1898 / 78 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 31 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

habe eine größere Anzahl von Irrenanstalten in den verschiedensten Theilen von Deutschland kennen gelernt, au eine ganze Anzahl von Irrenärzten, und ich kann nur sagen, daß das Männer sind, die thren Pflichten unter den denkbar f{wierigsten Verhältnissen mit der größten Aufopferung obliegen. Wer nie aus eigener Anschauung die Verhältnisse einer großen Irrenanstalt kennen gelernt hat und den {weren Dierst, den die Aerzte dort haben , der kann sich kaum einen Begriff davon machen , welches Maß von Selbst- entsagung, von Aufopferung, von Selbstbeherrshung dazu gehört, und auh welches Maß von Menschenliebe, um solhem Berufe treu zu bleiben. Wenn hier im Plenum des Hauses gesagt ist, die Irren- ärzte wären schr häusig nervös, so wird sich der, der den Dienst dieser Beomten kennt, über diesen Zustand als Folge threr Berufsthätigkeit kaum wundern. Wer die Literatur des Jrrenwesens studiert hat, wer sih in diese Frage jemals wissenschaftlich vertieft hat, wird wissen, daß alle Verbesserungen in der Jrrenpflege niht ausgegangen sind von dem Drängen der Laien, sondern aus dem humanitären Gefühl der Irrenärzte heraus. Die Behandlung der Geisteskranken nit wie Verbrecher, wie Missetkäter, sondern wie Kranke, die JInter- nierung derselben nit kasernenartig, sondern die Behandlung nah dem somatishen Verfahren, die Unterbringung familienweise, das Verfahren, ihnen mögliste perfönlihe Freiheit zu lassen, sie nur bei vorüber- gehenden Erregung8zuständen von den übrigen Kranken abzuschließen, alle diese humanitären, psychiatrischen Verbesserungen sind von den Irrenärzten selbst herbeigeführt. Meine Herren, daß in einer Frren- anstalt, in der häufig bis 600, ja 1000 Kranke untergebracht sind und ein großes Personal von Wärtern, die doch überwiegend nit ge- bildete Personen sind, auch einmal Akte der Nohheit, der Gefühl- losigkeit vorkommen, das ist unbestritten ; dafür kann man aber den Irrenarzt niht verantwortlich machen; man würde ihn erst verant- wortlih machen können, wenn ein solher Beamter nicht sofort seines Amtes entlassen oder entsprehend disziplinarish bestraft wurde. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung heraus erklären, daß die Irren- ärzte Männer find, die durchaus humanitären Anschauungen huldigen, und die manchmal in ihren humanitären Anschauungen, in der Be- handlung von Kranken sogar so weit gehen, daß man als Laie das Gefühl hat, daß dadurch vielleiht die Sicherheit der anderen Kranken und der Wärter gefährdet werden könnte.

Es ift mir erfreuli gewescn, daß der Herr Abg. Kruse diese Frage hier angeregt hat, damit ih Zeugniß für diefen höchst achtungs- werthen Theil des Aerztestandes ablegen konnte. (Bravo !)

Abg. Dr. Müller- Sagan (fr. Volksp.): Ich habe nicht erwarten können, daß heute diese Erklärung des Staatssekretärs gegen meinen Kollegen Lenzmann provoziert werden würde. Mein Kollege hat durh- aus nit den ganzen Stand der Irrenärzte beschuldigt, sondern nur gewisse Mißstände hervorgehoben. Seine Behauptungen sind nicht widerlegt worden dur die Erklärung, daß ter Reichskanzler von diesen Dingen keine Kenntniß erhalten habe.

Abg. Dr. Förster -Neustettin (b. k. F.): Es handelte sich nicht um Angriffe gegen die Irrenärzte, sondern hauptsächhlih darum, die Mißstände im Entmündigungswesen zu beseitigen.

Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) bestreitet, daß die Er- zählungen über Mißgriffe in der Jrrenpflege irgendwie auf Wahrheit begründet seten ; es handle si lediglih um UVebertreibungen. Redner weist auf den Fall ter Frau Rotheaburg hin, die notorisch irre sei, obgleich behauptet werde, fie sei zu unrecht interniert.

Abg. Ahlwardt (b. k. F.): Die Frau Rothenburg ist auf dem

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Polizeibureau wit ihrem Sohn widerrechtlich festgehalten und in die Irrenanstalt gebraht worden. Der Sohn wurde bald entlassen, die MVêèutter aber erst viel später. (Präsident Freiherr von Buol meint, daß die dritte Lesung des Etats nit der Platz sei zur Auf- führung von Einzelheiten.) Die Ausführung des Herrn Langerhans konnte falsche Vorstellungen im Lande erwecken. Die geseßlihen Vor- schriften auf dem Gebiete des Jrrenwesens bedürfen dringend der Ergänzung. - Ó

Abg. Dr. Förster-Neustettin: Die Angriffe rihten sich haupt- fächlih gegen die Privat-Irrenanstalten.

Abg. Dr. Langerhans: Die Frau Rothenburg ist krank; sie war gemeingefährlih und ist nachher versuhsweise bei Privaten unter- gebraht worden, aber sie war unleidlich und mußte wieder in die Anstalt übergeführt werden.

Abg. Abhlwardt: Die Verwandten, die mit der Frau in einem erbrehtlihen Streit lebten, wollten die Frau niht aufnehmen, wohl aber der Sohn und andere Leute.

Abg. Noesicke (b. k. F.) weist na, daß die Behauptungen des Abg. Molkenbuhr, die Zahl der töttlihen Unfälle vermebre sich, während die Zahl der Vollrenten zurügehe, vollständig fals sei.

Auf eine Anfrage des Abg. Legien (Soz.) wegen der Entschädigung eines Grundbesiße1s8, welcher für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals Land abgetreten hat, erklärt der

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Jh kann versichern, daß die Entschädigungs- fragen infolge des Baues des Kaiser Wilhelmt-Kanals mit außer- ordentlichem Wohlwollen beurtheilt worden sind; wir können indeß deshalb ein Necht auf Entschädigung nicht anerkennen, weil eine Fähre benußt werden muß. Der Fall, den der Herr Abg. Legien erwähnte, ist ein ganz besonderer, und es is deshalb dem betreffenden Inter- essenten eine Entschädigung angeboten worden, die er aber für un- genügend exklärt und bisher niht angenommen hat. Ich hoffe, der Mann wird sich noch besinnen und einschen, daß die Entschädigung, die ihm angeboten wurde, eine durhaus angemessene ift,

Bezüglich der einmaligen Ausgaben (zur Ausshmückung des Reichstagsgebäudes) erklärt der

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf Pen Pola own Wehner:

eine Herren! Sie haben eine Resolution angenommen, wonach der bisherigen Reichstagsbaukommission ein Rechtsnachfolger in einer Kommission gegeben werden soll, die über dite Aus\chmückung des Reichstagsgebäudes beschließen foll. Wenngleih in dieser Kommission nach Ihrer Resolution nur drei Mitglieder des Bundesraths vertreten sein werden gegenüber fünf Mitgliedern des Bundesraths, welhe Siy und Stimme in der Reichstags- Baukommission hatten, so haben sch doch die verbündeten Regierungen mit dieser Resolution ausdrücklich einverstanden erklärt, weil sie an- nehmen, daß auch in dem Fälle, wenn der Bundesrath nur durch dret seiner Mitglieder vertreten sein wird, er do in der Lage sein dürfte, seine legitimen Ansprüche bei bäulichen Veränderungen und bei der Ausshmückung des Reichstags geltend zu mahen. Die verbündeten Regierungen haben um fo weniger Bedenken gehabt, diese Resolution anzunehmen, als sich der Reichstag damit einverstanden erklärt hat, daß die 100000 4, welche zur Ausshmückung des Gebäudes be- stimmt sind, in dem Etat des Reichsamts des Innern verbleiben sollen.

Meine Herren, ih habe damals in der Budgetkommission erklärt,

Arbeiten zum theil sistiert habe. Ich glaube aber, es muß jeßt eine Entscheidung über die Fortführung oder endgültige Sistierung dieser Arbeiten gefaßt werden; und ih würde deshalb dem hohen Hause dankbar sein, wenn es die Mitglieder, die es seinerseits in die Kom- mission deputieren will, mögli{\ bald und zwar noch vor dem Aus- einandergehen des Reichstags wählen würde, falls morgen noch eine Sißzung stat! findet.

Der Etat des Reich3amts des Jnnern wird unverändert genehmigt.

Es folgt der Etat der Verwaltung des Reichsheexres.

Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Goßler:

Auf zwei Fälle, die bei der zweiten Lesung zur Sprache knen, habe ich noch Antwort zu geben. Es betrifft zwei Todesfälle in’ der Armee. Der erste Fall ist vom Abg. Bebel zur Sprache gebracht worden. Er betraf den Füsilier Upsig vom Garde-Füsilier-Regiment. Der Mann war in in seinem Zivilverhältniß Ackerer. Er ist am 16. Oktober 1897 eingetreten, am 13. Dezember 1897 ins Lazareth gekommen und am 20. Januar 1898 am Eiterfieber gestorben. Der Mann is beim Truppentheil durch einen apathischen Zustand aufgefallen und hat man auf ihn große Rücksiht genommen. Im Ganzen hat er rund aht Wochen aktiv gedient. Zuerst am Gelenkrheumatiêmus erkrankt, wurde bei Upfig im Lazareth später ein {chweres Nierenleiden festgeß#ellt, das zu eitrigen Entzündungen der Nieren führte und \{ließlich den Tod an Eiterfieber zur Folge hatte. Bei der Aufnahme in das Lazareth bat Upsig angegeben, daß er beim Truppentheil mißhandelt worden sei, und dementsprechend ift sofort eine umfassende Untersuhung eingeleitet worden, obwohl

wiederholt vernehmungsunfähig war, dieselbe sehr ershwerte. Troßdem seine gesammten Stubenkameraden, ebenso wie die Unteroffiziere, mit denen er in dienstlihe Berührung gekommen ivar, in diesem Verfahren eingehend vernommen wurden, haben doch bestimmte Vorgänge etwaiger Mißhandlungen nit festgestellt werden können, im Gegentheil, diese Zeugen haben zum theil sogar unter ihrem Eid ausgesagt, daß Upsig rücksichtsvoll und gut behandelt worden sei. Vier Fâlle hatte Upsig in dieser Beziehung angeführt. Sein Unteroffizier sollte ihn, als dieser sich Play machen wollte, gestoßen und ein anderes Mal mit der Säbelsheibe ans Knie geshlagen haben. Degs- gleihen wollte er von eirem Gefreiten mit dem Stiefel ge- {lagen und sollte ihm \{hließlich ein Brotbeutel an den Kopf ge- worfen worden sein: Angaben, die ja an sih möglich sind, die aber \chwere Mißhandlungen niht bedeuten können. Sämmtliche Fälle find nit konstatiert worden, nur ein Unterosfizier hat gesagt, daß er Upsig an den Arm gefaßt und' gerütttelt hätte, um ibu aus der Apathie aufzuwecken. Eine nohmalige Vernehmung des Mannes konnte nit stattfinden, da das hohe Fieber dies unmöglih machte und dann der Tod eintrat. Der Herr Abg. Bebel hat mir in dieser Sache eine Anzahl von Briefen überreiht, die ih dem Generalkommando des Garde-Korps mit dem Ersuchen übergeben habe, die Untersuchung von neuem aufzunehmen, wenn dieses Material hierzu Veranlassung bieten würde, jedenfalls abèr den Vater in der Angelegenheit eingehend zu benachrihtigen. Jch glaube, daß ich niht mehr thun konnte, und möte jedenfalls nochmals hervorheben, daß der Tod dieses Mannes

mit Mißhandlungen nicht zusammenhängt.

Der andere Fall betrifft einen Musketier Bechtold vom Regiment 170 in Kehl. Derselbe hatte sih erbängt. Doch waren in dieser Beziehung Bedenken aufgetreten, die zur Ausgrabung des in dem Heimathsorte beigeseßten Sarges und zu einer Obduktion des Leichnams Veranlassung gaben. Hierbei ergab sih, wie das au {hon bei der vom Amtsgeriht Kehl vorgenommenen Leichenschau außer Zweifel gestellt worden war, daß Selbstmord stattgefunden hatte. Die Wunde im Gesicht der Leiche erklärte sih daraus, daß si der Mann am Gitter der Kaserne erhängt und beim Herabrutshen des Körpers sich ein Gitterstab tief in das Gesicht eingerissen hatte. Die Veranlassung zum Selbstmord könnte Furcht vor Strafe gewesen sein, da Bechtold nur nachexerzieren follte, weil er si beim Gewehbrreinigen ungebührlih benommen hat. Auch dieser Fall beweist nur, wie nothwendig es ift, die moralischen Kräfte der Jugend zu \tählen.

Ich möchte nun aber einen anderen Fall, der weite Kreise der Bevölkerung in Trauer verseßt hat, zur Sprache bringen, einex Fall, der so ungewöhnlich ift, daß ih mich verpflichtet fühle, darüber Aus- kunft zu geben. Es handelt sich um die beim 3. Bataillon des Regi- ments 70 in Saarbrücken ausgebrochene Typhus, Epidemte, die, plöglich und mit großer Heftigkeit auftretend, so viel Opfer gefordert hat, wie wir das in der Armee seit vielen Jahren nicht erlebt haben. Im Ganzen sind bei tem einen Bataiklon 250 Mann an Typhus erkrankt und davon 31 Mann gestorben. Noch krank sind 219, davon einer s{hwer, 19 noch ficbernd und 199 Mann sind in der Genesung be- griffen. Außerdem sind von dem Pflege- und Warteperfonal ein Unter-Arzt und fünf Lazarethgehilfen sämmtlih s{chwer erkrankt. Außer den am Typhus gestorbenen 31 Mannschaften find noch zwei Mann an Grippe gestorben, sodaß die Gesammtzahl der an Grippe und Typhus Verstorbenen 33 beträgt.

Als tie Nachricht an das Kriegs-Ministerium gelangte, daß eine Grippe-Epidemie in Saarbrücken auêgebrohen wäre, konnte das zunächst niht überraschen, denn die Grippe war in einigen Orten Südwestdeutshlands epidemisch aufgetreten. Als dann in der dritten Woche nah Ausbruch dieser Krankheit die Nachricht einging, die Grippe neige sih zu Typhus, habe ich Seiner Majestät sofort vorgeschlagen, eine Immediatkommission nah Saarbrücken zu ent- senden, Es sind 5 Aerzte und der Chef der Servisabtheilung hierzu bestimmt worden, und ih habe außerdem noch den Herrn Geheimen Medizinal - Rath Gerhardt mit Nüccksiht auf die Umstände bitten lassen, sich der Kommission anzuschließen. Die Kommission hat dann {weren Typhus konstatiert. Die Unter- bringung der Kranken war bereits so gut geordnet, wie es nah Lage der Verhältnisse möglih war, und ih kann nur mit besonderem Dank anerkennen, daß auch die Stadtverwaltung von Saarbrücken bemüht gewesen ist, in jeder Weise zu helfen und daß sie sich mit hohem Interesse ihrer Garnison angenommen hat. Die Kommission hatte sih zunächst die Aufgabe gestellt, den Krankheitserreger zu ermitteln. Die Kaserne if neu und erst seit 1894 in Benugzung genommen, sie liegt hoch und luftig, der Untergrund is gut und au tie Neben- anlagen entsprehen den sanitären Verhältnissen.“ Das Wasser i} fast keimfrei und stammt aus der Wasserleitung von Saarbrücken. Auch

baukommission geltend gemaht worden sind, die im Gang befindlichen ! war und das Wasser somit die Veranlassung der Krankheit nicht sein

konnte. Auch in der Küche und in der Kantine wurde alles ordnungs- gemäß gefunden. Die Untersuhung konnte eine eingehende sein, da das Bataillon inzwishen nah dem Schteßplaß Wahn verlegt worden war. Man ftand somit zunächst vor einem Näthsel. Doch wurde bekannt, daß im Kreise Saarbrüken seit einiger Zeit Typhus herrsche und daß im Jahre 1897 rund 226 Fälle Typhuserkrankungen mit 30 Todesfällen vorgekommen waren. Auch im Jahre 1898 sind bis jeßt 10 solcher Erkrankungen bekannt geworden, und auch in den Dörfern der Nachbarschaft, in denen die Garnison ver- kehrte, waren innerhalb eines bestimmten Bezirks mehrere Familien und Häuser vom Typhus heimgesubt worden. Die Krankheit konnte also eingeshleppt sein, das erklärt aber in feiner Weise das plôöglihe explosive Auftreten derselben. Es wurden deshalb die einzelnen Kranken vernommen, um vielleiht auf diese Weise einen Anhalt zu finden. Alle erklärten bezügli der Frage der Beköstigung, daß sie mit der Verpflegung durchaus zufrieden gewesen wären. Nur eine Speise habe {chlecht geschmedckt, nämli der Kartoffelsalat und die Wurst, welche ihnen zum Geburtétag Seiner Mojestät des Kaisers verabfolgt worden waren. Das sagten nit nur alle übereinstimmend aus, sondern es wurde au festgestellt, daß sämmtlihe Typhuékranke von diesem Salat gegessen hatten. Es wurde infolge dessen der Küchen-Unteroffizier von Wahn, wo er sich mit dem Bataillon befand, telegraphisch herangerufen, ebenso der Pächter der Bataillons-Kantine. Die bezüglih der Herstellung des Salats angestellten Ermittelungen ergaben dann, daß am 26. die Kartoffeln in dec Schale abgekocht worden und demnächst am Rande des Kessels geshält, in Scheiben geschnitten, in einen

der Krankheitszustand des Genannten, der wegen hohen Fiebers |

Holzbottih gethan und zwischen die Kartoffelsheiben Lagen von Zwiebeln geschüttet worden waren. Dann war der Bottich in den Kartoffelshälraum geseßt und bis zum nächsten Tage dort stehen ge- blieben. Am 27. Januar Mittags waren dann die Kartoffelsheiben mit den Zwiebeln in einem Kessel angewärmt, mit Essig und Oel gemisht und dann Nachmittags der fertige Salat mit der Wurst an die Maurschaften ausgegeben worden. Hiernach konnte nah Ansicht der Kommission, wenn eine Infektion stattgefunden hatte, diese nur in der Zeit, während welcher der Kartoffelsalat im Bottich gestanden hatte, stattgefunden haben. Es mußten in dem Raum, in dem dieser Bottich gestanden hatte, Typhusbacillen vorhanden gewesen sein. Wie dieselben hineingekommen sind, das zu erklären ist außerordentli schwer. Entweder können sie dur Menschen übertragen worden sein; diese Möglichkeit lag insofern vor, als in dem Naum einzelne Pußfrauen verkehrt haben, und auch ein Mann des Bataillons, der im Dezember an Typhus erkrankt war, noch kurz vor seiner Aufnahme in das Lazareth zum Kartoffelschälen kommandiert worden war. Die andere Möglich- keit ist die, daß die Kartoffeln selbst die Träger der Typhuskeime ges wesen sind. Sie können diese aus dem Aufbewahrungsraume, der vom Typhus infiziert war, mitgebraht, oder auch von Feldern, die vielleicht Latrinendüngung erhalten hatten, die Bacillen eingeshleppt haben. Das Schälen der Kartoffeln findet so statt, daß fie zunädst in Säâcken aus den Aufberoahrungsräumen in den Schälraum gebracht, dort auf den Erdboden geschüttet und dann, wenn sie von den Leuten ges{chält find, in ein besonderes Behältniß geworfen werden. Die Schalen werden auf den Boden geworfen und wird der Naum dem- nächst nah Beendigung des Kartoffelshälens gereinigt. Es ist also

denkbar, und da3 wäre die einzige Erklärung, daß in diesem Kartoffel- \{chälraum Typhusbacillen vorhanden gewesen sind. Jst dieses aber der Fall gewesen, dann ift zu bedenken, daß der beste Nährboden für derartige Bacillen Kartoffelsheiben sind. Werden dann derartig in- fizierte Kartoffelsheiben wieder aufgewärmt, dann können sich diese Bacillen geradezu zu Kolonien entwickeln.

Ich glaube daher, daß, soweit unsere Nachfors{hungen reichen, ein Verschulden niemandem zur Last gelegt werden kann. Die ganze Angelegenheit aber ist eine so eigenartige und von fo \{chwerwiegenden Folgen gewesen, daß ih mich verpflichtet fühlte, dieselbe beute bier des näheren zur Sprache zu bringen. (Bravo!)

Abg. Bebel bekbauptet, der gestorbene Soldat vom Garde-Füsilier- Negiment habe seinem Vater geschr.eben, daß die ihm widerfahrene M iße handlung vom Lazareth amtlih an das Bataillon gemeldet sei. Die Antwort des Bataillons-Kommandos an den Vater stehe damit im Widerspru. Dem Vater habe man nicht einmal den Obduktionsbefund mittheilen wollen, damit er nicht erfahre, woran sein Sohn ges storben fei. Der Kriegs-Minister sollte eine generclle Anordnung treffen, daß die Eltern von der Ursache des Tode3 ihrer Kinder in folhen Fällen unterrihtet würden. In diesem Falle, sowie in dem Falle Bechtold beim 170. Infanterie-Regiment handelte es sih um geistes\{chwache Personen, die eigentlich nicht in die Armee bätten eingestellt werden follen, Zuerst sei dem Vater mitgetheilt, daß Bechtold plöblich auf dem Kasernenhof verstorben sei, dann sei ihm gesagt worden, er habe sich erhängt. Die Besichtigung der Leicbe habe kein Anzeichen dafür ergeben, wohl aber habe sih im Gesicht eine blutunterlaufene Stelle gezeigt, und Kameraden hätten dem Nater mitgetheilt, daß sein Sohn mißhandelt worden sei. Wenn Zivilärzte und Zivilbehörden dabei betheiliat gewesen wären, dann wäre nit ein solhes Dunkel über diese Fälle verbreitet worden. Die Militärärzte schienen aber keine erheblihen vsychiatrischen Kenntnisse zu besißen. Redner bittet einen weiteren Fall zu untersuchen, der si in Heidelberg zugetragen habe, wo ein Soldat sih wegen harter Behandlung habe tödten wollen und daran nur durch den Unteroffizier verhindert worden sei. Er liege an {hwerer Verwundung im Lazareth darnieder. Bezüglich der Typhusepidemie in Saarbrücken werde mitgetheilt, day ein Hauptmann seine Kompagnie damit bestraft habe, daß sie morgens keinen Kaffee erhielt und ungenügendes Mittagessen, ferner zu wenig Kohlen, sodaß die Kleider der ¿anns schaft niht trocken geworden seien. Dadurch könnte eine größere Disposition für den Typhus entstanden sein. Es werde auch gesagt, daß cin Mann den Kartoffelsalat zurecht gemacht habe, der Tags zuvor beim Kloakenräumen geholfen hätte. Er (Redner) frage, ob ein Mann, der solche unsauberen Arbeiten verrihtet habe, bei der Bereitung des Salats verwendet worden sei. Ferner fragt Redner, ob es dem Kriegs-Minister bekannt geworden sei, daß in den Ver- handlungen der ostpreußischen Landwirthschaftskammer Graf Dohna- Wundlachen aufgefordert habe, aufzuhören mit der Verschickung von Soldaten, die er als fozialdemokratishes Gesindel bezeichnet habe, vom Westen nah dem Osten.

(Schluß in-der Zweiten Beilage.)

daß ih wegen der Bedenken, die gegen die Beschlüsse der Neichstags-

aufgegrabene Leitungéröhren ergaben, daß alles in Ordnung gewesen

Zweite Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaats-Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 31. März

1898,

Bebel den Fall Upsig insofern unrichtig verstanden, als Upsig, sofort nah seiner Aufnahme in das Lazareth, dem Aczt Mittheilung über stattgehabte Mißhandlungen gemacht hat. Der Arzt hat, wie es seine Pflicht war, dem Truppentheil sofort entsprehende Meldung zugehen | lassen und ist die UntersuGßung auf der Stelle eingeleitet worden ; die- selbe wurde fehr sorgfältig geführt, und ih glaube, daß in dieser Hin-

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

V B.

Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Goßler: Um zunächst die Speztialfälle zu erledigen, so hat der Herr V.

j l

sicht nit das Geringste versehen worden ist. Wenn der Vater des Ge- storbenen nicht sofort eine genaue Auskunft erhalten hat, so bedaure | ih das. Hätte der Vater sfih an das General-Kommando gewendet, | so wäre unzweifelhaft sofort Nemedur eingetreten, wie das auch jeßt gesehen wird. Die Bestimmungen seßen in dieser Beziehung fest, daß den Angehörigen oder Eltern bei Todesfällen eine eingehende Aus- kunft gegeben werden soll. Wird das versehen, so muß es von den betreffenven Behörden gerügt werden.

Was Bechtold anbelangt, so if von : mir vorliegenden Berichten nicht die Nede. Ich glaube, daß es keine | Gesetzgebung giebt, welhe humaner wäre, als die unsrige. Bei der Musterung und der Aushebung wirken die Zivilbehörden in hervorragender | Weise mit. Bei den Ersatz- und Ober-Ersaßkommissionen wirken außerdem bürgerlihe Mitglieder aus den bezüglihen Kreisen bezw. Ortschaften | mit, und jeder, der irgend einen Antrag vorzubriugen hat, kann diesen | event. unter Vorlegung von Urkunden, Gestellung von Zeugen und Sachverständigen näher begründen. Ich glaube in der That nicht, | daß andere Gesetßgebungen fo weitgehende Kautelen geschaffen haben, wie die unserige. Die Nahweisungen in Betreff der Entlassung Schchwachsinniger geben ein durchaus günstiges Bild. Es sind wie ih \chon früber mitgetheilt habe im Ganzen pro Armee-Korps | nur 3,4 Leute im Jahre entlassen worden, deren Ausbildung wegen Mangels geistiger Befähigung auf besondere Schwierigkeiten gestoßen ist. Das ist ein Prozentsaß, der bei der Masse der Eingestellten kaum | in Betracht kommt. Wir brauchen also gar keine neuen Anordnungen zu treffen. Bei der Nekrutenvorstellung werden im übrigen auch der- | vorgestellt und eventuell ihre Entlassung ver-

Geistes\{chwähe in den

artige Leute besonders fügt. Diese Praxis hat sich bewährt. :

Was den Fall in Heidelberg anbelangt, so habe ih in den Zei- | tungen nichts davon gelesen. Jch kenne ihn niht. So, wie ihn der |

|

Abg. Bebel darstellt, kann er keineswegs liegen, denn dann müßten | barkeit der Wiesen in der Nähe des Schießplatzes Kummersdorf er-

Mittheilungen über denselben an das Kriegs-Ministerium gelangt sein. Die Medizinalabtheilung muß über folhe Fälle dauernd auf dem Laufenden erhalten werden. Die heutige Verhandlung wird ja nun- mehr Veranlassung geben, der Sache näher zu treten, doch ist das Sache des betreffenden General-Kommandos.

Die Aeußerungen des Herrn Abg. Bebel über die Epidemie in Saarbrücken find auf unrichtige Angaben zurückzuführen. Zunächst möchte ich mit Bezug auf die über einen Hauptmann gemachte Be- merkung konstatieren, daß die Epidemie sich über alle Kompagnien in gleihem Maße vertheilt hat. Prozentsaß an der Krankheit betheiligt wäre, is niht vorhanden. Auch der Dienst ist genau kontroltiert worden und auch der sonstigen Beschäftigung, die die Leute gehabt haben, {find wir nahgegangen. Nach diesen Grmittelungen is der Dienst in den Bataillonen ganz gleihmäßig und in keiner Weise besonders anstrengend abgehalten worden.

Was dann den Verdacht anbelangt, daß ein Mann mit s{chmutigen

Händen Kartoffeln bereitet haben könnte, fo liegt cine Verwehselung | Ich habe bereits den einen Mann, der für die Verbreitung der |

vor. Epidemie in Frage kommen konnte, erwähnt. Der Bericht, den ih wörtlich verlesen will, sagt in dieser Beziehung Folgendes: „Thatsächliß hat, nachdem das 8. Nheinishe Infanterie- Regiment Nr. 70 seit 1894 typhusfrei gewesen war, die im Februar ausgebrochene Epidemie einen vereinzelten Vorläufer im Dezember 1897 gehabt. Es betraf einen Musketier der 9. Kom- pagnie, welcher. sich am 30. Dezember krank meldete, am 31. De- zember dem Garnisons-Lazareth überwiesen und hier als typhuskrank erkannt wurde. Seine Kleider sind nah Fefistellung des Typhus vorschriftsmäßig desinfiziert worden. Wo der Mann sih angesteckt hat, konnte niht ermittelt werden. Der Mann is nah seiner Aussage mehrfah im Dezember, und zwar zuleßt am 28. Dezember, in dem Kartoffelshälraum in der Küche zum Arbeiten kommandiert gewesen",

Aus diesem Vorgang hat man den Rücks{luß gezogen, daß eventuell diefer Mann Typhuskeime in den Kartoffelshälraum ge- bracht haben könnte. Daß derselbe aber mit der Bereitung des Kartoffelsalats beschäftigt gewesen wäre, ist vollkommen unzutreffend.

Was den leßten Fall anbelangt, daß, wenn ich rihtig verstanden habe, Graf Dohna Aeußerungen gemacht haben sollte, die eventuell für kie Armee beleidigend sein könnten, so habe ih diese Angabe nur im „Vorwärts“ gelesen (sehr richtig !), ich würde also glauben, daß Graf Dohna Veranlassung hätte, gegen den „Vorwärts“ wegen Be- leidigung zu klagen.

Abg. Let ocha (Zentr.) bemängelt es, daß den durch Hochwasser geshädigten Gemeinden Liquidationen für die zur Hilfeleistung kom- mandierten Truppen zugestellt worden seien.

Abg. Hug (Zentr.) tritt für die Militär- Kapellmeister ein,

Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Goßler:

Soweit ih übersehe, nehme ih an, daß den Wünschen des Herrn Abg. Hug entsprochen if ; denn das hohe Haus hat für die Militär- Kapellmeister Mittel bewilligt, die mit dem größten Dank seitens derselben begrüßt worden sind. (Sehr rihtig!)) Der Herr Abgeord- nete hat vielleiht auch nit berücksihtigt, daß dur eine Allerhöchste Verordnung vom 22. März d. J. neue Abzeichen für die Kapellmeister festgeseßt worden sind. Sie sind so beschaffen, daß die Betreffenden als Musik-Direktoren, Musik-Dirigenten und Stabshoboisten äußer- lih unterschieden werden, und die Abzeichen sind so gewählt, daß sie ein Mittelding zwischen denen der Unteroffiziere und Offiziere bilden.

| ursacht habe.

| erklären, daß ih das, was ih in der 46. und 47. Sißung gesagt habe,

| ebensogut auf dem Wort „Sonntag“.

| für jeden hervor, der hören und verstehen will.

| der Person des betheiligten Hauptmanns die Mittheilungen des Abg.

Eine Kompagnie, die in höherem |

Abg. von Kardorff weist einen ihm vom Abg. Bebel gemachten Bad zurüd, daß s durch sch{lechte Leitung der Geschäfte der Budgetkommission die Verzögerung der Feststellung des Etats ver» Seit er im Parlament sei, habe er noch niemals eine solche dritte Lesung des Etats erlebt. / | E

Abg. Kunert (Soz.) kommt auf die von ihm in zweiter Bes rathung bereits erwähnte Beschäftigung von Festung®gefangenen an

des Hauses. i d ingeschmolzenen Gewehrtheilen nicht. S niet C P die noch im Gebrauch sind, befinden

ih ne darunter. nit zerlegt. im Besi Durgaie kriegsbrauchbarer Gewehre befindet.

anderer Gewehre als die vorgelegten sind

Laee Theile von Ges

Gewehre dieser Konstruktion find überhaupt no Ich kann nur nochmals feststellen, daß die Armee fi

Abg. Ablwardt: Ih wollte solle Gewehrtheile zur Stelle fen aber die Leute weigern fi, dieselben herauszugeben.

ck ( f die i on Sitzung besprochene Anfertigun ch 83 bee Tocdiier V Soil iei nbe Ma A Lia werde in öffentlicher Versammlung davon sprechen und die betreffenden

der Tornister durch Zwischentmeister zurü, Redner kommt ferner wiederum auf angebliche Mißstände in den Militärwerkstätten in Danzig und in Spandau zu sprechen, rügt die hohen Strafgelder 2c. und be- zeihnet das, was der sächsische Bevollmächtigte in Bezug auf die } ungeseßlihe Beschäftigung der Festungsgefangenen „vorgebracht habe, | br als unwahr. (Präsident Freiherr von B uol erklärt, er nehme an, | es daß es si nur um objektive Unroahrheiten handle.) Redner beschwert | de

Leute \{hließlich als Zeugen vorführen.

Abg. Nichter: Wäre wirklich in dem Prozeß etwas erwiesen,

was nicht der Fall ift, so sind die Waffen doh sechs Jahre im Ge-

auch gewesen und haben si als tauglih und gut bewährt. Kann einen schwereren Vorwurf gegen die Militärverwaltung geben, als n, daß sie sich nit gegen die Lieferung untauglicher Gewehre sihert hat? Herr Ahlwardt hat behauptet, daß die alliance israélite

| übe ihm das Wort „Lüge!“ zugerufen worden sei, und | ge ( a1 j m c E , ih der Firma Loewe bedient habe, um die deutshe Armee durch

geht zum Schluß auf die Verhältnisse des Festungsgefängnisses Weihselmünde ein. ©

Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Goßler:

Die Angaben des Herrn Vorredners sind zum theil so ungenügend begründet, zum theil ist seine Anschauung meines Erachtens fo unzu“ j so treffend, daß ih darauf verzihte, thn belehren zu wollen. (Lebhaftes | D Bravo ! und Heiterkeit.)

Sächsischer stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrath, Oberst und Flügel-Adjutant Graf Vißthum von Eckstädt: Meine Herren! Ich habe zu den Ausführungen

allenthalben aufrecht erhalte. Im übrigen weise ich alle Angriffe, welche der Herr Vorredner gegen mich und gegen die von mir ver- tretene Militärverwaltung gerichtet hat, energisch ¡urück. Nur ein | q Wort noch! Für die Art und Weise, in welcher der Abg. Kunert d Widersprüche und Unrichtigkeiten nachzuweisen sucht, diene das folgende Beispiel. Er sagt mir, ih hätte gesagt, im Festungsgefängniß in NHresden sei nux an ein em Sonntag gearbeitet. Der \tenographi\ce Bericht weist aus, daß ih gesagt habe, im Festungsgefängniß in Dresden sei an einem Sonntag gearbeitet. Daraus ge Hervor, it der uf dez L einem” liegen muß, fondern daß nicht der Ton auf dem Wort „einem“ liegen muß, fond Ln Da das Wort „einem“ nicht i f 4 a i j 40D + t; C 8 A) gesperrt gedruckt ist, habe ih das auch nicht beabsichtigt. Das geht Abg. Merbach: Der Abg. Kunert hat sich über einen Zwischenruf von mir ereifert. Jh habe nicht behauptet, daß er eine Lüge aus- gesprocen hat; er hai nur Lügen Anderer hier vorgetragen, das kann ihm Herr Bebel uahweisen. / i j L Abg. Weber- Heidelberg (nl.) hält aus feiner eigenen Kenntniß

Bebel mindestens für übertrieben, wenn sie niht überhaupt un-

richtig seien. i : E E Auf eine Klage des Aba. Zubeil (Soz.) über die Nihtbenugt- p

a

| Preußishe stellvertretende

| General-Major von déêr Boe,

| reihlih entshädigt würden.

Bevollmächtigte zum Bundesrath, daß die Besiger dieser Wiesen

| Abg, Bebel macht den Abg. Weber- Heidelberg darauf aufmerksam, Staatsregierung zu ersuchen, von det E ; n S p L hrere idol s, :

| daß der von ihm angeführte Selbstmordversuh in mehreren Heidel deren

werden,

Unterricht

| unter aller Kritik, daß ih darauf niht weiter eingehen kann. (Der gewidmeten Fonds“ Abstand z

Verhandlung vom Sonnabend.

| berger Zeitungen besprochen sei. : | | Abg. Kunert: Die Bemerkungen des Hecrn Merbah tehen so

Präsident Freiherr von Buol ruft den Redner zur Ocdnung.)

fängnisses in Dresden zu syrechen. E | E Der stellvertretende sächsishe Bevollmächtigte zum Bun- | desrath Graf Vißthum von Eckstä dt lehnt cs ab, auf die | Ausführungen des Redners nochmals einzugehen. Darauf wird die Debatte über das erste Kapitel des

| Militär-Etats geschlossen. i | Beim Kapitel „Naturalverpflegung“ weist | E | Abg. Is kraut (Reformp.) den Vorwurf zurück, daß er bezüglich | der Viehhändler in Königsberg die Unwahrheit gesoro{en, wenn er behauptet habe, diese Herren gehörten der mosaishen Religion an. In dieser Beziehung habe sih Herr Bebel“geirrt. Ü E Abg. Bebel erklärt, daß er dem Abg. Haase die Vectheidigung | selber überlassen müsse. i i | Beim Kapitel „Artillerie und Waffenwesen“ kommt | Abg. Ahlwardt auf seine Behauptungen bezügli der Loewe- | hen c d zurück. Die Antwort des General-Majors von der Boeck auf die darauf bezüglihe Anfrage des Abg. Richter set zu fo heftigen Angriffen benußt worden, daß er, Redner, noh darauf eingehen müsse. Die Militärverwaltung habe er nit angreifen, sondern {üßen wollen ; | denn sobald die Militärverwaltung sich mit jüdischen Lieferanten eingelassen hätte, sei sie von ihnen betrogen worden. „Was er in feiner Broschüre geschrieben habe, habe er von den Arbeitern der Loewe’shen Fabrik ermittelt, Vor der Veröffentlichung der Broschüre habe er alles versucht, um die zuständigen Persönlich- keiten auf die Sache aufme:ksam zu machen. Bei dem Prozeß gegen ibn sei es nicht so zugegangen, wie es vor einem preußi|chen Gericht hätte zugehen sollen; der leitende Richter sei ja inzwishen an Geiste8- | franfheit gestorben. Bezüglich des Materials hätte er behauptet, daß der zu den S(hloßtheilen verwendete Stabl s{chlecht gewesen sei. (Präsident Freiherr von Buol bemerkt, daß diefer Prozeß nicht ¡um Etat gehöre.) Die Mängel seien vielleicht _nicht so s{chlimm gewesen, aber das ändere nihts an der That- sache, daß die Lieferanten ihren Verpflichtungen nicht nagekommen wären. Nach weiteren Ausführungen, während deren der Redner vom Präsidenten zur Ordnung gerufen wird, fährt derselbe fort : In Hörde hätten Arbeiter erzählt, daß zershlagene Gewehrtheile daselbst in ganzen Wagenladungen ankämen; es sollten darunter au „Gewehre mit dem Stempel Loewe sein. Diese Mittheilungen hätten ihn (Redner) zu der Ueberzeugung bringen müssen, „daß die Militär- verwaltung s{lechte Erfahrungen gemaht habe. Wenn die Militär- verwaltung erkläre, daß die neuesten Gewehre nicht zerschlagen seien und sie troßdem den Loewe’shen Stempel trügen, so möge vielleicht ein Diebstahl vorliegen. Wenn er geirrt babe, so sei es in gutem Glauben geshehen und nit wider besseres Wissen. Es wäre gut, wenn die Armeeverwaltung ih von den jüdischen

ieferanten fernhalten wollte. Lieferanten fernh Bevollmächtigter zum Bundesrath,

reußisher stellvertretender / 3 l, Genet Major von der Boeck: Auf die früheren Fälle wenig auf den Prozeß des

will ich niht eingehen, ebenso f

D ecbneed Y In Bana auf Hörde hat die Armeeverwaltung nichts zu verbeimlichen. Der Vorredner hat behauptet, daß eine große Anzahl mit Loewe bezeichneter Gewehre zurückgezogen seien. Es hat ein Austausch der Gewehre stattgefunden, weil wir sie nicht bis an die Grenze threr Kriegsbrauchbarkeit ausnußzen wollten. Die zurü ezogenen Gewehre werden ausgebessert und als kriegsbrauchbar in den Beständen niedergelegt. Nicht nur die Loewe?schen, sondern sämmtlicze Gewehre der Armee sind in dieser Weise zurückgezogen worden. Jch hatte geglaubt, daß Herr Ahlwardt uns Theile dieser Gewehre vorlegen würde, weil er mir mitgetheilt hat, daß er solde bätte. ch habe mir einige solher Theile verschafft und lege sie auf den Tisch

\chlechte Waffen zu zerstören. deute 1 In Hagen hat er die weitere unrichtige Behauptung aufgestellt, daß von der Verwaltung eine Menge untaugliher Gewehre zurückgezogen worden sei, obwohl dies chon Graf Caprivi zurückgewiesen hat. Früher

sind die Beweise Ahlroardt?'s, t M ] gestellt hat, wo sind seine Zeugen? Er will sie in Zukunft namhaft

machen. 1 L ; : wie seiner Zeit mit feinen Akten gegenüber dem Reichs-FInvaliden-

des Herrn Vorredners zu | fonds. für Gintrittsgeld in Vo!ksversammlungen. [ULC V LELLLLA 9g - p s) E vet 0A / L variieren, die früher der Berichterstatter Porsch seiner Zeit gebraucht hat: wenn Herr Ablroardt nur einen Funken von Ehrgefühl hat, dann

Trimborn und Schütte. wollte, habe ih bewtesen.

Marine-Etat.

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| ; Af orhälinifo hoa STostunag L

| Redner kommt dann noch einmal auf die Verhältnisse des Festungs- | würden : | | regierung verlett.

| Erläuterungen zu geben.

Heute suht er fh heravszureden.

llen tägli ganze Wagenladungen zershlagener Loewe'sher Gewehre nah örde gekommen sein, jeßt sind es nah ihm nur noch wenige. Wo / die er für die dritte Lesung in Aussicht Warum denn niht heute? Das find dieselben Manöver die Sache dilatorisch und hält weitere Reden

Gr behandel et Ich kann nur die Worte

nuß er seine Vorwürfe zurücknehmen gegen eine ehrenwerthe Firma, ie fich um das Vaterland wohlverdient gemacht hat. j

Abg. Ahlwardt: Jh habe meine Zeugen genannt: die Herren t Was ih mit meinen Akten sachlih beweisen

Der Militär-Etat wird bewilligt, ebenso ohne Debatte der

Gegen 8 Uhr Abends wird die weitere Berathung bis

Donnerstag 12 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 99, Sißgung vom 30. März 1898. Die dritte Berathung des Staatshaushalts-

Etats für 1898 wird bei dem Etat des Ministeriums der

geistlichen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegen-

* _-

heiten fortgeseßt.

Ueber den Beginn der Debatte ist in der gestrigen Nummer

d. Bl, berichtet worden

befürwortet den Antrag, die Ausscheidung derjenigen Fonds, ünftig durch den Etat laufen dem Kultus und dem öffentlichen sowie der bestimmten Ausgaben et Nedner verweist auf die Durch die Annahme seines Antrags

Landtages, noch die der Staats-

Abg. von Strombedck (Zentr.) r Einnahmen bezw. Ausgaben k aus der „NaG&weifung der gewidmeten Stiftungen,

weder die Interessen

Gebeimer Ober-Finanz-Nath Lehnert: Ein in al für den Antrag liegt eigentli) nicht vor Was der Antrag will, ste t in den Erläuterungen des Etats, und wir sind bereit, weitere mündliche ( Außerdem würde die Aufstellung des Etats durh die gewünschte Nachweisung sehr erschwert werden. Ich bin aber zu der Erklärung ermê@tigt, daß, wenn das Haus den Antrag annähme, die Regierung ihm niht widerstreben würde. i :

Abg. Dr. Irmer (kons.) will ebenfalls dem Antrage nit prins- zipiell widersprechen. E E ;

Abg. Ries ch (fr. tons.) spriht sih für eine größere Dezentra- lisation der Schulverwaltung im Negierungsbezirk Cassel aus. :

Abg. Cahensly (Zentr.) beschwert sih darüber, daf in den Volksfshulen in Frankfurt a. M. die katholischen Geiftlihen vom Religionsunterricht in den Simultanschulen auêgeschlofsen seien. Diese Simultanschulen scien die wahren Pflanzschulen der Sozialdemokratie. Bei Gründung neuer Schulen follten au fkonfessionelle gegründet

werden. : S :

Abg. von Hagen (Zentr.) bittet den Minister, die Verhandlungen über die Errichtung einer katholishen Privatshule in Döhren bei Hannover zum Abschluß zu führen. E

Ministerial-Direktor Dr. Kuegler: Das Bedürfniß für diese Schule wird anerkannt. Es wird am besten sein, wenn die Re- gierung mit den Interessenten über die weiteren Schritte in Ver- handlungen tritt.

Die Diskussion wird geschlossen und der Antrag von Strombeck angenommen. Der Rest des Etats wird ohne Debatte angenommen, ebenso das Etatsgesez und schließlich der Etat im Ganzen.

Es folgt die erste Berathung der Geseygentwürfe, be- treffend das Diensteinkommen der evangelishen und der katholishen Pfarrer.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Bei der ungemeinen Wichtigkeit der beiden Ge- seße, in deren Diékussion Sie jeßt einzutreten bereit find, werden Sie es wohl begreiflich finden, wenn ich das Bedürfniß habe, Ihnen einige Worte des Geleites mit auf den Weg zu geben. i

Jch darf zunächst wohl meine große Freude darüber aussprechen daß es ungeachtet einer Reihe kaum überwindlih ersheinender Schwierigkeiten, die sih immer noch zu erneuern s{hienen, do uns gelungen ift, - die Angelegenheit so weit zu fördern, daß wir hoffen dürfen, diese beiden Vorlagen noch vor den Osterferien in eine Köm- mission verwiesen zu sehen; denn ich hoffe, das hohe Haus wird wohl die Kommissionéberathung beschließen. Ich verkenne auch garnicht, daß beide Vorlagen nah Form und Inhalt dem hohen Hause dazu Anlaß geben, fie einer forgfältigen und gründlichen Pre fung zu unterziehen. Namentlich der Geseßentwurf, der die evangelishen Geistlihen betrifft, ersheint auf den ersten Blick kompliziert und kann in manten Beziehungen wohl ftubig madchen; indessen ist vollkommen richtig, was in der General-Synode der evangelischen Kirhe der älteren Provinzen von einer Seite be« merkt wurde, daß dieses Geseß und diese Vorlage je mehr gewinnt, je mehr man sich mit ihr beschäftigt und je mehr man ih mit ihrer

Grundgedanken vertraut macht.