1898 / 71 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

s reise von Getreide - au außerdeutschen Börseun-Plätzen für die Woche vom 14, bis 19, März 1898 nebst entsprehenden Angaben für die Vorwoche. 1006 kg in Mark. Wreise für prompte [Loko-] Waare, soweit nit etwas Anderes bemerkt.) Aw Ea

Woche Li E Märs wodche

1898 160,71

161,52 227,83| 227,03 121,59

122,41 180,26

180,22 148,80

148,77 290,60| 226,01 118,19

( 118,16 T 136,02| 136,05 100,46

100,46 151,80| 153,51 103,40

105,60 101,86| 102,73 155,76

154,66 103,18| 103,18 155,76

155,32 143,89| 140,52 232,02

234,13 166,99| 168,36 178,86

, slovakische , Mittel Wein, M

Serie, Malz-

Weizen, Saxonka

Hafer. . .

Meggen Ua.

Magen | lieferbare Waare des laufenden Monats {

Antwerpen. Donau- Weizen | Ned Winter Nr. 2

La Plata E Amsterdam.

178,30 172,89

114,53 115,74 158,79

114,53 115,74 158,79

Roggen | R

Wetzen, poln.

eters8burger dessa-

169,84 165,36

166,96 129,04 158,02

163,67 177,31 179,67

187,44 172,38 166,50 131,69 125,42 146,76 102,68 101,90

159,06 161,97

171,25 166,77

167,66 128/37 157,01

164,53 178,17 180,05 182,40 188,98 177,70 168,30 131,62 125,39 144,80

101,85 159,08 163,58

b. Gazette averages.

englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten

te d Liverpool. Ghirka Californier Chicago Spring Northern Duluth Manitoba Spring La Plata e T Bei weiß, ordinär engl. weißer Hafer ( engl. gelber Go Brau- Gerste anadische Schwarze Meer- hicago. Weizen, Lieferungs-Waare des laufenden Monats . New-York. Weizen, Lieferungs-Waare des laufenden Monats Bemerkungen.

1 Tschetwert Weizen i = 163,80, Noggen = 147,42, Hafer = 98,28 kg angenommen; 1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Produktenbörse = 504 Pfd. engl. gerehnet; für die Gazette averages, d. h. die aus den Umfägen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durbschnittspreise für einheimisches Ge- treide, ist 1 Imperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfd. engl. angeseßt. 1 Bushel Weizen = 60 Pfd. engl.; 1 Pfd, engl. = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen = 2400 kg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tages:-Notierungen im „Deutschen Neihs- und Staats- Anzeiger“ ermittelten wöchentlihen Durhschnitts-Wechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, pe Chicago und New-York die Kurse auf New-York, für St.

etersburg, Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, : erpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze.

Deutscher Reichstag. 67. Sißung vom 22. März 1898, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Von Mitgliedern- verschiedener Parteien mit Ausnahme des Zentrums und der Freisinnigen unterstüßt, liegt folgender Antrag des Abg. Dr. Foerster- Neustettin (b. k. F.) vor:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuhen, dem Reichstage ein Geseß vorzulegen, durch das der nur : bis auf weiteres auf- geor S 4 des Branntweinsteuergeseßes vom 24. Funi 1887

möglichst kurzer Sil wieder in Kraft geseßt wird, wonah von einem bestimmten Zeitpunkt ab nur gereinigter und fuselfreier Branntwein zu Trinkzwecken verkauft werden darf."

Der Antragsteller begründet den Antrag unter Hinweis auf die gesundheits\{ädlihen Folgen des Genusses fuselhaltigen Brannt- weins ; die Ueberfüllung der Jrrenhäuser sei eine Folge des Konsums [chlechten Branntweins, auh die Aerzte verlangten den Rektifikations- zwang für Trinkbranntwein,

Abg. Frank -Baden (nl.) widerspriht dem Antrage, da die Fleinen Brennereien unter dem Rektifikationszwange leiden würden ; besonders würden davon Baden, Elsaß-Lothringen, Württemberg und Bayern betroffen werden, wo Tausende von Kleinobstbrennerein seten. Von den 47 000 Kleinbrennereien entfielen auf Elsaß-Lothringen 21 000, auf Baden 10 000, auf Bayern 4000 und auf Württemberg 3000. Redner fragt, wie man diesen Kleinbrennereien die Entfuselung zu- muthen könne, die oft mehr koste, als das ganze Produkt werth set.

Abg. Szmula (Zentr.): Die Absicht des Herrn Foerster ift eine ISblihe, aber ihre Durchführung ist äußerst \{chwierig. Die Gefahr des Fusels datierte aus einer gib wo die Brennereien ziemlich

mitiv waren. Jeßt sind die Brennereien meist so eingerichtet, daß

Branntwein fast garniht mehr fuselhaltig ist.

Abg. Dr. Schädler (Zentr.) erklärt sich ebenfalls im Interesse Süddeutshlands gegen den Antrag. :

reußischer Yellverteetender Bevollmächtigter - zum Bundesrath,

Direktor im Reichs - Schaßamt Dr. von Koerner: Meine Herren! Soweit die Ihnen vorge\hlagene Refolution \ich auf die Wieder- einführung des § 4 des Geseßzes von 1887 richtet, kann ih mich auch meinerseits nur gegen dieselbe aussprechen, und zwar aus denselben Gründen, welche die Herren Vorredner bereits angeführt haben. Es Tommen dazu noch manche andere Gründe; namentlich ist éin Grund auch der, daß \ich der § 4 damals nur auf eine gewisse Anzahl von Brennereien bezog, nämlih auf Kartoffel-, Mais- und Melassebrennereien, die übrigen aber vom Neinigungszwang aus\{loß, während grade bei Ag g Brennereien die Gefahr des höheren Fufsel- gehalts vorliegt. Ju fo weit also, möchte ih glauben, würde es befser

die Refolution auf \sich beruhen zu lassen. Soweit aber die l lution n im allgemeinen bezwelt, daß Mittel und Wege gesucht werden sollen, um dafür zu sorgen, daß der Branntwein in gereinigtem

ustand in den Verkehr kommt und daß er niht später, nahdem er F {hon im Verkehr befindet, verunreinigt und fo dem Konsum zu- geführt wird, find shon seit längerer Zei Singen im Gange, wie si dies vielleiht im Anschluß an das Nahrungsmittelgeseß würde ausführen lassen. Jn neuester Zeit sind diese Ermittelungen beson- ders lebhaft wieder aufgenommen worden. Es wird in nächster Zeit eine Kommission zusammentreten, die sich mit dieser Frage beshäf- tigen und sie, hoffe ih, zu einem praktisch durchführbaren Resultat beiliéen wird. G A

Abg. Dr. F ör ster - Neustettin: Es ist mir gesagt worden, daß es, wenn ie L Wille vorhanden wäre, fehr leicht fei, die Apparate zur Erzeugung fuselfreien Branntweins überall anzubringen. In dieser Frage müßte das gesundheitlihe Interesse und niht das Interesse einer kleinen Zahl von Brennereien das Eutscheidende sein.

Abg. Szmula (Zentr) spriht fich nochmals gegen den Antrag aus, weil der Fusel dem Branntwein ein gewisses Aroma gebe.

Abg. Gamp (Rp.): Ich stehe dem Gedanken der Resolution freundlih gegenüber, aber fo wie der Wortlaut ift, kann sie niht an? genommen werden. Durch die Entfuselung würde der Getreide- und Obstbranntwein werthlos werden. Wenn der Antrag abgelehnt werden sollte, so bitte ih die Regierung do, nit daraus den Schluß zu ziehen, daß der Gedanke an si im Reichstage Widerspruch ge-

E A S E utibt-Bavein (nl.) spriht sich im Juteresse der kleinen Brennereien” gegen den Antrag aus. :

Abg. Dr. Kruse (nl.): Bis jeyt ist der Beweis, daß der Fusel den Alkohol \{chädlich mache, nit gelungen. Der Genuß des fuselfreien Alkohols ist nicht unshädlich ; das Schlimme is der Genuß des Branntweins überhaupt.

Der Antrag wird abgelehnt.

Es folgt die Fortsezung der zweiten Berathung des Geseßentwurfs, betreffen die Entshädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprohenen Per- sonen. Die am Sonnabend infolge der Beschlußunfähigkeit bei der Abslimmung über L ergebnißlos gebliebene Ab- stimmung wird wiederholt. ieselbe ergiebt bei Anwesenheit von 207 Mitgliedern die Annahme des § 1 nah den Kom- missionsbeshlüssen mit 171 gegen 36 Stimmen. :

Die Sozialdemokraten beantragen, daß auh für die unschuldig erlittene Untersuhungshaft eine Entshädigung gewährt werde.

Abg. Frohme (Soz.) empfiehlt den Antrag, der eine größere Bedeutung habe als die Entschädigung der unschuldig Verurtheilten ; denn die Zahl der unshuldig Verhafteten sei viel größer als die Zahl derjenigen, deren Unschuld im Wiederaufnahmeverfahren nachgewiesen werden könnte. Es sei vorgekommen, daß man, wenn man einen Verbrecher suche, 20 Sen verhaftet habe, und die Untersuchungs- haft dauere oft fehr lange. j

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren, ih erkenne die Bedeutung. der Frage, deren Lösung der Antrag Auer und Genossen erstrebt, vollständig an, und ih ver- stehe es, wenn in den Kommissionsberathungen über die Entshädigungen für Strafhaft au die Frage in die Erörterung gezogen worden ist, in wie weit eine Entschädigung denjenigen gebühre, die nur von Untersuhungshaft betroffen worden sind. Aber wenn nun, nahdem in den Kommissionsberathungen die Unmöglichkeit erkannt worden i}, diese Frage gleichzeitig mit der gegen- wärtigen Vorlage zu erledigen, von der linken Seite gleich- wohl die Sache nochmals zur Entscheidung des Plenums gestelit wird, so habe ih doch die Pflicht, das hohe Haus daran zu erinnern, daß die Frage der Entschädigungsleistung für Untersuungs- haft aus Staatsmitteln ein Gegenstand der Diskussion in der Wissen- schaft und in der Praxis der Geseßgebungen gewesen i}, seitdem zuerst die Forderung einer Entschädigung für Strafhaft aufgetaucht ist, seit nun {hon mehr als hundert Jahren. Troßdem, meine Herren, befinden wir uns, was die praktishe Lösung dieser Frage auf dem Gebiete der Gesetzgebung betrifft und au} muß ich hinzu- fügen was ihre wissenschaftlihe Lösung betrifft, ungefähr noch auf dem Standpunkt wie vor drei Menschenaltern. Das beweist s{lagen- der wie alle anderen Gründe, welhe Schwierigkeiten mit dieser Frage verbunden sind. Keiner der großen europäishen Kulturstaaten hat es bisher vermocht, die Frage zu einer praktishen Erledigung zu bringen ; in England, in Frankrei, in Jtalien, in Oesterreih, in den meisten kleinen Nachbarstaaten, die uns umgeben, überall befindet sich die Frage noch ungefähr in derselben Situation wie bei uns, und wenn der Herr Abgeordnete, der den Antrag vorher vertreten hat, darauf hingewiesen hat, daß Kommissionen des Hauses in früheren Sessionen sich mit dem Gegenstande bereits beschäftigt hätten und, wie er sich ausdrückte, zu entsprehenden Anträgen ge- kommen feien, so muß ih dem gegenüber doch bemerken, daß die Ergebnisse der früheren Kommissionsberathungen im wesentlichen negativer Natur gewesen sind. Dasselbe Resultat haben auch diesmal die Berathungen Ihrer Kommission gehabt, obwohl der Kommission die Vorgänge in den früheren Kommissionêverhandlungen sehr wohl bekannî waren. Gerade diese Vorgänge haben, wie ich annehme, Ihrer Kommission den Beweis geliefert, wie schwierig die Lösung der Frage ist, und daß es nicht angängig ist, ihre Erledi- gung mit der Erledigung der gegenwärtigen Gesetzesvorlage zu verbinden. Und ‘in der That, meine Herren, es bedarf nur eines kurzen Einblicks in den Vorschlag dec Herren An- tragsteller, um sich zu überzeugen, daß, auch wenn man die Berechtigung der Forderung an sich anerkennen will, auf die Weise, wie es von den Herren Antragstellern versuht wird, eine befriedigende Erledigung nicht herbeigefübrt ‘werden kann. Jh erlaube mir, nah dieser Nichtung bloß auf zwei Punkte aufmerksam zu machen,

Nach dem Abs. 1 wollen die Herren Antragsteller jede Person mit einer Entschädigung bedenken, welche aus einer Untersuungshaft entlassen wird, sei es, daß es bis zu einem gerihtlihen Urtheil überhaupt nit gekommen ift, sei es, daß eine Freisprehung dur Urtheil des Gerichts erfolgt war —, jede Person, meine Herren! Nun frage ih, wie reimt \sich diese Forderung mit demjenigen, was das Haus soeben beschlofsen hat, wonach nur diejenigen eine Entschädigung für Strafhaft bekommen sollen, die sch von allen Ver- dachtsgründen gereinigt haben? Der Herr Abgeordnete hat zwar so- eben ausgeführt, daß nur die Unschuldigen au für Untersuhungs- haft auf eine Entshädigung nach dem Antrag sollen Anspruch machen können. Aber nah diesem Vorschlage wird jedermann, der aus der Haft entlassen wird, wenn au immer noch mit {weren Verdactsgründen belastet, auf die Entshädigung Anspruch machen künnen. Ueberzeugt sich die Polizeibehörde oder der Richter, daß zur Zeit das Belastungsmaterial noch nicht ausreihe, um gegen

infolge dessen der Mann eutlassen unter Vorbehalt einer späteren

Wiederaufnahme des Verfahrens, bleibt er damit unter dem Verdacht

stehen, der ihn in die Untersuhungshaft geführt hat, -— nah dem

Antrage der Herren hat dieser Mann Anspru auf Entschädigung

Wird ferner der in Untersuhungshaft Befindliche freigesprochen dur gerihtlihes Urtheil und dann entlassen, so kann allerdings der Fall

wie ih ihn eben erwähnte, nicht mehr eintreten. Aber, meine Herren. wenn die Freisprechung erfolgt is mit einer Majorität Van 3 Stimmen, die für die Schuld des Mannes waren, gegen 2 Stimmen, wenn also die Mehrheit nicht ausreite, um den Mann zu verurtheilen, dann bleibt die Thatsage bestehen, daß der Freigesprochene der Mehrheit der Richter \chwer bes lastet gegenübersteht, aber dennoch soll nach dem Vorschlag der Herren Antragsteller diesem Manne eine Entschädigung gegeben werden.

Meine Herren, ich brauhe bloß diese Gesichtspunkte zu ex- wähnen, um festzustellen, daß dieser Antrag auf dem entgegengeseßten Standpunkt steht wke der § 1 des Gesezes, dem Sie vorher Ihre Zustimmung gegebèn haben.

Und zweitens: wenn der Verhaftete auß wirklich unschuldig sein sollte, so wird er das erkennen die Herren Antrag- steller vollklommen und mit Recht an unter Umständen dennoech einen Anspruch auf Entschädigung niht erheben können, nämli dann niht, wenn der Betreffende dur seine eigene Schuld Anlaß gegeben hat, daß die Haft über ihn verhängt wurde aber, meine Herren, nah dem Vorschlage der Herren Abgeordneten fällt der Anspru nur fort, wenn entweder durch Absicht oder dur grobe Fahrlässigkeit die Haft herbeigeführt worden war. Wenn aber der Betreffende durch eine leichtere Fahrlässigkeit, immerhin aber dur eigenes Versehen, dur eigenes Verschulden, die Behörde veranlaßt hat, die Haft über ihn zu verhängen, dann foll troßdem, troy dieser nur von ihm felbst verschuldeten Aktion der Staatsgewalt, eine Entshädi- gung aus Staatsmitteln gewährt werden. Meine Herren, ih glaube, es wäre das erste Mal, daß der Grundsaß praktis anerkannt würde, daß jemand in Fällen, in denen er einen Nachtheil seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzushreiben hat, gleihwohl für den Nachtheil aus Staatsmitteln eine Entschädigung erhalten soll.

Ich beschränke mich, diese beiden allgemeinen} Gesichtspunkte, von denen der eine gegen den Abs. 1, der andere gegen den Abs. 2 des Antrags spricht, hervorzuheben, um Sie zu überzeugen, daß der Antrag unannehmbar ist. Die ganze Sache if zu \{chwierig, um im Rahmen eines einzigen Paragraphen zur Erledigung gebracht zu werden; die Frage bedarf überhaupt einer ershöpfenden Prüfung nach allen Seiten hin. Daß eine solche Prüfung nothwendig ift, hat Ihre Kommission anerkannt, indem sie eine auf die Lösung der Frage bezügliche Resolution gefaßt hat. Ob die verbündeten Regierungen so leiht und so s{chnell, ob sie überhaupt in jeßt {hon absehbarer Zeit es möglich machen werden, eine praktisch befriedigende Lösung herbei- zuführen, das weiß ih nit. Meine Herren, aber das ift außer Zweifel : die Lösung kann nur auf dem von der Kommission gewollten Wege erreicht werden, niemals aber auf dem Wege, den die Herren Ab- geordneten mit ihrem Antrag verfolgen. i

Ich kann Sie nur bitten, lehnen Sie diesen Antrag ab.

Abg. Dr. Pieschel (nl.): Die Tendenz des Antrags erkennen wir durhaus an; wir werden daher auch für die von der Kommission zu dieser Frage vorgeschlagene Resolution stimmen. Die Gründe, weshalb der Antrag nicht ausführbar ift, sind von den Vertretern der verbündeten Regierungen voUständig klargelegt. Wenn wir jeßt den ersten Schritt thun und die Entschädigung für unschuldig erlittene Strafhaft einführen, so wird die Konsequenz bezüglih der Unter- sahungshaft sehr leiht gezogen werden können.

Abg. Dr. von Buchka (d. kons.): Die Vorfälle der leßten Zeit, in denen Frauen und Mädchen unschuldig von der Polizei verhaftet find, zeigen, daß es viel dringender ist, für die unshuldig erlittene Untersuhungshaft eine Entshädigung einzuführen als für die unschuldig erlittene Strafhaft. Der vorliegende Antrag ist allerdings undurd)- führbar ; deshalb haben meine Freunde der vorgeschlagenen Resolution zugestimmt. Damit müssen wir uns vorläufig begnügen.

Abg. Schmidt-Warburg (Zentr.) fpriht sich in demselben Sinne aus; die Frage set durhaus nicht ‘so schwierig, daß man sie nicht jeßt gleih Iöôsen könnte, wenn die Regierung nur wollte. Um das Geseß nicht zu gefährden, habe seine Partei si auf die Resolution beschränkt,

Der Antrag wird mit großer Mehrheit abgelehnt; im übrigen werden die Kommissionsbeschlüsse unverändert an- genommen, einschließlih folgender Resolution:

„An die verbündeten Regierungen das Ansuchen zu stellen, baldmöglichst einen Gefeßentwurf, betreffend die Entschädigung von folchen Personen, welhe mit Unreht Uatersuhungéhaft zu erleiden hatten, dem Reichstage vorzulegen.“

Schluß 4 Uhr. Nächste Sißzung: Mittwoch 1 Uhr. [Zweite Berathung des Gesehes über die deutsche Flotte.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

52, Sißung vom 21. März 1898.

Jn der Abendsißung vom 21. März hat der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen in Erwiderung auf Be- merkungen des Abg. Beinhauer noch folgende Rede gehalten:

Ich bedauxe sehr, daß ih den Herrn Abg. Beinhauer nur in einzelnen Theilen verstanden habe; ich bin erst zuleßt darauf auf- merksam geworden, daß er Zustände auf der Bahn von Waldkappel nah Cassel besprochen und zunächst ein Beispiel angeführt hat für die Ueberlastung eines Beamten ‘auf einer Station, die ih nicht ber standen habe. (Zuruf des Abg. Beinhauer: Fürstenhagen !) Fürsten- hagen, das ist einer der allerkleinsten Seepläße, die wir überhaupt haben (Heiterkeit), da ist es wahrsheinlich und auch natürlich, daß nur ein Beamter dort ist, der gleichzeitig Bahnwärter, Haltepunkt- verwalter, Fahrkartenverkäufer 2c. ist. Alles das kommt aber vielfa vor. Wir haben sogar Stationen, wo nicht einmal ein Beamter ist, sondern nur der Schulmeister oder der Gastwirth des nächsten Gast hauses die Fahrkarten verkauft und die übrigen Angelegenheiten besorgt. Das reicht vollständig aus. Aber ih bin sehr gern bereit wenn der Herr Abg. Beinhauer die Freundlichkeit haben wollte, mir das Material zu geben, das er vorgetragen hat die Sache nochmals nah der Nichtung hin zu prüfen. b

Zweitens glaube ih verstanden zu haben, daß der Herr E Beinhauer \ich darüber besorgt geäußert hat, ob der Zustand 7 Bahn von Waldkappel nah“ Cassel, die als Nebenbahn gF

den Verdächtigen eine weitere Verfolgung zu führen, wird

baut ift, derartig ist, daß auf derselben mit gewöhnlichen

Lokomotiven und gewöhnlichen Personenwagen gefahren werden __Fann,

Die Besorgniß leitet der Herr Abg. Beinhauer aus dem Umstande her, daß dort infolge eines Schienenbruches eine Entgleisung stattgefunden hat. Dies Ereigniß hat Veranlassung ge- gegeben, daß seitens des Ministeriums eine eingehende Untersuchung der ganzen Angelegenheit in die Wege geleitet worden ift, insbesondere nach der Richtung hin, ob der Oberbau an sich geeignet ist, die Be- lastung zu tragen, die ihm zugemuthet wird. Noch in den leßten Tagen ist mir ein äusführliher Bericht der Direktion zugegangen, in dem die verantwortlihße Behörde ausdrücklich besheinigt, daß der Oberbau vollständig hinreichend sei, die ihm zugemuthete Belastung zu tragen, und daß die Maschinen nit zu \{chwer sind, vielmehr in rihtigem Verhältniß zum Oberbau stehen. Fh meinerseits hege daher feine Besorgniß und habe keine Veranlassung, in der Beziehung ein- zuschreiten,

53, Sißung vom 22. März 1898.

Ueber den Beginn der Sizung ist in de i Nummer d. Bl. berichtet worden. ia Os

Das Haus seßt die zweite Berathung des Etats der Eisenbahnverwaltung bei dem Titel „Einnahmen aus demPersonen- und Gepäckverke hr“ und die Debatte über den Antrag Broemel auf Vereinfachung und Verbilligung der Personen- und Gepäcktarife fort.

Abg. Mies (Zentr.) rügt die Bahnhofsverbältnisse i ,3 s bah und wünscht eine Erweiterung ves Bahnbodunl MOIO

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Der Herr Abg. Mies hat an mi die Frage gerichtet, ob die Staatsregierung bereit sei, den Bahnhof Glatbah umzubauen, und ob Aussicht vorhanden fei, daß dies in der nächsten Zeit gesch{ehe. Ich kann diese Frage dahin beantworten, daß wir mit Umbauprojekten beshäftigt find. Jh kann aber eine bestimmte Zusage, daß im nächsten Etat eine Nate eingestellt werden wird, persönli nit machen, da ih dazu allein nicht in der Lage bin. Aber ih erkenne an, daß der Bahnhof Gladbach zu denjenigen gehört, die eines Um- baues dringend bedürfen.

Abg. Neimniy (nl.) will auf die Frage Jef Werk stätten-Vorfteher ate S aber O Pribeiien M0, der Hinweise unterbrochen, daß diefe Frage nicht bierher gehöre.

Abg. Dr. Lohmann (nl.): Die D- Züge sind besser als ihr Nuf. Nur die Heizungs- und Beleuhtungsverhältnisse müßten verbessert werden. Redner wünfcht. eine schnelle Verbindung zwischen Hagen und Siegen und damit eine shnellere Verbindung von Dortmund über Hagen nah Frankfurt a. M. Man klage auch über die ungenügende Verbindung von Hagen na dem Kohlenrevier.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Auf die Anregungen, welche der Herr Vocredner und auch {on die früheren Herren Vorredner bezügli einer besseren Einrichtung der D-Züge gegeben haben, möchte ih später zurück- kommen, weil ich annehme, daß in dieser Beziehung aus dem hohen Hause noch weitere Wünsche geltend gemadt werden. Dagegen bin ih dem Herrn Vorredner sehr dankbar, daß er die Frage des Schnell- zugs Frankfurt-Siegen, die ja in den betheiligten Kreisen und in der Presse der dortigen Gegend vielfah und mit einer gewissen Wärme ventiliert worden is, au hier zur Sprache gebraht hat, weil fe mir Gelegenheit giebt, mih über die Sachlage auszusprechen.

Es ist ganz rihtig, was der Herr Abg. Dr. Lohmann-Hagen ausgeführt hat, daß hinsihtlih der Einführung von Schnellzügen schon seit [langen Jahren sich fehr lebhafte Wünsche kund gemaht haben. Wenn ih nit irre, ift auch früher in der Bergish-Märkischen Zeit der Versuch gemaht worden, einen Schnellzug auf dieser Noute zu fahren. Der

Versuch ist aber wieder aufgegeben, Jch erkenne es au vollständig als richtig an, daß die Gegend hochentwickelt ift in ihrer Industrie, daß der Güterverkehr, welher diese Gegend durchzieht, ein ganz außerordentli starker ift. Allein, meine Herren, die Bahn ift an und für sih für den Schnellzugverkehr wenig geeignet. Das wird mir der Abg. Lohmann wohl zugeben. Sie is einmal sehr wenig geeignet deshalb, weil fie ursprünglich in der Hauptsache für den Güterverkehr gebaut worden ist. Sie liegt auf der ersten Strecke in dem Thal der Lenne und mat alle Krümmungen dieses Thales mit; wenn man aus dem Tunnel kommt, kommt man auf die Brücke und von der Brücke wieder in den Tunnel. Sie hat sehr erheblihe Steigungen, sie muß zwei Wasserscheiden übersteigen im Gefälle von 1:72, wenn id) nit irre, kurz und gut, die natürliche Beschaffenheit der ganzen Trace ist im allgemeinen für Schnellzüge wenig geeignet. Dazu kommt, daß die Linie dit beseßt ist von Güterzügen der größte Theil des Kohlenverkehrs nah Süddeutshland bewegt si über diese Linie und daß außerdem noch eine ziemli große Anzahl von Personenzügen über die Linie geführt wird.

Dazu kommt ferner, daß auf der freien Strecke eine ganze Neihe von Anschlüssen an industrielle Werke liegt und daß hierdurch die Strecke doch nicht gerade sehr geeignet für {nell fahrende Züge wird. Diese Anschlüsse auf freier Strecke find ja allerdings mit Sicherheits- einrihtungen versehen, aber immerhin ist und bleibt ein Anschluß auf der freien Strecke ein chwacher Punkt.

Ferner ift die Strecke an und für sich deshalb wenig geeignet für den Schnellzugverkehr, weil zwischen den beiden] Exdpunkten Siegen und Hagen si unterwegs keine größeren Orte befinden ; viel- mehr find die Zwischenpunkte, die übrigens sehr zahlrei sind, ungefähr alle gleih und stehen alle ungefähr auf derselben Stufe der Entwickelung. Wie nun der Herr Abg. Lohmann angedeutet hat, würden im wesentlihen nur diejenigen Stationen für den Schnell- ¡ugsverkehr in Frage kommen, bet welhen Anfschlußbahnen einmünden.

Aber ih bin fest davon überzeugt, daß, wenn man den Scnell- ¡ugsverkehr in dieser Weise einrichten würde, man an anderen Orten sagen wird: wenn ihr in Finnentrop haltet, warum haltet ihr nit au bei uns. Unser Ort hat eine größere industrielle Bedeutung wie Finnentrop. Wir haben do eine ziemli erheblihe Industrie und verschiedene industrielle Anlagen, warum werden wir nicht be- rücksihtigt? Also, meine Herren, im allgemeinen ist die Stredcke für den Scnellzugsverkehr nit sehr geeignet; das können die Handels- kammern niht in vollem Maße übersehen. Dafür sind sie au nit verantwortlich. Aber der Minister hat doch die ernste Pflicht, bei der Frage, ob der Schnellzugsverkehr auf einer derartigen Linie einzu- führen ift, auh diese Momente sorgfältigst zu prüfen. Meine Herren, das ist geshehen. Die Elberfelder Direktion is von mir nals unter Mittheilung meiner Bedenken zum Bericht aufgefordert - é S und auf Grund dieses Berichts habe ih eine örtliche Prüfung

der ganzen Strecke dur einen Kommissar meines Ministeriums

angeordnet, Jh muß mir vorbehalten, auf Grund der Ergebnt dieser örtlichen Prüfung die Entscheidung zu T E Meine Herren, es kann mir nit verdaht werden, daß i nah den trüben Erfahrungen, die wir im vorigen Jahre gemacht haben, in Bezug auf die Einlegung von shnellfahrenden Zügen auf einer dur den Güterverkehr so stark belasteten Strecke mit der nöthigen Vorsicht verfahre. (Sehr rihtig!) Das „wird auch der Herr Abg. Lohmann vollständig begreiflih finden. Aber in den nächsten Tagen, wenn wir hier frei sind, wird mein Kommissar die Strecke nach der

bezeihneten Richtung hin in Verbindung mit der Elberfelder Direktion genau untersuchen.

¿wischen Hagen und dem Kohlenrevier nochmals einer gründlichen Untersuchung unterzogen wird. Hagen ist mit dem Kohlenrevier durch eine ganze Reihe von Bahnen verbunden; nur ist die Verbindung nah dem Süden des Kohlenreviers nicht so gut entwickelt, wie die Verbindung nah dem Norden des Kohlenreviers, und es mag sein, wenn man Essen und Oberhaufen von Hagen aus erreihen will, man auf den betreffenden Anshlußpunkten vtelleicht etwas länger warten muß, als an sich nöthig und angenehm ist. Auch [diese Frage soll einer näheren Prüfung unterzogen werden.

Meine Herren, wenn der Herr Abg. Lohmann si sodann beklagt hat, daß es in neuerer Zeit scheine, als ob der Verkehr auf den großen internationalen Routen nah St. Petersburg, nah Rom u. \. w. in erster Linie begünstigt werde, so möchte ih do zu bedenken geben, daß die preußische Staatseisenbahn in dem internationalen Verkehr unmögli zurückbleiben kann : einestheils aus finanziellen Rücksichten, weil es ih hier meistens um Verkehre handelt, die vom Auslande sehr scharf konkurrenziert sind, und zweitens, weil auch gewisse Rülsichten auf deutsches Prestige es nothwendig machen, diesen internationalen Verbin- dungen Aufmerksamkeitzu shenken. Uebrigens ist nicht nur vom Auslande, fondern auch vom Inlande gerade die Einlegung dieser ras gehenden, mit allen möglihen Bequemlichkeiten versehenen Züge freudig begrüßt worden, und es werden diese Züge in ziemli großem Umfang von unseren eigenen Landsleuten benußt. Dazu bemerke ih, daß die meisten der großen internationalen Züge, die neuerdings eingelegt worden sind, niht überwiegend zu Lasten der preußtishen Finanzen eingelegt worden sind, sondern daß die betreffenden Unternehmer an dem Risiko wesentli betheiligt sind.

Wenn dann der Herr Abg. Lohmann anführt, daß fich in neuerer Zeit in den Bezirkseisenbahnräthen eine gewisse Mißstimmung darüber geltend macht, daß so viele von ibren Anträgen auf Fahrplan- änderungen abgelehnt würden, so gestatte ih mir die Bemerkung, daß in den Bezirkseisenbahuräthen so ziemli jeder Delegirte mit einer ganzen Tasche voll derartiger Fahrplanwünsche antritt, die in ihrer Gesammtheit überhaupt gar nicht bewilligt werden können. Aber nichts desto weniger wird jeder. einzelne Wuns eingehend geprüft, und was irgendwie zu machen ift, ohne daß man mit der Oekonomie allzu schr in Widerspruch tritt, das geschieht ja auch. Die Herren können sehen, welhe Vermehrung in jedem Jahre bezüglih der Fre- quenz der Züge eingetreten ist. Das wird auch in Zukunft geschehen, und ih bin überzeugt, daß in dieser Beziehung die preußische Stäats- eisenbahnverwaltung ihrer Aufgabe gerecht wird.

Abg. Knebel (nl.): Es hat Mißstimmung erregt, daß alle be- ründeten Anträge des Bezirkseisenbahnraths in Köln zurückgewiesen ind. Ob die Schnellzugêverbindung Hagen—Frankfurt technische Schwierigkeiten verursacht, kann ih nit beurtheilen, möchte aber dar- auf hinweisen, daß gegen die Eifelbahn st. Z. dieselben Einwände ers hoben wurden, und daß der Schnellzug jeßt sehr gut funktioniert. Die kolossale industrielle Entwickelung des Saarreviers legt dem Eisen- bahn-Minister erhöhte Verpflichtungen auf.

Abg. Conrad (fr. kons.) bittet

¿wischen Graudenz und Berlin. __ Abg. von Knapp (nl.) wünscht bessere Verbindungen mit den Nordseebädern, namentlih mit Norderney. Ju den leßten Fahren bâätten ¿echnmal mehr Oesterreihßer als Bayern dieses Bad besucht. Dur die Schnellzugsverbindung Frankfurt— Hagen würde Bayern cine s{nellere Verbindung mit dem Norden baben.

Abg. Knördcke (fr. Vp.) beshwert |ch über die Verhältnisse der Wannseebahn und führt aus: Die Züge unterscheiden sich von Bummelzügen garniht. Von Zehlendorf nach Berlin fuhren wir früher 17, jeßt 27 Minuten. Es hat \ich ein besonderes Comité gebildet, dem au Herr Ring angehört, und hat dem Mt: ister Vor- schläge gemacht. Auf das Publikum wird bezüglih der Pläße nicht die geringste Rücksicht ‘genommen. Früher stand in den Wagen: „8 Pläße“. Diese Tafel ift jeßt verschwunden, und nun können fo viel Personen einsteigen, wie nur wollen. Damencoupés fehlen ganz und gar. Darüber herrscht bei den Anwohnern der Bahnen große Miß- stimmung. Es muß endli Wandel geshaffen werden.

Abg. Schmieding (nl.): Der Minister bat für die Schnellzugs8- verbindung im Siegerlande mehr Gründe als gegen dieselbe an- geführt. Die tehnishen Schwierigkeiten lassen ih durch einen stärkeren Oberbau überwinden. Eine bessere Verbindung zwishen Castrop und Dortmund i} ein dringendes Bedürfniß.

Abg. Gamp (fr. kons.): Meine politischen Freunde werden gegen den Antrag Broemel stimmen. Kein Staat hat so billige Personen- tarife wie Preußen, und keiper hat in den leßten Jahren eine fo be- deutende Verkehrssteigerung gehabt. Unsere Personenwagen sind besser als die des Auslandes. Die Wagen 11. Klasse sind hinsihtlih des Komforts ebenfogut wie die Wagen I. Klasse im Auslande. Die Beseitigung der 1V. Klasse würde die Mittelklassen der Bevölkerung zum Verzicht auf die II1. Klasse nôthigen, was niht wünschenswerth wäre. Den Reisenden mit kombinierbaren Rundreisebillets müßte Freigepäck gewährt und denen mit Retourbillets diese Vergünstigung entzogen werden. Eine vollständige Beseitigung des Freigepäcks würde der Eisenbahn kaum Kosten eelDcEn. dagegen die Reisenden, vor allem die Handlungsreisenden, {wer {hädtgen.

__ Abg. Broemel (fr. Vgg.): Die Bedürfnißfrage einer Er- mäßigung der Perfonentarife habe ich {hon im vorigen Jahre ausführ- lich erörtert und nahgewiesen, daß die auswärtigen Kulturstaaten die Tendenz haben, ihre Tarife zu ermäßigen. Nur Preußen if stehen geblieben. Das bestehende System der Bevorzugung einzelner Stationen is ungerecht. Die Verkehrsentwickelung Frankreichs läßt fd mit der Deutschlands niht vergleihen, deun unsere Bevölkerung

at viel mehr zugenommen als die französishe. Seit dem fran- zösischen Kriege hat die Bevölkerung Frankreihs nur um zwei, die- jenige von Deutschland um 11 Millionen zugenommen, Dies hat der Minister übersehen. Die günftigen Resultate unserer Einnahmen sind vorwiegend auf die 1. Wagenklasse zurückzuführen. Diese IV, Klasse enthält nur ein Mindestmaß von Bequemlichkeit und läßt sich mit den englishen Wagen 111, Klasse garniht vergleichen, die ohne Zuschlag in die Schnellzüge eingefügt werden. Der Vor- ortsverkehr läßt immer noch viel hinsihtlich der Sicherheit des Publikums zu wüns{hen, übrig. Es is} mit Sitte und Anstand niht zu vereinbaren, wenn in ein überfülltes Coups die Passagiere eindringen und fich vor die übrigen Passagiere hinstellen. Die F aterdalinisse der D-Züge sind wangelbaît, Ich fand im

rankfurter Zuge eine Temperatur von 19 Grad; die Heizung wurde nun abgestellt, und von Halle an mußten wir frieren, Man hat auf

um eine Schnellzugsverbindung

diese Züge den Ausdruck der „rollenden Särge“ angewandt. In der That erfüllt der Gedanke mit Grauen, daß in diesen Wagen einmal

Desgleichen if von mir angeordnet worden, daß die Zugverbindung

ein Brand entstehen könne. Die Verwaltung E da eine F Run: Es müßten Seitenthüren angebraht werden, die : Reisenden felbst öffnen können. Den Reisenden IV. Klasse sollte es - gestattet sein, auch ihre Fahrräder in den Wagen bineinzunebmen. Geklagt wird auch über das langsame Tempo der Schnellzüge von Berlin nah Stettin.

Wirklicher Geheimer her « Megiecunga «Math Möllhauseu: Der Minister hat nit unsere 1V. Klasse mit der 111. Klasse anderer Länder, sondern nur die billigsten Fahrgelegenheiten verglichen, wobei wir obenanstehen. Die Fahrräder durften früher in die I. Klasse Omen werden, das hat aber zu Unzuträglichkeiten geführt. Die Schnellzüge zwischen Berlin und Stettin fahren 75 km pro Stunde. Klagen sind bisher nit laut geworden.

_ Abg. Gothein (fr. Vag.): Die Verwaltung hält die Ein- richtung der IV. Klasse für vorzügli, sie sieht die Klasse wie einen Salon an, in dem man bequem si ergehen kann. Nur schade, daß dieser Salon zunächst {on zu wenig Liht bat, Die Herren Ne- gterungskommissare sollten doch bei ihren Inspektionsreisen nit ibre eigenen Salonwagen benußen, sondern den Salon IV. Klasse. Die Gepättarife sollte man dem Seltfikostenpreise möglichst | annähern, sie find viel zu hoh, doppelt so bo, wie der Tarif für Eilgut. Man zahlt für das Gepäck im Gepäckwagen mehr, als : der Mensch entsprechend seinem Gewicht in dem Salonwagen der IV. Klasse zahlt. Infolge der Fehler an den Waagen muß man für dasselbe Gepäck einmal Uebergewicht zahlen, das andere Mal nicht. Was sind eigentli Schnellzüge ? Auf einer Strecke mit 40 Stationen verwandelte die Eisenbahn-Direktion einen Personenzug in einen Schnellzug, nur um ihn an zwei kleinen Haltestellen nit halten lassen za müssen. Aber das Publikum mußte von da ab für denfelben Zug Schnellzugspreise bezahlen, ohne daß der Zug nur um eine Minute \{neller fuhr. Für Erhebung der Sthnellzugspreife muß doch eine bestimmte Geschwindigkeit die Vorausseßung sein. Der Aufenthalt auf den Zwischenstationen ist viel zu lang, die Verbindung Breslau—Leipzig is ja {hon wesentlich verbessert worden, aber man bat in Sagan # Stunde, in Bitterfeld 20 Minuten, in Eilenburg 10 Mi- nuten, in Falkenberg 12 bis 15 Minuten, in Kottbus 20 Minuten Aufenthalt. Schließlich bitte ih den Minister wiederholt um die Ein- führung der zehntägigen Retourbillets. Die Kontrole für die Beamten ist viel leiter, wenn sie nur den Tag der Lösung der Fahrkarte und nicht auch die Gültigkeitsdauer, die ganz verschieden ist, nachsehen müssen. Die Maßregel würde neben der Vereinfahung der Kontrole au eine Mehreinnahme einbringen. In Süddeutschland und in Sachsen ist die zehntägige Gültigkeit bereits eingeführt. Warum wollen wir alles immer erst ein paar Jahre später machen ? Auch die Konserva- tiven könnten diesem Wunsch zustimmen, denn die Arbeiter würden die Rükfahrkarten doch nicht benußen, um vom Lande wegzuziehen.

Abg. von Manteuffel (konf.) bittet um die Umwandlung der Anschlußstelle der Zuckerfabrik Scheune an der Berlin-Stettiner Bahn in eine tarifmäßige Haltestelle, damit die Zuckerfabrik niht immer die Erxtrafraht von Stettin ab zu bezahlen babe.

Abg. Schulz - Berlin (fr. Volksp.) : Ich bitte den Minister, dafür zu sorgen, daß auf der Station Baumschulenweg bei Berlin die Züge am- Sonntage öfter halten als jeßt. Am dritten Feiertage halten die Züge, warum nit am ersten und zweiten Feiertage? Auch

die Vororte Adlershcf, Niedershönweide u. f. w. führen Beschwerde über Verkehrsershwerungen und die Höhe des Tarifs. Es Tia auch halbe Monatskarten eingeführt werden, oder wenigstens Monats- karten, die bom 15. zum 15. jedes Monats gehen. Die Iahres- arten müßten verbilligt und bei Unterbrehung der Benugzung unter besonderen Umständen ein Theil des Abonnements zurückgezahlt werden. - Die erste Klasse kostet dem Staate am meisten und wird am wenigsten benußt; sie-könnte ganz abgeshafffft werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Der Herr Abg. Schulz hat auf eine Frage cine Antwort ges wünscht; ih bin gern bereit, sie zu ertheilen. Ih sehe ein, daß wir bezügli der Station Baumschulenweg einen Fehler gemaht haben. Dieser Fehler besteht darin, daß wir den Verkehr auf dieser Station eingerihtet hatten, ehe die Station ihn aufzunehmen vollständig in der Lage war. Wir hätten mit der Einführung der Station Baum-

shulenweg in den Verkehr warten müssen, bis die Anlage so weit fertig war, daß er in voller Ausdehnung hätte aufgenommen werden können. Wir hatten uns aber dur die eindringlihen Bitten der dortigen Anwohner, insbesondere der Gasthofbesißer bewegen lasse, den Verkehr einzurihten. Den Sonntagsverkehr können wir aber in dem Umfange des Wochen-Fahrplans noch nit einrichten, weil, wie der Herr Abg. Schulz ganz: rihtig fagte, die Station dazu noch nit in der Lage ist; sie wird dazu auch erft in die Lage kommen, wenn wir das dritte und vierte Geleis durchgeführt haben; dann wird die Station Baumschulenweg ebenbürtig werden den anderen Stationen.

Meine Herren, in den Fehler wollen wir nun niht wieder ver- fallen mit der Station. Es waren die Stationen Alt-Glienicke und Adlershof bisher nur Haltepunkte, d. h. also solche Stationen, die nur Personenverkehr hatten und keine Geleise für den Güterverkehr. Auf Wuns der dortigen Bewohner is nun aus beiden Haltepunkten eine Haltestelle gemacht worden. Es war das leiht mögli, da die Stationen ziemli dicht beieinander liegen; es kann also jeßt für die Bewohner von Alt - Glienicke und Adlershof au der Güter- verkehr eingerihtet werden, ist auch, soviel ih weiß, schon eingericktet. Nun geht, wenn ih den Herrn Abg. Schulz rihtig verstanden habe, sein Wunsch dahin, wir möchten nun wieder Einrichtungen treffen, daß gewisse Züge in Alt-Glienicke nah wie vor halten können. Wir würden damit wieder, wie gesagt, in denselben Fehler verfallen, den wir seiner Zeit mit dem Baumschulenweg gemaht haben. Die Ent- fernungen von der Station bis Alt-Glienicke und Adlershof find fo unbedeutend, daß die Leute recht gut zu Fuß sie abmathen können.

Abg. Dr, Böttinger (nl.) bittet um ein der Strecke von Berlin le ahe, N ibe s S A damit der französische Anschluß sicher erreiht werden könne, und ferner um Verbesserung des Verkehrs auf der Linie Düfseldorf—Elberfeld—

Aachen. Außerdem empfiehlt er Erleichterungen f ädverk und Einführung der Kilometerhefte. G s m Gepälverkehr

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Jh möchte ganz kurz auf einige Punkte ant worten, die der Herr Abg. Dr. Böttinger hier vorgebracht hat.

Was zunächst das Freigepäck betrifft, so wird ebenfalls beabsichtigt, in den bevorstehenden Verhandlungen mit den übrigen Bundeéstaaten, wenn thunlich, eine Uebereinstimmung herbeizuführen. Ich gebe gern zu, daß unser gegenwärtiges System der Beförde- rung des Gepäcks ein sehr angefohtenes is. Jch persôn- lich würde, wenn es gelingt, eine allgemeine Ueberein- stimmung zu erzielen, keine Schwierigkeit machen, das Freigepäck auf- zugeben und einen billigen, einfach konftcuierten Gepätarif einzuführen. Was fodann die Gültigkeitédauer der Retourbillets betrifft, so scheint es mir niht zweckmäßig, im gegenwärtigen Augenblick, wo man eben im Begriff ist, über eine Reform sh zu einigen, eine Aenderung eintreten zu lassen. Ich nehme auh an, daß das in Sahsen geschehen ist zu einer Zeit, wo noch nicht feststand, daß die Konferenz demnähst stattfinden würde; Holland ift in der Beziehung nicht betheiligt, sondern voll-

ständig selbständig, Wenn Holland \ich entshlofsen hat, wie mir