1898 / 70 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Dentscher Reichstag. 66. Sißung vom 21. März 1898, 12 Uhr

Veber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Die zweite Berathung des Reichshaushalts-Etats-

ir das Nehnungsjahr 1898 wird fortgeseßt und zwar bei E Etat des Reichs-Jnuvalidenfonds, zu welhem die Kommission folgende Resolution vorgeschlagen hat:

„Den Reichskanzler zu ersucken, die Mittel, welhe zur Ge- währung der Beihilfen von 120 46 an alle, nah dem Geseß rom 22. Mai 1895 Artikel 111 als Anwärter anerkannten Veteranen fehlen, durch einen Nachtrags. Etat für das Rehnungejahr 1898 r.azufordern.“ :

a Abg. Graf von Oriola (nl.) beantragt ferner:

„Den Reichskanzler zu ersuhen, dem Reichstage baldthunlichst einen Geseßentwurf vorzulegen, dur welchen, unter Berüfidtigung der aesteigerten Kosten der Lebenshaltung, den berechtigten Wünschen der Militärinvaliden, insbesondere auch in Bezug auf die Vers sorgung der Wittwen und Waisen, die. Entschädigung iür Nicht- benußung des Zivilverforgungsscheines und die 2 elafsung „der Militärpension neben dem HZivildiensteinkommen resp. der Zivil- pension, Rehnung getragen wird.“ M

Aba. Graf von Oriola: Bezüglich der zahlreiden, dem Haufe wiederum vorliegenden Eingaben von Invaliden wartet der Reichstag vergeblih auf eine Vorlage, wel@e die Pensionen erhöht. Wer in der Petitions-Kommissicn arbeitet, weiß, wie viel Elend unter den Pensio- nären herrsht. Sie werden nahgerade ungeduldig über das Aus- bleiben der Vorlage. Unberechtigte und unerfüllbare Wünsche sollen nicht unterstüßt werden. Es fehlt leider auch immer noch der Leit- faden durch den Irrgarten der zahlreichen Pensionêgeseße. Der Staats- sekretär Graf Posadowsky hat erklärt, daß diejenigen, die für das Materland gekämpft und gelitten haben, nit an die Gemeinden ver- wiesen werden sollen, wenn sie in Noth kommen. Da kann man unier diesen Leuten nit einen Theil unberüdsichtigt lassen; es find aber ncch 6000 Kriegstheilnchmer unberüdcsichtigt ge- blieben, obwohl fie den JInvalidenfonds _miterkämpst haben. Angesichts der Beamtengehaltserhöbungen muß für die arnien Krüppel auch gesorgt werden; und für die Wittwen und Waifen der Krieger muß gesorgt werden, damit die Männer ruhig ins Feld gehen können, weil die Versorgung der Ihrigen gesichert ist. Was hat das Reich dafür geleistet? Die versprochene Zufammerstellung der Leistungen der einzelnen Staaten auf diesem Gebiet wird bisher immer noch s{chmerzli vermißt. Nach meiner Kenntuiß erbalten die Wittwen der gemeinen Soldaten in Frankrei 450 4, also das Zweieinhalbfache dessen, was sie in Deutschland erhalten. Einen Anspruch auf Pension hat die Wittwe eines im Kriege gefallenen oder erkrankten Soldaten nur ein Jahr nach Beendigung des Feldzugs, die Wittwe cines im Frieden zu Schaden gekommenen Soldaten aber 6 Jahre nah Be- endigung der Dienstzeit. Die Regelung dieser Frage verdient also eine ernflhafte Erwäguna seitens des Reichstages und der Regierungen. Auch der Wittwen der Offiziere sollte man gedenken. Denn nach den geltenden Bestimmungen können die Wittwen der im Kriege gefallenen Offiztere shleckchter stehen als die Wittwen der nad) 1897 verstorbenen Offiziere, die gar keinen Feldzug mitgemacht haben. HZahlles sind die Eingaben, die sich dafür aussprechen, daß die Militärpension neben dem Zivilgehalt gewährt werden foll. Redner erläutert durch mehrere Beispiele die großen Verschiedenheiten, die fich dabei ergeben, und tritt endlich zu Gunsten einer Entschädigung für die Nichtbenubung des Zivil- versorgungass{hecins ein. : 1 } D nit A man habe kein Geld dafür. Das neue Gesey müßte in erster Linie den vollständig Erwerbeunfähigen und Krüppeln gerecht werden. Die Gelder müßten beschafft werden, ob burh eine Wehr- steuer oder durch anderweite Mittel. e i E

Abg. Baumbach (Np.) bezeichnet es als ein nobile officium des Reiches, daß: den immer älter und s{wächer werdenden alten Kriegern endlih eine bessere Versorgung gewährt werde. Desbaib werde er für die Refoluticn der Budgetkommission und sür den Ans trag des Vorredners stimmen. Der Gedanke, die Deckung für diese Mehrauêgabe in einer Wehrsteuer zu finden, werde von den alten Kriegern getheilt; man wolle nit, daß noch weitere Anweisungen auf den Reichs, Invalidenfonds erfolgen, weil diefer dadur feiner eigent- lien Bestimmung entzogen würde. S A

Abg. Werner (Reformp.)] behauptet, baß die Vertheilung der 120 M als Unterstüßung in den einzelnen Bezirken sehr verschieden- artig erfolge. In vielen Fällen hätten felbst vêllig erwerbsunfähige Perjonen die Unterstüßung nicht erhalten. Nedner tritt für beide

Anträge ein. Es genüge nit, durch Niederlegung von Kränzen auf |

die Gräbec die Gedenktage zu feiern; man müsse auch der Lebenden gedenken, bamit diese ihr Leben niht in Noth und Elend vertrauern.

Abg. Graf von Roon (d. kons.): Unter der Fülle von Klagen sind manche berechtigt, aber auch sehr viele unberehtigt. Mit der Anerkennung der Berechtigung gewisser Forderungen muß au die Deckungsfrage erörtert werden, und ih bin niht der Meinung, daß die Mittel des Reichs - Invalidenfonds nicht auéreichen. Eine Fürsorge für die Wittwen, namentlich auch für diejenigen der Offiziere ift dringend nothwendig, besonders wegen des Herabgehens des Zinsfußes. Auch für die bessere Versorgung der Sukalternoffiziere, die nur s{hwer einen anderen Erwerb finden, muß etwas gethan werden.

aus, obwohl dieselben erheblihe Mehrausgaben nothwendig machea würden. Auf die Deckungsvorlage wolle er sich aber nicht festlegen lassen. Vorläufig glaube er, daß der Reichs-Invalidenfonds die nöthigen Mittel enthalte. E

Abg. Prinz zu Shönaich-Carolath (nl.) hält eine Zu- fsammenstellung der in Geltung befindlihen Militärpensionsgesete, die sehr verwickelt seien, für nothwendig und empfiehlt die Annahme der gestellten Anträge. Jn allen Fällen, wo die Arbeiis- und Er- werbsunfähigkeit eines Veteranen nur irgendwie auf die Strapazen des Krieges zurückgeführt werden könne, müßte man das größte Wohl- wollen üben. Der Verwaltung sei kein Vorwurf zu machen, viel- mehr müsse die Geseßgebung im Interesse der Inveliden verbessert werden.

Abg. Förster- Neustettin (b. k Fr.) tritt ebenfalls für die An- nahme beider Anträge ein und empfiehlt dringend eine Abänderung der Gesetzgebung; wie die Mittel beschaff}t werden sollen, dafür müßten, wenn es nothwendig fei, die Regierungen Vorschläge machen.

Abg. Nickert (fr. Vgg.) erklärt, er hätte gehofft, daß ciner der Herren von der Regierung eine Grklärung über die Anträge abgeben würde. Redner führt darn einen \peziellen Fall an, in welchem ein Snvalide keine Entschädigung erhalten habe. Wenn die Gelder durch Einführung einer Wehrsteuer beshafft werden follten, so würde eine Einkommensteuer im Reiche ebenfalls durchführbar fein.

Beide Anträge werden einstimmig angenommen. Der Etat des Reichs-Jnvalidenfonds wird bewilligt. :

Die einmaligen Ausgaben für die Vervollständigung des deutschen Eisenbahnneßzes im Jnteresse der Landes- vertheidigung, 6 698 860 H, werden ohne Debatte genehmigt.

Es folgt der Etat der Verwaltung der Reichs-Eisen- bahnen. Die Budgetkommission beantragt: „den Reichskanzler zu ersuchen, dafür zu sorgen, daß die Beseitigung der Betriebssekretärstellen niht durch die Ernennung neuer Betriebssekretäre verzögert wird“ ; die eingegangenen Petitionen sollen theils der Peerung als Material, theils zur Erwägung überwiesen, zum großen Theil aber durch die gefaßten Be- (mne für erledigt erklärt werden. i M

bg. Bebel (Soz.) behauptet, daß die Unterschriften der Petitionen der elsäfsishen Eisenbahnbeamten der Eisenbahnverwaltung von Berlin aus mitgetheilt worden jeien ; Redner fordert Erklärung darüber, wer die Unterschriften übermittelt habe. Durch solche Maß- regeln würde das Petitionsreht vernichtet,

Kommissar des Bundeéraths, Geheimer Ober-Regierungs-Rath Wadckerzavp: Meine Herren! Der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten, der zugleich Chef der Reics-Gifenbahnverwaltung ist, hat mich beauftragt, seinem Bedauern darüber Ausdruck zu geben, daf er heute nit persönlich hier sein kann, um den Etat der Reichs-Eisen- bahnen vor Ihnen zu vertreten Er i} verhindert, da im preußishen Abgeordnetenhause heute die Berathung des Etats für die preußischen Staatsbahnen ansteht, Was foödann die Ausführungen des Herrn Vorredners angeht, so möchte ich mir aestatten, vorerst zur Orientierung derjenigen von Ihnen, welche der Budgetkommission nicht angehören und den dort geführten eingebenden Verhandlungen nicht beigewohut haben, einige Bemerkungen voraus- zushicken, wodurch der den Bittschriften zu Grunde liegende That- bestand einerfeits und das Verhalten der Eisenbahnverwaltung anderer“ seits far gestellt werden sol. Meine Herren, die Bittsteller find der leßte Rest derjenigen älteren Betriebs-Sekretäre, welche seiner Zeit gleichgültig aus welhen' Gründen es unterlassen haben, die zur Er- langung der Eisenbahn: Sekretärstellen vorgeschriebene Prüfung ab- zulegen, und die dadur gegenüber jüngeren Betriebs-Sekretären. die eifriger waren als sie, in ihrer Laufbahn erheblih zurückgeblieben sind. Um die hierdurch bedingten Schädigungen von den älteren Betriebs - Sekretären abzuwenden, hat die Eisenbahnverwaltung si, hauptsächlih auf Drängen des hohen Reichstages, unter Hintansegung marher s{chwerwiegender Bedenken ents{lossen, zu Gunsten der älteren Betriebs-Sekretäre eine ausnahmsweise Begünstigung eintreten zu lassen. Diese bestand darin, daf einmal den betr:ffenden Beamten, soweit ste bis zum 1. Januar 1874 in den Dienst der Eisenbahnverwaltung eingetreten waren, die Gelegenheit geboten wurde, nachträgli noch die Gisenbahn-Sekretärprüfung unter wesentlih erleihterten Bedingungen abzulegen, daß sodann für die in dieser Prüfung durchgekommenen Beamten außernormale, an ihre Person geknüpfte Eisenbahn-Sekretärstellen.in den Etatkeingeftellt und thnen ‘übértragen wurden ohne Rücsiht darauf, ob ihnen nah Maß- gabe des Datums der abgeleisteten Prüfung dienstjüngere Beamte porstanden odex niht. Von diefer Begünstigung Gebrauch machend, find im Ganzen 90 der älteren Betriebs-Sekretäre zum 1. April 1896 bezw. 1897 in die Stellung von Eisenbahn-Sekretären aufgerüdt. ZurüWgeblieben sind nach den jeßigen Feststellungen noch 12. Unter diesen 12 sind nun 3, die zwar den Versuch gemacht haben, die er- [eihterte Prüfung zu beslehen, mit diesem Versuch aber gescheitert sird, und zwar einmal und zweimal gescheitert sind. Die anderen 9 haben es überhaupt abgelehnt, sih ber Prüfung zu unterziehen. Gleihwohl beantragen beide Theile für sh die Beförderung in die Stellen der Eisenbahn - Sekretäre oder wenigstens die Ueberweisung ibrer Bezüge. Nun iti| es für die Eisen- bahnverwaltung felbsiverständlih unmöglih, diejenigen der Petenten, welche die Prüfung niht bestanden haben, doch noch zu befördern. Wenn wir aber die durhgefallenen Betriebs- Sekretäre niht befördern können, so würden wir es für ein Unrecht halten, wenn wir die Beamten bevorzugen wollten, die die Ableistung der Prüfung abgelehnt haben. Denn einmal steht ni@t fest, ob diese Beamten, wenn sie si zur Prüfung gemeldet hätten, dieselbe auch wirtlih bestanden haben würden. Außerdem aber kommt in Betracht, daß die Gründe, wele die Bcamten für sich angeführt haben, um das Examen nicht abzulegen, niht solche sind, die eine Berücksichtigung verdienen können. Die Bitt- steller sagen in ihrer Bittschrift selbst, daß se nicht dur die Besorgniß, das Examen nicht zu bestehen, zu ihrer ablehnenden Haltung beflimmt worden wären; fie haben vielmehr die Prüfurg

Abg. Fritzen - Düsseldorf (Zentr.) spricht sh für beide Anträge !

nicht machen wollen, und zwar besßalh nicht, weil fie dieselbe für

| überflüs 9s un ¿thia en bie Avêdrüdcke de Gegenüber diesen berechtigten Wünschen könne überflüssig, zwecklos und unnöthig so lauten die Avsdrüde der

Bittschrift hielten. Damit also ftellen sich diese Beamten in direkten Widerspruch zu den Anordnungen der ihnen vorgeseßten Ver- waltung. Diese ist mithin, {on aus disziplinären Rücksichten, gar- nit in der Lage, den Anträgen dér Bittsteller näher zu treten. Sie würde geradezu eine Belohnung auf die ihr entgegengetretene Wider» seßlihleit seßen, wenn sie na@trägliß noch die Bittsteller ohne Prüfung befördern wollte, Ob hierbei die Bittsteller in Cisenbahn- Sekretärstellen aufrücken oder, wie jeßt ihr Antrag lautet, eine Zulage in der Höhe erhalten würden, daß sie den Eisenbahn-Sekretären in den Bezügen gleichkämen, das fckcheint mir ziemlich gieihwerthig zu fein. Auch die Budgetkommission har diesem von der Cisenbahnverwaltung vertretenen Standpunkte ihre Billigung nit versagt. Selbst der Herr Abg. Dr. Hammacher, der sich im übrigen der Petenten aufs wärmsie angenommen hat, hat die Meinung nicht aufrecht halten

können, daß die in der Prüfung durhgefallenen Betriebs- Sekretäre

troßdem befördert werden folten. Wenn er aber geglaubt hat, daß gleichwohl für diejenigen, die sich zur Prüfung niht gemeldet haben, eine günstigere Auffassung Play greifen könnte, fo ist er mit dieser Auffassung entschieden in der Minorität geblieben. Die überrotegende Majorität der Budgetkommission hat es als niht angängig bezeichnet, diejenigen Beamten, die si nicht einmal der erleichterten Prüfung haben unterziehen wollen, vor solchen Beamten zu bevorzuger, die dicsen Versuch gemacht haben, dabei aber gesceitert find. e

Herren, in zweiter Linie ist sodann der Herr Vorredner darauf näher eingegangen, daß die Bittsteller wegen der an den Reichétag ge- rihteten Bittschrift disziplinarish bestraft worden sind. J bedauere, daß der Herr Vorredner den Berathungen der Budgetkommission über diesen Punkt nit beigewohnt hat; er würde dann vielleicht zu ciner anderen Auffassung gekommen sein. Ju der Budgetkommission ift von keiner Seite mehr die Meinung aufrecht erhalten worden, daß in der getroffenen disziplinarishen Maßregel irgendwie eine Verkümmerung des Petitionsrechts der Beamten gefunden werden könne. Ic konstatiere, daß außer der Bittschrift der älteren Betriebs-Sekretäre noch eine ganze Reihe anderer Bittschriften mit Hunderten von Unterschriften dem Reichstage zugegangen ist. Gegen deren Verfasser und Unter- zeichnec ift keinerlei Maßregelung erfolgt. Nicht die Bittschrift der Betriebs: Sekretäre als solche, die Thatsache, daß die Beamten {ih bittweise an den Reichstag gewandt haben, hat zur Verbängung der Disziplinarmaßregel geführt, sondern lediglich der disziplin- und achiungswidrige Ton, der in der Bittschrist zum Ausdruck ge- kommen ist. Wenn Beamte Anordnungen ihrer Verwaltung als unnöthig, werth- und zwecklos bezeihnen, wenn fie fi fogar zu der Behauptung versteigen, daß bie Verwaltung beabsichtige, auf thre der Beamten Kosten, durch Schädigung threr Rechte, Er- sparnifse zu machen ich will von der Anführung weiterer derartiger Redewendungen absehen, ta die angeführten zur Charalterisierung des Tons der Eingabe genügen werden —, so ist das eine AuŸ- druck8weilse, welhe. die der Verwaltung geschuldete Achtung auf das gröblihste verleßt und die im Interesse er Wahrung der Disziplin von der Vecwaltung unter keinen Umitänden geduldet werden kann. Nun meint der Herr Vorredner, die Eisenbahnverwaltung wäre überhaupt nicht berechtigt gewesen, wegen einer ledigli an den Reichstag und nicht auch an die verbündeten Regierungen qes richteten Bittschrift gegen die betheiligten Beamten diéziplinaris{ch vorzugehen. Ich bin hierin anderer Ansicht. Die dem Reichstage zu- gehenden Bittschriften, namentlich folche, die in Gegenwart und unter Mitwirkung der verbündeten Regicrungen beziebungsweise ihrer Kom- missare behandelt werden sollen, müssen selbstverständlih den ver- bündeten Regierungen zur amtlihen Kenntnißnahme zu- gängli*Þ sein. Das ist seither auch immer beobatet worden; es wird beobachtet seitens der Petitionskommissfion, wie seitens der Budgetkommission und aller anderen Kommissionen des Reichstages. Es wäre ja auch ganz unmöglich, daß bei Berathung der Petitionen die Kommissarien der verbündeten Regierungen eine Erklärung abgeben könnten, wenn sie nicht vorher in der Lage gewesen sind, sih über den Inhalt der Petitionen zu untecrihten. Außerdem, meine Herren, war im vorliegenden Falle ganz gleihgültig, daß schon jeßt im Disziplinarwege gegen die betheiligten Beamten vorgegangen worden ist, da sonst die diéziplina- rishe Ahndung zweifellos später erfolgt sein würde. Wird nämlich dem Antrage des Herrn Abg. Bebel entsprehend die Petition den verbündeten Regierungen zur Berücksichtigung oder, von diesem Antrag abgesehen,

au nur zur Erwägung oder als Material oder sonstwie überwiesen, i fo gelangen damit die verbündeten Regierungen, der Reiiskanzker und

au die Eisenbahnverwaltung in den Besiß des Originals der tition und damit auch ihrer Unterschriften. Es schien uns aber e tiger, für unser Vorgehen nit erst das Auseinandergehen des Reichs, tages abzuwarten. In diefer Hinsicht war für uns eine doppelte Er- wägung maßgebend, wie ih dies {hon in der Budgetkommission dax- gelegt Muhe Einmal sind wir der Meinung, daß auf eine fo grobe Disziplinwidrigkeit, wie die hier erörterte, die Strafe möglichst ras folgen solle; sodann kam in Betracht, daß, wenn wir den Sirafs- ausspruch vertagt hätten, bis der Reichstag außeinandergegangen, dies bei ben betheiligten Beamten leiht den Cind1uck gemacht hätte, als ob wir uns davor gefürchtet hätten, die Bestcafung zuc Kennts- niß des Reichstages kommen zn lassen. Diesen CEindruck aber wollten wir unter keinen Umständen aufkommen laffen. Meine Herren, der Herr Abg. Bebel hat weiter noh seiner Ver- wunderung darüber Ausdruck gegeben, daß von den Beshwerdeführern nur einzelne wenige sich im Besiß einer für die Betriebs-Sekretäre be- stimmten besonderen Zulage befänden, während der Mehrzahl der- selben diese besondere Zulage vorenthalten würde. Der Herr Ab- geordnete ist hier nit riht richtig informiert worden. Das Gehalt der Betriebs-Sekretäre ist zur Zeit einheitlich festgeseßt auf den Betrag von 1800 bis 3300 # nebst 240 M außerordentlicher Zulage. Diese außerordentlihe Zulage wiry untersheidungslos allen Betriebs- Sekretären gewährt. Der Herr Abg. Bebel hat die Zulage mit dem Gehaltêémarimum verwechfelt. Im Genuß des Gehalttmaximums aus der Klasse der Betriebs-Sekretäre befinden sich allerdings von den Bittstellern meines Wissens nur vier, die übrigen stehen auf der vor- lettten Gehaltsstufe und haben infolgedessen allerdings 200 (6 weriger als ihre aufder höheren Stufe stehenden Kollegen. Weun aber der Herx Abg. Bebel auéroft, wie kommt es denn, daß Veamte, die 22 Jahre und mehr im Dienste der Verwaltung stehen, immer noch nicht im Besi des Maximums sind, so hâtte er diese Frage zweEmäßig den betheiligten Beamten felbst vorlegen follen, die wlirden thm dann haben sagen können, daß fie daran selbst die Schuld tragen, da sie die Prüfung zum Betriebs-Sekretär verspätet abgelegt haben. Vom Datum der Aklegung der Betriebs-Sekretärprüfung nämlih datiert für diese Beamten das für die Bemessung der Gehalts\tufen maßgebende Dienft- alter. Ferner hat der Herr Abg. Bebel noch bemängelt, daß nach der Fassung der an die Bittsteller gerichteten Strafe verfügung der Verfasser der Bittshrift niht wegen des in diefer angeshlagenen dbisziplinwidrigen Tones bestraft worden wäre, sondern deshalb, weil er die Bittschrift überhaupt angefertigt habe. Ich habe den Wortlaut der ergangenen Strafverfügung nicht vor mir. Die Generaldirektion in Straßburg hatte von der Zentral- instanz nur den Auftrag erhalten, wegen der in der ‘Bittschrift enthaltenen Ditziplinwidrigkeit gegen die betheiligten Beamten diéziplinarisch einzuschreiten. Die Strafbemessung war ihr überlassen und ebenso war es ihre Sade, die Strafverfügung zu begründen. Sollte aber au die Begründung niht ganz korrekt sein, so würde doch nach Lage des Falles über die Absicht der Ver- waltung kein Zweifel bestehen können: der Verfasser der Bittschrift ist niht bestraft worden, weil er eine zur Vorlage an den Reichstag bestimmte Bittschrift verfertigt hat, sondern weil er eine mit fo be- dentlichen Qualifikationen versehene Bittschrift verfertigt hat, eine Bittschrift mit so achtungs- und ditziplinwidrigen Angriffen gegen die vorgeseßte Verwaltung, wie sie in der Petition enthalten find. Einen wetiieren Angriff hax der Herr Abg. Bebel daraus hergeleitet, daß auch bei Ermittelung der Unterschciften unter einer von elsaß- lothringishen Landesbeamten an den Reichstag gerichteten Petition nit korrekt verfahren worden sei. Von dieser der Reichs» Eisenbahnverwaltung ganz fremden Petition ist mir nichts bekannt. Ih weiß deshalb nicht, ob und eventuell in _welcher Weise die elsaß-lothringishe Landesregierung in dea Besiz der Petition und zur Kenntniß ihrer Unterschriften gekommen is; wahr- [cheinlich aber wird dies, wenn überhaupt, in derselben Weise ge- schehen sein, wie aud) die Eisenbahnverwaltung Kenntniß von den sie betreffenden Petitionen bekommen hat; die elsaß-lothringisze Regie- rung wird sich gleichfalls för berehtigt gehalten haben, in die Petition Einsicht zu nehmen und au) Kenntniß zu nehm:n von den Namen derjenigen Beamten, welche die Petitioa unterzeichnet haben. Der Herr Vorredner ist \{Gließlich noch f die Frage eingegangen, | rhringischen Landes- regierung bei Vertheilung der Gratifikationen verfahren werde. Diese Frage hat für dié Eifenbahnverwaltung, wie er selbst {on angedeutet hat, keine praktische Bedeutung. Bei den Eisenbahnverroaltungen roerden an die Beamten Gratifikationen lediglich nah Maßgabe ihrer Würdigkeit und der Tüchtigkeit ihrer Leistungen vertheilt. Dabei follen späterhin, entsprechend einem von dem Reichstage gefaßten Beschlusse, an die höheren und mittleren Beamten Bra1ifikationen nur mehr in ganz besonderen Ausnahmefällen zur Verthcilung kommen, sodaß in der Hauptsache die Unterbeamten zu bedenken sein werden. Ich nehme an, daß nach ähnlichen Grundsäßen au bei der elfaß-:lothringischen Landesverwaltung verfahren wird. : :

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Es hat sich herausgestellt, daß die Petitionen mit ihren Unterschriften den Vertretern der verbündeten Regierungen gewohnheitsmäßig zur Einsicht übergeben werden. Darüber herrsht einiges Erstaunen in der Budgetkommission; denn dadurch kann das Petittonsrecht der Beamten beeinträhtigt werden. Deshalb is man aus diesem Anlaß zu der Meinung gekommen, daß diese Gewohnheit aufgegeben werden muß, daß die verbündeten Re- gierungen nur von dem Inhalt der Petitionen Kenntniß bekommen, aber nicht von den Unterschriften. Der Ton und die Sprache der Petitionen war ein folher, daß er einen strengen Tadel verdient; deshalb fönnen wir das Vorgehen der Verwaltung nicht tadeln. Ich bin damit einverstanden, daß die Petitionen der Betriebssekreiäre den verbündeten Regierungen zur Berücksichtigung überwiesen werden.

Abg. Werner spriht fich in demselben Sinne aus; in Zukunft dürften die Unterschriften der Petitionen nicht mehr der Regierung überantwortet werden. M Z

Abe. Rickert tritt ebenfalls für die Ueberweisung der Petition zur Berücksichtigung ein und bezeichnet es als verfassungs- widrig, daß die Verwaltung si von den Unters(riften der Petition Abschrift geben lasse. Das müsse verhindert werden im Interesse des Petitioasrechis der Bearaten. E

Abg. Singer (So0z.) hält. ebenfalls dafür, daß die Unterschriften der Petitionen nicht mehr mitgetheilt werden sollten. Wenn die Reichstagsverwaltung hätte wissen können, daß damit ein Mißbrauch getrieben würde, so hätte sie wohl dagegen Vorsorge getroffen. Einsichtzahme in ein Aktenstück fei etwas Anderes als die Namen der Petenten abschreiben. Uebrigens sei der Ton der Eingabe durdh- aus nicht so scharf. Redner bittet den Reichskanzler um Auskuuft darüber, ob es richtig sei, daß die Landesregierung von Elfaß-Loth- ringen die Beamten, welche sih an den Reichstag wendeten, nicht mit Remunerationen bedenke. |

Kommissar des Bundesraths, Geheimer Ober - Regierungs - Nath Wadckerzapp: Meine Herren! Der Herr Abg. Singer hat behauptet, paß ih die Bittschrift, die zur disziplinarishen Bestrafung der hee theiligten Beamten Anlaß gegeben hat, unrichtig zitiert habe. Ich habe behauptet, daß in der Bittschrift eine Anordnung der Verwal- tung als unnöthig, überflüssig, werthlos bezeichnet worden wäre. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Herr Abg. Singer hat zwar diese Ausdrücke in der Bittschrift nicht gefunden. Er würde sie aber wohl gefunden haben, wenn er die Bittschrift etwas sorgfältiger

: ätte; i den cift wenigstens stehen gelesen hätte; in der mir vorliegenden Abschcift wenig ILCRE die zitierten Ausdrücke wörtlih. Es heißt z. B. an einer Den In einer früheren Petitien, ist auf die Unnöthigkeit und NDe ns L losigkeit einer solchen Prüfung hingewiesen. (Zuruf bei den S0s f demokraten.) Jawohl, die Unnöthigkeit und Werthlofigkeit ene sfolchen Prüfung, wie sie von der Eisenbahnverwaltung ver E wird. An einer anderen Stelle ist die beharrliche AHEIgerung ins Regierung, „Uns ohne weitere zwecklose Muna zu Eifen us Sekretären zu ernennen“, getadelt worden. L ieder an einer A Pete Stelle heißt es: „daß wir uns noch in vorgerücktem Alter V eddrü Ve flüssigen Prüfungen plagen sollten“. Also alle die Au t die ih zitiert habe, sind in der That in der S rae halten, Nun, meine Herren, hat der Herr Vorredner

behauptet, die Eisenbahnverwaltung wäre zwar nicht auf illegalem, wobl aber unnobelem Wege in den Besiß der Unterschriften der Bitt- {rift gekommen. (Sehr richtig! bei den Ssozialdemokraten.) Jch muß diese Aeußerung auf das bestimmteste zurückweis-n. Der Herr Vorredner Hat wohl nit zugehört, als der Herr Abg. Dr. Hammacher ausführte, daß seit dem Bestehen des Reichätages auch die Uebung besteht, die eingehenden Petitionen zur Kenntniß der verbündeten Re- ierungen und threr Kommissare zu bringen; daß mithin die Eisen- ahnverwaltung auf durchaus herkömmlihem und loyalem Wege Kenntniß von der Petition erlangt hat. Jh gebe aber noch einen Schritt weiter. Meines Erachtens haben die verbündeten Regierungen anh ein Recht darauf, nach ihrem Belieben Kenntniß von den beim Reichstage eingehenden Petitionen zu nehmen (sehr rihtig! rechts); sie haben diescs Recht avch nah der eigenen Geschäftsordnung des Reichstages. Hiecnah teht ibnen das Recht zu, an allen Verhandlungen der Kommissionen und Abtheilungen des Reichstages theilzunehmen ; der Reichétag ist verpflihtet, ihnen yon den Tagesordnungen sämmtlicher Kommissions- und Abtheilungs- sizungen Kenntniß zu geben. Sind aber die verbündeten Regierungen und ihre Kommissare in der Lage, an den Verhandlungen der Kom- missionen und Abtheilungen mit berathender Stimme theilzunehmen, so muß als selbstverftändlide Vorauétsezung gelten, daß fie auc in der Lage fein müssen, sich über den Inhalt der Petitionen zu unterrichten. Es besteht aber feinerlei Bestimmung, daß diese Informierung in der Weise zu geschehen hätte, daß den verbündeten Regierungen eine Abs(rift oder nur ein Auszug aus den Petitionen zu überweisen wäre. Meines Erachtens sind die Petitionen und ähnliche Eingaben keine8wegs eine ledigli interne Angelegenheit des Meichstages; sie find vielmehr, namentli soweit sie wie beispielsweise die hier erörterte Petition einen Antrag auf geseßgeberishe Maßnahmen des Reichs enthalten, publici juris und müssen damit auch im Original den verbündeten Regierungen jederzeit zugänglih sein. Der Herr Abg. Singer hat vann weiter gesprohen von einer Politik der Nache, welche die Eisenbahnverwaltung gegen die Beschwerdeführer eingeshlagen habe. Die Verwaltung hat weder die Absicht, noch ein Interesse daran, an den Betriebssekretären irgend weld)e Rache zu nehmen. Auch diese Eingabe, so wenig taftvoll sie gehalten ift, hat uns nit in ein Nachegefühl hineinbringen können. Die betheiligten Beamten haken für ihre Disziplinwidrigkeit ihre nah meiaem Dafürhalten niht übertriebene Strafe bekommen, und damit ist füc uns- die Sache erledigt. Ein Nachegefühl haben wir nicht; daß wir uns diesen Beamten gegenüber bestimmen lassen könnten, zur Nahe ihnen etwas vorzuenthalten, was ihnen an ih zustehen würde, dazu, meine Herren, steht doch die Eisenbahnverwaltung woohl zu hoh. Wenn ferner, um auf die Rede des Hrn. Abg. Dr. Ham- macher einzugehen, diefer Herr seinerseits so lebhaft für die Petenten eintreten konnte, so hat er meines Erachtens nit genügend b:rüdck- sichtigt, daß die Petenten mit ihrem Verlangen keineswegs allein stchen, vielmehr aus ihrer Becücksihtigung Berufungen zu er- warien sind, die für die Verwaltung sehr unangenehm iein würden. Mit der Berüksichtigung der hier in Frage stehenden 12 Be- triebssekcetäre ist die Angelegenheit nit abgethan. In derselben Lage wie diese 12 sind vielmehr noch andere Beamte aus anderen Dienstzweigen, die zu gleicher Zeit wie die Betriebssekretäre in den Dienst der Eisenbahnverwaltung eingetreten find. Solcer Beamten giebt es beispielsweise im Stations-, im Erpeditionsdienst und dergleichen, die ebenfalls die vorgeschriebenen Prüfungen zur Er- langung der höheren Stellen niht abgelegt baben, ‘aus ähnlichen Gründen wahrscheinlich, wie sie für die älteren Betrie ¿fekretäre seiner Zeit bestimmend waren. Was aber decn Betriebs sekretären gegeben werden sollte, das wird den Beamten anderer Dienst«weige nit vorent- halten werden dürfen. Berufungen werden zweifellos aud kommen von den jüngeren Betriebssekretären, der Zahl nach etwa achtzig, die gleichfalls die Qualifikation zum Eisenbahnsekretär nicht erlangt haben, fei 28, daß sie die Prüfung nit bestanden oder ich dazu nit gemeldet haben. Was für die älteren Betriebssekretäre Rechtens ift, wird es avch für die jüngeren sein müssen; sollen also die ersteren auésnaßmêweife ohne Prüfung befördert werden, so wird dieselbe Be- günstigung den leßteren nicht wohl versagt werden dürfen. Jm an- deren Falle feßt sich die Verwaltung dem Vorwurf aus, willkürlich zu verfah1en. Ja einem so großen Betriebe aber und bei einem fo großen Beamtenkörper, wie ibn die Neich8-Eisenbahn- verwaltung befißt, giebt es meines E: atens nichts Gefährlicheres und nihts, was das Ansehen der Verwaltung und die Disziplin der Beamten fo sehr schädigt, als wenn willlürlih dem einen Beamten Wohlthaten erwiesen, den anderen aber, troßdem diese si in gleicher oder wenigstens annähernd gleiher Lage befinden, dieselben IWohl- thaten verweigert werden. Dann ift, meine Herren, der Herr Abg. Singer wiederholt auf die Petitionen der Landesbeamten Elsaß- Lothringens zurückgekommen. Jch glaube, hierbei macht fi der Herr Abgeordnete nicht genügend klar, daß die Netchs - Eisenbahn- verwaltung mit der Landesverwaltung Elsaß: Lothringens in Nückicht auf die beiderseitigen Beamten absolut nichts zu thun hat. Ich bin deshalb auch nicht in der Lage, darüber unterrihtet zu fein, weder wie die Landesverwaltung Elsaß-Lothringens si ihren Beamten gegenüber gestellt hat, noch auch ob und wie sie Kenntniß von den Unterzeichnern der an den Reichstag gecihteten Bittschrift erlangt hat. Ich kann dem Herrn Abg. Singer nur anheimgeben seine Anfrage an diejenige Stelle zu rihten, von der sie zuständigermaßen beant- wortet werden kann. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Dann ist hier wiederholt dadon die Rede gewesen, daß die Prüfung zum Eisen- bahnsekretär_ exit seit kurzer Zeit cingeführt sei. Das ist nicht richtig ; diese Prüfung iff schon in ganz früher Zeit eingeführt worden. Uls eben die Verwaltung organistert war, bereits im Dezember 1871, wurde die Einführung von Prüfungen hei der Neis-Fifenbahnverwaltung dur die Zentralinstanz angeregt. Ein Bericht der General-Direktion in Straßburg vom September 1872 betonte gleihfalls die Nothwendigkeit solher Prüfungen zur Gewinnung tüchtigen Personals. Nach cingehenden Verhandlungen und Erwägungen kam dann die Dienstinstruktion vom Oktober 1873 zu stande, durch welhe allgemein das Aufrücken in etatsmäßige Stellungen von der Ableistung bestimmter Prüfungen abhängig ge- macht wurde. Diese Jnftruktion hat Wirkung vom 1. Januar 1874. Eben dieselben Beamten nun, die heuie die Prüfung zum Eisonbahn- sekretär viht machen wollen, haben kein Bedenken getragen, fih den dur dieselbe Ordnung eingeführten anderen Prüfungen, Kalkulatur-, Betriebssekretär-Prüfung, zu unterziehen. Wenn fie noch behaupten, sie wären ohne die Auflage irgend welcher Prüfung in den Cisenbahndienst übernommen worden, so ist das in gewissem Sinne richtig. Sie sind einberufen worden, um cine bestimmte diätarishe Stellung zu über- nehmen, daß fie aber aus dieser diâtarishen Stellung in eine etats- mäßige ausrücken würden, ist thnen nirgendwo zugesichert, namentlich aber nicht, daß sie dies ohne Ableistung einer Prüfung erreichen würden. Das Tonnte ihnen {on deshalb nit zugesichert werden, weil wie {on erwähnt zu der Zeit, wo die Petenten bei den Reichteisenbahnen etutraten, bei der Verwaltung bereits die Absicht estand, Prüfungen einzuführen, Daraus ergiebt si, daß alle die orwürse, die aus dieser Erwägung gegen die Eisenbahnverwaltung erhoben werden, der Begründung entbehren, auf Et: Gröber (Zentr.): Daf die Regierung ein absolutes Recht al „olidtnahme in die dem eih8tage gehörenden Akten hätte, Att ch nit zugestehen. Der Reichstag hat zu bestimmen, wie die en behandelt werden sollen, und er wird Fürsorge treffen müssen, die Namen der Petenten nur da mitgetbeilt werden, wo der Ee nothwendig ist zum Verständniß des Inhalts der Petitionen. onsstt kann der Name wegfallen bei der Mittheilung an die ¿derung und au bei der Aufstellung des Petitionsverzeichnisses. éine Freunde werden bis zur dritten Berat ung des Etats eine A Ug der Geschäftsordnung in Erwägung ziehen. Wir nehmen viele Buren Ton der Petitionen nit fo tragish; wir bekommen fo rud livgaken, und die Petenten meinen meist, daß sie keinen Ein- Rede aen, wenn sie niút ret kräftig shreiben. Der Ton der in na den chenden Petitionen if allerdings derartig, daß die Verwaltung, Betrie sie davon Kenntniß erhalten hatte, einshreiten mußte. Die evs-Sekretäre haben kein Recht auf ein höheres Gehalt, da sie

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sich der vorgeschriebenen Prüfung nickt unterworfen haben. Jch kann mich daher nur für den Antrag der Kommiision entscheiden.

„. Abg. Graf von Roon (d. kons.) {ließt si diesen leßten Aus- führungen an. Die Forderungen der Petenten seten unberechtigt. Der Reichstag habe ebenso wie die Verwaltung eîin Interesse an einem wohldisziplinierten, treuen Beamtenheer. Daß man der Re- gierung die Einsicht in die Petitionen vorenthalten wolle, sei ein unberetigtes Mißtrauen. Von solchen Meossenpetitionen ganzer Kor- poratîonen, welche die Negterung heftig angreifen, müsse die Ber- waltung im Interésse des Staatswohls Kenntniß nebmen können.

Die von der Kommission vorgeschlagene Resolution wird angenommen und der Etat bewilligt. Die Petitionen werden nach dem Antrage der Kommission erledigt.

4 Darauf werden noch der Etat der Reichs\chuld und die restierenden Titel des Etats des Reihs-Schaßamts ohne Debatte erledigt.

Beim Etat des Bankwesens kommt der _ Abg. Graf von Arnim (Rp.) auf dea Banknotenfund zu sprechen, der auf einem hiesigen Kirhhof gematt worden ist. Er weist darauf hin, daß bei der Anfertigung von Banknoten etwa 1009/9 der- selben Tassiert würden, Diese kassierten Noten unterschieden {ich von den cten nur in so geringem Veaße, daß selbst die Bankverwaltung [hwer den Unterschied merken Fönnte. Aber es müsse angenommen werden, daß es si hier um einen Ausnahmefall handele.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Peine Herren! Jch fühle mi verpflihtet, auf die Anfrage des Hercn Grafen von Arnim zu antworten, umsomehr als die Reichs- druckerei meiner Verwaltung mituntersteht. Es handelt sich hier um einen ganz außergewshnlihen Fall, über dessen sämmtliche Details i mich zur Zeit nicht äußern kann und darf, weil ja, wie Sie wissen, eine gerichtliche Untersfuhung \{chwebt, auch thatsächlich noch zur Zeit nit alles vôllig so aufgeklärt ift, daß ih nah jeder Nichtung hin die genaueste Auskunft geben könnte. Aus den aufgefundenen der Reichsdruck&erei vorgelegten Scheinen fônnen wir nur konstatieren, daß \ic aus einer einzelnen Anfertigung stammen, und daß diese Anfertigung mit dem 14. Januar v. Fi also dem 14. Januar 1897 beendigt worden ist, und daß dur eine Verkettung von Umständen es anscheinend dem Oberfaktor des Betriebes mögli gewesen ift, sh aus dem sogenannten Aus\{uß einige Scheine anzueignen die Zablen möchte ih heute nichi genau fixieren, fie können aber nah den Erbebungen nit in die Millionen gehen, Scheine, deren Papter und deren Druck eht ift. Die Nummern sind nachträglich aufgetragen, und, soweit wir bis jeßt fonstatieren können, zum theil mit dem Handstemyel, zum Theil mit einer Handpresse. Auf leßteres deuten verschiedene Zeichen hin. Die Scheine find also völlig echt in Bezug auf das Papier uud den Druck.

Was nun die Mauipulation anlangt, so ist ja die Fabrikation in verschicedene Betriebe getreant, nämlich in die sogenannte Appretur und in die verscziedenen Drukstationen. Dabei ist es irnmer nothwendig, daß über den Betrag der fertiggestellten Stücke hinaus, wie Herr Graf von Arnim bereits erwähnte, ungefähr 10% mehr einzelne Papierstüdke zugezählt wurden, weil bei der Herstellung dur weniger gut aus- geführie Scheine ein Verluft eintritt. Diefer UVeberschuß wird am SHluß der Fabrikation als Aus\hußwaare nach den Bestimmungen durchlocht, aber anscheinend sind damals im legten Moment ich will dies uit ganz in Abrede stellen, ob das nicht auch ein anderes Mal mögli gewesen is die lezten Scheine, die als Uebers{uß gemaht find, nicht mehr in die Lochanstalt gebrad;t worden, find viel:nehr ungelo#t in das Trefor einges{lossen worden. Die zweite Verkettung ist, daß der Beamte, der den zweiten Schlüssel zum Trefor gehabt hat, an dem Tage Nachmittags krank geworden ist und dieser Oberfaltor gesagt hat: Morgen früh müssen wir die Arbeit weiter machen, gieb rir doch den Schlüssel! Ja, meine Herren, es war ein Leichtsinn des betreffenden Beamten, er hat nihts Böses tritt zum Tresor gehabt. Nun kommt eine . weitere Mani- pulation. Diese Scheine werden vor der Vernichtung wieder gezählt , und dabei muß nun dieser betreffende Ober- faktor sih wahrscheinliß diejenigen Packcte, aus denen er einzelne Scheine herausgezogen hat, zur Zählung auf seinen Platz berüber- geshoben haben. Es ift ja {on in früheren Zeiten auch bei anderen öffentlichen Kassen, z. B. bei der Armee au vorgekommen, daß Zahl- meister gezählt haben und „rihtig* gerufen Haben, und nachher stellte sih dann mit einem Male der Defekt heraus. So scheint es auch an

Verwaltung selbst geglaubt hat. Diese Scheine sind nachher von ihm genommen und mit Nummern versehen. Diese Serien, die dort aufgedruckt sind, entstammen vergangenen Jahren, wie wir schen köunen, den Sahren 1892 und 1893,

Verlust treffen, denn außer den Sgheinen, die dort auf dem Kirchof

folie Sachen vorgekommen sind, was zur Zeit noch niht festgestellt ist. Das i} aber auch nicht wahrscheinli, denn es gehört eine

treffende die Möglichkeit haben, an das Tresor mit den beiden Schlüsseln zu kommen, und dann muß er si beim Zählen die Pakete in die Hände spielen. Es läßt sih nicht annehmen, daß dergletchen öfter vorgekommen ist, sondern es hat gerade im Januar 1897 durch ein soldjes Zuscmmentreffen die Mözlichkeit des Diebstahls vorgelegen. Ich kann noch hinzufügen, daß aus anderen Gründen schon im Herbst vorigen Jahres die Pensionierung dieses Mannes verfügt war und daß er thatsählih seit dem 1. Januar d. J. überhaupt niht mehr in der NReichsdruckerei anwesend gewesen ift.

Db sich noch andere Sachen herausstellen, vermag ich zur Zeit nit zu übersehen. Jh kann nur darauf hinweisen, daß der Dieb, wie oft bei solhen Fällen, sich selber denunziert. So wurde aus der Zeitung, die er zum Einschlagen benußt hat und die auf dem Kirchhof zerrissen war es waren nur Ueberreste von

und diefe Nummer fand sih nit unter den von ihm sorgsam auf- gehobenen Zeitungen; sämmtliße Nummern waren in seiner Stube zu finden, nur diejenigen Nummern, zu denen die Zeitungsüberreste, die dort auf dem Kirchof bei den Werthpapieren gewesen sind, ge- hören, haben gefehlt, und das ift für ihn als ein Verdahtsmoment mit geltend gemacht worden.

So wie die Sache weiter geklärt wird, werde ih ja natur-

gemäß Veranlassung nehmen, bekannt zu geben, in welher Weise fie

geahnt, und auf diese Weise hat der Beamte an dem Tage den Zu- !

teser Stelle gewesen zu sein. Er hat „richtig“ gerufen, aber anscheinend sind bei dem Verbrennen nicht so viele Scheine verbrannt worden, wie die |

Zeitungen ermittelt, welcher Nummer diese Ueberreste angehörten, !

A R D R E A R S M A E D T D I C E E H D A T H D L

Soweit sich die Sache übersehen läßt, wird die Reichsbank kein | gefunden worden sind, ist doch auch ein anscheinend ziemli bedeutendes |

Vermögen bei dem Manne vorhanden wenn nicht in früheren Zeiten {hon i

Summe von Zufälligkeiten dazu, die alle zusammentreffen müssen: | es muß erstens das Durhlochen nicht stattfinden, dann muß der Be- |

|

sich erledigen wird. Soweit ih es aber zu übersehen vermag, Tiegt' keinerlei Grund zur Beunruhigung vor. Es ist die Vermuthung auf- getaußt, daß auch andere Beamte der Reichsdruckerei im Verdacht wüären, daß sie bet der Sache betheiligt wären, dies muß ‘ih als nit rihtig bezeichnen. Œs ist kein Beamter der Netihsdruckterei verhaftet oder steht unter dem Verdacht, betheiligt zu sein, sondern es ist meiner Ansicht nah lediglich eine Summe von Versehen, wie ih fie ge- schildert habe, die leider zu dem wenig erfreuliGen Vorkommniß beigetragen haben.

Abg. Dr. Hamma cher (nl.): Die Anferti wird niht bon R De riet, Tondern g N ee A verwaltung. Jn dem Augenblick, wo die Banknoten bis auf die Unterschriften fertig gestellt sind, sollte eine strengere Kontrole eintreten, als bie zweier untergeordneten Beamten.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Gs wäre mir sehr angenehm gewesen, wenn mir gesagt wäre, worin noch eine Unklarbeit in meinen Ausführungen bestanden hat. Ich habe mih bemüht, die einzelnen Fakta klar vorzuführen (fehr rihtig! rechts) und zu sagen, wo die Versehen gelegen haben, nämlich in der Durhlochung und bei dem Verschluß des Aus\chusses im Trefor. Das ift der Unterschied : der Ausf{uß wird in einen Tresor gelegt, während die guten einwandsfreien Scheine in ein anderes Trefor kommen, und die Beaufsichtigung und Abnahme erfolgt durch Oberbeamte. (Zuruf.) Also es war überhaupt zunächst anzunehmen, daß in dem Tresor nur - durhlochte Scheine lägen. Das ist ein Versehen, daß nicht aller Ausfchuß durhlocht hingekommen ist. Am nächsten Tage hat die Verbrennung dieser Stücke stattgefunden, und vor der Verbrennung findet durch die Ober - Verwaltungsbeamten die genaue Durch- sit jedes einzelnen Stückes statt. Bei dieser Zählung hat ih eben der Oberfaktor wieder betheiligt und dabei ist es, meiner Ansiht na, nur mögli, daß das Faktum an jenem Tage nicht aufgedeckt ift.

__ Abg. Graf von Arnim: Jh habe durchaus nit beabsichtigt, cine Beunruhigung der Reichsbank-Antheileigner herbeizuführen ; dazu ist do der eventuetle Verlust zu gering.

L DE Hammacher: Dieser Verlust _ist unbedeutend gegens über der Gefahr für unseren Verkehr, daß falsche Noten in den Ver- kehr kommen können. Es wäre zweckmäßig, eine dreifache Kontrole statt der zweifachen einzuführen und die Schlüssel niht etwa Ober- meistern und ähnlichen Personen, sondern den Direktoren der Neichs- druckterei anzuvertrauen.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Meine Herren! Jch werde ja über diese Protokolle und Details Gelegenheit haben, wenn nit hier, fo doch im nächsten Jahre fn der Budgetkommission, genaue Auskunft zu geben. Wix haben ja nah keiner Rihtung einen Grund, irgend etwas zu verdunkeln; aber, meine Herren, was die Kontrole anlangt, so habe ich alle die fubtilen Details nit anführen wollen. Jch kann nur tonstatieren, daß, so wie diese Scheine in diesen kleinen Trefor kommen, vorher zunächst zwei Beamte die Scheine genau zählen und auf den Um- \{lägen, wofür sie also haften, ihre Namen aufshreiben. Daß dann naher in der nätsten Kontrole von dem betreffenden Beamten ein zweites Papierband herumgelegt wird und daß die Padckecte dann es sind immer je tausend Scheine, sowohl Ausschuß als die, die wirklich zur Reichsbank gehen mit dem Neichsfiegel ver- {lossen werden. Nun gehen sie ins Tresor und werden vor der Verbrennung, wie ih {on sagte, nohmals geprüft, weil wix über jeden Schein ein genaues Protokoll führen müssen. Es handelt ih da um so wesentlihe Momeute, daß von Anfang der Fabrikation an jedes Stückhen Papier nadgewiesfen wird.

Nun ift aber die Möglichkeit niht ausges lossen, daß der Ober- faktor verschentlich in den Besiß beider Schlüssel gekommen ift, das braune Band gelöst hat, und daß er auch die Möglichkeit gehabt hat, sich das Siegel zu verschaffen das gebe -ich zu und daß es ihm nun möglich war, seitwärts einzelne Scheine von dem Tausend aus dem Bunde herauszushieben. So ist die Manipulation.

Nun wäre damii immer noch die Sale zu finden gewesen, am nächsten Tage vor der Verbrennung, wenn cs ihm niht gelungen wäre, fich die Pakete zur Zählung zuzushieben. Darin liegt das Moment, daß er die Pakete selber gezählt hat, und nun als richtig gefunden hat, während ein Theil fehlte. Darum scheint es aus- geshlofsen, daß eine größere Summe veruntreut worden ist. Jch kann natürlich nicht beschwören, ob sih nit ein solcher Vorgang {on einmal eingestellt hat, aber an dem Tage kann er nit eine fo große Summe beraus8genommen haben, er kann ein paar hundert Scheine heraus3- gezogen haben. So liegt der Vorgang, und ih glaube, daß nah allem die Kontrole wohl vorsihtig gewesen ist, aber wenn das Kind in den Brunnen gefallen is, dann macht man ihn zu. Ich kanu nur zum Ausdruck bringen, alles, was an mir liegt, werde ih für eine \{chärfere Kontrole thun.

Der Etat des Bankwesens wird genehmigt. Damit ift die zweite Lesung des Reichshaushalts - Etats bis auf den Marine-Etat und die Matrikularbeiträge erledigt.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sißzung Dienstag 1 Uhr. (Nechnungssachen und zweite Berathung des Gesezentwurfs über das Kontingent der Branntweinbrennereien.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 52. Sißung vom 21. März 1898.

Die zweite Berathung des Etats der Eisenbahn- verwaltung wird fortgeseßt.

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Nach den Ausführungen des Ministers und den Reden einiger Abgeordneten sollte man glauben, die Eisen- bahnunfälle des vorigen Jahres und auch dieses Jahres und die Gerichtsverhandlungen über dieselben seien nur ein Traum. Der Neichstag hat si aber in seiner bekannten Resolution und der Bundes- rath in feiner Vorlage über die Erhöhung der Betriebssicherheit auf einen anderen Standpunkt gestellt ; beide Körperschaften halten alfo noch viel zu bessern für nöthig. Das Neihs-Eisenbahnamt hat bis jeßt eine Art idyllisher Ruhe gepflegt, es spielt den Eisenbahnverwaltungen gegenüber eine untergeordnete Rolle. Was foll uns also diese Be- hörde helfen? Herr Hammacher hat cine parlamentarishe Unter- fuhung der Dinge an Ort und Stelle unter Zuziehung von Technikern vorgeschlagen, die allein im fande sein würden fi ein sahver- ständiges Urtheil über die Denkschrift zu bilden. i Dieser Ansicht kaun ih mich nur anschließen. Hier im Haufe sit kein einziger Fahmann. Die Kommission würde auch das Material der Gerichtsverhandlungen für sich nugbar machen köznen. Der Minister follte seine Denkschrift nachträglich dur eine Nachweisung über diefe Urtheile ergänzen. In jeder Legislaturperiode müßte eine folche Untersuchungskommission zur Revision der Eisenbahnverwaltung niedergeseßt werden. Ein Mißtrauen gegen die Verwaltung liegt darin nicht. Wir wollen keinen Antrag stellen, weil dies als eine leere Demonstration aufgefaßt werden