1898 / 73 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Landshut. . Obel ; ; ; e Bopfingen . E A 13,80 Langenau i. W. . N C 15,00 E s E 14,50 Château-Salins . . « « + «+ iz E a 14,20 Schweidniß. . . « « s E 14,60 E a a oe C 15,00

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Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung,

Deutscher Reichstag. 69. Sißzung vom 24. März 1898, 11 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen

Nummer d. Bl. berichtet. / Die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes,

betreffend die deutsche Flotte, wird fortgeseßt.

Staatssekretär des Reichs-Marineamis, Kontre-Admiral Tirpiß:

Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Schaedler hat gestern gesagt, daß mein Amtsvorgänger do den materiellen Inhalt unserer Vor- lage und unseres Vorgehens gekannt haben müsse, in seiner Stellung als Staatssekretär wäre das ja garniht anders mögli, und doch bätte er gewissermaßen unser Vorgehen vershwiegen. Das mußte man wenigstens aus den Worten entnehmen.

JIch will diesen Vorwurf nicht unwiderlegt lassen, meine Herren, und möchte daher dem hohen Hause die Beweise, daß dieser Vorwurf unbegründet ist, hier unterbreiten.

Meine Herren, der materielle Inhalt des Gesetzes betrifft im wesentlihen den Sollbestand der künftigen Flotte, die íFndiensthaltung und die Typen. Bezüglich des Sollbestandes der Flotte fordert dieses Geseg auf Grund taktisher Erwägungen zwei Geschwader zu aht Schiffen. In der Denk|chrift, die dem vorigen Etat 1897/98 beigelegen hat und die eine Aenderung des íFndiensthaltungsplans enthält, ist ebenfalls aus taktishen Gründen ein actes Schiff gefordert. Es waren bekanntli im Jahre 1892/93 nur 7 Panzer für die Indienst- ha[tung vorgesehen gemäß der damaligen Denkschrift. Zum Zweck der aus taktisGen Gründen nothwendigen Ergänzung der zweiten Division des ersten Geshwaders auf 4 Schiffe die eine Division hatte 3, die andere 4 Schiffe, macht zusammen 7 Schiffe ist im Vorjahre ein Panzerschiff mehr gefordert worden. Ferner hat nah dem Kommissionsprotokoll vom März 1896 mein Herr Amtsvorgänger gesagt : Die Marineverwaltung denkt nit an eine wesentliche Ver- mehrung der Schlahtschiffe. Er ging von dem Standpunkt aus, daß 14 Linienschiffe an sich allseitig anerkannt wären, und fährt dann fort: über zwei Dußend Schlachtschiffe gehen wir nicht hinaus. Meine Herren, die zwei Dutzend Panzerschiffe, wenn man von der Material- reserve absieht, sind die zwei Geschwader an Lintenschiffen und die zwei Divisionen Küstenschiffe, zusammen 24 Schiffe.

Es ift ferner in der bekannten Denkschrifl vom vorigen Jahre das 15. und 16. Panzerschiff bereits vorgesehen. Die Niederschrift reiht nur bis zum Jahre 1900, und es war daher nit erforderlich, die Materialreserve in derselben bereits zu erwähnen. Daraus geht hervor, meine Herren, daß der Herr Admiral Hollmann bereits auf dem Standpunkt gestanden hat, der in dem Gese zum Ausdruck kommt.

Was die Kreuzer anbetrifft, so sind in der Niederschrift 43 Kreuzer von meinem Hercn Amtsvorgänger vorgesehen, während das Gefeß 42 vorsieht. Die Typen, meine Herren, die in dem Gesehentwurf und für den diesjährigen Etat vorgesehen sind, entsprehen genau dem, was ia der vorjährigen Niederschrist zum Ausdruck kommt. Die Linienschiffe find Schwesterschiffe des „Ersay König Wilhelm“; der kleine Kreuzer entspriht genau dem Schiffe, welches

in tem vorjährigen Etat als „Ersay Aviso Falke“ vor- gesehen war. Dasselbe war dadur begründet, daß das Bedürfniß für Aufklärungs\chiffe kleinerer Art von Jahr zu Jahr größer wurde. Dasselbe ist der Fall bezüglih des großen Kreuzers, der im Geseh- entwurf vorgesehen i. Jn der Denkschrift sind die Kreuzer erster Klasse das sind die jezigen großen Kreuzer als ein Typ be- zeichnet, der zwischen der „Fürst Bismarck“- und der „Freya"-Klasse steht.

Meine Herren, es wird Ihnen vielleiht nicht mehr in Erinne- rung sein, aber thatsählich deckt fich das, was mein Amtsvorgänger in Bezug auf den materiellen Inhalt dieses Geseßes gesagt hat, mit diesem Gesez. Welchen Werth ter Admiral Hollmann auf die Shlachtflotte, speziell auf die Linienschiffe, gelegt hat, wird den- jenigen, die den vorjährigen Verhandlungen über den „Ersaß König Wilhelm“ beigewohnt haben, wohl noch in der Erinnerung sein.

Was die formelle Seite anbetrifft, so war ja im Jahre 1890 die Marineverwaltung garnicht in der Lage, Ihnen einen folhen ab- geshlofsenen und ausgereiften Geseßentwurf vorzulegen ; denn, wie ih in der Kommission ausgeführt habe, haben die Arbeiten, die hier zu dem Resultat geführt haben, ja im wesentlicen damals erst an- gefangen. Die Marine is ja cine Institution, die man gewisser- maßen mit einem Organismus vergleichen kann, der eben in sich weiter arbeitet und zu einer gewissen Zeit Früchte trägt, und eine folche Frucht felt der Geseßentwurf dar ; er ist das Produkt einer zehnjährigen angestrengten Arbeit der gesammten Marine, und mein Herr Amtsvorgänger hatte ja zu- nächst garniht nöthig, mit einem Plan herauszukommen; denn er forderte ja zunächst nur Ersatbauten ; und wenn er niht dazu neigte, mit all dem Material herauszukommen, wozu sih jeßt die Marine- verwaltung entschlossen hat, so fiadet das doch einen ganz er-

15,25 15,25

T P 00 14,00 Tat i á 11,29 13,44

13,80 14,80 14,80 15/80 15 80 15.00 15/20 15 40 15/60 16/00 15/00 15/50 16/00 16/80 18/00

1460 | 1480 | 156,00 | 1620| 15,0 15,00 15,00 15,40* | 15,40 15,80 ; 1500 | 1630 | 15830 | 1560 | 15,60 80

Noch: Hafer.

15,00 15,40 15,60 16,00 _— 15,79 15,75

13,98 15,59 16,13 18,28 15/00 1550

12,00 13,00

Bemerkungen.

F

wird, als unumgänglich nothwendig is, weiter bekannt wird über das Haus und unsere Grenzen hinaus. Der Herr Admiral Hollmann hat ja nit viel von Denkschriften gehalten ; denn er hat hier im Reichstage ausgeführt, daß die früheren Er- fahrungen mit den alten Denkschriften in keiner Weise dazu er- muthigten, dem hohen Reichstage mit einer neuen Denkschrift solher Art entgegenzutreten. Wenn der Herr Admiral Hollmann sich ebenfo weigerte, auf etwas Bindendes einzugehen, so findet das darin seine Erklärung, meine Herren, daß wir bereits in der Marine mit dem Prinzip der Denkschrift von 1892, welche das Doublierungssystem enthält, gebrohen haben, sodaß er also, wenn er nicht mit dem ganzen Plan herauskommen wollte, ich nit binden konnte. Wenigstens hat, wenn ich mich recht erinnere, Herr Admiral Holl- mann nur an eine technishe Bindung gedacht, und dies ist ja im Gesetzentwurf vermieden. Ich kann ferner hinzufügen, daß Herr Admiral Hollmann mit diesem Gesehentwurf vollständig, in jeder Beziehung einverstanden ist (hört, hört ! rets), und er hat mi autorisiert, im Bedarfsfalle von diesem völligen Einverständniß Ge- brau zu machen. Meine Herren, gerade die Erfahrungen, die früber gemacht worden sind mit Denkschriften, haben der Marineverwaltung die bestimmte Ueberzeugung gegeben, daß Denkschriften niht aus- reihen, daß wir mit unserem ganzen militärischen Plan, mit unserer ganzen militärisGen Auffaf\ung herauskommen müßten, wenn wir das hohe Haus zur Bewilligung dieser geforderten Mittel bewegen wollten. Diese Ueberzeugung, die sih gerade auf die Vorgänge #üßt, hat die Marineverwaltung veranlaßt, rückthaltlos unseren ganzen Standpunkt darzulegen, wie es von mir in der Kommission ge- schehen ift.

Wenn ih den Herrn Abg. Dr. Schaedler recht verstanden habe, so ist er und seine engeren Freunde geneigt, der Jahresforderung dieses Etats zuzustimmen, er glaubt aber mit seinen engeren Freunden mit den Argumenten gegen das Gese stimmen zu sollen, die in der möglichen Uferlosigkeit begründet find. Ih möchte, meine Herren, do dem hohen Hause und besonders denjenigen Herren, die dem etwas ehrwürdig gewordenen Wort „Uferlosigkeit“ noch immer einen gewissen Glauben beimessen, zur Erwägung gebén, ob denn nicht eine Sahresforderung oder eine Forderung, wie fie das vorliegende Gesetz enthält, in Form einer Denkschrift der Uferlosigkeit mehr Thür und Thor öffnet als ein Geseß, welches auf organifatoris@en Grundlagen beruht. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, man muß do erst diese organisatorischen Grund- lagen ershüttern, ehe wesentlidje Aenderungen hier vorgenommen werden können. (Sehr richtig !)

I glaube, daß ih durch diese Darlegungen den Beweis genügend erbraht habe, daß meinen Herrn Amtsvorgänger der Vorwurf nicht trifft, daß er etwas zu Unrecht zurückgehalten hat. (Bravo! rechts.)

Abg. Hilpert (b. k. F.): Es wird gesagt, alle Patrioten müßten für die Vorlage stimmen. Wir bleiben ebenso gut Patrioten, wenn wir dagegen stimmen. Die Lage der Landwirthschaft gestattet mir nicht, für die Vorlage zu stimmen.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Es handelt sich um eine dauernde organishe Einrichtung, um die Festlegung des Etats für den Reichs- tag. Dem Reichstage wird angesonnen, sein Etatsrecht zu binden, wie es keinem Parlament der Welt jemals angesonnen worden ist. Wenn es sich darum handelt, dem Ausland gegenüber die Einmüthigkeit des Reichstages und der Regierungen zu be- kunden, warum denn nur in diesem Jahre, bei diesem Reichstage, der nur noch eine kurze Lebensdauer hat? Die Gründe meiner Partei habe ih bei der ersten Lesung ausführlich dargelegt. Fch kann mich jeßt auf eine Reihe von Bemerkungen beschränken. Man übershägt die Bedeutung der Marine für das Reih, und man untershäßt das, was gegenwärtig fon die Flotte für das Reich be- deutet Man follte glauben, daß es sich darum handelt, eine Flotte erst zu hafen. Aber sind wir nicht seit länger als einem Menschen- alter dabei, die Flotte zu verstärken? Herr Rickert geht bis auf 1848 zurück. Stehen wir denn auf dem Standpunkt von 1848? Haben wir nicht 2 Milliarden auf die Flotte verwandt ? Das übersteigt die kühnsten Träume, die man damals und die man 1861 batte. Die Rede meines Freuntes Schulze-Delißsch vom Jahre 1861 im National- verein hatte zur Folge, daß damals 1300000 4 zum Bau von Kanonenbooten gesammelt wurden. Wir haben jeßt 53' Schiffe; dazu sollen 16 hinzukommen. Und da stellt man es so hin, als ob dieje Vermehrung entscheidend sei für die Betheiligung Deutschlands am Seeverkehr, für die Verstärkung der Seegeroalt Deutschlands. Wir bestreiten, daß in dem Maße, wie es geschehen fol, ein Bedürfniß zur Erhöhung des Fiottenbestandes vorhanden ist. Herr von Hertling meinte, die héimishe Schlachiflotte sei der Hintergrund für die Auslandsschiffe. Es wtrd uns aber vorgeführt, daß der Werth der heimishen Schlachtflotte vermindert wird, wenn man auch nur ein Schiff aus der Organisativn herausnimmt. Die Handelskammern uud andere Korporationen haben sich für die Vermehrung der Aus- lands\chiffe ins Zeug gelegt. Was will die Vorlage an Auslands- schiffen haben? 3 große und 10 kleine Kreuzer. Diese 13 Kreuzer sind sämmtli heute {hon vorhanden oder befinden fih im Bau. Diese Schiffe sind nicht etwa alte Kasten, wie man hin und wieder gesagt hat. Es sind nur 3 darunter, die vor 1903 eines Ersayzes be- dürfen; die anderen brauen erst nah 1903 erseßt zu werden. Daß die „Deutschland“ Havarten erlitten, die die Ausfahrt verzögert

haben, wurde gestern behauptet. Man rief darauf: deshalb brauchen wir neue Schiffe. Die Verzögerung der Ausfahrt lag in anderen

flärlißen Grund in dem Umstande, daß es ja nicht vortheilhaft sein kann, wenn unser militärisher Standpunkt weiter bekannt

Gründen. Diese 13 Kreuzer sollen eine Verstärkung erfahren aus der Materialreserve; aber es sind heute. {on ebenso viele Schiffe im

1 966 15,42 15,27

70 14,00 14,00 6 735 15,41 15,10

551 14,89 14,93 1932 15,46 15,22 128 16,00 15,46

1 224 15,30 15,30

h auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berehuet.

daß der betreffende Preis niht vorgekommen ist; ein Punkt (.) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht feblt,

Auslkandsdienst, wie nah der Vorlage auswärts thätig sein sollen; es ist nur an Stelle eines großen Kreuzers ein kleiner Kreuzer in Thätig- feit. Und 7 Kreuzer befinden sich noch im Bau. Die Forderungen für Auslands\chife halten wir nicht für übertrieben. Anders stehen wir der heimishen Schlachtflotte gegenüber, der allein die Vermehrung der Schiffe zu gute kommen soll. Die 40 größeren Schiffe der Schlacht- flotte sollen um 16 vermehrt werden, welhe 200 Millionen im Neubau kosten. Der Haupttheil der Vermehrung der Koften des Ordinariums fällt auf die Schlachtflotte. Zur Vertheidigung der Küsten haben wir noh die Torpedoflotte, die Küstenbefestigung, den Nord-Ostsee- Kanal und die Befestigung von Helgoland. Allerdings würden die ver- einigten Flotten mehrerer Länder der unsrigen überlegen sein. Aber das gilt auch vom Landheer. Und wozu {ließt man denn Bündnisse? Aus den Mittheilungen des Herrn Hollmann und des Generals von Stosch konnte es doch nicht zweifelhaft sein, daß die starke Brandung der Nordsee die Vertheidigung erleihtert und den Angriff auf die Küste ershwert. Herr Rickert sprach gestern als Küstenbewohner von der Gefahr einer scindlichen Landung. 1889 sprach er ebenfalls als Küstenbewohner ganz anders. Er meinte damals, daß die Herren, je weiter sie von .der Küste wobnen, um so besorgter seien. Aber von einer Landungsgefahr sei ernstlich niht die Rede. Von einer solchen Gefahr könnte erst die Rede scin, wenn die Landmaczt Deutschlands vollständig erschüttert wäre. Ich tütze mich dabei auf Behauptungen, die von Autoritäten ausgesprochen find. Herr Rickert meint, die Gefahr der Beschießung sei größer geworden, weil die Schiffskanonen jeßt weiter schießen. Aber schießen nicht die Landkanonen auch weiter als früher? Der Admiral Hollmann hat in der Kommission im vorigen Jahre gesagt, daß keine Flotte in die Elbe einlaufen und etwa Hamburg bom- bardieren könne. Wir find nicht der Meinung, daß die geforderten 99 Kreuzer erforderlih sind. Es liegt hier eine technishe Frage vor, die wesentli eine Vertrauensfrage ist. Können wir dieses Vertrauen haben nah dem, was vorgekommen ist? Die Widerlegung des Herrn Schädler seitens des Staatssekretärs ist niht geglückt. 1893 sagte der Staatssekretär, daß der Plan dahin gehe, von zwei zu zwei Jahren ein neues Panzerschiff zu bauen. Das war weniger, als bisher gebaut war. Der Vorgänger des gegenwärtigen Staatsfekretärs hat im vorigen Jahre ausdrücklih darauf hingewiesen, daß die Technik wechselt, und daß keine Marineverwaltung sih binden kann. Wenn man sich an Denkschriften nicht binden kann, dann kann man sh doch an Geseßze auch niht binden. Daß der Wechsel in der Technik jeßt geringer werden sollte, kann man nihcht an- nehmen. Kleine Zufälligkeiten reihen hin, um die großen Panzer- folofse wehrlos zu machen, ja vielleiht zu Grunde zu richten, Das Hauptgewiht unserer Opposition gegen das Gesez richtet ih gegen die Bindung des Etatsrechts. Verfafsungswidrig ift allerdings das Geseß nit, aber Herr Schädler hat das Nichtige getroffen: Nah der Verfassung kann auf mehrere Jahre be- willigt werten. Es handelt sich um eine dauernde Bewilligung, w9- für die Bewilligung für mehrere Jahre nur einén Uebergang bildet. Wenn Windthorst von Hecrn Lieber für die neue Stellungnahme des Zentrums angeführt ist, so muß ih dagegen protestieren; denn“ Windthorst ist immer mit uns fa konstitutionellen Fragen die gleihen Wege gewandelt. Im Jahre 1867 richtete sih der Kampf gegen das Aeternat, gegen die dauernde Festlegung der Präsenzstärke; deshalb entschied man sich dahin, daß auch für mehrere Jahre Bewilligungen gema@t werden könnten. Wiadthorst erkannte in dec Abweisung des Aeternats den Angelpunkt des fonstitutionellen Lebens. Er stellte in den Kämpfen um das Militärsevtennat die einjährige Bewilligung des Marine-Etats als das allein Richtige hin. Die Festlegung der Organisation der Flotte ist nicht zu vergleihen mit der Festlegung der Cadres bei der Armee. Denn die Füllung der Cadres hängt ab von der Festseßung der Friedenspräsenz, während hier der Reichstag sich binden soll. Der Hinweis auf Jtalien ist ebenfalls unzutreffend. Die dort geforderten Scbiffe waren bis auf zwei {on vorhanden ; daher erklärt sich au, daß die Forderung sich nur auf 8 Millionen Franks belief. Wenn die Preise der Materialien theurer werden und dadur die Kosten der Schiffsbauten wachsen, [0 muß man, wenn die ersten Naten die alten bleiben, die Mehrkoften in den späteren Jabren bewilligen, und dadur fommt das dide Ende nah; die Abkürzung auf 6 Jahre ift deshalb durdhaus kein Northeil. Die Vorlage wird den. Anleihebedarf des Reichs unt 190 Millionen Mark steigern. Wenn die Marineausgaben aus der laufenden Einnahmen gedeckt werden, wo bleibt dann die Deckung der anderen Bedürfnisse? Herr von Hertling sieht in der Vorlage einen gewissen Abschluß. .În der Begründung des Gesetzes steht, daß das in der Vorlage Verlangte nach den heutigen Bert ältnissen bemessen sei. Was die Zukun\t bringen foll, das steht auf eixem anderen Blatt. Um die Secegewalt des Neichs überall zum Nusdruck zu bringen, müßte man mehrere Schlachtflotten auf dem Meere haben. Die 13 Kreuzer, über den Erdball vertheilt, können es auch nit macen. Der Kurs is mehr als je auf das Uferlose über die Vorlage hinaus gerihtet. Im vorigen Jahre sträubte si der Reichstag aegen eine Erhöhung des Véarine-Extraordinariums von 58 auf 70 Millionen, und heute bewilligt man viel größere Summen und [äßt sih die Hände binden, Aus einem Mißtrauen gegen den Reichs1ag ist die Vorlage ‘entstanden. Wir verdanken unser Mandat dem Der- trauen der Wähler, und diefes Vertrauen müfsen wir mit Vertrauen erwidern.

Staatssekretär des Neichs-Marineamts, Kontre - Admiral Tp:

Meine Herten! Das springende Motiv zu der Vorlage if die

| Absicht gewesen, unserer Flotte eine Organisation zu geben, das nach-

zuholen, was bei der Grüudung - unserer Marine nit, mögli war; denn damals fehlte uns die Kenntniß und die Erfahrung, um unserer Flotte eine Organisation zu geben. Eine Organisation soll etwas Dauerndes sein, und weil sie das sein foll, muß sie au dauernd, d. h. geseßlich, festgelegt werden. Das ist das Hauptmotiv unseres Vorgehens gewesen.

Meine Herren, wenn wir in dieser Ueberzeugung noch hätten be- stärkt werden können, dann sind wir es nit zum mindesten geworden

gerade dur die Ausführungen der grundsäßlihen Opposition und im

Speziellen durch die Ausführungen eines so hervorragenden Parla- mentariers, wie der Herr Vorredner es ist. Als ih nach Deutschland zurückam und die Vorgänge mir ansah, da fand ih im Juni in der „Freisinnigen Zeitung“, die ja dem Herrn Vorredner nicht fern steht, Nachstehendes ausgeführt :

Ohne ein festes, bindendes Programm wird der Reichs- tag shwerlih von seinem bisherigen Prinzip abgehen (hört! hört !), sondern wie bisher die einzelnen Etatsforderungen für jedes Jahr hinsihtlih ihrer maritimen Nothwendigkeit und finanziellen Durch(- führbarkeit prüfen. :

Also: ohne ein festes, bindendes Programm würde auch die „Ufer- losigkeit“ nicht beseitigt. (Sehr richtig!) Was i} denn ein festes, bindendes Programm? Es ift ein klarer Plan, über den man \sich einigt, und, wenn man si geeinigt hat, diese Einigung fixiert Und wie soll eine Einigung anders fixiert werden als dur Geseß ? (Sehr wahr!) Jch war daher außerordentli erstaunt, daf, als endlih das Gesey herauskam und der bindende Plan vorlag, die Auffassung des Herrn Vorredners {ih sofort umdrehte, und die „Bindung des Etats3- rechts“ und die „Kaebelung der Volksrehte“ und ähnlihe prägnante Ausdrücke an die Stelle traten. (Sehr gut!) Ja, meine Hercen, das find zwei Eisen im Feuer, die gehandhabt werden je nah Gutdünken. (Sehr richtig !)

Ich möchte nun von der formellen Seite, die der Herr Vorredner berührt hat, nur berausgreifen, daß das Extraordinarium der Marine etwas ganz Anderes ist, als das Extraordinarium der Armee. Das Extraordinarium der Marine enthält die Schiffe, den Lebensnerv der Marine; ohne Shiffe sind wir keine Flotte, und weil sie den Lebens- nerv bilden, so haben sie für die Marine eine ähnliche Bedeutung,

wie die Formationen der Armee für leßtere.

Der Herr Vorredner hat ferner über das italienische Gesetz ge- \sprohen und hat ausgefübrt, daß die Schiffe sämmtlih vorhanden gewesen sind, die das italienische Gesetz. in den Jahren 1877 bis 1887 gefordert hätte. Meine Herren, ih habe hier eine Liste mit den Jahreszahlen der Stappelläufe der italienishen Kriegsschiffe und da will ih nur die Schiffe Erster Klasse verlejen, die in der Periode 1877/87 gebaut worden find. Das sind die großen Panzerschiffe, die viel größer sind wie unsere: „Lepanto*, „JItalia*", „Rè Umberto“, „Dandolo*, „Andrea Doria*, „Francesco Morosini“, „Ruggiere de Lauria”, und ferner mehrere Kreuzer. Die Angaben des Herrn Vor- redners nah dieser Nichtung müssen also auf einem thatsählihen Jrrthum beruhen.

Freilih, meine Herren, durch das Gese find eine Reibe jener prägnanten Ausdrücke, die seit Jahr und Tag vergiftend in unser Volksleben geworfen wurden, wie „Uferlosigkeit" und ähnliche Aus- drücke, „Subjektivität*, „Liebhakberci", weggefegt wie leerer Schall, wenigstens im Glauben des Volks, Das Gese nöthigte, mit sah- lien Gründen herauszukommen, und die sachlichen Gründe, meine Herren, des Herrn Vorredners, welche das Fundament dieser Vorlage zu ershüttern im stande sind, find noch abzuwarten! (Schr wahr ! rets.)

Ich möchte auf diefen Theil der Ausführungen des Herrn Vor- redners eingehen. Der Herr Vorredner erkennt die Nothwendigkeit der Flotte an, auch die Nothwendigkeit der Schlachtschiffe, aber, soweit ih ortentiert bin, hat er alles verweigert, und das nennt er „Tempo“! (Heiterkeit) Er sagt: die Linienschiffe sind so verletlih, daß sie einem Uhrwerk zu vergleichen sind; wenn ein Rad außer Ord- nung kommt, funktioniert das Ganze niht mehr. Darum kann man sie niht bewilligen; das ist die Anerkennung | der Nothwendigkeit der Flotte! (Heiterkeit links.) Jh möchte nun speziell auf die S(hlachtflotte eingehen. Jch habe in der ersten Lesung versprochen, ih würde rüdhaltlos unseren militärishen Standpunkt und unsere Motive darlegen. Jch glaube, die Mehrzahl der Kommissions- mitglieder wird mir zuerkennen, daß ih diesem Versprehea nach- gekommen bin. (Sehr wahr! in der Mitte.) Meine Herren, ih habe mit dieser Darlegung mir auhch die Unterlage {afen wollen, um jede wirklihen sablihen Bedenken, die selbstverständlich vorhanden waren und selbstverständliG vorhanden sein mußten, aufklären zu können im weitesten Maße. Der Herr Vor- redner hat nicht mit einem Wort die sachlichen Gründe wider- legt, die i in der Kommisfion angeführt habe, er ift nit mit einem einzigen sachlichen Gegengrund herausgekommen. Ich muß also daraus schließen, daß er wohl gefühlt hat, daß in der Kommission, wo ih frei sprehen konnte und frei herauskommen mit meinen Gründen, er meinem Standpunkt und meinen Darlegungen nicht gewachsen gewesen ist. (Sehr gut! rechts.) Es is ja für mich, wie die Herren aus der Kommission ohne weiteres übersehen werden, ein Antworten jeßt s{chwieriger wie in der Kommission, aber ih kann doch die Ausführungen des Herrn Vorredners, welche mit einer Verneinung unserer Schlachtflotte faktisch endigen, niht ganz unerwidert laffen.

Meine Herren, ih habe in der Kommission dargelegt, daß wir in erster Linie unsere Schlachtflotte brauen zur Freihaltung unserer Meere, um die Blokade zu verhindern. Die wirthschaftlihe Aende- rung Deutschlands, die sich in den leßten 50 Jahren vollzogen hat, hat es mit si geführt, daß wir ein Viertel der Nahrungsmiitel, die unser Volk braucht, importieren.

Meine Herren, wenn wir \o viel Nahrungsmittel importieren, dann müssen wir dieselben auch bezahlen, wir müssen also entsprehend exportieren, und für diesen Export brauen wir wiederum JIndustrie- iweige, und diese brauchen wieder zu einem großen Theil einen Im- port von Nobprodukten i erinnere hier z. B. im Speziellen an die Textilindustrie, an die chemishe Industrie, an die Lederindustrie U. st. w, Nun liegt die Sache doch so: wenn wir in einem Kriegs- falle blockiert werden, fo folgt s{chon aus den Massen allein an Nahrungs- mitteln und Rohprodukten, um die es ih hier handelt, die Unmöglich- keit, daß man diese Massen per Bahn, also über Land, transportieren kann, denn zwei Drittel dieses ganzen Imports geht eben über See. | Dazu kommt noch ein anderer Grund. Im Kriegsfalle werden 1a möglicherweise große Theile unserer Grenzen ges{chlofsen, und die Eisenbahnen werden mit anderen Dingen belastet sein. Es wird also um so s{wieriger sein, den Import aufrecht zu erhalten, wir werden um so mehr auf die See zur Aufrechterhaltung unseres wirthschaft- lichen freien Athems angewiesen sein.

Das ift im wesentlichen die Bedeutung der Schlachtflotte für die Abwehr der Blockade. Kann die Abwehr der Blokade nicht ermöglicht E so werden si die Dinge in der Weise vollziehen, daß zunächst fil f tuerung eintreten wird, ein großer Theil unserer Fabriken müßte

ehen, ein großer Theil unserer Arbeiter würde brotlos werden,

wir würden dur die Blokade in eine wirthshaftlihe Krisis gedrängt werden.

Die SLlachtflotte hat aber auch noch eine andere Bedeutung, ihre Wirkung im Frieden liegt in der allgemeinen Seegeltung. Meine Herren, ein Staat, der zum Aktivhandel übergegangen ift, der also ein beahtenswerther Konkurrent auf dem Weltmarkt geworden ist, kann nicht ohne ein gewisses Maß von Seegeltung bestehen, oder er muß niedergehen, und wenn die Schlachtflotte im Falle des Krieges die akute Krankheit verhindern soll, nämlih den wirthshaftlihen Er- stickungstod für Deutschland, so foll die Schlachtflotte im Frieden gewissermaßen ein chronishes Siehthum unseres Wirthschaftslebens verhindern. Das waren die Ausführungen, die ih in der Kommission über die Bedeutung der Schlachtflotte, vielleiht ohne Anführung der Zahlen gemacht habe. Jch habe weiter ausgeführt, daß wir ohne Schlachtflotte unsere Küsten vor dem Devastationskrieg nicht {hüten können. Es ift ganz klar, wir können doch nicht alles, was offen liegt an unseren Küsten, so befestigen, daß es den An- griffen, dem Bombardement einer feindlihen S{chlachtflotte mit den heutigen weittragenden Geshüßen nit ausgeseßt wäre. Der Herr Vorredner irrt, wenn er glaubt, der Gefahr wäre dadur vor- gebeugt, daß die Geschüße am Lande au weiter schießen wie früher. Es handelt sich bei der Beschießung einer Stadt ich will einmal sagen Danzig, es is durchaus zutreffend, was der Herr Abg. Rikert gesagt hat um ein sehr großes und mähtiges Zielobjekt, bei der Beschießung eines Schiffes vom Lande aus handelt es sih um einen kleinen Punkt, der 10000 m von der Küste abs{chwimmt. (Sehr richtig!) Ich habe weiter ausgeführt, daß es für uns sehr {wer were, irgend welhe Orte, selbs diejenigen, welhe wir be- festigen wollen, so zu befestigen, daß sie dem Angriff einer modernen S{lachtflotte zu widerstehen im stande sind. Ich habe das an einem Beispiel au näher erläutert und habe daraus die weitere Bedeutung der Schlachtflotte abgeleitet, daß sie den Gesammtwerth jeder einzelnen Küstenbefestigung entsprehend hebt; denn ers muß doch unsere Schlachtflotte niedergekämpft sein, ehe dec Feind mit seiner Flotte an unsere Städte heran kann, und ih glaube, wenn er diefe Schlachiflotte, die hier im Geseß vorgesehen ist, niedergekämpft hat, dann wird er erheblich {wächer sein und wir werden mit erbeblich \chwächeren Befestigung8werken demzufolge au an den wichtigeren Punkten auskommen können.

Meine Herren, der Herr Vorredner ift sodonn übergegangen auf die Auslandsschiffe und glaubte, nachweisen zu können, daß wir na dieser Richtung hin nihts thäten. Zunächst möchte ih dagegen fagen, daß die einfahe Thatsache der Annahme dieses Gesetzes die Be- deutung unserer Auslands\{ifffe {hon um ein Bedeutendes hebt, und daß weiter, wenn diese Schlachtflotte vorhanden sein wird und Deutsch- land die Seegeltung haben wird, die damit verknüpft ift, und die es jeßt nicht hat, dann jeder Kreuzer und jedes Kanonenboot, welches wir jenseits der Meere s{chwimmen sehen, einen ganz anderen Charakter, eine ganz andere Bedeutung repräsentiert. Aber auch die Zahlenangabe, die der Herr Vorredner gemacht hat, ist durchaus nit richtig. Wir sollen nach dem Geseß 42 Kreuzer besitzen und besißen zur Zeit 33, es fehlen also 9 Kreuzer, und von diesen 9 Kreuzern, wenn man fie auf beide Gruppen vertheilt, gehen 5 auf die Shlacht- flotte und 4 auf das Ausland. Das war vorgesehen, meine Herren. Der Herr Vorredner würde auch in der Begründung des Gesetz- entwurfs gefunden haben, daß die Schlachtflotte in demselben Prozentsaz gehoben if, wie wir die Auslandsflotte gehoben haben, d. h. die ganze Flotte ist eben gleichmäßig in allen ihren Gliedern gehoben worden.

Die weiteren Argumente, die der Herr Vorredner geglaubt hat, gegen die Geseßesvorlage anführen zu müssen und gegen die Richtig- keit unseres Vorgehens und gegen ihren materiellen Inhalt, gründen ih auf eine Reihe von Zitaten aus alten Denkschriften. Jch habe mir {on bei der ersten Lesung auszuführen erlaubt, daß ih es für zweckmäßiger gehalten habe, mich bei meinen Darlegungen an das wirkliche Bedürfniß, an das wirklich Nothwendige für unser Vaterland zu halten, anstatt alte Denkschriften in den Vordergrund zu shieben. Ich möchte aber doch hier mittheilen, daß der General von Stosch das jeßige Vorgehen und diese Vorlage gekannt hat; er hat sie niht genau in dieser Form gekannt, aber in ihrem Inhalt. Jch habe mit ihm bis kurz vor seinem Tode korrespondiert und habe noch einen Tag’ vor seinem Tode einen Brief von ihm, worin ec zuftimmt (hört! hört!) dem Maße und der Art von Seestreitkräften, die hier in dem Gesetze gefordert werden. Was meinen Amtsvorgänger anbetrifft, so habe ih ja mit Zahlen nachgewiesen, daß er genau dieselben Typen vor- geschlagen hat und für rihtig hielt, die zur Zeit die Marineverwaltung für rihtig bält und die am 1. April in Bau gegeben werden follen, falls das hohe Haus sich entshließen follte, diese Vorlage zu be- willigen. Ja, meine Herren, wenn diese positiven Angaben nichts helfen, dann, glaube ich, wird meine Redekunst überhaupt zu {chwach sein, um den Herrn Vorredner zu überzeugen.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat verhin darauf hin- gewiesen, daß die Marineverwaltung im allgemeinen und im be- fonderen kein Vertrauen verdient. Als ich von Asien zurückgerufen wurde und in Amerika die ersten deutschen Zeitungen bekam noch garniht orientiert über unsere Verhältnisse —, da wehte mir bereits dieses Mißtrauen entgegen; ih werde mich damit abfinden müssen. Wenn aber der Herr Vorredner der Marineverwaltung Zickzackkurs, beständige Abänderung u. |. w. vorwirft und sagt, gerade darum könne die Vorlage nicht bewilligt werden, meine Herren, was giebt es denn da Besseres und Sicereres, als die Marineverwaltung zu binden, und zwar durch Geseß? (Sehr richtig! rets.)

Der Herr Vorredner hat {ließli} noch auf eine Stelle hin- gewiesen, welche die Haupttriebkraft unserer Geseßesvorlage gewesen ist, hat ja auch von Abfsolutismus und Beeinflussung bis an die Thüren des Reichstages gesprohen. Meine Herren, i bin durc- drungen davon, daß die Zeit kommen wird, wo die Geschichte das anerkennen wird, was diese hohe Stelle für die Vorlage gethan hat (hört, höôrt !), und daß das Vaterland seinen Dank zollen wird dieser Kraft, die das hervorgerufen hat. (Bravo ! rets.)

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Meine Herren! Jch wollte nur kurz auf zwei Ziffern zurück- kommen, die der Herr Abg. Richter vorher genannt kat und die in dem Zusammenhange, in dem sie angeführt wurden, vielleicht ein falsches Bild geben können. Herr Richter hat erwähnt, daß in einer der Sitzungen der Budgetkommission der Unter - Staatssekretär

Aschenborn den durch das Flottengeseß während des Septennats noth-

wendig werdenden Anleibebetrag auf 190 Millionen Mark beziffert hätte. Das ift vollkommen richtig, das hat Herr Aschenborn gesagt, und die Summe wird stimmen. Nur, meine Herren, klang es im Zusammen- hang der Rede des Herrn Abg. Richter so, als ob das ein Plus von 190 Millionen gegen den gegenwärtigen Zustand wäre. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß von einem solchen Plus nicht die Rede ift. Wir haben im laufenden Jahre 265 Millionen Anleihen für Marinezwecke. Multiplizieren Sie das mit 7 oder, wenn Sie korrekt sein wollen, nach der jeßigen Fassung des Flottengeseßzes mit 6 —, so sind das 160 Millionen, Der Unterschied beträgt nur 30 Millionen, und diese 30 Millionen durch die 6 Jahre dividiert, geben einen jährlihen Untershied von 5 Millionen, auf die fih die große Ziffer der 190 Millionen \chließlich reduziert. Das ift die neue Ziffer.

Ferner führte der Herr Abg. Richter ein Wort des Unter-Staats- sekretärs in der Kommission an, der Pensionsfonds werde um vier Millionen steigen. Das ist vollkommen richtig, aber das ist nicht der Pensionsfonds der Marine (Zurufe links), sondern der allgemeine Pensionsfonds, von dem auf die Marineverwaltung nit ganz der siebzehnte Theil entfällt. (Sehr gut! rechts. Zurufe bei den Sozial- demokraten.)

__ Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Der Abg. Richter meinte, mit der Annahme der Vorlage vernichteten wir das Etatsreht und ftärkten den Viilitarismus. Diesen Uebertreibungen will ih entgegen- treten. In allen europäishen Parlamenten existiert kein Volks- vertreter, der mit seinen Freunden alle Fragen der Landesvertheidigung so fortgeseßt zum Exerzierplaß der Ausübung des Etatsrechts macht. Wenn das Parlament in solchen Fragen versagt, so wendet sich die Nation von ihm ab, und dann können allerdings gefährlihe Bahnen eingeschlagen werden. Diese oppositionell aufgeregte Rede hätte Herr Richter wohl nicht gehalten, wenn er nur den geringsten Zweifel daran gehabt hätte, daß das Geseß von einer ahtung- gebietenden Mehrheit angenommen würde. Wenn die Vorlage zur Wahl!parole gemacht worden wäre, hätte er diefe Rede nicht gehalten. Im Lande sieht es ganz anders aus, als Herr Richter glaubt. Der Bortheil würde bet der Wahlbewegung nicht auf seiner Seite liegen. Soviel über diese Frage. Ueber die Frage des Etatsrehts hat der Berichterstatter hinreichende Ausführungen gemaht. Herr Richter hat es in der Kommission nicht für nöthig gehalten, darauf weiter einzu- gehen. Im konstituierenden Reichstage war eine dreijährige Budget- periode vorgeschlagen, die naher in eine einjährige verwandelt rourde. Etwas Ungeheuerliches ist dies niht; denn mehrjährige Budgetperioden bestanden damals und bestehen noch heute in vershtiedenen Einzelstaaten. Die Bewilligung von Geldern auf mehrere Jahre ist in der Ver- fassung vorgesehen, und zwar hauptsächlih mit Rüksicht auf die Marine. Wenn endli der Zeitpunkt gekommen ist, daß eine feste Grundlage für die Marine geshaffen werden kann, dann muß man von dieser Bestimmung natürlih Gebrau machen. Herr Richter hat sich auf Windthorst berufen. Aber diefer erfahrene und kluge Politiker hat doch nach meiner Meinung auch Aeußerungen gethan, wonach es ihm in Bezug auf militärische Dinge wünschenêwerth war, ein Paushquantum zu schaffen. In der hannoverschen Zweiten Kammer hat er das Pau- \chalverhältniß für das Militär zur Geltung gebracht. Herr Richter sagt, daß die Flottenvorlage viel weiter gebe, als man in irgend einem Staate gegangen ist. Das ift nicht richtig. Jch habe die italicnische Vorlage von 1877 vor mir, welche eine Summe von 200 Millionen festlegt. Das englische Gesey von 1889 sichert den Bau von 50 großen Schiffen zum Betrage von 400 bis 500 Millionen im Laufe von fünf Jahren. Wenn in anderen Staaten nicht ähnli verfahren ist, fo liegt das daran, daß in anderen Parlamenten eine solhe Oppo- sition kaum denkbar ist. In Frankrei sind gerade von den Radi- kalen, die über Herrn Richter noch weit hinausgehen und den Sozial- demokraten nahe stehen, Aufforderungen nach Vermehrung der Aus- gaben für das Heer und die Flotte aufgestellt worden. Ebenso ist es in England. Die Fricdenspräsenz der Armee ift allerdings nur für mehrere Jahre festgestellt. Hinsichtlih der Orga- nisation der Armee ift aber das Aeternat festgelegt in der Zahl der Bataillone, Schwadronen und Battérien Und auf diesem Gebiete find die finanziellen Aufroendungen do noch viel bedeutender als für die Marine. Herr Richter und die Opposition, die sich auf eine ganz andere Vorlage eingerihtet hatten, sind über die Vorlage, die si in mäßigen Grenzen bält, fehr enttäuscht gewesen; sie haben denn au nichts weiter thun können, als sih niht gegen diese Vorlage, sondern gegen das Zukünftige zu wenden. In ganz Deutschland if allmäblih ein großes Verständniß für die Bedeutung einer kräftigen, mit einer genügenden Schlachtflotte ausgestatteten Marine entstanden. Herr Richter meint, die Flotte sei ausreihend für den Schuß der Küsten. Man sollte glauben, daß die vorhandene Flotte seinen Bes willigungen ihr Dasein verdankt, Daß Sie alle Schiffe abgelehnt haben, Herr Richter, will ich nicht sagen; aber Sie haben in jedem Jahre etwas Wesentliches abgestrihen. Wenn das Flotten- geseß angenommen wird, so werden die Typen der Siffe festgestellt, aber über den Ban der Schiffe, über die Tehnik legt das Gesetz nichts fest, und die Marineverwaltung wird natürlich jeden Fortschritt der Technik berücksichtigen. Wollte man nicht eher anfangen zu bauen, als bis man ein Ideal gefunden bat, so würde man in der Armee niemals zu einer neuen Waffe, zu einem neuen Geschüß gekommen sein. Hätte die Marine so lange gezögert und in der EGntschlußlosigkeit beharrt, fo würde die Marine überhaupt keine Fortschritte gemaht haben. Wir müßten doch eigentlih froh sein, wenn eine verantwortlihe Verwaltung sagt: Nah allen Erfahrungen, die wir und andere Länder gemacht haben, glauben wir einen dauernden Abschluß gewonnen zu haben, um in unseren Meeren, in der Oft- und Nord}ee, au den größten Flotten gegenüber eine Seeshlaht zu wagen. Wenn das erreicht werden kann mit Mitteln, die wir voi kommen zu leisten im stande sind, fo is das etwas ganz Bedeutendes was damit erreiht wird in unserer Wehrkraft und in der Berubigung der großen wirthschaftlihen Jateressen, die hier in Frage steben. Wie follen wir sonst unsere großen Interessen {hüten in unseren Flußmündungen, und namentlich in Bezug auf unseren stetig wachsenden Handel ? Wir haben so große Fortschritte gemaht in der Ausdehnung unserer Handelsmacht, daß wir mit Necht die Eifersußt und die Be- forgnifse der benahbarten Völker, -auch der Engländer, erregt haben. Unser Antheil am gesammten Welthandel betrug 9,7% im Jahre 1880, der Englands 23,29%; 1897 betruz der Antheil Deutsch- lands 10,8, der Englands 17,5 9%. (Zuruf: Ohne Flottenpläne!) Sie vergessen, daß wir in diefen Jahren in Frieden gelebt haben. Solche großen Interessen zu {chüten, haben wir doch alle Veranlassung. Unsere Dampferflotte ist eine der bedeutendsten; unsere ganze Handels- flotte ist die größte nah England Unsere Dampfschiffe haben einen Werth von 300, unsere Segelschiffe von 200 Millionen Mark, unsere Hafeneinridtungen von 7009 Millionen Mark. Dazu kommt nun noch der nah Milliarden zu berechnende Werth der Ladungen. Wenn ein Krieg ¡wischen andecen Staaten geführt wird, so werden wir unsere Neutralität und in derselben unfere Handelsinteressen zu wahren haben. Die kricgführenden Mächte kümmern sich, wenn sie Herren der See sind, nicht um die feineren Vorschriften des Seerehts; fie haben sih niemals vor absheulichen Uebergriffen gegenüber den Schiffen der neutralen Mächte gesheut. Allein die unberehtigten Kaperéten Hamburger Schiffe, die An- fangs des Jahrhunderts seitens Englands vorgekommen sind, haben den Hamburgern einen Schaden ‘von 3 Millionen Pfund verursacht, und Hamburger Versicherungsgesellshaften sind daran zu Grunde gegangen. Gestern hat Herr Schönlank den Referenten der Kommission sehr scharf angegriffen. Wenn Herr Schönkank Mitglied der Kommission ge- wesen wäre, hätte er diese Angriffe unterlassen. Wir haben in vollem Maße anerkennen müssen, mit welhem Pflichtgefühl und Eifer nicht allein, sondern mit welher Sachkenntniß der Referent seine Arbeit ge- leiftet hat im Interesse der Kommission. Herr von Hertling hat gestern

bemerkenswerthe Aeußerungen gethan. Er hat davon gesprohen, daß

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