1898 / 77 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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aben fie aber nirgends finden können; doch wie die Seeshlange wird è immer wieder gegen uns hervorgeholt. Pole bleibe ich mein Leben ‘lang, kein Gesey kann meine polnishe Nationalität todtmachen. Wenn Sie aber dur folhe Geseße die Polea entfremden, ift es kein Wunder, daß sie ihren Stüßpunkt anderwärts suchen. Eine fo polnifhe Agitation existiert bei uns niht und würde auch keinen oden finden. Im Abgeordnetenhause hat Herr von Tiedemann eine Belohnung ausfeßen wollen für jeden Fall, in welchem ein Pole bei einem Deutschen kaufe. Würde er beim Wort genommen, so könnte er bald den Manifestationseid leisten; denn der geshäftlihe Boykott eristiert niht. Die polnischen Tafeln mit der Aufschrift : „Kauft nur bei den Eurigen“ richten sih nit gegen die Deutschen, ondern gegen die jüdishen Schleudergeshäfte. Ebenso unbegründet st die Behauptung von dem gesellshaftlihen Boykott seitens der olen; im Gegentheil, die Polen werden gesell shaftlich von den Deutschen oykottiert. Die Abschließung der Polen in Vereinen ist allerdings eine bedauerlihe Thatsache, es wäre namentli wünschenswerth, wenn die polnischen und deutshen Landwirthe zusammen arbeiteten. Aber diese Abschließung ist leider dur die Verhältnisse erklärlich und ge- boten. Der H. K. T.-Verein bat den Fanatismus geschürt. Jn diesem Verein sind keine Leute, auf welche die Deutschen stolz sein Tönnten; keine verdienten und großen Namea sind darin vertreten. Ich habe Sie nun lange genug aufgehalten, Habe aber au seit vier Jahren hier im Hause nicht gesprochen. Die polnishe Bevölkerung ist friedliebend; in der Presse wird allerdings geheßt, auf beiden Seiten, nur mit dem Unterschied, daß der polnische Redakteur bestraft wird, der deutsche nicht. Der Staatssekretär Graf Posadowsky hat estern im Reichstag eine andere Stellung zu uns eingenommen als onst die Vertreter der preußiscen Regierung. Wir mögen die königs- treuesten Männer fein, es heißt doch in Bezug auf uns: der Jude - wird verbrannt. i

Graf Udo zu Stolberg-Wernigerode: Der jetzige scharfe Gegensaß zwischen beiden Nationen kommt daher, daß man den Polen erft Konzessionen gemacht hat, die man ihnen jeßt wieder nehmen muß. Das ift der Fehler gewesen, daß wir die Polen nicht von Anfang an konsequent behandelt haben. Der Vorredner spricht ja nur als Outsider und befindet sih mit der polnischen Fraktion nit in Uebereinstimmung. Fch will auf seine Anekdoten und Scherze nit eingehen Aber wenn die Polen ihre Vereine gründen, können es auch die Deutschen thun. Die Assimilation wird erschwert dur den fortwährenden polnischen Zustrom aus Rußland. Die Landwirthschaft braucht allerdings diese Arbeiter. Aus dieser Zwickmühle kommen wir nur heraus durch die wirthschaftlihe Hebung des Ostens, welche die Deutschen dort festhalten wird. Diese Hebung kann erfolgen dur alles, was sonst der Landwirthschaft nüßt, und durch umfassendere Kolonisation, ferner durch Eisenbahnbauten, Hebung der Löhne 2c. Ohne die wirthschaftlichße Hebung würde dieses Geseß nur ein Tropfen auf einen heißen Stein sein. Möge die jeßige Polenpolitik einmal 30 Jahre lang konsequent festgehalten werden.

Herr von Koscielski fühlt sich durch den Ausdruck „ODutsider“ s{chwer gekränkt; troß mancher politischen Meinungéverschiedenheiten sei erx mit den Herren der polnischen Fraktion eins.

Graf zu Stolberg-Wernigerode erwidert, daß er den Vorredner gewissermaßen als Outsider bezeihnet habe, weil er eine andere Stellung zur Flotte einnehme, als die polnische Fraktion.

Fürst Ferdinand Radziwill: Die Stellung des Herrn von Koëscielski zur Flottenfrage ist bekanntermaßen eine besondere. Graf Hohenthal hat hiftorishe Schniger gemacht, er sollte die Geschichte besser studieren. Die jeßige Vorlage erinnert an das Wort: „Das ist der Fluch der bösen That, daß sie fortzeugend immer Böses muß gebären.“ Justitia fundamentum regnorum, dieser Grundsaß wird hier verleßt. Das Geseß richtet sih gegen die ePolonisierenden Bestrebungen“. Der Staatssekretär von Bülow hat im Reichstage gesagt: „Gedanken sind zollfrei und Gefühle au." Sind die polonisierenden Bestrebungen keine Gefühle, keine Gedanken? Die Regierung is parteiish, sie läßt das nobile officium, Gerechtigkeit zu üben, außer Acht; dieses Gese führt geradezu eine Mauer zwischen den beiden Nationen auf und ruft Er- bitterung hervor. Die Zusagen König Friedrih Wilhelm?s IIL., polnishe Sitte und Sprache zu schonen, sind nicht erfüllt. Gegen die göttli®e Ordnung, daß die beiden Nationen friedlih neben ein- ander wohnen, brauchen Sie nit zu kämpfen. Dem Grafen Badeni sagte nach seiner Amtsniederlegung eine Deputation seiner Lands- leute: es habe der edelste Theil der deutshen Nation auf seiner Seite gestanden. So denken auch wir. Möge einst noch eine rihtigere Auffaffung über die Stellung der beiden Nationen zu einander zur Geltung fommen!

Vize-Präsident des Staats-Minisieriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Der Herr Fürst Radziwill stellt gegenüber diesem Gesetz, das er als ein Geseß zur Verfolgung der Polen und polnischen Bestrebungen bezeihnet, die Frage, ob es denn nicht berehtigt sci, daß die Polen nun ihrerseits ein Gefeß verlangen zur Verhinderung anti- polnischer Bestrebungen. In diesem einfahen Gedankenzusammenhang liegt die vollkommen falshe Auffassung und auch für die Polen be- denkliche Stelle, von der der verehrte Herr ausgeht allerdings muß ich anerkennen, Herr von Koscielski hat die Frage staatsmännischer und weitsihtiger aufgefaßt, feine Stellung viel objektiver genommen Herr Fürst Radziwill vergißt . einfa, daß die Polen nun einmal zu einem deutschen Staate gehören und ih die Lebensbedingungen gefallen lassen müssen, die Lebensnothwendigkeiten für den preußishen Staat find. Es ist ganz etwas Anderes, ein Geseß zum Schutze des Deutsch- thums in einem deutschen Staate zu erlassen, als wenn eine Minder- heit, ein verhältnißmäßig kleiner Theil der Bevölkerung des preußischen Staats, den Gedanken ausspricht, dann seien die Polen ebensogut berechtigt, ein Geseß von diesem Staat zu verlangen gegen antipolnische

Bestrebungen.

Meine Herren, im übrigen dreht die Debatte sich um die Frage: wer ift nun eigentli der s{huldige Theil. Die beiden Herren sagen uns Deutschen und Preußen ganz einfah ins Gesicht: der {uldige Theil seid ihr. Wir Polen haben nie etwas gethan, nie etwas an- gestrebt, was irgendwie dem preußishen Staat {ädlich sein könnte. Ihr habt die Versprehungen eines edlen preußischen Königs, Friedrich Wilhelm's TIL, gebrochen, ihr seid also die Schuldigen.

Der Herr Fürst Radziwill hat angeführt, in dem Einverleibungs- edikt sei den Polen die Aufrehterhaltung ihrer Sprache und Sitte zugesagt. Wer hat denn dur irgend welche Zwangsgesetßze die Auf- rechterhaltung polnisher Sitte bekämpft? Da muß man in andere Linder gehen, die folche Maßnahmen treffen, in dem fo toleranten deutschen Staate Preußen kommt so etwas niht vor. Wer hat ihnen ihre Sprache nicht gelassen? Der Herr Fürst kann über die Grenze gehen, da findet man, wie die polnishe Sprache verboten wird, bei uns nicht! Wenn wir die Polen deutsch lehren, und sie auch dazu wie alle übrigen Deutschen zwingen, deuts. zu lernen, fo is das für die Polen selbst die größte Wohlthat (sehr rihtig!), und ih habe heute zum ersten Mal gehört, daß die Polen selbst nicht begreifen, daß ihr Fortkommen, ihre kulturelle Entwickelung von dieser Zweisprachigkeit abhängt. Die Polen leben nun einmal nit in einem polnishen Staat, fondern in einem deutschen Staat. (Zuruf: Wollen wir auch!) Meine Herren, Sie sprehen immér von Leiden und Klagen. Wer hat Sie denn ge- ¿wungen, nah Oberschlesien zu gehen und dort offensive polnische

o die Absc g BN Inishen Agitation, fährt Redner sort, haben wir eifrigst gesucht,

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Agitation zu machen (sehr rihtig!), während Oberschlesien do nie- mals zum alten Polen gehört hat ? Wer zwingt denn die Polen, die heute nah Westfalen gehen, daß sie ih sofort dort wieder absondern, gewissermaßen einen Staat im Staate bilden wollen, in dem alten deutfchen Lande Westfalen? Sie wollen uns notorishe Dinge ab- streiten, Sie sagen, wir seien falsch unterrichtet, nur von den Beamten aber jeder Deutsche, der aus diesen Provinzen kommt, weiß doch, daß die Polen sich allerdings absondern, daß sie überall Grenzen ziehen zwishen sich und den deutschen Mitbewohnern. Das beruht nicht bloß, wie Herr von Koscielski sagt, auf falschen Nachrichten der Beamten, jeder Deutsche empfindet es niht bloß gesellshaftlih, nicht bloß auf geistigem Gebiete, auch wirthshaftlih sondern Sie sich zu Ihrem eigenen Schaden ab (Zuruf : der Sprache wegen), nit allein der Sprache wegen, Herr Fürst ; denn da, wo Sie gezwungen sind, mit den Deutschen gemeinsam zu arbeiten, auf den Kreistagen und den Provinzial-Landtagen, da hindert die Sprache die gemeinsame Arbeit durchaus nicht. Sie verstehen allerdings die deutshe Sprache hin- reichend, um gemeinsam mit den Deutschen zu wirken.

Nun fragen wir uns, was soll das alles bedeuten, haben etwa diese Absonderungsbestrebungen, diese Versuche gewissermaßen einen eigenen nationalen, fast \taatlih organisierten Körper mitten in den preußischen Landen zu erhalten, ers begonnen seit Erlaß des Gesetzes von 1886? War dieses Gesey niht damals au son eine Folge dieser selben abgeneigten Haltung? (Sehr wahr!) Wir sind in der Abwehr, Sie sind im Angriff! (Sehr richtig !)

Meine Herren, was thun wir denn nun eigentlich so Schlimmes, was die Leiden und Klagen der Polen berechtigt sein lassen könnte? Sind wir denn so gewaltthätig und grausam, hat, wie Se. Dur(h- laut im Reichstag es ausgedrückt haben, die preußische Negierung und die deutshe Bevölkerung den Polen den Krieg erklärt? Meine Herren, ih habe ausdrücklih niht einmal, sondern mehrmals seitens der Staatsregierung es ausgesprochen : wir wollen keinen Krieg gegen die Polen führen, wir wollen die Polen an allen Wohlthaten der Zusammengehörigkeit mit Preußen genau fo theilnehmen lassen wie die Deutschen, wir wollen ihnen unsere Schulen, unsere Unterrichts- anstalten freistellen, wir laden sie ein, an unseren Vereinigungen theil- zunehmen, wir laden sie ein, die großen preußtshen Kulturmittel zu benugen, die Richter sind für sie ebenso gerecht wie für die Deutschen, alle Kultur, alle Hebung des Wohlstandes in diesen Provinzen kommt den Polen genau so zu gute wie den Deutschen, worüber klagen fie?

Sie haben einige hiftorishe Neminitcenzen ausgesprochen. - Nun, dann möchte ih bitten, einmal in kultureller Hinsicht zu \tudieren, in welchem Zustande diese Provinzen an Preußen gekommen sind (sehr gut!), und wie fie heute aussehen. Werfen Sie doch einmal einen Blick nah Westpreußen und selbs nah Posen, wie die Zustände waren, als diese Länder preußisch wurden, welhe kulturellen Wohl- thaten Preußen ihnen hier erwiesen hat. Da wäre es doch wohl ein billiges Verlangen gewesen, wenn die Polen auch ihrerseits das einmal aufrihtig anerkannt hätten (Fürst Ferdinand Radziwill): Erkennen wir an!) ih höre das niemals, dagegen wenn ih die Uebersetzungen und sie find authentisch Jhrer Presse lese, fo finde ih einen Geist, nicht überall der Feindseligkeit und der Hintergedanken, aber wenigstens überall einen Geist der Absonderung und der Abneigung. Ein wirkliches aufrihtiges Bestreben, innerlich \i{ch mit dem preußt- schen Staate und mit der deutshen Bevölkerung zu vershmelzen und zu versöhnen, kann ih nirgends finden. (Sehr richtig!)

Meine Herren! Alle politishen Rechte stehen Ihnen zu, aber Sie benugen fie vielfah nicht in dem Sinne, wie wic es wünschen; Sie haben die Preßfreiheit, die Versammlungsfreiheit, Sie haben alle Freiheiten, die die Deutschen genießen, Sie haben sogar im Vereins- wesen und im Versammlungswoesen eine Art Privilegium vor den Deutschen auf Grund der Entscheidung des Ober-Verwaltungsgerichts, welches uns außerordentli erschwert, diejenige Kontrole zu üben, die wir gegenüber den deutschen Versammlungen zu üben im stande sind. Ich möchte wirkli bitten, daß Herr Fürst Nadziwill erkennt, daß MNeden dieser Art, wie sie heute gehalten sind, das Ziel, welches er ja selbs als das wünschenswerthe bezeihnet: eine Vershmelzung und versöhnlihe Haltung dieser beiden Nationalitäten, zu fördern in keiner Weise geeignet is. (Sehr wahr!)

Ich als Vertreter der preußishen Regierung habe garniht an- gestanden, in der freundlihsten Weise die großen und guten Eigen- schaften der Polen anzuerkennen. Jh habe ihnen erklärt: wir führen gegen euh keinen Kampf, aber ihr werdet uns doch zugestehen, daß wir als deutscher Staat berechtigt sind, gefährdete deutsche Elemente positiv zu unterstüßen auf einem Wege, der den Polen gar keinen Schaden thut. Meine Herren, jeder muß natürlih nach seiner Ueber- zeugung handeln. Wenn wir vor uns haben, daß nicht bloß auf dem Lande, im Kleinbesit, sondern auch in den Städten die Mehrheit, die die Polen nun einmal bilden, immer s\tärker überhand nimmt, und das, was die großen preußischen Könige in dem Osten der Monarchie an Deutschthum gegründet haben, in Gefahr kommt, allmählich immer weiter den Nückgang anzutreten, da müßten die Polen so objektiv fein, dieses Bestreben des preußishen Staates als eine Staatsnothwendigkeit anzuerkennen. Ih möchte wohl wissen, was der große König Friedrich für Augen gemacht haben würde, (Heiterkeit) wenn ihm jemand hätte verbieten wollen, deutshe Kolonisten in Westpreußen und Posen an- zusiedeln, und darin das s{chwerste Unreht gegen die polnische Be- völkerung zu erblicken. Nein, es sind das alles Maßregeln, die indirekt au der polnischen Bevölkerung zu gute kommen, weil sie Kultur und Wohlstand in diese Provinzen bringen. (Sehr rihtig !)

Meine Herren, ih habe nun \ch{on über diese Frage in den leßten Tagen fünfmal gesprohen. (Heiterkeit.) Neues kann ih nicht mehr sagen. Jch verzweifle auß daran, ich glaube, der Herr Graf Posadowsky hat diese Meinung ausgesprohen —, daß es uns gelingen wird, die Polen in einer übersehbaren Zeit zu germanisieren, selbst wenn wir es wollten. Jch verstehe vollständig die Gefühle, von denen Herr Fürst Radziwill gesprohen hat. Eine Nation, die solche traurigen, ges{ichtlichen Erfahrungen hat, die auf der anderen Seite so hoch begabt ist, ih begreife, daß aus dem Schickfal, das eine sole Nation erfahren hat, Gefühle für die Menschen entstehen, die man mit Paragraphen nicht wegdekretieren kann, die allein die Zeit zu heilen und zu mildern vermag, daß es daher vollständig vergeblich wäre, dur irgend polizeilihe oder sonstige Maßregeln diese Gefühle zu unterdrücken. Darin stimme ih mit Seiner Durchlaucht vollständig überein. Es bleibt uns daher als objektiv denkenden, gerechten Leuten nur übrig, nah der andern Seite zu gehen, das Deutshthum zu kräftigen, damit diese Gefühle auch innerhalb der von ihnen am stärksten ergriffenen Polen nicht zu Bestrebungen werden, und diese

Bestrebungen nicht einmal zu Thaten führen. Das ist für beide Nationalitäten glei ‘nüßlich. Denn diese Gefühle sind bei den Polen allerdings zu Thaten geworden, und ih freue mich zwar über die Worte, welche Herr von Koëcieski gesprochen hat, daß die Ernüchterung bei der polnischen Nationalität do so stark fei, daß in Zukunft der- artige Thaten nit mehr zu besorgen sind, (Aeußerungen des Zweifels), aber, meine Herren, so erfreulih eine sole Erklärung von einem Kenner seines Volkes ist, daß wir das nach allen unseren Erfahrungen ohne weiteres glauben sollen (Heiterkeit) und darauf unsere Politik stüßen, das denkt, glaube ih, Herr von Koëcielski selbst niht. Besser ist es in dieser Beziehung, Bollwerke und Mauern zu errichten, vor denen auch der größte Heißsporn {ließli stehen bleiben muß. Meine Herren, ih bin überzeugt, wenn ich auch vollständig verstehe, daß ein foldjes Geseß wie dieses zuerst eine gewisse Erregung unter den Polen hervorrufen kann, daß man eine solche Erregung in Frankrei, in England, in Italien gegenüber einer fremden Na- tionalität, die so behandelt ist wie bei uns die Polen, gar nit verstehen würde. Jh könnte Ihnen in dieser Beziehung “‘ interessante Aeußerungen von Franzosen gerade auf diesem Gebiet, in der Art und Weise, wie sie die Jtaliener in Nizza behandeln, mittheilen, fie würden zeigen, daß eine solche Erregung die anderen Nationen gar nicht verstehen ; daß sie aber bei der polnishen Bevölkerung vorhanden ist, das verstehe ih doch, das ist aber nit zu umgehen. Aber ih bin überzeugt, aus diesen Maßregeln, die wir jeßt treffen zur Stärkung des Deutshthums nicht bloß auf dem Lande, sondern au in den Städten, niht bloß in wirthschaftliher Beziehung, sondern au in ideeller Beziehung, wird s{ließlich am allerersten eine wahre Ver- söhnung der beiden Nationalitäten hervorgehen. Es ist vollständig zutreffend, was der Herr Graf zu Stolberg-Wernigerode sagte, daß eine der Hauptschwierigkeiten in dieser ganzen Frage für uns in dem Rükgange der Landwirthschaft liegt, in den Schwierigkeiten, die da- dur hauptsächlich für die Erhaltung der deutschen ländlihen Be- völkerung und in der Unmöglichkeit für den Großgrundbesitz, für diese ländlichen Arbeiter mehr zu thun, gelegen is. Jh glaube mit ihm, wenn es uns demnächst gelingen wird, in dieser Beziehung wesentliche Verbesserungen hervorzurufen, daß dies auf diese ganze Frage von einer großen Wirkung sein wird. Aber, meine Herren, Sie dürfen auch dabei namentlich hat der Herr Graf auf die Entwicklung unseres Eisenbahnwesens in diesen Provinzen hingewiesen doch niht vergessen, was alles in den leßten Jahrzehnten in dieser Be- ziehung geschehen ist wir find damit noch keineswegs am Ende aber daß gerade in den östlihen Provinzen in dieser Nichtung außerordentlich viel geleistet ist, kann gar keinem Zweifel unterliegen, und alles, was in dieser Beziehung geschieht, kommt beiden Natio- nalitäten gleihmäßig zu gute. Manche Deputationen kommen zu mir und ich freue mich jedesmal über diese Zusammensetzung die bestehen aus Deutschen und Polen, in wirthschaftlihen Fragen. Ih denke mir da, wenn sie thr gemeinsames wirthschaftlihes Interesse welches unter dem Kampfe der beiden Nationalitäten, der zweifel- los ein Hinderniß für die ganze Provinz ist, {wer leidet einmal voll erkennen werden, so werden sie auch auf anderen Gebieten ge- meinsam kommen und ihre gemeinsamen Interessen vertreten. Da sage ih auch: da walte es Gott! (Bravo!)

Graf von Hohenthal meint, daß dem Fürsten Nadziwill historishe Studien nöthiger seien als ihm, da jener ihn nit habe

widerlegen können. s 5 Graf von Schlieben warnt vor der weiteren Ansiedelung von

katholischen Ansiedlern, da alle deutshen Katholiken auf den An- fiedelungen der Agitation des polnischen Klerus unterlegen feien und daher feine deutshen Kulturträger sein könnten.

Fürst Nadziwill betont nohmals, daß die Vorlage eine flagrante Verleßung der Gerechtigkeit sei. y

Die Vorlage wird mit großer Mehrheit angenommen.

Die Denkschrift über die Ausführung des Ansiedelungs- geseßes für das Jahr 1897 wird auf Antrag des Bericht- erstatters Herrn von Graß durch Kenntnißnahme für erlcdigt erklärt. E Berichterstatter der Agrarkommission Herr von Wiedebach und Nostiz-Jaenkendorf beantragt, über die Petition des Professors Dr. Hasse, Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes in Berlin, um Herbeiführung von Maßnahmen gegen die Benußung der NRentengütergeseßze zur Bildung polnischer NRentengüter im Geltungs- gebiete des Ansiedlungsgeseßes mit Rücksicht auf die Ausführungen der Bertreter der Regierung in der Kommission zur Tagesordnung

überzugehen. 2 Das Haus beschließt ohne Debatte demgemäß. : j Schluß 51/4 Uhr. Nächste Sißung Dienstag, den 26. April.

(Berathung des Staatshaushalts-Etats.)

Haus der Abgeordneten. 58. Sißung vom 29. März 1898.

Die dritte Berathung des Staatshaus halts- Etats für 1898/99 wird fortgeseßt.

Beim Etat der Justizverwaltung bittet

Abg. Hornig (kons.), das Amtsgerichtsgebäude in Haynau auf seine baulihen Einrichtungen untersuchen zu laffen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die baulichen Verhältnisse in Haynau {ind mir nit bekannt. Jh bin niht auf die Anfrage vorbereitet gewesen und habe mi deshalb nicht informieren können. Ich erkläre aber hier- mit meine Bereitwilligkeit, an der Hand der Ausführungen des Herrn Redners, die Verhältnisse noch einer näheren Untersuhung zu unter- ziehen.

Auf eine Anfrage des Abg. Trimborn (Zentr.) bemerkt der

Justiz-Minister Schönstedt :

Ich glaube mir den Dank, der mir {on im voraus aus- gesprochen ist, durch die Antwort, die ih abgeben werde, auch wirklich ju verdienen. Die Errichtung einer Dritten Kammer für Handels- sahen in Köln hat {on im vorigen Jahre den Gegenstand von Er- ôörterungen gebildet, und ich habe mich selbs bei meiner Anwesenheit in Kön über die geschäftliGen Verhältnisse zu informieren gesuht; ih habe damals au mit verschiedenen fkauf- männishen Mitgliedern der Kammern für Handelssachen über den Umfang der Geschäfte gesprochen und eine wohlwollende Prüfung

in Aussicht stellen können. Diese Prüfung ist dann auch eingetreten; -

aber sie ergab nicht das erhoffte und erwartete Resultat. Die Geschäftslage war nicht derart, daß {on im vorigen Jahre eine Dritte Kammer hätte errihtet werden können, Inzwischen hat die Geschäftsübersiht vom vorigen Jahre, die jetzt vorliegt, einen er- heblihen Zuwachs an Geschäften ergeben, und ich glaube, daß gar kein Bedenken vorliegen wird, dem nunanehr au seitens des Herrn

Ober-Landesgerichts-Präsidenten befürworteten Wunsch auf Errichtung einer Dritten Kammer stattzugeben.

Abg. Willebrand (Zentr.) bringt die Kündigungsverhältnisse der Kanzleigehilfen zur Sprache und empfiehlt diese Beamten dem Wohlwollen des Ministers.

Justiz-Minister Schö n stedt:

Meine Herren! Jch kann dem Herrn Abg. Willebrand zunächst erwidern, daß er die Verfügung vom 26. April vorigen Jahres, welche die Entziehung des Mindesteinkommens, sowie die Entlassung der schon seit 15 Jahren beschäftigten Kanzleigehilfen von der Genehmi- gung des Justiz-Ministers abhängig gemacht hat, in durchaus richtiger Weise interpretiert hat. Es liegt ihr die wohlwollende Absicht zu Grunde, die der Herr Abg. Willebrand selbst herausgelesen hat. Durch diese Verfügung hat verhindert werden sollen, daß etwa in rüdcksichtsloser, schonungsloser Weise ohne forgfältige Prüfung aller einshlägiger Verhältnisse solhe alten Beamten in ihrer Existenz gefährdet werden könnten. Fh glaube, so if die Verfügung auch in der Praxis von den. Gerichten aufgefaßt worden. Es sind wenigstens an mich erst zwei Anträge auf Kündigung bezw. auf Entziehung des Mindesteinkommens beran- getreten. In diesen beiden Ereignissen handelt es sich um Fälle, wo die Kanzleigehilfen sih einer pflihtwidrigen Faulheit befleißigt hatten, wo ih allerdings deshalb dem Antrage auf Entziehung des Mindest- einkdommens habe stattgeben müssen. Das sind die ein- zigen bis jeßt vorgekommenen Fälle, und ich möchte aus dieser Thatsache folgern, daß die Verfügung s{chon bloß dur ihre Existenz eine wohlthätige Wirkung ausgeübt hat, indem fie die zuständigen Behörden der unteren Instanzen veranlaßt hat, ein folches Kündigungs- oder Entziehungsrecht nur in ganz besonders dringenden Fällen in Erwägung zu nehmen,

Was die zweite Verfügung angeht, wonach aus Gründen des Dienstinteresses der normale Höchstshreiblohn von 10 Pfennig für die Seite dur den Justiz-Minister auf 11 oder 12 Pfennig erhöht werden kann, so ist auch hier der Begriff der Dienstinteressen im weiteren Sinne aufzufassen. Es foll nit etwa nur dann diese Erhöhung eintreten, wenn billigere S(hreibkräfte an dem betreffenden Ort nit zu haben wären. Das ift gänzli ausgeschlossen; vielmehr ift die Absicht dahin gegangen, die Leistungs- fähigkeit und die persönlihen und örtlichen Verhältnisse bewährter, alter Kanzleigehilfen mit in Betracht zu ziehen, selbstverständlich auch die Frage, ob sie ihre Schuldigkeit noch in vollem Umfange thun Fönnen. Es liegt also auch dieser Vérfügung eine wohlthätige Absicht zu Grunde. Bisher is in 46 Fällen dieser höhere Schreiblohn an Kanzleigehilfen bewilligt worden. Es liegen mir aber noch eine größere Anzabl von Anträgen zur Entscheidung vor; sie werden alle mit Wohlwollen geprüft werden, und es wird ohne allen Zweifel ein größerer Theil dieser Anträge auch den gewünschten Erfolg haben. Allerdings ist die Absicht nicht dahin gegangen, nun den S({reih- gehilfen, die ein gewisses Alter erreiht oder überschritten haben, den hobßen Schreiblohn regelmäßig zuzuwenden. Das würde auch, glaube ih, über das Bedürfniß hinausgehen, und ich glaube annehmen zu dürfen, daß so weitgehend au die Wünsche des Abg. Willcbrand nicht gewesen sind.

Abg. Nadbyl (Zentr.) befürwortet, den Richtern Gelegenheit zu geben, fich in das Studium des Bürgerlichen Geseßbus zu ver- tiefen, und zu diesem Zweke die überlasteten Richter durch Einstellung von Hilfsrichtern zu entlasten. Redner bittet ferner, das Gericht in Breslau anzuweisen, daß die Frist zur Einziehung der Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von drei auf fünf Tage verlängert wird, und dafür zu sorgen, daß in Schlesien die katholischen Fetertage bei der Anberaumung von Terminen berüdcksihtigt werdez.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ih beschränke mi zunächst darauf, die letzte Anregung des Herrn Abg, Nadbyl, die Anberaumung gerichtlicher Termine an kathdlis{en Fetertagen betreffend, zu beantworten. Diese Frage ift geregelt durch eine allgemeine Verfügung aus dem Jahre 1850, im Anschluß an eine zunächst für die Rheinprovinz erlassene Allerhöchste Kabinetsordre, und zwar dahin, daß auf gewisse katho- lische Feiertage bei der Bestimmung rihterliher Termine Rüdcksiht genommen werden foll an denjenigen Orten, wo die Bevölkerung überwiegend katholisch ist. Diese Voraus- fezung trifft auf die Stadt Breslau niht zu, da, wie Herr Nadbyk zu bestätigen scheint, die Bevölkerung der Stadt Breslau überwiegend protestantish ift, es sind annähernd F der Bewohner Breslaus protestantisch. Es findet also diese allgemeine Verfügung auf die dort anzuberaumenden Termine keine Anwendung. Es ist außerdem eine möglichste Berücksichtigung der konfessionellen Ver- hältnifse bei den Ladungen vor Gericht empfohlen, und ih glaube an- nehmen zu dürfen, daß diese Nücksiht soweit als thunlih geübt wird, wo die konfessionellen Verhältnisse der zu ladenden Personen bekannt find. Vollständig läßt es fich ja natürli niht ausschließen , daß auch einmal katholische Zeugen zu einem Feiertage geladen werden. Derartige Verhältnisse kommen überall, in allen Provinzen mit gemishter Bevölkerung, vor. Daß dies aber in Breslau beim Ober-Landesgericht besonders bäufig- vor- kommen sollte, glaube ih in Zweifel ziehen zu dürfen, da, soviel ich weiß, Zeugenvernehmungen vor dem ‘Ober-Landesgericht Breslau überhaupt zu den Ausnahmen gehören, insbesondere soweit Zeugen aus den entfernteren Theilen des Bezirks in Betracht kommen.

Bezüglich der Kostenabholungen wird mein Herr Kommissar cine Erklärung abgeben.

Bezüglich der ersten angeregten Frage endli glaube ich zunächst auf dasjenige hinweisen zu können, was ih bei der zweiten Berathung des Etats bereits geäußert habe, welcher, wie ih glaube, der Herr Abg. Nadbyl nit beigewohnt hat. Da, wie ih höre, auch andere Herren darauf zurückommen wollen, darf ich mich wohl vorläufig auf diese Bemerkung beschränken.

Geheimer Ober-Justiz-Rat i : Di Gerichtskostenbeträge Dis ju 80 A Les A0 Li bus end ee Gerichtsvellzieher. Er ift lebhaft daran interessiert, daß keine Zwangs- vollstreckung statifindet, weil er für jede freiwillige Zahlung 10 erhält. Die Frist von 3 Tagen is im allgemeinen ausreichend. Sollten in Breslau daraus Uebelstände entstanden sein, so steht kein Stuten dem entgegen, die Frist auf 8 Tage zu verlängern, wie in

in.

Abg. Hofmann (ul. ließt de überlastoten Richtern Silforiditee Lr Seite B an, D damit sie das Bürgerliche Geseßbuch studieren könnten. Die weiteren

Ausführungen des Redners bleiben bei der steigenden Unruhe des Hauses auf der Tribüne unverständliß. Er erörtert die Retfeto tes

‘der rihterlihen Beamten, beschwert s{ch über eine Ungleichheit bei

deren Vertheilung und empfiehlt eine Aenderung der Gerihtsvollzieher-

gebühren durch Einführung eines Maximaleinkommens für die Ge- ie e Entschädigung für den Dienflaufwand und die Reise- often,

Abg, Freiherr von Willisen (kons.) weist darauf hin, daß die Kosten der Theilnahme an den Kursen zur Einführung in das Bürger- lihe Geseßbuch sich für die Richter auf 350 bis 400 é stellen. Die MReisékosten soliten für sie etwas ermäßigt werden.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! J kann mit Befriedigung konstatieren, daß an ¿ahlreihen Orten, namentlich in größeren Orten, Vorlesungen über das Bürgerliche Geseßbuch eingerihtet sind, und daß diese Vorlesungen si einer sehr regen Betheiligung seitens unserex NRichtex erfreuen. Nun hängt es ja von der Gunst der Umstände ab, ob ver Besuch dieser Vorlesungen für den einzelnen leichter oder s{hwerer ist. Für manche werden sie unerreihbar sein, auch dann, wenn etwa Zuschüsse aus der Staatskasse gewährt werden sollten ; für manche sind gar keine Kosten damit verbunden, infofern sie am Ort selbt oder in der nächsten Nähe von dem Ort wohnen, wo diese Vorlesungen stattfinden. Es kann sich da höchstens handeln um das Honorar der dozierenden Herren. Bisher sind an mi Anforderungen auf Staatszuschüsse nicht gestellt worden; es würden mir auch die Fonds dazu leider vollständig fehlen. Wenn etwa der Vortrag des Herrn von Willisen zu dem Gehalt des Justiz - Ministers gehalten sein soll, so muß ich leider erklären, daß daraus keinerlei Ueberschüffe verbleiben. (Heiterkeit.) Ob ein Appell an den Herrn Finanz-Minister von Erfolg sein würde, glaube ich auch bezweifeln zu müssen. Bet dem Herrn Eisenbahn - Minister sind von einzelnen Orten Anträge gestellt worden auf Ermäßigung der Fahrkosten für die Reisen zu den Vorlesungen. Diese Anträge sind grundsäßlich abgelehnt worden. Ich verspreche mir keinen Erfolg davon, wenn der Herr Eisenbahn- Minister von mir darauf angegangen würde. Es bandelt sich hier um Opfer, die in der Uebergangszeit allgemein gebraht werden müfsen, und ich glaube, das Vertrauen haben zu dürfen, daß jeder Richter nah Maßgabe seiner Kräfte diese Opfer gern bringen wird im Interesse der großen Aufgaben, die wir demnächst alle zu lösen haben werden. Mancher wird ledigli auf das Selbststudium angewiesen sein, und ih glaube, daß dieses auch für Viele bei ernster Mühe vollkommen ausreihen wird, sich bis zum 1. Januar 1900 mit den Bestimmungen des Bürgerlichen Geseßbuhs vertraut zu machen. Die S{hwierig- keiten find allerdings nit zu untershäßen, aber wir dürfen doch nit verkennen, daß das neue Bürgerliche Geseßbuh keineswegs überall neues Necht bringt ; im Gegentheil, es ist bestrebt gewesen, dasjenige Recht zu kodifizieren, was gewissermaßen als allgemeine rehtlide Ueberzeugung, wie sie im ganzen deutschen Volke geherrs{cht hat, {on vorhanden gewesen is. Die Abweichungen von den einzelnen gelten- den Rechten, die das Bürgerlich- Geseßbuh bringt, sind doch nicht fo {wer zu übersehen, und an Hilfsmitteln dafür fehlt es ja auch niht. Insbesondere hat der hochverdiente Geheime Rath Plandck, dem ein so hervorragendes Verdienst bei der Abfafsung des neuen Bürgerlichen Geseßbuhs zukommt, es unternommen, einen Kommentar dazu zu schreiben, dessen zunächst etwas langsames Fortschreiten jetzt scheinbar einem rasckchen Temvyo Play matt. Es ift in diesen Tagen eine neue Lieferung des Werkes ershienen, die hon nahe an den S 700 heranreiht, und ich glaube nit, daß die Anschaffung eines folhen Buches die Kräfte eines Richters übersteigen wird; es wird ihm ein außerordentlich werthvolles Hilfsmittel sein und ihm die Lösung seiner Aufgaben wesentli erleichtern.

Im übrigen wird allerdings, worauf Herr Hoffmann bereits hin- gewiesen hat, darauf Bedacht genommen werden müssen, daß auch die Bibliothekfonds der Justizbehörden eine gewisse Verstärkung ihrer Mittel erhalten. Mein Herr Kommissar hat bereits in der Kommission mit- getheilt, daß {on im laufenden Jahre Zuschüsse zur Verstärkung des Bibliothekfonds gewährt worden \ind, und hat s{on zugesichert, daß im nähsten Jabre eine weitere Erhöhung in Erwägung gezogen werden solle. Jh halte dies meinerseits allerdings für nothwendig, da diese Fonds nicht so bemessen sind, um den großen Literaturschag, der jeßt heranwäcst, den Gerichtsbibliotheken zugänglih zu machen in dem Umfange, wie es das Bedürfniß erfordert. Jch hoffe, daß in dieser Beziehung Schwierigkeiten nicht entstehen werden. Jch wiederhole den Ausdruck meiner Zuversicht, daß alle Justizbeamten das Ihrige thun werden, um \ich für die Lösung der ihnen bevor- stehenden großen Aufgabe tüchtig und leistungsfähig zu machen, und daß sie die Opfer, die sie hierfür zu bringen haden, im Interesse des Vaterlandes und der großen Sache gern bringen werden.

Abg. Dr. Lot (b. k. F. { ie Einziel j @eriStolleieberiten in N Lei Mweri E N Ana La ___ Geheimer Ober-Justiz-Rath Vierhaus : Der Gerichtsvollzieher in Weener mußte erhebliche Staatszuschüsse erhalten; er ist daher nach Leer verseßt worden und übt von dort aus seine Thätigkeit aus. Die Sache wird aber nochmals geprüft werden.

,_ Abg. Nadbyl: Das Ober-Landesgericht in Breslau ist doch für die ganze Provinz da, und diese ift überwiegend fkatholisch. Es ift sehr oft vorgekommen, daß katholische Zeugen an katholischen Feter- tagen vernommen worden sind.

Beim Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung befürwortet

Abg. Dr. Kelch (fr. konf.) die Errichtung einer Handelskammer in Potsdam. Brandenburg würde sih als Sih der Handelskammer nicht eignen, weil die Erreihung dieses Ortes für die meisten Interessenten mit erheblichen Reisekosten verbunden wäre.

Abg. Dr. Scnaubert (kons.) bittet den Minister, im Interesse

der Shiffahrt die Navigations\{ule in Memel wieder herzustellen. Geheimer Ober-Regierungs-Rath von derHagen: Diese Anstalt ist Jahr aus Jahr ein nur von wenigen Schülern besucht worden, und es ift auh für die Zukunft auf einen Zuwachs niht zu rechnen, Es liegt eine T aus Memel vor, bei deren Berathung die Negie- rung thre Entshlüsse mittheilen wird. Abg. Guler (Zentr.) tritt für die Erhaltung der Tischlerinnungs- Fachschule ‘in Magdeburg ein und bittet um einen größeren Staats- zus{uß, wenigstens für ein Jahr in Höhe von 1000 #6, bis eine Ginigunç mit dem Magistrat erzielt sei. Die Magdeburger Schule habe au für Berlin als Vorbild gedient. Die Regierung solle diese Innungs-Fachshulen überhaupt mehr unterstüßen, als es bis jeyt der Fall gewesen sei,

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Was zunächst die Tischlerfahshule in Magde- burg betrifft, so genießt dieselbe seit langer Zeit einen staatsseitigen Zuschuß von 4600 Æ jährlih. Seitens der Stadt. wird ein Zuschuß zu dieser Fahschule nicht geleistet, (hört! hört! rechts) und zwar aus dem Grunde, weil die Stadt mit den Einrichtungen und dem Lehr- plan dieser Schule niht einverstanden ist und in dieser Beziehung eine Aenderung eintreten zu lassen wünscht.

Staatsseitig ist nun in Aussicht genommen und zwar infolge

eines Beschlusses des Innungsverbandes der Tischlerinnungen den

Entwurf eines Lehrplans aufzustellen, dur sahverständige Gutachten ihn prüfen zu laffen und demnächst diesem Lehrplan: die Einrichtung von anderen Fahschulen zu Grunde zu legen.

Die Ausarbeitung eines \olchen Entwurfs hat stattgefunden, der Entwurf is durch die hervorragendsten Sawhverftändigen begutachtet worden, und die Feststellung dieses Entwurfs wird demnächst auf Grund der ftattgefundenen Arbeiten erfolgen. Sobald nun dieser Entwurf festgestellt ist, wird beabsichtigt, mit der Stadt Magdeburg ynter Zuziehung der Tischlerinnung über die weitere Gestaltung der Innungs-Fachshulen in Magdeburg in Unterhandlungen zu treten. Bis dahin wird die Regierung den Zuschuß weiter gewähren, den sie bisher gewährt hat, sich aber auch auf die Gewährung diefes Zuschusses beschränken müssen. Was dann weiter erfolgt, wird von dem - Ergebniß der Verhandlungen abhängig zu machen sein, die zwishen der Regierung, der Stadt und dem Vorstand der Innungen stattfinden müfsen. Ich meinerseits kann dem Innungs- vorstand nur anempfehlen, ein möglicstes Entgegenkommen auch der Stadt gegenüber eintreten zu lassen.

Was die Fachhshule hier in Berlin anbetrifft, so ist dies felbe ja eine städtishe. Sie war früher eine Innungsschule, und die Innung hat nun den Antrag gestellt, daß die Schule wieder eine Innungs-Fahshule würde in früherer Weise. Seitens der Stadt hat man hiergegen Bedenken. Ich meinerseits habe schon in Aussicht genommen, Verhandlungen zwischen der Innung und der Stadt eintreten zu lassen und zwar nackch einer vorgängigen Revision der Schule. Jch hoffe, daß, nachdem diese Revision ftatt- gefunden haben wird, es mögli sein wird, bei den Verhandlungen mit der Stadt eine Verständigung zu erzielen.

Abg. Wetekamp (fr. Volksp.) empfiehlt eine Aufbesserung der Gehaltsverhältnisse der Kanzleidiener im Ministerium für Handel und Gewerbe.

Beim Etat des Ministeriums des Inneun weist

Abg. Möller (nl.) darauf bin, daß der Erlaß überdie Nichtzulafsung ausländischer Arbeiter die industriellen Tertilbezirke in den Provinzen Hannover und Westfalen shädige. Es müßten jedenfalls Ausnahmen für die Spinnereien zugelafsen werden, Geschehe dies nit, so müßten die Arbeiterinnen aus den ländlichen Bezirken genommen werden, wodurch wiederum die Landwirthschaft geschädigt würde.

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Ich kann dem Herrn Vorredner nur bestätigen, was ih ihm bereits privatim gesagt habe, daß es allerdings mein Wunsch ist, nit dur plößliche Ausweisung derartiger Arbeiter aus einzelnen Pro- vinzen Verlegenheiten in der Jndustrie entstehen zu lassen. Ich habe daher den Herren Ober-Präsidenten dieser Provinzen empfohlen, in ges wissen Fällen Milde walten zu lassen und sofern es das Bedürfniß erfordert, soweit zu gehen, daß die Arbeiter bis zum 15. November d. F, in ihren Arbeitsverhältnissen belassen werden. Zu Gunsten bestimmter einzelner Industrien generelle Ausnahmen zu machen, kann ih nach den bestehenden Grundsäßen vor der Hand nit für zulässig erahten. Ich werde aber Veranlassung nehmen, die von dem Abg. Möller hier angeregte Frage bei den Verhandlungen, die augenblicklich über die Arbeiterfrage im Staats-Ministerium schweben, zur Sprache zu bringen. i:

Abg. Mooren (Zentr.) befürwortet die Einführung einer all- gemeinen Fahrrad-Verordnung für das ganze Land.

__ Geheimer Ober-Regierungs-Rath von Knebel - Döber itz: Ein einheitliher Entwurf einer folchen Verordnung ist zunächst den Ober- Mr een Mr L i I dgelanus worden. Die Berichte find noch nicht eingetroffen, ren, e !

s ces. 0A zu hoffen, daß eine einheitlihe Regelung {ih

Auf eine Anregung des Abg. von Pappenheim (kons.) be- merkt der

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Jh bin dem Herrn Abg. von Pappenheim sehr dankbar, daß er diese Angelegenheit beute hier wieder zur Sprache gebraht hat. Jh wünsche sehr, sie zu fördern, weil ich ihr sympathisch gegenübersftehe, und ih glaube au, daß manthe von den Bedenken, welhe bei der Berathung dieser Angelegenheit vor einigen Jahren hier im Hause entstanden sind, jeßt leiter ihre Erledigung finden würden, als man damals angenommen hat. Die Königliche Staatsregierung kann aber nicht wohl erneut dieses Gesetz einbringen, ehe sie nit wenigstens mit einiger Sicherheit ent- nehmen kann, welhe Aufnahme dieser erneute Gesetzentwurf hier in diesem hohen Hause finden wird. Ich freue mi aus der Aeußerung des Herrn Abg. von Pappenheim entnehg en zu können, daß wenigstens ein Theil der rechten Seite dieses boben Hauses jezt einem Gesetze ungefähr mit den Zielen des vorigen nicht feindlih gegenübersteht.

_ Abg. Pleß (Zentr.) hält eine Ausweisung der ausländischen Arbeiter nicht für nothwendig. und regt die Beschäftigung der Strafgefangenen in der Landwirthschaft während des Winters an.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Krohbne: Dies geschieht \{on, soweit es die klimatischen Verhältnisse gestatten.

Bbg. S zmula (Zentr., auf der Tribüne sehr {wer verständlich) bespriht den Arbeitermangel in den östlihen Provinzen und bedauert daß die Staatsregierung sh noch immer nit entschlofsen habe, die betreffende Interpellation zu beantworten. (Präsident vou Kröcher unterbriht den Redner mit der Mittheilung, daß die Negierung fih entshlossen habe, die Interpellation gleich nach den Ferien zu beantworten, und daß er sie auf die Tagesordnung des 19. April eßen werde.) Das fei leider etwas spät, In Ostpreußen und Schlesien sei die Arbeiternoth eine shreiende, es fehle an Dienstboten und Arbeitern, die das Vieh melken und sonstige ländliche Arbeiten verrichten. Dieselbe Regierung, die der Sard schaft helfen wolle, entziehe ihr die Arbeitskräfte dur Ausweisung der billigeren galizishen und russischen Arbeiter, und auch die Konser- vativen folgten ihr aus Polonisierungsfurcht, die ganz unbegründet sei, Gestern habe man große Summen für die Marine bewilligt, von denen die Landwirthschaft keinen Vortheil habe; die Regierung möge nun au für diese etwas thun und sich nit bloß auf platonis6e Versicherungen beschränken, von denen gute Patrioten und Mitglieder des Bundes der Landwirthe versichern, daß sie garniht ernst gemeint seien. Redner beschwert fih dann über polizeilihe Vexationen bei polnischen Theateraufführungen in Oberschlesien.

Minister des Jnnern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Ih habe mir bereits bei der zweiten Lesung meines Etats den Herrn Abg. Szmula darauf hinzuweisen gestattet, daß es meines Erachtens richtiger gewesen wäre, seine damaligen Aus- führungen bei dem landwirthschaftlihen Etat vorzubringen, sofern er es nit vorziehen sollte, damit zu warten, bis die Interpellation hier zur Berathung kommen würde. Der Herr Abg. Szmula hat heute versuht, mich über die Ressortverhältnisse zu belehren, und ausgeführt, daß nicht der Landwirthschafts-Minister, sondern der Minifter des Junnern derjenige wäre, der im Vordergrund des Interesses bei dieser Frage ftände. Jch kann den Herrn Abg. Szmula niht hindern, daß er diese Meinung hegt, und daß er diese Frage

troß meines damaligen Hinweises wiederum beim Etat des Ministeriums