses Unrecht wird von Staatswegen zugefügt; das muß in ethisher Beziehung {hädlich wirken. Ich habe mi gefreut, daß der Reichskanzler felbst sagte, daß es noch andere, kulturelle Mittel gebe zur Förderung des Deutshthums. Dieses Mittel hier is mindestens zweifelhaft. Der Herr Finanz-Minister kann uns in dieser Sace niht überzeugen. Wenn der Berg das sind wir nicht zum Propheten das if der Finanz-Minister kommt, wer weiß, ob niht einmal der Prophet zum Berge kommt, Wenn wir für die Vorlage nicht stimmen, so mag man das für einen Fehler tes Intellekts halten, niht für einen Fehler des Charakters.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Was die leßten Worte des Herrn Vorredners betrifft, so gebe i% ihm darin Ret, daß er und seine Freunde der Berg sind, der sich nie bewegt. (Heiterkeit rechts.) Deswegen habe ich au die Hoffnung fast aufgegeben und das vorher {hon ausge- sproen, daß es gelingen wlirde, von der Richtigkeit der Politik des Staats in dieser Frage ihn und seine Freunde zu überzeugen. Aber, meine Herren, eine andere Hoffnung gebe ih niht auf, daß die fret- sinnigen, in diesen Provinzen lebenden Deutschen {ließlich aufhören, lediglih ihren Führern zu folgen. Jch denke noch immer, daß es ge- lingen wird, daß, wie alle polnishen Parteien zusammenhalten, wenn es sich um die Frage, ob Deutscher oder Pole, handelt, diese Gefolg- schaft eine andere Entscheidung treffen wird als ihre Führer. (Sehr gut! Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, der Herr Vorredner hat mir vorgeworfen: ih hätte dem Zentrum eine Liebeserklärung gemacht, hätte eine Liebes- werbung eintreten lassen. Jch habe nihts weiter gethan als wichtige Thatsachen erwähnt, aus welchen hervorgeht, daß die deutschen Katholiken die großen Interessen des deutschen Volkes und des deutschen Staats in der leßten Session in hervorragender Weise vertreten haben. Das i} eine einfache Thatsache. Was aber das Liebeswerben betrifft, so ist wohl jedem, der die Zeitungen nur gelesen hat, be- kannt, daß die freisinnige Partei dieses Liebeswerben besser versteht als die Staatsregierung (Heiterkeit und fehr gut! rets) und ih kann hinzufügen, daß dieses Liebeswerben vielleiht in Zukunft aufhören wird, weil es in der großen Flottenfrage so s{chlechte Er- folge gehabt hat. (Heiterkeit rets.)

Meine Herren, der Herr Vorredner sagt: dieses Gese if ein politishes Geseß; es soll das Deutshthum vertreten; es. ist ein ungerechtes Geseß, {on teswegen, weil es eine agrar- politise Bedeutung niht hat. Der Ansicht bin ich ganz und gar niht. Dieses Gesey hat neben seiner nationalen und politishen Be- deutung eine sehr große agrarpolitishe Bedeutung. (Sehr richtig! rechts.) Jh brauche das garnicht näher auszuführen ; es is ein großes Glüdck, daß etne wichtige nationalpolitishe Maßregel zugleih eine in hohem Grade agrarpolitische und kulturelle i. (Sehr rihtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Diejenigen, die bedenklih wären, ob das große Wirkungen haben könnte in national-

politisher Beziehung, können ih damit tiröften, daß es in allen Fällen einen großen fulturellen Fortschritt bedeutet, und ich kenne Provinzen, die sehr froh wären, wenn ohne alle nationalpolitische Bedeutung bei ihnen eine ähnlihe Entwickelung eintreten würde (sehr richtig! rechts, Bewegung im Zentrum und links), und wer weiß, meine Herren, ob wir nit dahin kommen, das Geseß nah dieser Richtung in Zukunft einnzal zu erweitern. (Hört! hört! rechts.) Meine Herren, uns Deutschen ist es ebensowenig angenehm, daß in dem alten deutschen Lande Westfalen \o viele protestantishe Polen sch ansiedelten wie katholishe. Jch möchte soviel proteftantishe Masuren in dem alten deutschen Westfalenlande au nicht gerne haben. Das Zentrum kann daraus ersehen, wie wir die Sache niht vom konfessionellen, sondern vom nationalen Standpunkt betraten. Ih möchte lieber, daß in dem alten deutschen Lande eine Mischrasse nit entstände, sondern daß das alte deutsche Blut in Westfalen rein erhalten wird. (Sehr rihtig! rechts.) Für uns ift die Frage wirklich nur eine nationale Srage und feine andere, und ich ‘glaube, die Katholiken in Westfalen denken über die Einwanderung der Polen genau so, wie wir es thun. Meine Herren, ih habe keineswegs fo weit würde ih mic nie gestatten, zu gehen einem Deutschen nationales Interesse und Nationalgefühl abgesprodßen. Das if mir gegenüber der freisinnigen Partei niht entfernt eingefallen. Aber ich babe nur bedauert, daß andere Fraktions- und sonstige politische Partelinterefsen oft zu ftark sind, als daß das Nationalgefühl zu seiner warmen Bethätigung kommt. Und, wie gesagt, ih halte namentlih nach den Mittheilungen, die hier {hon in Beziehung auf die Stellung der Deutschen in diefer Provinz gemacht sind, die Hoffnung fest, daß an Ori und Stelle eine andere Entscheidung getroffen wird, als Herr Munckel in seiner freundlihen Weise für die Zukunft pro- phezeit hat.

Meine Herren, über den H. K. T.-Verein will ich mich nicht ausspreen. Ich kenne zu wenig die Einzelheiten; ich kann mir denken, daß in dem s{charfen Kampfe der Nationalitäten auch der H. K. T.-Verein hier und da Mißgriffe gemacht hat. Aber wenn in dem H. K. T.-Verein ein Entschluß der Deutschen zu sehen ift, sich [lebendiger als bisher als Deutsche zu fühlen, in der Gesammtheit aufzutreten für ihr Vaterland, für thr Deutshthum, für ihre nationalen Ziele, so kann man vielleicht manche einzelnen Maß- nahmen tadeln, aber das große Ziel: das Deutshthum wach zu macGen, das Deutshthum zu heben, das Selbstbewußtsein der Deutschen zu stärken, auf den Nuf, den die Staatsregierung an die Deutschen in diesen Provinzen rihtet: haltet den Kopf hoh! mit „ja* zu antworten, das kann ich nicht tadeln. (Lebhafter Beifall.)

_Abg. Seer (nl.) führt aus, daß polnisch und katholisch nicht dasselbe sei. In Polen stehe das Polonisieren viel höher.

Abg. Eblers (fc. Vgg.): Die Frage läuft nah der heutigen Debatte darauf hinaus, ob ein Gegner der Vorlage noch national- deutshe Politik treibt. Die Ausführungen des Herrn Finanz- Ministers sind nicht geeignet, eine Sammlung der Deutschen im Osten herbeizuführen. Es ift eine {were Aufgabe, wenn wir unter Aufgabe unserer politishen Ueberzeugung für das Deutschthum kämpfen sollen. Wir follen das deutsche Volksthum unterstüßen, wür- den aber bei den Wahlen die Konservativen etwa für Herrn Riert gegen einen Polen eintreten? Man verlangt, daß die Zusammen- fassung des deutschen Elements im Often unter der Flagge der kon- servativen Partei erfolgt. Die Vaterlandsliebe ist ein heiliges Feuer, bas still im Herzen glüht und zur mächtigen Flamme emypor- schlägt, wenn das Vaterland in Gefahr ift; aber der nationale Sinn darf nicht als Feuerwerk benußt werden. Wir kämpfen auch für das Deutschthum im Osten, aber wir können uns das Necht nicht nehmen lassen, die vorgeschlagenen Mittel zu kritisieren. Daß einfa der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums die Mittel ángiebt und das ganze Haus ihm nachfolgt, das können wir nicht mitmahen. Zur Germanisierung des Polenthums gehört eine intensive, thatkräftige lange Arbeit des Volkes; ih würde es au mit Freuden begrüßen, wenn die Polen gezwungen werden könnten, \ich unserer Militär- und Beamtenlaufbahn zuzuwenden. Aber mit diesem großen mechanischen staatlihen Mittel ist kein Erfolg zu erreihen.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Ih bin gleichfalls der Ansicht, daß das deutsche Volk im Osten gestärtt werden muß; je mehr die deutsche Bevölkerung sicher sein kann, in ihrem Kampfe gegen das Polenthum auch die Unterstützung der Freisinnigen zu baben, um so mehr werden auch die anderen Parteien auf die Meinung der Freisinnigèn Rücksi{t zu nehmen bereit sein. Jh meine, daß der- Patriotismus nicht nur ein in der Gefahr, sondern ein stets brennendes Feuer sein muß, namentli gegenüber dem Ueberwuchern des Polenthums. Jch kann nicht anerkennen, daß es sich hier um ein mechanisches Mittel handelt. Herr Munckel will in der Ablehnung des Geseßes seinen Charakter beweisen. Sein Charakter zeigt sh in der Wiederholung alter, längst widerlegter Behauptungen. Gegen wen begeht denn das Gese ein Unrecht? Davon kann nach keiner Richtung die Rede sein. In Bezug auf das Deutshthum im Auslande weise ih darauf hin, daß gerade, je mebr das Deutshthum im Auslande bedrängt wird, wir um so mehr auf die Förderung des Deutshthums im Inlande bedacht sein müssen. Wir müssen eine mögli große, national ges{lossene Masse hinter uns haben in der Zeit der Gefahr, und darum können wir nicht dulden, s eine feindselige Nation in unseren Kreisen ist. Das Geseh erreiht ja gerade das sonstige Ziel der Freisinnigen, die Schaffung kleineren und mittleren Grundbesißzes. Die agrarxpolitishe und sozialpolitishe Seite des Gesetzes it mindestens eben so wihtig, wie die nationalpolitische. Herr Jaeckel hat meine Angabe über das Gewerbegeriht in Posen bemängelt. Gerade die Zusammenseßung dieses Gewerbegerihts be- weist die Ueberfluthung des Deutshthums durch das Polen- thum. Die Kreisordnung in der Provinz Posen haben wir seiner Zeit anders gestaltet als in den übrigen Povinzen, weil sonst die Selbstverwaltungskörper in die Hände der Polen gefallen wären. Ein Denkmal werden die Polen Herrn Jaeckel nicht seßen, obwohl er für ihre Interessen eintritt. Ich kenne die Leiter und Gründer des H. K. T.-Vereins und kann bestätigen, daß der Verein die Angehörigen aller politishen Parteien \tets aufgenommen hat und niemals partete politische Unterschiede hat hervortreten lassen. Wenn die polnishe Nation mehr zusammenhält als die deutshe und mehr Geduld im Kampfe hat, so ist es die höchste Zeit, die politishe Sulung auch den Deutschen zu theil werden zu lassen, und den Männern des Vereins muß man dafür danken, daß sie dieses Bestreben in den Deutschen erweckt haben. Wir be- dauern ebenfalls das Schwanken der Regierungspolitik gegen die Polen; auch wir meinen, daß die Regierung eingreifen soll mit voller Kraft, aber allein kann die Regierung es auch nicht thun. Wenn die Deutschen in der Provinz nit selbst erfüllt sind von dem Bestreben, die deutsche Fahne hoch zu halten, dann wird au die Regierung nit viel thun können. Es ist das große Verdienst des H. K. T.-Vereins, die Deutschen ebenso zusammengerufen zu haben. Die Regierung ift sich jet bewußt, daß sie auch in anderen Beziehungen für das Deutshthum ein- treten muß. Darauf habe ich {on in erster Lesung hingewiesen, namentliÞ auf die Nothwendigkeit der Zurückdrängung des Polen- thums in den Städten. Die Zurückdrängung des polnischen Elements: in einem der Hauptstadt fo nahe liegenden Gebiete ist eine Haupt-- aufgabe des Staates. Dabei foll die Regierung aber Unterstüßung in den Kreisen der Bevölkerung finden. Die abfälligen Beurthei- lungen des H. K. T.-Vereins entsprehen nicht“ den AusSanuean etter patriotischer Kreise, die vielmehr hinter den Leitern des Vereins

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