1898 / 73 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

dur die Veränderung der Parteiverhältnisse die Stellung seiner Partei eine andere geworden set als früher. Er hat daraus die Folgerun ge zogen, daß in dieser veränderten Stellung die Partei ein größeres Gefühl der Verantwortlichkeit gewonnen hätte, die Frage zu erledigen, ohne zu ; fragen, cuî bono. Diesen Standpunkt haben andere Parteien eben- alls für \sich in Anspru genommen. Wenn auch die anderen Parteten über viele Fragen, welhe das Verhältniß der Kirche zum Staat oder zux S{hule Le, Meinungsverschiedenbeiten haben, die vielleicht auch für unsere Kinder und Enkel noch bestehen werden, fo halte ich s doch für einen Fortschriit, daß eine so große Partei wie das “Zentrum einen anderen Standpunkt als fenber einnimmt. Das entrum hat sich früher immer gegen die Bildung des Deutschen ihs ohne Oesterreiß gewehrt. A hat es sich damit versöhnt. Windthorst hat das Ausscheiden Oesterreißs aus Deutschland im . Interesse der katholishen Kirche mit Bedauern gesehen. Seitdem ist eine Reibe von Jahren vergangen. Wenn die Katholiken ihre Blicke nach Frankrei und nah den Verhältnissen der anderen romanischen Völker richten, so können sie sagen, wir haben in Deutschland feste Einrichtungen und Zustände, mit denen die katholische Kirhe si ab- finden kann. Alles, was an den Forderungen der katholischen Kirche bereMtigt und mit den Forderungen des modernen Lebens vereinbar ist, ist auf dem Boden der deutschen Verhältnisse zu erreichen. Wenn die Ablehnung der Vorlage zur Auflösung des Reichstages geführt bätte, . . . nebenbei bemerkt, bält man in konservativen und liberalen Kreisen diese Wahlparole für eine sehr günstige, obgleih die Diagnose der Wakblparolen etwas sehr Zweifelhastes ist . . ., so würde die Beunruhigung der Bevölkerung ein nationales Unglüdck geworden sein. Wir aben jeßt Engagements, wir haben mit dankenswerther Jnitiative Besiß ergriffen in dem 300-Millionen- rei China ; das erfordert Autorität und Machteindrücke, da nicht nur die chinesishen Mandarinen, sondern auch die Mandarinen der europäischen Staaten mit Eifersucht auf unser Vorgehen blicken. Ein Kompf der Parteien würde eine große SWhwächung Deutschlands bedeuten, wenn er auch nach einem halben Jahre beendet wäre. In anderen Ländern denkt man über solche nationalen Fragen anders als bei uns. Es ist in England gelungen, die nationalen Fragen aus den politishen Fragen autzuscheiden und dafür einen neutralen Boden zu finden. So heftig die Kämpfe in England sind, das Gebiet der nationalen Fragen wird au von der shärfsflen Opposition geschont, um der Regierung keine Schwierigkeiten zu bereiten, obwohl der Kampf der dortigen Parteien ein Kampf um die Herrschaft, niht nur um den Einfluß is. Zu den nationalen Fragen, in Bezug auf welche die Streitaxt begraben werden muß, rechne ich vor allen Dingen die Fraçen der Landesvertheidigung. Es ist in der That wie ein neuer, frisher Zug dur das deutshe Volk gegangen gegenüber allen perfön- lien, widerwärtigen Zänkereien, Wenn wir uns in Deutschland mit Freuden daran erinnern, daß vor zwei Jahrhunderten der Große Kur- fürst ein Verständniß für die Flotte gehabt hat, so follten wir dankbar sein, wenn die Fürsten ein solhes Verständniß für die Flotte besißen und bethätigen. Ih hoffe, die Vorlage wird angenommen. ir werden denn zu dem Landheer, welhes wir besißen, welches selbst einen Koalitionskampf bestehen würde, au eine ausreihende Marine haben. Bei der stetig wachsenden Bedeutung von Handel und Schiff- fahrt werden wir in der Lage sein, einen vollwerthigen und voll- geachteten Bundesgenofsen darzustellen. ú

Abg. Bebel (Soz.) führt aus, der Militär-Etat }sei gebunden und der Marine-Etat solle auch noch gebunden werden, sodaß 19/20 des Budgets der Entscheidung des Neichstages entzogen würden. Sn Frankreih bestehe ein parlamentarisches Regierungssystem, und wenn die sozialistishen Abgeordneten auf seiten der Negterung ständen, so liege das nur daran, daß man in Frankreich glaube, man warte in Deutschland nur auf die Gelegenheit, über Frankreih noch einmal berzu- fallen. Windthorst habe sih nur ausnahmsweise in den Jahren 1867 und 1870 für die dreijährige Bewilligung des Militär-Etats erklärt; sonst habe er der Bewilligung des Septennats energish wivdersprohen. Das Zentrum bewillige jeßt das Septennat für die Marine und weiche damit von seinem früheren Standpunkt ab. Mit der Einmüthigkeit des Zentrums sei es auch vorüber; denn ein Drittel der Partei stimme gegen die Vorlage; diese Herren hätten ihre Wähler hinter 1h, die anderen Mitglieder des Zentrums ni(t. Was feien denn nun für Dinge vorgekommen, daß das Zentrum seine Meinung hätte ändern können ? Das reihlie Material, welhes der Vorlage beigegeben sei, habe doch Niemandem, der die Entwickelung des Handels verfolgt habe, etwas Neues bringen können, wenn er niht etwas Neues darin hätte erblicken wollen. Die Zunahmedes Handels datiere feit der Gründung des Reichs. Der deutsze Handel habe niemals eine Verstärkung der Flotte verlangt. Der Theil des auswärtigen Handels, der eines besonderen Schutzes bedürfe, sei so gering, daß er nicht der Mühe lohne. Mit einer einzelnen Macht werde Deutschland nit mehr zu kämpfen haben, sondern mit mehreren. Es habe dann die Armee zu erhalten und werde kaum noch die Möglichkeit haben, eine große Flotte zu unterhalten. Wie die Rüstungen für das Landheer von Jahr zu Jahr in den einzelnen Ländern vermebrt seien, so werde es in Zu- funft auf Grund des Vorgehens Deutschlants au in Bezug auf die Flotte der Fall sein. Mit keiner Flotte, und möge sie noh fo groß sein, werde man keine Blcckade verhindern oder gar den Ausfuhrhandel [chüyen können. Den Schuß des deutschen Handels führe übrigens eine Partei für die Vorlage an, welhe mit einer wahren Feind- seligkeit den Handel bekämpfe, welhe den subventionierten Dampfern verbiete, gewisse Artikel nah Deutschland einzuführen, ebenso wie man ten durch deutsche Subvention gebauten Gotthardturnel dur Zollerhöhungen unschädlih gemacht habe.

Abg. von Kardorff (Rp.): Der Abg. Bebel hat mit einem gewissen Behagen von dem Zerfall anderer Parteien gesprochen ; das ift ganz selbstverständlih Er will nur eine einzige Partet an der Regierung haben, seine eigene, die erst zur Herrschaft kommen fann, wenn der Staat umgewälzt ist Das Zentrum war früher Gegner der Flottenvermehrurg und wenn es heute die Vor- lage bewilligt, so ist das daher gekommen, daß die Herren, solange die Vermehrung der Flotte nur möglich war auf Grund vermehrter Steuern, ihre Ueberzeugung zurückgedrängt haben. Dank der wirth- shaftlihen Entwicklung des Deutschen Reichs, sind wir heute im stande, ohne jede Steuervermehrung das Flottengefeß durchzuführen. Das muß die Stellungnahme verändern. Daß die Opposition bei den Fragen der Landesvertheidigung anders verfährt als in anderen Ländern, führt Herr Bebel darauf zurück, daß das Parlament bei uns ohnmächtig ist. Das is zum theil der Fall. Wir haben eine monarchishe Regierung in den Einzelstaaten und die verbündeten Re- gierungen des Reichs haben eine stärkere Macht als in anderen Ländern. Aber sehen Sie sih doch die Zustände in anderen Ländern an. Kein einziges dieser Länder hat den wirthschaftlihen und finanziellen Aufschwung erlangt wie wir, und was die persönliche Freiheit betrifft, so würde ein deutscher Arbeiter sehr falsch handeln, wenn er mit den Zuständen in anderen Ländern taushen würde. In England ist das allgemeine Wahlrecht nicht eingeführt; Sie haben hier eine un- parteiishe Justiz, die der Justiz anderer Länder vorzuziehen it, ebenso wie die Verwaltung. Herr Bebel meinte, die arbeitenden Klassen haben von der Vorlage nichts, hêchstens werden ihnen neue Lasten auferlegt. Wenn irgend Jemand ein Interesse an der Stärkung der Ce hat, so sind es gerade die arbeitenden Klassen, denn es handelt

ch dabei um den Schvß unserer gefammten industriellen Entwickelung. Lesen Sie doch die Zuschriften von Deutschen im Ausland, Die Millionen Deutscher, welhe im Ausland leben, sind die Pioniere, welche den deutshen Waaren den Absay ebnen. Die Deutschen im Ausland freuen ch, wenn die deutsche Flagge auf dem Meer er]cheint. Die Deutschen aben seit Gründung des Deutschen Reichs ihre Nationalität mit anderer Zähigkeit festgehalten als früber. Herr Bebel hat die Möglichkeit bestritten, daß die deutschen Küsten forciert werden könnten. Herrn Bebel's Ueberzeugung steht sehr vereinzelt da; die übrigen Mit- glieder der Kommission haben die entgegengeseßte Auffassung ge- wonnen. Ich habe zur Zeit des Fürsten Bismarck für die Schlacht- flotte gcfohten, zur Zeit, als das wenig populär war auf der rehten Seite des Hauses. 1870 waren zum Schuß der Küsten 90 000 Mann aufgestellt, welche der Feldarmee fehlten. Der gegenwärtige Zustand der Flotte is eine Vershwendung, denn die Flotte ist ihren Auf-

gaben nit Ca Die Flotte kann nicht die Küste {üßen und die Blockade durbrechen, auch kann sie unsere Kolonien nit ausreichend \{chüten. Herr Galler hat davon gesprochen, daß troy der Beherrshung der Meere dur die englische Flotte Napoléon ganz Europa beberrscht babe. Die ganze Rede des Herrn Galler habe ih f@on im „Figaro“ gelesen, wo Artikel dieses Inhalts. erschienen sind, als die Ver- mehrung der Flotte in Frankreih beabsihtigt wurde und man befürhtete, daß dadurch das Landbeer beeinträchtigt werden könnte. Durch den Mangel einer Flotte is Napoleon’s Herrschaft zu Grunde gegangen. Napoleon hatte au niemals ten Plan aufgegeben,

eine große Flotte zu schaffen. Wie {wer der Mangel einer Flotte ewpfunden werden kann, daran haben wir an dem heutigen Tage eine besondere Veranlassung zu denken. Heute ist der Tag der Erhebung Schleswig-Holsteins. Wie anders wäre dieser glorreihe Kampf ausgefallen, wenn wir in der Lage gewesen wären, der tänischen Flotte nur einigermaßen mit Auéesiht auf Erfolg entgegenzutreten ! Graf Caprivi hat sich um die Entwickelung des Torpedowesens ein großes Verdienst erworben. Die Stimme des Admirals Colomb ift unter den englis&en Admiralen ganz vereinzelt geblieben. Alle großen Länder bauen als Linienslachtschiffe, als große und kleine Kreuzer dieselben Typen; es scheint eine gewisse Uebereinstimmung herbeigeführt zu sein. Daraus können wir dcch den Schluß ziehen, daß die Frage so weit aufgeklärt ist, daß wir zur Organisation der Flotte \chreiten können. Es liegt auf der Hand, daß, wenn man eine Flotte schaffen will, man einen Plan machen muß, wie die Industrie die Schiffe herstellen soll. Die Werften müssen sich darauf einrihten. Dazu ist eine Bindung auf einige Jahre nothwendig. Was es mit der jährlihen Bewilligung auf sich hat, darüber haben wir genügende Erfahrungen gemacht. Wir haben unsere Flotte veralten laffen, sodaß wir eine Menge mangelhafter Schiffe haben, weil die Ersaßbauten abgelehnt sind. Selbst die verbündeten Regierungen konnten einmal zu der Anshauung kommen, daß man mit den Ersaßbauten etwas warten könne. Dagegen muß das Gesey eine Garantie schaffen durch die Festlegung der Organisation. Alle unsere Organisationen sind geseßlih festgeleat. Weshalb will man der Marine, welche die geseßlihe Organisation am wenigsten entbehren kann, diese verweigern ? Wenn wir aufgefordert werden, uns nah unseren Wählern umzusehen, so kann ih diesen Standpunkt nicht acceptieren. Jeder Abgeordnete soll nach seiner Ueberzeugung abstimmen, und wenn er deshalb sein Mandat verliert. In der Budgetkommission sprach der Abg. Bebel au davon, daß wir für die Flotte und die Armee fo viel Geld ausgeben, während die Kulturaufgaben unerfüllt bleiben. Die Flotte erfüllt eine große Menge von Kulturaufgaben. Die Ver- messungen auf dem Meere, die Verbesserungen der Seekarten fallen der Marine zu, abgesehen davon, daß die Flotte die christlichen Missionen zu shüßen hat; Herr Bebel wird das allerdings nit an- erkennen, denn er sieht ja im Christenthum etwas Kulturwidriges. Wenn Herr von Hertling des Fürsten Bismarck als den Urheber des Kulturkampfes gedaht hat, so will ih niht mit ihm rechten. Als das Zentrum dem Baumeister des Reichs den Glückwunsch zu seinem 80. Geburtstage versagte, fiel das unangenehm auf. Aber dieser felbe Reichstag hat das nationale Werk des Bürgerlichen Geseßbuchs her- gestellt, und er wird einen zweiten Markstein sih seßen, das ist das Leetengeleh, und ih hoffe, daß das Zentrum bei solchen nationalen

ufgaben in Zukunft niemals versagen wird.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Herr Bebel hat am wenigsten das Recht, dem Zentrum vorzuwerfen, daß es seinen Standpunkt ver- ändert habe. Ih werde nahweisen, daß das nicht der Fall ist. Wenn Herr Bachem und andere Mitglieder des Zentrums sich früher gegen die Marineforderungen erklärt haben, so lag das daran, daß fie auf ufer- lofen Plänen beruhten, und es handelte si dabei um die Frage, ob Panzer oder Kreuzer gebaut werden sollten. Es ließ sih in den Vorjahren niht abschen, wie si die Einnahmen des Reichs gestalten würden. Diese Einnahmen überschauen wir jeßt, und wir sind jeßt sicher, daß die Mittel zur Durhführung des Gesetzes vorhanden fein werden. Es ift unrichtig, daß Windthorst sich prinzipiell gegen eine Bewilli- gung auf mehrere Jahre ausgesprochen hätte. Ich erinnere an eine Nede von Windthorst aus dem Jahre 1867, in der dieser durhaus nicht das Etatsrecht, sondern die Verfassung gegenüber einem Staats- streich seitens der Regierung als das Palladium bezeihnet hat. Windt- horst hat sich auch gegen eine Bewilligung auf längere Zeit nicht ablehnend verhalten. Er hat ein dauerndes Abkommen als zu- lässig bezeichnet, falls es ein zweiseitiges sei. Die Angriffe des Herrn Bebel sind sämmtlich verfehlt. Von Flottenenthusiasmus wiffen ih meine Freunde frei; aber wir sind ux8 alle bewußt, daß eine {were Verantwortung auf uns ruht, daß wir vor einer dira necessitas f\tehen. Unsere politishe Stellung, so ist ge- sagt worden, könne cine andere sein. Das kann ih nur in einem be- \hränkten Umfange zugestehen. Nicht richtig ist, daß unsere Partei jemals eine feindselige Stellung zum Deutschen Reiche eingenommen hat. Der Kulturkampf existiert in seiner vollen Schärfe; denn das Jesuitengeseß bestebt noch; und im preußischen Abgeordnetenhause berrs{cht er noch viel s{chärfer; denn es bestehen dort noch viel mehr Ausnahmebestimmungen gegen uns. Aber troßdem wird das Zentrum dem gerecht werden, was im Interesse des Vaterlandes liegt. Man hat gel prochen von der Erdbalipolitik 2c. Vom Stand- punkte des Handels aus hat die Erdballpolitik ihre Berechtigung. Der Handel zur See muß uns die Produkte zuführen und unsere Fabrikate ausführen, aber das hat mit der Flottenvorlage nihts zu thun. Diese Vorlage bezweckt, den Bestand, den wir an Schiffen haben, der zur Zeit ein niht ausreihendes Instrument ist, auszubilden, daß er wirksamer scin kann. Es ift tehnisch dargethan, daß nur eine gewisse Zahl von Schiffen den Kampf bestehen kann. Auch das Moment dürfen wir nicht untershäßen: das Bewußtsein, daß eine starke Flotte hinter uns steht, kräftigt unfere Stellung und die Stellung der Deutschen im Auslande. Landwirthschaft und Industrie haben an dieser Vorlage ein Interesse, die Landwirthschast wegen des Exports von Zucker und Butter und auch von Getreide. Und in weldzem Moße i|ff nihcht die Land- wirthschaft an der Kaufkraft der Judustrie interessiert! Das kleine Holland hat mit seiner Flotte seine bedeutenden Kolonien {ih erobert und erhalten. Die Känipfe der Flotten werden nicht auf der hohen Ste geführt, sondern in der Nähe der Küste. Die Ent- scheidung der wirthschaftlihen Kämpfe zwishen Noro- und Süd- Amerika lag auf der See; weil die Nordstaaten die südstaatlichen Häfen blockierten. Die Geschihte Deutshlands und Europas spricht dafür, daß die Völker auf eine starke Flotte angewiesen sind. Der Anlaß zur Zertrümmerung Polens war gegeben, als Polen den An- {luß an die See verlor. Wind1hcrs war ein Gegner der Kolonial- politik; aber als die Kolonien erworben waren, hat er niemals ge- leugnet, daß dadur die Aufgaben der Marine vermehrt sind; und wir folgen der Politik Windthorst's, wenn wir die Kolonien süßen.

Darauf wird die Diskussion geschlossen.

Nach einem Schlußwort des Berichterstatters Abg. Dr. Lieber (Zentr.) wird zur namentlichen Abstimmung ge- schritten, welhe die Annalinie des S 1 mit 212 gegen 139 Stimmen ergiebt. ]

Nach 5 Uhr wird die weitere Berathung bis Sonnabend

11 Uhr vertagt (außerdem Marine-Etat).

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 6. Sißung vom 24. März 1898. Ueber den Beginn der Sißung is in der gestrigén Nummer d. Bl. berichtet worden. ; Auf der Tagesordnung steht die Petitionen. : Stadt-Direktor Tramm in Hannover petitioniert namens des Vorstandes des Hannoverschen Städtevereins um Aufhebung der 88 64 und 65 des preußischen Ausführungsgeseßes vom

Berathung von

24. April 1878 zum deutshen Gerichtsverfassungsgeseß behufs Beseitigung der Verpflichtung der Vorsteher von Gemeindeverwaltungen zur Uebernahme der Amtsanwaltschaft. |

An Stelle des erkrankten Berichterstatters der Kommission für M Ta G Herrn von Schöning empfiehlt Professor Dr. Dambach den Kommissiongantrag, über die

‘Petition zur Tagesordnung überzugehen.

Ober-Bürgermeister Struckmann (Hildesheim) beantragt,

«die Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Es

handle sich hier um die Uebertragung von Geschäften, welche mit der Gemeindeverwaltung an si nihts zu thun haben. Der Amtétanwalt übe nicht die Funktionen eines Gemeindebeamten, sondern Funktionen aus, welche mit dem Gerihtsverfassung8geseße in Verbindung stehen, Funktionen der Staaisanwaltschaît, Vor allem sei es aber nit ge- rechtfertigt, die Gemeinden, in denen man die Amtsanwaltschaft den Bürgermeistern übertrage, H auszusuchen und andere Gemeinden damit zu vershonen. Mit der Uebertragung der Polizei auf die Ges meinden würde er einverstanden sein; hier handle es sih aber um ein Orean der Strafgewalt, ein juristishes Organ. Nach dem Gese könnten au die Ober-Bürgermeister von Berlin, Kölu 2c. angehalten werden, Amtsanwalt zu werden; einen solhen Zustand habe man im Gese nicht zum Auddruck bringen wollen, und deshalb set es unangemessen, daß diese Verpflichtung überhaupt im Gese steht. Die Justizverwaltung glaube ohne diese Geseßeébestimmung nicht aus- kommen zu können, aber es handele sich dcch nur um Städte, in denen Amtsgerichte sind, also zumeist Kreisftädte, und da fehle es niht an anderen geeigneten Personen. Offiziere a. D. würden dieses Amt gern übernehmen, wenn sie nur eine einigermaßen angemessene Vergütung dafür bekämen; aber taran liege es gerade, der Staat wolle diese Last auf die Gemeinden abwälzen. Die staatliche Re- muneration sei viel zu gering, auf den Termin kämen etwa 75 S. Der Bürgermeister komme durch dieses Amt vielfach in eine shiefe Stellung zu seinen Gemeindeeinwohnern ; es sei keine angenehme Aufs gabe für ihn, gegen diese in öffentliher Gerihtssfißung als Ankläger aufzutreten. Durch die beliebige Auswahl der Gemeinden, in welchen man von dieser Gesezesbestimmung Gebrau mache, würden die Ge- meinden ganz verschieden belaftet.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Wenngleih der Herr Ober - Bürgermeister Struckmann an den Berathungen Ihrer Kommission niht theil- genommen hat, so glaube ich dcech annehmen zu dürfen, daß die heute von ihm geltend gemahten Gesichtspunkte fich den Erwägungen der Kommission nicht entzogen haben. Keiner dieser Gesichtspunkte war neu, die ganze Frage is ja nicht neu, sie hat wiederholt in diesem wie in dem anderen Hause einex Gegenstand der Erörterung gebildet. Ih glaube mich deshalb der Hoffnung hin- geben zu dürfen, daß die Argumente, die Herr Struckmann angeführt hat, das hohe Haus nicht bestimmen werden, einen anderen Stand- punkt zur Sache einzunehmen, wie ihn Ihre Kommission in ihrem einstimmigen Beschlusse bereits angenommen hat. Jch darf dazu be- merken, daß bezüglih der Frage, ob die Vorschrift, nah welcher die Gemeindevorsteher verpflichtet sind, die Funktionen des Amtsanwalts am Siy ihres Amtégerihts zu übernehmen, \sich zur Aufhebung empfehle oder nit, eine volle Uebereinstimmung besteht zwischen dem Herrn Minister des Innern und mir. Der Herr Minister des Innern, der ja dazu berufen is, auch die Interessen der Gemeinden wahr- zunehmen, theilt die Auffassung der Justizverwaltung, daß auf die Befugniß, die der Justizverwaltung durch das Einführungsgeseß zum Gerichtsverfassungsgeseß im Interesse des Staats und der Nechts- pflege gegeben ist, niht verzichtet werden könne. Die Sache liegt fo, daß für die Justizverwaltung sh die allergrößten Verlegenheiten ergeben würden, wenn diese Bestimmung aufgehoben würde. Denn in der Mehrzahl der Fälle wird der Amttanwalt, dessen die Justiz zur Vertretung der Staatsanwaltschaft bei den Schöffengerichten bedarf, niht eine volle Beschäftigung haben, sondern die Amtsanwalt- {haft wird nur im Nebenamt wahrgeaommen werden können, sie wird nur einen Theil der Arbeitskraft eines Beamten ausfüllen, und deshalb wind es in zahlreichen Fällen unmöglih sein, einen anderen Beamten dafür zu finden als einen folchen, der sie im Nebenamt wahrnimmt.

Nun hat Herr Struckmann ausgeführt, daß die Bestimmung deshalb der Gerechtigkeit und Billigkeit widersprewe, weil einmal ein Zu- fammenhang zwishen den Geschäften der Staat8anwaltschaft, die der Strafrechtspflege angehören, und den Aufgaben der Gemeinden nicht vorhanden fei, und zweitens, weil eine Ungleichheit in der Belastung der Gemeinden bestehe. Was den erften Gesichtépunkt anlangt, so ist zuzugeben, daß die Geschäfte der Staais8anwaltschast nicht unmittelbar in das Gebiet der Gemeindeverwaltung bineins{hlagen; sie sind in gewissem Sinne etwas der Gemeindeverwaltung Fernliegendes. Aber trotzdem glaube ih sagen zu dürfen, es besteht doch ein Zusammenhang zwischen den Interessen der Gemeinden einerscits und dieser staatlichen Funktion andererseits. Wenn allgemein der Gemeinde-Vorsteher die Polizei wahrzunehmen hat, so handelt es sih dabei nit kloß um die Wohl- fahrts- und Gesundheitépolizei, sondern auch um die Sicherheitsvolizei, und dem if dcch nahe verwandt die Vertretung der Sicherheitspolizei durch die Amtsanwaltschaft bei den gerihtlihen Verhandlungen. Eine gewisse Ungleichheit kann darin gefunden werden, daß nicht alle Ge- meinden dur diese geseßlihe Verpflichtung gleihmäßig belastet werden, vielmehr zunächst nur diejenigen Gemeinden, an deren Siß sih Amt gerichte befinden, und da sind wieder ausgenommen die Gemeinden, wo die Verwaltung der Ortépolizei in der Hand des Staats liegt. Fch darf hier gleih einshieben, daß der leßtere Gesichtspunkt von Herrn Struckmann doch übersehen worden ist, wenn er gemeint hat, die Justizverwaltung sei in der Lage, auch die Dber-Bürgermeister von Berlin, Breslau, Köln u. st. w. heranzuziehen. Das wäre nicht mögli, weil in allen diesen Orten eine staatliche Polizeiverwaltung besteht, also diese Herren einex derartigen Heranziehung unter Be- rufung auf das Geseh si entziehen würden. Diese zwischengeshobene Bemerkung führt mi dazu, hervorzuheben, daß auch auf anderen Gebieten Uvglei(mäßigkeiten bestehen, die in der Natur der Sache ihren Grund haben. Diejenigen Städte, in welhen die Polizei in den Händen des Staats liegt, sind finanziell bevorzugt vor anderen Gemeinden, die ih dieses Vorzugs wenn ih ihn fo nennen darf nicht erfreuen. Solche Dinge liegen in der Natur der Sache. Eine vollständige Gleihmäßigkeit, eine vollständige Nivellierung aller dieser Dinge läßt sich niht durchführen. Die Belastung, die aber diejenigen Gemeinden, auf welche das Gesey Anwendung findet, trifft, ist deshalb eine weniger erheblihe, weil die Kosten der Belastung vom Staat getragen werden. Die Kosten der Amtsanwaltschaft legt das Geseh ausdrücklich dem Staat auf, und das Bestreben der Justizverwaltung geht dahin, daß die Entschädigungen, die den Amtsanwalten gewährt werden, überall in richtigem Verhältniß stehen zu ihren Leistungen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage „un Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 25. März

1899S.

A

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Gs bestehen dafür gewisse Verwaltungsgrundsäge.

nehmung dieser Geshäfte durchschnittlich zu verwenden i}, zugrunde gelegt. Danach werden gewisse Normalsäße den Amtsanwalten ge- währt, von denen im allgemeinen nicht gesagt werden kann, daß sie unzureihend sind, die vielmehr durchgehends billigen Ansprüchen ent- \spre@en. Die Amtsanwalte, von denen Herr Struckmann gesprochen hat, würden, glaube ih, niht in der Lage sein, das Gegentheil dar- zuthun. Es ift hingewiesen auf den Amtsantwalt der Stadt Soltau,

der allerdings nur eine Remuneration von 360 4 bekommt; bezüglich |

dieses Amtsanwalts ist aber festgestellt aus den Geschäftsübersichten, daß seine durchschnittliche Thätigkeit nux 180 Stunden im . Jahre umfaßt, alfo täglich eine halbe Stunde, sagen kann, daß die Vergütung hinter dem Maße seiner Thätigkeit zurükbleibt. Das Beispiel von Harburg würde freilich zu einer

anderen Beurtheilung der Sache führen können, wenn die da vorge-

brahten Zahlen in der That als richtig verbürgt wären; von seiten dex Justizverwaltung muß aber die Richtigkeit dieser Zahlen auf das allerernsteste in Zweifel gezogen werden. Der Amtsanwalt in Harburg em- pfängt eine Remuneration von 2400 (4; das ift etwas mehr als die Hälfte der normalen Remuneration für einen vollbeschäftigten Amtsanwalt; der Festseßung dieser Remuneration muß nothwendigerweise die Feststellung zu Grunde gelegen haben, daß die Geschäfte dieses Amtsanwalts auch nur etwa die Hälfte eines vollen Arbeitépensums darstellen. die \städtische Verwaltung in Harburg dazu kommt: für diese Geschäfte 5 Beamte mit vollem Gehalt zu verwenden, einen Polizei-Kommissar, einen Sekretär, 3 Bureaubeamte, ist für mich absolut -unverständlich,

n Wie nun

und so lange nicht die Nichtigkeit dieser Zahlen von den Herren näher Wenn sie auf dem Hannoverschen | Stäbdtetage nicht bestritten worden find, so wird das seine Erklärung |

dargelegt ist, muß ih sie bestreiten.

darin finden, daß niemand da war, der mit den Verhältnissen in Harburg genauer bekannt war. Den Hauptgrund gegen die Annahme

des Kommissionsantrags sicht Herr Ober-Bürgermeister Struckmann | in dem Umstande, daß aus der Doppelstelung der Gemeindevorstände |

und Amisanwaîte Kollisionen entstehen köanten, wel@e die Stellung 4+

der Bürgermeister gegenüber den Gemeindeangehörigen zu beeinträh- |

tigen geeignet seien. Sehr erheblih, meine Herren, {eint mir au dies Bedenken nicht zu sein.

Brandenburgischen Städtetages, der sich gleihfalls mit der Frage be- schäftigt hat, daß diese Auffassung keineêwegs allgemein getheilt wird und daß vielmehr von den betheiligten Bürgermeistern eine niht nur

Bürgermeisters könne nur gehoben werden, wenn er zuglei die Funktioren des Amtsanwalts in der Gemeinde wahrnimmt. Jch er- innere mih aus dem Bericht über den Brandenburgisen Städtetag, daß speziel von einigen Herren legten auch deshalb großes Gewicht darauf, die Geschäfte des Amts- anwalts beizubehalten, weil ihnen dadurch die legenheit gegeben wäre, ihre Exekutivbeamten zu

L o vot 0 hervorgehoben

den Gerichtsfizungen ihm das beste Urtheil über

entzögen. bindung der Amtsanwaltschaft mit der Bürgermeisterstelle aufreck@t erbalten bleibt, und ich glaube, meine Herren, es wird JIhnen wohl

um Bewerber abzuschrecken, fondern gerade, um die Zahl der Béiverbép zu vermehren. Also, meine Herren, ih glaube, daß durschlagende Gründe, an dem bestehenden Rehtszustande zu rütteln, nit angebracht sind und daß deéhalb das hohe Haus keinen Anlaß haben wird, den Antrag des Herrn Struckmann sich anzueignen. Historish ist die Sache ja hervorgegangen aus der Thätigkeit, die auh die alten Städteordnungen den Gemeindebeamten auferlegten, wonach die Funktion des Polizeianwalts gleihfalls und zwar unenrtgeltliß von den Vor- stehern der {tädtishen Verwaltung wahrzunehmen war. Diese Ver- pflihtung besteht jeßt nit nur für \tädtishe, sondern auch für länd- lihe Gemeinden, für die aber die Sache eine erheblihe Bedeutung niht hat, da verhältnißmäßig wenig ländlihe Gemeinden Sitze von Amtsgerichten sind. Sie ist wesentlih erleihtert durch die Uebernahme der Kosten auf den Staat. Erheblicze Klagen, die sich aus dieser Verbindung ergeben hätten, sind an die Justizverwaltung nur in ver- einzelten Fällen herangetreten. Die Frage, ob die Remuneration überall eine ausreihende sei, kann ja allerdings einer verschiedenen Beurtheilung unterliegen. Es mag sein, daß nicht überall die Ver- gütung angemessen und ausreichend ist. In dieser Beziehung chweben gegenwärtig Ermittelungen, und es besteht die Absicht, eine Erhöhung dieser Remunerationen überall da, wo das Bedürfniß ch ergiebt, ein- treten zu lassen. Jch glaube, daß damit der einzig innerlih gerecht- fertigte Grund der Anfechtung der bestehenden Einrichtungen in Weg- fall kommen wird. (Bravo!)

Präsident des Kammergerihts Drenkmann würde es für eine Vershwendung halten, wenn der Staat überall Amtsanwalte im auptamt mit vollem Gehait anstellen wollte. Es könne si höchstens

bunden scin werde; und zwar ift das hinzugefügt worden niht etwa

„Um eine Erhöhung der Remuneration handeln, aber’ die Auslagen der

Bürgermeister für die Geschäfte eines Amtsanwalts seien sehr gering. r empfehle deshalb den Kommissionsantrag.

Nachdem Berichterstatter Professor Dr. Dambach noch-

mals für den Kommissionsantrag eingetreten ist, wird derselbe

angenommen, während der Antrag Struckmann nicht einmal

genügend unterstüßt wird. Fabrikant A. Meyersick in Hannover und Genossen petitionieren

bänderung der Bestimmungen der hannovershenStädte- | gefeßen müßten die Forderungen an die Kreise und Provinzen genau

gpnhng bom 24, Juni 1858 über das Bürgerreht, die Amtsdauer deri en Wahlmodus der Magistratsmitglieder, die Zahl der Bürger- eher, und die Oeffentlichkeit der Sitzungen. Derichterstatter der Kommission für kommunale Angelegenheiten,

sodaß man wohl kaum |

Ober: Bürgermeister Becker (Köln) beantragt Uebergang zur Tages-

| ordnung, und das Has beschließt ohne Debatte demgemäß. | ( Es wicd nah | Maßgabe der Geschäftsübersichten der Zeitumfang, der auf die Wahr- |

Cine Petition um den Bau einer Eisenbahn von Mehlsack nah Heilsberg wird der Regierung als Material überwiesen. _ Eine Petition um den Bau einer Eisenbahn von Kulmsee über Rehden nah Melno beantragt die Eisenbahnkommission, der Regierung zur Erwägung zu überweisen.

Wirklicher Geheimer Ober - Regierungs - Nath Möllhausen

| theilt mit, daß inzwishez der Bau etner Kleinbahn für diese Strecke

beschlossen und der Konzessionsauntrag eingegangen sei. Es werde also die Ueberweisung als Material genügen.

Der Kommwmissionsantrag wird angenommen. : Geheimer Regierungs-Rath Koenig in Berlin petitioniert namens des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie um Bereitstellung von ver- mehrten Staatsmitteln zur Abstellung des Mangels an Güterwagen zum Eisenbahntranéport. __ An Stelle des erkrankten Berichterstatters der Eisenbahn- lommission Grafen von Welciek beantragt Oder - Bürgermeister Braefidcke (Bromberg), die Petition der Reaierung als Material zu überweisen und die vom Ministerium der öffentlihen Arbeiten der Kommission mitgetheilten Notizen über die Wagengestellung auf den Staatsvahnen im Herbst 1897 dur Kenntnißnahme für erledigt zu erachten. Der Berichterstatter führt aus, daß in dieser Angelegenheit die Eisenbahnverwaltung seit Jahren Uaterlassungssünden begangen habe und die Kommission sie daher ausfordere, mit aller Energie die Erfahrungen auf diesem Gebiete sih zu nugte zu machen. Für billigere Sommertarife habe ih die Kommission niht ausgesprochen. __ Wirklicher Geheimer Ober - Reaterungs -Rath Möllhausen giebt zu, daß im leßten Herbst der Wagenmangel größer gewesen sei als je vorher, ents{uldizt aber die Verwaltung damit, daß ein so

! plôßlicher und starker Aufshwung des Verkehrs niht vorherzusehen

gewe]en fei. Die Eisenbahnyerwaltung habe \tets mit den Neu- bestellungen von Wagen fortgefahren, sie könne aber keine unrentablen Anschaffungen machen. Wenn erst die Bahnanlagen weiter ausgebaut seien woürden in größerem Umfange direkte Züge für große Ent-

Jedenfalls ergiebt sich aus den Ver- | handlungen sowohl des Hannovershen Städtetages, wie auh des |

worden ist, sie |

allerbeste Ge- | Tontrolieren, weil gerade die Theilnahme des Bürgermeisters als Amtsanwalt bei | die Tüchtigkeit und | Thâtizkeit seiner Erekutivbeamten gäbe, die ih fonst seiner Kontrole | Sehr viele Gemeinden legen Werth darauf, daß die Ver- | elektrishen Beleuchtung gestaltet hat. | dem Bericht, der mir von unserm tehnischen Attahé in Washington Vi Wdsbeziting uon B Mtgerin eier: AUGE At AleA fün VOE | erstattet ist, gehen die amerikanishen Bahnen in großer Mehrzahl vielfah darauf hingewiesen wird, daß mit der Stelle au die Funktion | des Amtsanwalts und damit eine entsprechende Nemuneration ver- |

| erheblih verbessern kann.

fernungen gebildet, und durch Verkürzung der Züge werde eine schnellere Fahrt erzielt werden können, alfo ein shnellerer Umlauf der Wagen stattfinden.

Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrag.

Veber die Petition des Eisenbahnschaffners Geier zu Fcankfurt

| a. M. um Gleichstellung der Eisenbahnschaffner im Gehalt mit

den Posischaffnern und um definitive Anstellung geht das Haus ohne Dekatte zur Tagesordnung über.

: Schluß nach 41/5 Uhr. Nächste Sizung Sonnabend 1 Uhr. (Petitionen, Hochwasservorlage.)

Haus der Abgeordneten. 55. Sißung vom 24. März 1898. Die zweite Berathung des Etats der Eisenbahn-

| verwaltung wird bei den dauernden Ausgaben fort- i y | ge]egt.

erheblihe Zahl der Ansiht war, das Anschen und die Autorität des ! | worden.

Ueber den ersten Theil der Debatte ist {hon berichtet

__ Für Unterhaltung und Ergänzung der Jnventarien, sowie für Beschaffung der Betriebsmaterialien sind 70 256 000 M gefordert.

: Abg. Wallbret (nl.) beklagt die Mängel der H:izuag und Beleuchtung in den D-Zügen und weist darauf hin, daß die elektrische Beleuchtung in Amerika gut funktioniere.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Ich möchte mir die Bemerkung gestatten, daß seit dem Jahre 1893, in welhem der Abg. Wallbreht ansheinend zum leßten Male Amerika besucht hat, die Sahe sh wesentlich zu Ungunsten der (Hört, hört! rechts.) Nach

dazu über, die elektrische Beleuhtung wieder abzuschaffen und die Pints- Beleuchtung einzuführen. Die Einführung der elektrishen Beleuhßtung würde für unfere

| Staatsbahnen einen Aufwand von über 25 Millionen Mark erfordern.

(Hört, hört! rechts.) Dazu geht man niht so ohne weiteres über, wenn man auf einem billigeren Wege die Beleuhtung einstweilen Die elektrishe Beleuhtung hat nur dann Aussicht, in den Eisenbahnwagen allgemein eingeführt zu werden, erstens, wenn überhaupt die Elektrizität als Motor eingeführt ist es wurde dies vorhin {on bemerkt —, zweitens aber au, wenn es gelingt, Accumulatoren zu schaffen, die erheblih billiger sind und die eine längere Entladezeit und eine kürzere Ladezeit haben, wie das gegenwärtig der Fall ift.

Inzwischen behelfen wir uns mit anderen Verbesserungsweisen, beispielsweise mit der Acetylengasbeleuhtung. An und für sich ist es ganz gleih, welches Material die Quelle für die Be- leuhtung bietet, ob Petroleum oder Spiritus oder Acetylengas, wenn nur die Beleuchtung eine folhe ist, daß sie den gerehten An- sprüchen der Reisenden entspriht. Jh gebe zu und habe das neulich {hon in der Kommission des Reichstages gesagt, möchte es hier aber nochmals wiederholen —, daß die jetzige Beleuhtung einestheils zu hell, anderntheils zu dunkel ist: zu hell, um nicht in Versuchung zu gerathen, zu lesen, und zu dunkel, um bequem und ohne Schaden für die Augen lesen zu können. Das geht allerdings auf die Dauer niht. Infolge dessen sind wir bemüht, die Beleuchtung zu verbessern, und ih hoffe, daß das auf dem Wege, den wir jeßt eingeschlagen haben, ohne große Kapitalaufwendungen erreiht werden wird bis zu dem Zeitpunkt, wo wir die elektrische Beleuchtung einführen werden. Diese hat ja in manchen Beziehungen vor der Beleuchtung mit Gasen grundsäßlihße Vorzüge, auf der anderen Seite aber auch wieder erheblihe Nachtheile für den Betrieb, Nachtheile, die so auf der Hand liegen, daß ih sie hier niht weiter auseinanderzusetz en brauche.

Abg. Hobrecht (nl.) erinnert an den Unfall auf dem Brieger Bahnhof und an die Verhandlungen des Ministers mit der Stadt über die Beseitigung des Niveauübergangs in Brieg. Es liege im aligemeinen Interesse, verbesserte Einrichtungen zur Durchführung zu bringen. In diesem Falle |cheine das Scheitern der Verhandlung en

mit Brieg auf den Kostenpunkt zurückzuführen zu sein; um fo nothwen- diger sei die Errichtung einer Aufsihtsinstanz. Jn den Sekundärbah n-

präzisiert werden. Bis zu einem gewissen Theil sei dieser Forderung in dem neuen Sekundärbahngesey {hon Rechnung getragen worden.

! Schwieriger sei aber die Sache bei den Niveauübergängen; hier müsse |

| nun also z. B. von dem Arbeits-Minister beim

der Staat dur ein unparteiishes, unabhängiges Organ helfend ein- treien, um die Streitigkeiten der einzelnen Interessenten zu {chlichten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. Hobrecht be- zogen sich zunächst auf den Umbau des Bahnhofs Brieg. Das erfte Projekt, welches die Eisenbahnverwaltung für den Umbau dieses Bahnhofs aufgestellt hatte, verlangte von der Stadt keinerlei Koften. Das Projekt rourde der Stadt Brieg vorgelegt; diese erklärte sich aber nit mit ihm einverstanden, verlangte vielmehr Berücksichtigung verschiedener Momente, die für sie angeblih von großem Werth seien, obwohl das erste Projekt aufgestellt war, nahdem die Stadt Brieg vorher über ihre Wünsche gehört worden war und diese kundgegeben hatte, und obwohl das erste Projekt au diesen Wünschen entsprochen hatte. Troydem die Anschauungen wechseln ja, es kommen Ma- gistrat und Stadtverordnete in Betracht wurde das erste Projekt verworfen und der Wunsch nah einem neuen Projekt ausgesprochen, Diesem Wunsch ist entsprohen worden. Das ift nun zehnmal so ge- gangen, und jedesmal hat die Stadt Brieg etwas gegen das Projekt einzuwenden gehabt. Dann haben wir gesagt: Nun gut, wir wollen Euren Wünschen entsprechen, aber dann müßt Jhr Euch au an den Mehrkoften betheiligen. Die Antwort war wieder: nein! Aber nicht nur das, die verschiedenen Anlieger traten mit so übertriebenen Forde- rungen für den Grunderwerb auf, taß das Geld, welhes wir im Extraordinarium des Etats vom Landtage bewilligt bekommen hatten, nit ausreihte. Wir mußten also wiederum ein neues Projekt auf- stellen. Nun hâtte ih ja von meiner geseßlihen Befugniß Gebrauch machen und sagen können: fo wird's ausgeführt! Das habe ih aber aus Rücksicht auf die Stadt Brieg bis jet nicht gethan, weil ih immer noch der Meinung bin, daß wir uns mit der Stadt Brieg verständigen werden, und ih habe nur im Herrenhause als ultima ratio hingestellt, daß uns schließlich nichts übrig bliebe, um unsere Interessen und die Interessen der Stadt Brieg thunlih\st mit einander zu vereinigen, als eine theilweise oder völlige Verlegung des Bahnhofs vorzunehmen, namentlich und in erster Linie den Güterbahnhof etwas weiter von der Stadt ab zu schieben; damit würde den Haupt-

| beschwerden Rechnung getragen sein

Gegenwärtig wird nun unter der Leitung des Herrn Regierungs- Präsidenten und unter Mitwirkung der sonstigen Behörden nohmals der Versuch gemacht, eine Einigung in dieser Beziehung herbeizuführen.

| Jch hoffe au, daß dies gelingen wird, und daß ih nit genöthigt

werde, von der mir geseßlih zustehenden Befugniß Gebrau zu machen und zwangsweise ein Projekt festzusteklen.

Meine Herren, der Wunsch des Herrn Abg. Hobreht geht nun dahin, daß generell Mittel ‘und Wege gesucht werden möchten, die in derartigen Fällen eine Entscheidung dur eine neutrale Instanz herbei- führen. Jch gebe ihm vollständig Recht, daß das für die Eisenbahn- verwaltung in mancher Beziehung erwünscht sei. Aber, wie mir scheint, sprehen doch s{chwere Bedenken anderer Art dagegen. Es würde damit eine Art von Etxpropriation herbeigeführt werden, denn es müßte ein derartiger Spruch doch mit Exekutions- befugniß ausgestattet werden sonst kann es nichts nüßen. Wenn Ausbau einer neuen Linte die Forderung aufgestellt wird, daß an dem Grunderwerb und den Kosten für diese neue Linie sih zu betheiligen hätten der Kreis X., die Stadt Y. und die Stadt Z, ferner die drei Fabrikbesitzer, die an der betreffenden Trace betheiligt sind, und daß nah seiner Auffassung der Kreis so und so viel, die Städte so und so viel und

| die Privatinteressenten so und so viel beizutragen baben würden, so würde doch

dieser Antrag der neuen Spruchbehörde über- antwortet werden müssen, und diese hätte dann festzustellen, ob das richtig ist, oder ob die Betheiligung der drei verschiedenen Gruppen in einer anderen Art oder in anderen Grenzen gehalten werden soll. Meine Herren, das ist eine neue Form von Expropriation, und zwar von der aller- \härfsten und einshneidendsten Wirkung, die doch wohl überlegt werden muß. Es kann ja diese Frage auch mit ventiliert werden bei den Berathungen über den Erlaß eines neuen Enteignungsgesetzes ; aber so ganz unbedenklich, wie der Herr Abg. Hobrecht es hingestellt hat, ift das meines Erachtens do niht. Es ift ein tiefer Einschnitt in die private Rechts\phäre der Körperschaften nit bloß, sondern au der Privaten ; und wenn der Herr Abg. Hobrecht gemeint hat, es würde daraus eine wesentlihe Vereinfahung det Geschäfte für die Eisenbahnverwaltung sich ergeben, so is das ein JIrr- thum. Jh habe wir neulich die Bemerkung zu machen gestattet, daß damit jedenfalls eine sehr erheblihe Mehrarbeit an Shreiberei entstehen wird, und ih halte daran auch heute noch feft. Aber, wie gesagt, das ist eine Frage, die ja bei Gelegenheit des Er- lasses eines neuen Exproprationsgesezes mit geprüft werden kann.

Im übrigen _hat der Herr Abg. Hobrecht {hon hervorgehoben, daß wir theilweise in der neuesten Sekundärbahn-Vorlage den hier geäußerten Wünschen entsprohen haben und in dem Falle, daß die betreffenden Interessenten sich nicht einigen können, der Arbeits-Minister gewissermaßen das Schiedêrichteramt übernimmt.

Abg. Feli ch (konf.) spricht seine Verwunderung darüber aus, daß mit den sog. Stoßfangschienen nicht umfangreihere Versuche gemaht worden seien, die nach dem Urtheil der Sachverständigen große Vorzüge vor den bisherigen Scienenverbindungen abei sollen. Wie weit seien die Versuhe mit den automatishen Kuppe- lungen gediehen ?

Ministerial-Direktor Schroeder: Tagtäglih werden Erfindungen gemacht, um diesen gefährlichen Dienst zu vereinfahen. Alle Versuche find bis jeßt als unpraktisch gescheitert. Der Verein deutsher Eisen- bahnverwaltungen hat zu diesem Zweck eine Kommission niedergeseßt, um die Sache weiter zu verfolgen. Die Stoßfangschiene ist nur eine Fortsetzung früherer Versuche, die in kurzer Zeit die Unbrauchbarkeit erwiesen. Wir haben mit der jeßigen Stoßfangschiene sehr umfang- reihe Versuche gemacht, bei der hiesigen Ringbahn und an anderen Stellen. Bei der ersteren Bahn fielen die Versuhe nicht ganz un- günstig, bei den anderen aber so ungünstig aus, daß die Schienen ausgewechselt werden mußten. Diese Schienen find auch aht Mark theurer als die anderen, und das mahnt zur Vorsicht.

Abg. Dr. Stephan - Beuthen (Zentr.) bittet, die Versuche prak- tish fortzuseßen, da die Erfindung inzwischen verbessert und auch in. anderen Ländern eingeführt worden fei.