1898 / 88 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 14 Apr 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der gunlilen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten. Dem Progymnasial-Direktor Przygode ist die Direktion des Progymnasiums in Pr.-Friedland übertragen worden.

Kriegs-Ministerium.

Die überzähligen Militär-Jntendantur-Assessoren Lueck und Schmiß sind unter Ueberweisung zu den Korps-Jnten- danturen des IX. bezw. V. Armee-Korps zu etatsmäßigen Militär-Fatendantur-Assessoren ernannt worden.

Nichtkamlkliches. Deutsches Reich.

Preußem. Berlin, 14. April.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen, wie aus Homburg v. d. Höhe “itreao wird, heute Vormittag den Vortrag des Chefs des Militärkabinets, Generals von peonte entgegen und arbeiteten sodann mit dem Gesandten

rafen i So Ee s E

Heute Nahmittag um 5 Uhr gedahten Seine Mazestät

Sich für einige Tage nah Wiesbaden zu begeben.

Oesterreich-Ungarn.

Der Ta e Franz Joseph empfing, wie „W. T. B.“ meldet, eus iebzehn preußische Offiziere, welche anläßlich der Vermählung der beiden Nichten des deutschen Botschafters Grafen zu Balenbuta mit den preußischen Lieutenants Freiherr von Senden und von Seydliß in Wien eingetroffen sind.

Im ungarischen Abgeordnetenhause hat „gestern der Justiz-Minister von Erdé ly einen Gesegentwurf über die wirtdsca#tlichen und gewerblichen Kreditgenossenshaften ein- gebracht; der Handels - Minister Freiherr von Daniel legte den mit Japan abgeschlossenen Handelsvertrag vor.

Frankreich.

Der Präsident Faure stattete, wie dem „W. T. B.“ aus Nizza berichtet wird, gestern Nachmittag der Königin Victoria einen Besuch ab, den der Prinz von Wales im Auftrage der Königin alsbald erwiderte. :

Jn Paris wurde gestern Vormittag ein Ministerrath abgehalten, in welhem der Minister des Auswärtigen

anotaux mittheilte, daß China sich mit den Forderungen jrankreihs voll einverstanden erklärt habe. Hanotaux ügte hinzu, China sei infolge früher getroffener Ab- machungen Frankreih gegenüber die Verpflichtung ein- gegangen, keiner anderen Macht die Jnsel Hainan ab- zutreten. Eine Depesche der cinesishen Regierung enthalte die Zustimmung derselben zu den französischen Vorschlägen und stelle fest, daß Frankreich die Erfüllung aller seiner Forderungen auf dem Wege freundschaftlicher Verhandlungen erreicht habe, ohne zu dem Mittel einer Flotten-Demonstration oder eines Ultimatums schreiten zu müssen.

Nußland.

Der Kaiser und die Kaiserin besuchten, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, gestern das Grab des Kaisers Alexander [I]. in der Peter-Pauls-Festungskirche.

Dem amtlichen „Kronstadtsky Wiestnik“ zufolge ist be- {lossen worden, in St. Petersburg drei Panzerschiffe von 12675 t mit je vier zehnzölligen Geshüßen nah dem Typus des „Pereswet“ bauen zu lassen, welche für den Dienst in der Ostsee bestimmt sind. Ferner [i bei Cramp in Philadelphia ein oder zwei Panzerschiffe von 13000 t mit zwölfzölligen Geshüßen nach Cramp’s Plänen sowie einige kleinere Torpedobootszerstörer nah englishem Muster, dann in Nikolajew ein Schnellkreuzer von 8000 t nah dem Typus des englischen Kreuzers „Vulcan“ bestellt werden. Endlich werde in St. Petersburg demnächst der Bau eines Minenlegers von 1500 t beginnen.

Spanien.

Nach einer Meldung der „Agencia Fabra“ herrscht in offiziellen Kreisen die Ansicht daß man die von dem Präsi- denten der Vereinigten Staaten von Amerika McKinley ent- wickelte Auffassung von dem Rechte der Vereinigten Staaten, in der cubanishen Frage. zu intervenieren, niht ohne Protest hinnehmen könne. Spatien M n bie äußersten Grenzen der Konzessionen gegangen. Auf das Vorgehen der Vereinigten Staaten müsse es mit ent- sprechenden Schritten antworten. Angesichts der JInter- ventionsdrohung der Vereinigten Staaten müsse Spanien fort- ten, sich auf seine Vertheidigung vorzubereiten. Ein Be- chluß, zur Verstärkung der Flotte eine nationale Subskription zu eröffnen, werde unverzüglich der Königin-Regentin zur Voll- ziehung unterbreitet werden.

Don Carlos hat ein- Manifest erlassen, in welchem er seine Anhänger beschwört, für Spanien gegen das Ausland zu kämpfen; jeder Carlist, der dies niht thue, sei ein Verräther.

Türkei.

Heute findet, dem „W. T. B.“ zufolge, eine Berathung der Botschafter über die Grenzberichtigung in Thessalien statt.

Nach einer Meldung des Wiener „K. K. Telegr.-Korresp.- Bureaus“ werden von Mee Seite die Nachrichten, daß man die Pforte wegen der Zahlung der Kriegsent\ch ä d i- gungsrücfstände bedränge, für unbegründet erklärt. Die Absicht, eine auf diese bezüglihe Note zu überreichen, sei seit Monaten vertagt. Auch habe man niht ausdrücklih auf der Zahlung derselben aus der griechischen Kriegsentschä- digung, sondern nur auf Baarzahlung bestanden, welche durch die Ottomanbank Ee werden solle. Man gebe si der Hoffnung hin, daß die Pforte ein freundschaftlihes Ueber- einkommen treffen werde.

Dem zweiten Direktor des Militär-Hospitals in Konstan- tinopel Professor Düring ist der Grad eines Paschas ver- liehen worden.

Rumänien,

Der König und die Königin sind gestern Abend von Bukarest nah Äbbazia abgereist.

Amerika.

Die Kommissionen des Senats und des Repräsentanten- hauses für die auswärtigen Angelegenheiten haben gestern ihre Berichte über die Berathungen der Botschaft des Prä- sidenten Me Kinley, betreffend den Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien wegen des Krieges auf Cuba, dem Plenum vorgelegt. L /

Der von der Mehrheit der Senatskommission überreicht Bericht ist sehr umfangreih. Er hebt nah einem vom „W. T. D mitgetheilten Auszuge besonders die Katastrophe des Panzerschiffs „Maine* hervor und sagt: Obwohl die Erregung, die bas amerika- nische Volk empfand, dur nichts gemildert wurde, wurden die Aeußerungen dieser Erregung unterdrückt, bis die amtliche Unter- suhung die Ursache der Katastrophe enthüllen würde. Die Kom- mission ist der Ansicht, daß die Vernichtung der „Maine“ den spa- nischen Behörden zuzuschreiben oder wenigstens nur dur eine s{wer- wiegende, einem positiven kriminellen Akt gleihkommende Nachläfsig- leit derselben mögli geworden fei. Die Explosion sei uur ein Glied in ter langen Kette der vorangegangenen Greignisse, von denen man sie vernünstiger Weise nicht trennen könne. Des weiteren verbreitet sih der Bericht ausführlich über die von den Spaniern begangenen Graufamkeiten und erinnert an die von den amerikanischen Konsuln eingesandten Darstellungen; der Bericht erklärt, Spanien suche die cubanische Nasse systematisch zu vernihten. Dieser ganze Theil des Berichts spricht bon Spanien in sehr s@arfen Ausdrücken. Es heißt dannam Schluß : „Wenn Spanien in der Aktion der Vereinigten Staaten einen Grund zum Kriege sicht, so wird dieses Resultat von dem amerikanischen Volke, das auf die Gerechtigkeit seiner Aktion vertraut, acceptiert werden.“ Die Mehrheit der Kommission beantragt: „Fn der Er- wägung, daß die Lage auf Cuba, wie sie seit drei Jahren andauert und schließlich die Zerstörung des Panzerschiffs „Maine“ gezeitigt hat, nicht mehr länger ertragen werden kann, möge das Haus folgenden Beschluß fassen: Das Velk von Cuba ist von Rechtswegen frei und unabhängig. Es if die Pflicht der Vereinigten Staaten, an Spanien die Forderung zu stellen, und die Regierung fordert demgemäß, daß Spanien sofort feine Hoheitsrechte aufgebe, die Regierung über die Insel Cuba niederlege und unverzüglich seine Land‘ und Seestreite- kräfte von der Insel zurückziehe. Der Präsident der Ver- einigten Staaten wird ermächtigt und aufgefordert, die gesammten Streitkräfte der Vereinigten Staaten, soweit es zur Durchführung dieser Resolutionen erforderlich ist, zu verwenden." Der von der Minderheit der Senatékommission vorgelegte Bericht ist demjenigen der Majorität ähnli, weiht von diesem aber insofern ab, als er vorshlägt, die gegenwärtige, von den cubanishen Insurgenten ge- wählte Regierung anzuerkennen.

Der Senat traf in der gestrigen Sißung noch keine Ent- scheidung, sondern vertagte sih, nahdem die konservativen Senatoren einen Aufshub befürwortet hatten.

Der Majzoritätsberiht der Kommission des Repräsen- tantenhauses entspriht im wesentlihen dem Bericht der Mehrheit der Senatskommission. Der Bericht der Minorität spricht sih für die Anerkennung der Unabhängigkeit der cubanishen Republik aus, die durch die See- und Land- streitkräste der Vereinigten Staaten unterstüßt werden müsse. Das Repräsentantenhaus billigte nach stürmischer Debatte mit 324 gegen 20 Stimmen den von der Majorität seiner Kommission vorgelegten Bericht und verwarf den der Minorität mit 191 gegen 150 Stimmen. Ueber den Verlauf der Debatte in diesem Hause wird dem „W. T. B.“ S berihtet: Die unbeschreiblihe Aufregung des Nepräsentanten- hauses während der Verhandlungen verursachte bedauer- lihe Scenen. Die Deputirten rannten wie Tobsüchtige in den Gängen zwischen den Bänken umher. Der Deputirte Bartlett hleuderte ein Buh nach dem Deputirten Brunn: dieser wich dem Wurfgeschoß aus, das sein Gesicht streifte. Bevor die Ruhe wiederhergestellt wurde, taushten verschiedene Deputirte Schimpfworte aus. Endlich nahm die Kammer einen Antrag an, dem zufolge die Debatte auf 20 Minuten für die Redner jeder Partei be\{chränkt wurde.

Die repuölikanishen Mitglieder des Ausschusses für Mittel und Wege im Repräsentantenhause haben ihre Zu- stimmung dazu gegeben, falls die Nothwendigkeit eintreten sollte, eine weitere Kriegssteuer von 100 Millionen Dollars aufzuerlegen, und ebenso zu der Aufnahme einer inneren Anleihe in Bonds, welche 500 Millionen Dollars einbringen soll.

Das Marineamt hat beschlossen, die Dampfer der „American Line“ „St. Paul“ und „Sit. Louis“ anzukaufen. Das fliegende Geshwader ist, nah einer Meldung des „Reutershen Bureaus“, aus Old Point Comfort (Virginia) gestern mit versiegelten Ordres in südlicher Richtung in See gegangen. Offiziell wird jedoch mitgetheilt, daß dasselbe nur den Befehl zu 48stündigen Üebungen er- halten habe.

Die telegraphische Verbindung zwishen Key West und Havanna war gestern früh unterbrochen, ist aber wieder hergestellt worden.

Asien.

Der Prinz Heinrih von Preußen ist, wie das „Reuter'she Bureau“ berichtet, gestern an Bord des Kreuzers „Gefion“ von Hongkong nah Shanghai in See gegangen. Der Kreuzer „Deutschland“ wird die Reise erst später fortschen.

Der neue russishe Gesandte in China Speyer und der russishe Finanzbeirath Alexejeff haben Söul verlassen und sich nah China begeben.

Im Jnnern Koreas soll nach Berichten, die dem „Reuter'shen Bureau“ zugegangen sind, ein Aufstand aus- gebrochen sein.

Statistik und Volkswirthschaft.

Gewerbekraft und Gewerbeproduktion im Deutschen Reiche.

In dem kürzlich ausgegebenen Ergänzungsheft zum erften „Viertel- jahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs" für 1898, auf dessen Inhalt: die Hauptergebnisse der gewerblichen Betriebszählung vom 14. Juni 1895, im „Neichs- und Staats-Anzeiger“ bereits aufmerksam gemaht worden ist, hat das Kaiserlihe Statistishe Amt einen besonderen Abschnitt der textlihen Einleitung der „Sewerbekraft und Gewerbeproduktion“ gewidmet. Uüter Hinweis auf die starke, feit der Betriebszählung von 1882 eingetretene Vermehrung der im deutshen Gewerbe thätigen Menscenkräfte und Motoren wird die Frage aufgeworfen: „Welches ist die Leistung dieser Gewerbekraft Deutschlands, welche Meagen und Werthe von Gütern werden von den im Gewerbe thätigen Kräften erzeugt?“ Freilich ist die Statistik nah ihrem derzeitigen Stande nicht in der Lage, diese Frage ershöpfend zu beantworten, sondern nur zu einem ver- mihmatlia ziemlih geringen Theile; aber das, was in diesem Versuch eines Vergleihs von Gewerbekraft und Gewerbeproduktion an zuverlässigen Daten geboten wird, is troßdem von hohem Werth und verdient gerade in der Gegenwart das Interesse weitester Kreise. Es soll deshalb in Nachstehendem Einiges daraus mitgetheilt werden ; auf den übrigen Inhalt des Hefts zurückzukommen, wird \sich später noch Gelegenheit finden.

Um die Gewerbekraft eines Landes zu messen und in Ziffern auézudrücken, ist von dem Produkt der Kraftleistung zunächst ganz abgesehen die im Gewerbe verwendete einzelne Meenschenkraft, d. h. die Person, der gebräuhlihe Maßstab. Man pflegt, und das mit Recht, in erster Linie nah der Zahl der in den Gewerhbe- betrieben regelmäßig beschäftigten Personen zu fragen, wenn man eine Vorftellung von der nationalen Gewerbekraft gewinnen will ; denn diese Gewerbekraft besteht niht nur in der zur Aufwendung gelangenden Muskelkraft, sie begreift vielmehr auch die geistigen, die intellektuellen Kräfte in si, die selbst bei sogenannten mechanischen Verrichtungen der menshlichen Arbeitskraft ihren besonderen Charakter verlciben. Neben den Personen sind aber, und zwar heute mit sehr hohen Zahlen, in Rechnung zu stellen bie in den Motoren der gewerblichen Produktion dienstbar gemahten Glewentarkräfte, für die man als Maßstab die MeSau Se „Pferdestärke“ angenommen hat. Soweit mit diesen mechanischen Pferdestärken die menshliche Arbeitskraft überhaupt ver- glichen werden kann, hat man freilch in etwas roher, wissenschaftlich keineswegs einwandfreier Schäßung, wie das Statistische Amt mit Necht dazu bemerkt, annehmen zu dürfen geglaubt, daß die mechanische, niht ermüdende Pferdestärke gleih der von drei lebenden

ferden und die Muskelkraft eines Pferdes gleich der von 8 Männern sei.

rüdckt man nah dieser Schäßung die bei der Beiriebszählung von 1895 im Deutschen Reich ermittelten, der gewerblichen Produktion dienstbaren 3 421 194 mechanischen Pferdekräfte wobei die Lokomotiven der Eisens bahnen und die Motoren der Dampfschiffe sowie alle Wind- und elek- trischen Motoren nicht mitgerechnet sind inMenschenkräften aus, so erhält man rund 82 000 000 folher mehanishen Menschenkräfte, die zu den in den Gewerbebetrieben im Fahre 1895 ermittelten 10269 269 gewerbthätigen Personen hinzugerehnet werden müssen, um ein an- näherndes Bild von der Gewerbekraft zu “geben. Zu beachten ist dabei auch noch, daß erklärlicherweise nur die Kraftmaschinen als folche, niht au die sogenannten Arbeitsmaschinen, die dur ihre Vervoll- kommnung die Gewerbekraft so wesentlih gesteigert haben, von der Statistik in Betracht gezogen werden.

Geht man nunmehr zu den von der Neichsstatistik als Ausdruck der Gewerbekraft gebotenen Zahlen im einzelnen, und zwar zu- nächst zu der Zahl der Personen, über —- die Zahl der Betriebe kann hier ganz außer Betrack§t gelassen werden —, \o orientiert die nachstehende kleine Uebersicht über den Stand von 1895 und die Veränderungen seit 1882 zunächst im allgemeinen. Es find 1895 ge- zählt worden in

den Abtheilungen A. Kunst- und Handels-

gärtnerei und nit land-

wirthsaftliche Thierzucht

B. Industrie, einschl. Bergbau

und Baugewerbe . .

C. Handel und Verkehr, einschl.

Gast- und Schankwirth- E E . 2165688 = 21,1% 61,6 9/6 zusammen . 10 269 269 = 100,0 9% 39,9 9%

Die Abtheilung A, obwohl sie eine starke prozentuale Zunahme aufweist, fällt wenig ins Gewicht, die Abtheilung C dagegen {on sehr erheblih, beträgt doch in ihr die absolute Zunahme mehr als 800 000 Personen. Hier interessiert jedoch hauptsächlich die Ab- theilung B., Ir dustrie 2c., über die folgende Zahlen für die ein- ¡elnen Gewerbegruppen nähere Auskunft geben.

Personen

536 289 558 289 639 755 582 672 115 231 60,5 57 909 35/6 993 257 9,1 152 909 52! 160 343 31, 598 496 27, 1 021 490 37 1 390 604 10, 1045516 96,0 127 867 82,7

Zunahme feit 1882

92,9 9%

Personen

103 128 = 8 000 503 =

1,0 %

77,9 % 34,9 %

Zunahme seit 1882 24,7 0/9 59,9 392 63,6

Bergbau, Hüttenwesen, Salinen .

Steine und Erden

Metallverarbeitung

Maschinen, Instrumente

Chemische Industrie

Leuchtstoffe, Seifen

Textilindustrie

Papierindustrie

Lederindustrie

Holz- und Scnipstoffe

Nahrungs- und Genußmittel

Bekleidung und Reinigung

Baugewerbe

Polygraphishe Gewerbe

Künstlerishe Gewerbe 19 879 29,2 Zufammen . , 8 000 503 34,9 9%

Alle Gruppen zeigen sona eine Steigerung der Zahl der in ibnen beschäftigten Personen, freilich in fehr vershiedenem Maße. Ohne hier. eingehenderen Erörterungen Raum gewähren zu können, set nur darauf hingewiesen, wie gerade diese Zahlen für die einzelnen Gewerbegruppen es nahe legen, in der Zahl der Motoren eine Er- gänzung des Bildes zu suchen.

Was die in den Motoren zum Ausdruck gelangende Gewerbe- kraft nah mechanischen Pferdestärken betrifft, so mögen wieder einige Zahlen die der Betriebe interessieren au hier nicht zunächst im allgemeinen orientteren.

Es waren 1895 in Verwendung in

_den Abtheilungen: A. der Kunst- und Handelsgärtnerei und nihtlandw. Thierzucht Nis B, der Industrie, eins{chl. Bergbau und

Baugewerbe C. dem Handel und Verkehr, einschl. Gast-

und Schankwirthschaft

7 9 4 3 4

L L zu « «A « A n æ «a « «

Pferdestärken 1181 0,0 9%, 3 362 092 98,0 9/0,

2,0 9%, l R 3421 194 100,0 °/0.

Hier treten die Abtheilungen A und C ganz in den Hintergrund, wobei freilich nicht zu vergessen ist, daß, wie oben angedeutet, die im Verkehr verwendeten Motoren mit ihren Pferdestärken nur zum aller- kleinsten Theil berücksi{chtiat sind. Die Abtheilung B, Indu strie 2c., nimmt 98 %6 aller gezählten meWwanischen Pes in Anspruch. Leider ist ein Vergleich mit den Zahlen früherer Aufnahmen nah den bisher veröffenilihten Daten noch niht möglich und wird fich über- haupt nur zum theil ermöglichen lassen. Borläufig müssen wir uns damit begnügen, zu erfahren, daß die Zahl der im Gewerbe über- haupt (Abtheilung A bis C) verwendeten mechanischen § E (aber abgesehen niht nur von den 1895 nit gezählten Pferdestärken der Wind- und elektrischen Motoren, sondern auch von den 21912 im Jahre 1895 gezählten Pferdestärken von Petroleum-, Benzin-, Aether- und Druckluft-Motoren) ih von 1875 (niht 1882) bis 1895 gesteigert hat j

von 1055750 auf 3399282, also um 222,09, wobei übrigens noch zu bemerken f daß 1875 nur die Motoren in Betrieben mit mehr als 5 Gehilfen berücksihtigt worden find, in deren Zahl freilich damals ziemlich alle Betriebe mit Motoren ent- halten gewesen sein dürften.

Für das Jahr 1895 läßt die nahstehende Ucbersicht die Zahl der verwenveten mechanishen Pferdestärken in den einzelnen Ge- werbegruppen der Abtheilung B: Industrie 2c. erkennen:

Pferdsestärken 994 050 197 770 141 900 182 767 83 164 29 613 514 986 201 422 32 602 203 238 686 279 19 236

Bergbau, Hüttenwesen, Salinen . . . Steine u. Erden

Metallverarbeitung

Maschinen, Instrumente

Chemische Industrie... Leuchtstoffe, Seifen

Textilindustrie Papierindustrie Lederindustrie

Holz- u. Schnißstóffe Nahrungs- u. Genußmittel Sun u. Reinigung Dad N 46 274 Polvaraphishe Gewerbe 18 430 Künstlerishe Gewerbe ....... 361

Zusammen , . 3352 092

Es ift nun noch von Aeresse, zu üb erblicken, wieviel mechanisGe ferdestärken in den einzelnen Gewerbe gruppen prozentual auf die in

n beshäftigten Personen fallen. Folgende Zahlenübersiht er- möglicht dies für das Jahr 1895, Ot er

Auf je 100 gewerbthätige Personen kommen in den Ge- werbegruppen der Abtheilung B Pferdestärken

Bergbau, Hüttenwesen, Salinen . ., , 185,4 Steine und Erden

Lederindustrie

Holz- und Schnibstoffe Nahrungs- und Genußmittel Bekleidung und Reinigung Baugewerbe

Künsftlerische Gewerbe / j im Ganzen . , 41,9 Weit wentger vollständig als das Bild, welches die Statistik von

Montan

Beschäftigte

Gewerbearten der Gewerbestatiftik

Eisenerzbergwerke (IIla 1)

Sonstige Erzbergwerke (111 a 2)

Silber-, Blet-, Kupfer-, Nickel-, Arfenikbütten (TIITb und: 2) 2

Salzbergwerke (1IT c 1)

Salinen (IIT c 2)

Steinkohlenbergwerke (III1 d 1)

Braunkohlenbergwerke (II1 a 3)

Rübenzuckerfabrikation (XIIT a 4) Brauerei (X1II1 6 5) 97 682 Branntiweixbrennerei (XII1 6 6) 35 458

Beim Branntwein liegen die Produktionsmengen für 1882 nicht vor.

Abgesehen von diesen wenigen einzelnen Gewerbearten, deren Produktionsmengen bekannt sind, ift es, wie gesagt, nur mögli, die Ausfuhrmengen und Ausfuhrwerthe auf der Seite der Produktion der Personenzahl auf der Seite der Gewerbekraft gegenüberzustellen, und zwar zunächst für das ganze Gewerbe, wie folgt : 1895 1882 Zunahme

Beschäftigte Personen 10 269 269 7 340 789 39,9 9% Ausfuhrmengen 23 830000 17208 956 38,4 9/9 Ausfuhrwerthe (1000 A) 3 424 076 3 279 921 4,4 9/9

Für die drei großen „Gewerbeabtheilungen“ lassen sich vergleich- bare Zahlen nit gegenüberstellen und auch nit für die große Mehbr- zahl der „Gewerbegrupven“. Nur für die Gruppen der Tertils-

Perfonen 1895 20 670 48 258

24 564 7 370

3 668 298 380 32 640

95 162

industrie und der chemischen Industrie hat das Statistishe Ant einen |

Vergleich der Personenzahl mit den Ausfuhrziffern als zulässig erkannt und ihn, wie folgt, angestellt:

29 961 49 142

17 044 859 534

173 883 24 781 Nahrungs- und Genußmittelindustrie. 67 288

68234 5525 33 990 2 95

der Gewerbekraft zu geben vermag, if das, was sie von d

, M er Wes werbeproduktion zu bieten im stande i, und (d. as nur verhältnißmäßig wenige Zablen, tie für die Gewe1bekraft einer- seits und die Gewerbeproduktton cnderérseits als verglei{bar einander gegenüber gestellt werden können. Nur sür die Produktion der Bergs werke, ite und Salinen, sowie für die Bier-, Branut- weine, aba - und Zudckerfabrikation stehen der Statistik

Zahlen zur Verfügurg, aber auch diese sind nit durdweg mit den von der Gewerbestatistik gebotenen Zahlen über die Gewerbekraft vergleihbar,

daß z¿. B. e Herstellung von Eisen und Stahl bei den hier an- gestellten Vergleichen ganz außer Betracßt bleiben mußte. Auch von der Tabackfabrikation hat man abgesehen, weil sie vorwiegend aus- ländische Blätter verarbeite und daber nit gut mit der inländischen

Tabackproduktion in Verbindung geseßt werden könne. Bei den übrigen Produktionszweigen kennt die Statistik nur den Theil der Gewerbeprodufkte Ns, der von der Ausfuhrstatistik erfaßt wird, über die ganze große Masse der im Inland vertriebenen und verzehrten Produkte kann fie keinen Aufschluß geben.

___ Soweit vergleihbare Zahlen vorliegen, seien zunä@st ür di einzelnen Gewerbearten, deren P duo Li en E be Ma die Ziffern bon Gewerbekraft und Produktion für 1895 und 1889 einander gegenübergestellt, wobei aus den angedeuteten Gründen als ÄAusdruck der Gewerbekraft nur die Zahl der Personen, nit auch die der Motore zur Anwendung kommen fann. industrie.

Produktionsmengen (in 1000 t) 1882 8 263 1 708

Zu- oder Abnahme seit 1882 an ersonen Produktion 31,0%

1882 1895 12 350

1778

+ e D [Sj L S

+ +

3 876 2 209 1 524 3 659 898 739 79 169 92 119 24 788 13 260

1767 600 0 000 hl 39 036 000 h] 2 000 11 (Alk)

Textilindustrie

++ ++++

Chemische Industrie an 99 Zu- u. j ü- 1m. 1906 1992 ide 1900 10 E Personen . . . 993 257 910 089 E 91% 115231 T1777 -+60,5 9/9 Ausfuhrmengen

(6) 293 749 210 464 +20,6% 651 341 471 218 -+38,2 9/0 Ausfuhrwerthe

(1000 A) 779 472 832 205 6,3% 290 097 221 298 4-31,1 9%

Des weiteren ist es mögli gewesen, für eine lange Neihe einzelner

Gewerbearten die Personen- und die Ausfuhrziffern gegenüberzu- stellen. Das sehr beachtenswerthe Ergebniß dieser Vergleiche hier ershöpfend wiederzugeben, dazu gebridht es natürlih an Raum. Nur Einiges sei daraus mitgetheilt. Was zunächft die (1895) personen - reichsten Gewerbezweige (aus einer oder mehreren Gewerbe- arten bestehend) beirifft, so haben sich für sie folgende Zahlen ergeben: 1995

1 Personen

M oder Abnahme seit 1882 9

9 Ô

2 D Ausfuhr Ausfuhr

(Tonnen) (1000 M)

763 620 299 195 261 916

Schneiderei, Konfektion, Putmagherei (XIV a 1—6) , Tischlerei und Parquetfabrikation (XII þ E Bäereti und Konditorei (X[111 a 2 und 3) Steinkohlenbergwerke (III d 1)

Fleisherei (XIII b 1)

Wollenweberei (IX c 2)

Tabadfabrikation (X11 b)

178 873 153 098 153 080

„Baumwollenweberei (1X c D 147 121

110 267 95 162

Getreide-, Mahl- und Schälmühlen Ga Rübenzuckerfabrikation (XII1 a 4)

2098380 10360838

11 580 12 808 2 046

115 074 26 388 Le 106 960 3 941 171 753 5196 71 794 96 763 129 867

16,1 0/9 34,0 9% 50,0 9/5 48,6 9% 452 9% 41,7 0/9 35 0 9% 17,1 9%

7,0 9% 41,4 9%

96,3 9/0 10,9 9% 73,9 9/0 35,8 9/0 47,1 9% 39,7 0/0 37,3 9% 37,3 9/0 94,7 9/9 + 156,2 9%

2,2 9/0 10,7 9% 66,5 9/% 59,3 9% 48,1 %

6,1 9%

8,3 9/6 13,0 9/9

7,9 9/0 22,9 9%

3134 27 944 [l 098 20 267 188 405 894 048

+1 ++++++++ ++1+1+1 1+

Abgesehen von den vorstehend durch hohe Ausfuhrmengen ausgezeichneten Gewerbezweigen (Steinkohlenbergwerke, Nübenzuder-

fabrikation und Mühlen), seien als solhe noch genannt: L Personen

20 670

8 337 20 809 74 972 11 038 77 846

6 461 49 606

(Tonnen) 2 480 136 2 293 326

Eisenerzbergwerke (III a 2)

Verkokungsanstalten (111 à 2)

ementfabrikation (1V b 3)

olzzurihtung und -Konservierung (X11 a 1 e B) 4 Salzgewinnung (111 e 1 + 2) Papier- und Pappefabrikation (Xa l b) Schwarz- und Weißblechherrihtung (V c D) a es Glashütten, Glasveredelung, Glasblâferei (IV e 1——3) Brauerei (XII1 e 5) 97 682 Stärke- und Stärkesyrupfabrikation Ia D 7747

Schon diese Zahlen laffen erkennen, auf welch reihes Gebiet werthvoller Beobachtungen das Kaiserlihe Statistishe Amt dur seinen Versuch, die Produktion, oder doch wenigstens die Ausfuhr, mit der Gewerbekraft zu vergleichen, hingewiesen hat, Wenn die neuer- dings aufgenommenen Bemühungen, die gewerbliche Produktion, auch soweit fie vom inländischen Markt aufgenommen wird, annähernd ¡ahlenmäßig zu erfassen, zu einem erfolgreihen Abschluß gediehen sein werden, dann wird die Weiterverfolgung der vorstehend besprochenen Arbeit sicher für Wissenschaft und Praxis neue werthvolle Aufichlüsse und Anregungen zeitigen.

Die Durchschnittspreise der wichtigsten Lebens- und Futtermittel betrugen in Preußen im M ärz 1898: für 1000 kg Weizen 187 (im ebruar 1898: 189) 4, Roggen 139 (138) Æ, Gerste 151 (148) 4, Vafer 148 (143) #, Kocherbsen 219 (214) M, Speisebohnen 464 (263) , Linsen 408 (418) 4, Gßkartoffeln 51,1 (49,5) M, Richtstroh 40,8 (41,2) 46, Heu 94,8 (55) 4, Rindfleish im Groß- handel 1040 (1041) 6; für 1 kg Rindfleish von der Keule im leinhandel 135 (13ó) Pf., vom Bauch 115 (116) Pf., Schweinefleisch 138 (138) Pf., Kalbfleisch 127 (129) Pf, Hammelfleisch 125 0126) Pf., inländischen geräucherten Speck 159 (157) Pf.,, Eßbutter 19 (219) Pf., inländishes Schweineschmalz 158 (158) Pf., Weizen- (6) tpr 80) Pf., Roggenmehl 26 (26) Pf.; für ein Shock Eier 333

Zur Arbeiterbewegung.

l Aus Osnabrück meldet „W. T. B.*: Nunmehr sind sämmt- he Arbeiter der Georg-Marienhütte in den Ausstand ge- teten, „Nuhestörungen sind niht vorgekommen. Die Gendarmerie verstärkt worden. d Aus Sharley in Oberschlesien berichtet der „Vorwärts* nach êr „Katt. Ztg,*, der Ausstand der Bergarbeiter (Neue Helenen- De) habe damit geendet, daß die Arbeit zu den alten Bedingungen sein er aufgenommen wurde; etwa 25 Arbeiter follen entlafsen worden

In Leipzig haben, einer Mittheilung der „Lpz. Ztg. * zufolge,

n Arbeiter einer Firma der Zementbranche wegen Lohnstreits è Arbeit eingestellt.

cin ¿M Varel (Oldenburg) is, wie der „D, W.* berichtet wird, großer Theil der Maurer wegen Lohnstreits ausftändig.

Vert n Cardiff hielten, wie die Londoner „A. K.“ mittheilt, die

eine er der südwallisishenBergwerksbesitzer am Dienstag

lunge ferenz mit den Vertretern der Arbeiter ab. Die Verhand- den wurden abgebrohen, da den Arbeitgebern die Voll-

2 3 F; ) Ausfuhr Ausfuhr Mi oder Se leit 1882

D 3 23 I) % 337,5 9/0 13,0 9% 60,4 9/0 3 1 ,8 9/0 83,9 0% 83,9 9/0 74,9 9/0 29,5 9/9

(1000 46) 7 439 35 574 471 126 12 009 273 066 13 959 196 344 2 435 167 487 T7232 128 795 16 971 116 687 37 802 77 145 14 495 43 699 9 167

31,0 % + 53,2 9% 108,6 9/6 + 379,4 9% 111,1 9% + 88,3 %

94,4 %/0 97,0.0/%

46,5 9/0 -+ 831,9 9%

41,8 9/6 + 116,7 % 121,0 % -+ 188,5 9%

56,6% + 8960/0

G —. 4000

O Too 49,2 9/0

maten der Arbeitervertreter nicht genügten Sieben Zehen haben den Arbeitern eine zehnprozentige Lohnerhöhung bewilligt. Infolgedessen wurde dort die Arbeit wieder aufgenommen. Die Hedley’shen Zechen haben sogar eine allgemeine 22èprozentige Lohnerhöhung zugestanden. Sie gehören dem Verbande der Berg- werksbesißer nicht an.

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Kunst und Wissenschaft.

Am 31. März ist in Wien das erste Jahresheft eines Desterreihishen Archäologischen Instituts ausgegeben worden, mit 14 wissenschaftlihen Aufsäßen und einem Beiblatte mit acht kleineren wissenschaftlihen Mittheilungen und an erster Stelle dem Statut des genannten Jnstituts, wie es dur Erlaß des K. K. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 30. Dezember 1897 veröffentlicht ist. Das Statut ist provi- sorisch, bis zur erfolgten Annahme durch die Landesvertretung.

Das Austreten eines solchen neuen Jnstituts ist ein Ereigniß auf dem Gebiet der betheiligten Fachwissenschaft, der Alterthumswissenschaft überhaupt und darüber hinaus in allen Kreisen, welhe unserer allgemeinen Bildung ihr Jnteresse widmen. Diesen wird es bemerkenswerth sein, mit wel{ch? einem gesteigerten Eifer sich die verschiedenen, unserem nächsten Kulturkreise angehörigen Nationen mit großen Veranstaltungen an der Erforshung des klassischen Alterthums zu betheiligen suhen. Den verwandten Jnstituten Deutschlands, Nord- Amerikas, Englands, Frankreihs und Rußlands um nur die zu nennen, welche mit ihrer Thätigkeit über ihren heimath- lihen Boden hinausgreifen wollen, reiht sih jegt ein öster- reihishes an, neu und doch nicht ganz neu; denn es war in den Keimen längst vorhanden und hatte sih schon seit einigen Jahren fester zu gestalten begonnen, mit der Einrichtung von wissenschaftlihen Stationen in Konstantinopel, Smyrna, Athen und mit seinem Mittelpunkte in Wien, wo vor allem Hofrath Benndorf ane i M e Lire immer zahlreicher zu- wachsenden Fachgenossen dafür einseßte.

Vier immer stärker und fester heraustretende unge thätigkeit ist wie mit Naturnothwendigkeit aus Oesterreichs eographisher und damit politisher und kommerzieller Stellung n der Levante hervorgegangen und kann nicht anders als

auf diesem Boden kräftig weiter wachsen, sobald die Männer

nicht r das glüdlih Begonnene for ege Und daß fie nicht fehlen werden, dafür scheint schon die stattliche Hal der Mitarbeiter des ersten Zahresheftes zu bürgen, ihre Zahl nit nur, sondern ihre in den verschiedensten Ri tungen immer auf ein großes Ziel hin gerichtete Leistung.

__ Wenn das neue Jnstitut, gewiß allseitig begrüßt, in die Reihe der Schwesteranstalten eintritt, so wird ihm der Gruß besonders warm von der deutschen Seite kommen, mit dem Wunsche zugleich, daß die besonders nahe Arbeitsgemeinschaft, welche uns bisher verband, mit der Neugestaltung sich nit lôsen, sondern nur, in ihren Kräften gesteigert, um so wirk- samer weiterbestehen möge.

Das Gemälde „Germania ruft das Volk zu den Waffen“, das der verstorbene Geshichtsmaler Professor O tt o Knille im Jahre 1871 für eines der Velarien der Siegesstraße in Berlin ge|haffen hat (vgl. Nr. 87 d. Bl.) if, wie die „Nat. -Ztg.“ mittheilt, doch erhalten geblieben: es \chmüdckt seit dem Jahre 1875 die Aula des Askanischen Gymnasiums hierselbst und ist scitdem von dem Künstler auch einmal restauriert worden.

/ Aufnahmen mittelalterlißer Wand- und Dedckens-

Malereien in Deutschland. Unter Mitwirkung von H. Kolb, Professor und Dirigent an der Königlichen Kunstgewerbeshule in Stuttgart, und D. Vorländer, Maler und Lehrer an der Herzog- lichen E in Holzminden, herausgegeben von Nichard Borrmann, Professor und Regierungs-Baumeister. Berlin, Verlag von Ernst Wasmuth. Zweites Heft. Die beiden ersten Tafeln dieses neuen Hefts der {öônen und werthvollen Psblikation bieten eine Probe von den Wandmalereien aus der Georgs-Kirche zu Oberzell auf der Insel Reichenau im Bodensee. Diese Malereien haben eine kunst- geschichtliche Bedeutung, weil sie vielleiht die frühesten noch erhaltenen Schöpfungen ihrer Art auf deutshem Boden sind. Die erste Tafel zeigt einen Theil des Weltgerichtsbildes über dem Häupteingang zur westlichen Apsis, innerhalb der Vorhalle: in der Bitte, in spigovaler Mandorla, thront Christus mit den Wundmalen, die Füße auf der Weltkugel ; rechts von dem Heiland sieht man einen Engel mit dem Kreuz, links Maria fürbittend ; zu beiden Seiten, auf buntfarbigem Strceifenhintergrund den Chor der Apostel, darüber in einer dem Raum entsprehenden hortzontalen Anordnung fliegende Engelgefstalten. In dem die Darstellung nach oben abschließenden Maeanderfriese (einige andere Muster sind am Fuß der Tafel wiedergegeben) ersheinen Sonne und Mond; s@male Frieëstreifen untor den Apostelgestalten enthalten die Halbfiguren der Auf- erstehenden noch ohne Scheidung der Seligen und Verdammten. Die zweite Tafel zeigt in der oberen Hälfte eine von den figür- lihen Darstellungen: die Heilung des Wassersüchtigen, in der unteren die wichtigsten ornamentalen Motive der Malereien des Langhauses. Die Malereien lassen im Figürlichen wie im Ornament den Stil des karolingish-ottonishen Zeitalters erkennen, in dem noch die antif- römische Kunstüberlieferung nachklingt; sie sind ebensowohl zu unter- scheiden von den gleichzeitigen byzautinishen Arbeiten wie von denen der eigentli romanishen Kunstepoche, seit etwa dem Ende des 11. Jahr- hunderts. Die Figuren {find vorwiegend lang und hager mit auffallend großen Extremitäten. Ob die Wandbilder al fresco oder in Tempera gemalt find, hat si noch nit entscheiden lassen. Auf der dritten Tafel feht man einige n der Wandmalereien aus der Kapelle der Burg Hoch - Eppan bet Bozen in Tirol: die Jungfrau mit dem Christkinde aus dem Nischengewölbe der Vauptapsis sowie Friese mit romanischen Palmetten und anderen Ornamenten. Diese interessanten Malereien müssen bereits vor der Mitte des 12. Jahrhunderts ent- standen sein. Ebenfalls unweit von Bozen, nah Süden zu, liegt der berühmte Weinbauort Tramin, defsen kleine alte Jakobskirche die Vorwürfe zu den Darstellungen auf der nächsten Tafel geliefert bat: zwei Apostelfiguren, die in eine Bogenarchitektur aus leichten blatt- ftengelartigen Säulen mit flahen Bögen eingeordnet sind, fowie den die Darstellung oben abschließende Zickzackfries (aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts). Die auf derselben Tafel wiedergegebenen Reste einzelner ornamentaler Motive aus der Kapelle der Burg Tirol bei Meran zeigen schon deutli den gothishen Stil. Diesem gehören au die Wandmalereien aus dem Cistercienser-Klofter Marlbronn in Württemberg an, von denen die folgende Tafel eine Anschauung giebt. Man sieht darauf einen der musizierenden Engel von den Kreuzgewölbekappen aus einer der Kapellen an der Südseite der Klosterkirhe, die shlanke bartlosec Figur eines Christophorus mit dem Christkinde und dem einem Palmwedel gleihenden Baumstamm im Arm, von einem Pfeiler am Choreingange, ferner einige der Wappen- {ilde alter Adelsgeshlechßter von den Arfkaden des Lang- hauses und verschiedene Muster der spätgothisGen Ornamente - von den Laibungen dieser Rundbögen und aus den Seiten- gewölben. Leßtere find dur den Wechsel in den Motiven, die Farben- zufammenstellung und die gefällige Stilisierung natürlicher Pflanzen besonders anziehend. Die \cchste Tafel bveranshaulicht einige Muster der ornamentalen Malereien in der Klosterkire zu Wienhausen bei Celle, aus der {on die erste Lieferung eine Reibe figürliher Darstellungen dargeboten hatte. Die hier mitgetheilten Rankenornamente von Fenster- oder Blenden-Laibungen zeigen an Stelle der der Natur ent- lehnten Blätter und Blumen, wie sie die dekorative Kunst der Frühgothik liebte, heraldische Lilien, Nosetten und Eichenblätter in streng stilisfierter Flächenzeihnung. Interefsant sind auch die daneben mitgetheilten, aus Löwen- und Hirschbildern komponierten Friese sowie die Muster von Ge- wändernund Stoffhintergründen. Aufder vorletzten Tafel sieht manProben der Wand- und Dedkenmalereien aus der kleinen St. Veits-Kirche zu Mülhausen am Neckar. Die hier dargestellten Flachornamente find am Schlusse des 15. Jahrhunderts entstanden. Besonders kräftig und wirkung8voll erscheint ein in Grün, mit aufgeseßten weißen Lichtern gemalter Fries von frautartigem Blatt- und Nankenwerk. Auch einige Schablonenmuster von der Holzdee und der Emporenbrüstung sind sehr interessant und finden ihren lehrreihen Gegensaß in den auf dieselbe Weise hergestellten Malereien von der Holzdecke der St. BMichaels-Kirche zu Gltlingen (ebenfalls in Württemberg), mit denen sie auf der leßten Tafel des Hefts zusammengestellt find. Bei allen diesen Ornamenten (die in den Jahren 1487/88 entstanden sind) ist das Muster der Schablonen- technik entspreend vereinfaht und für eine klare Slächenwirkung unc- gestaltet. Die Eintönigkeit der reinen, \chwarz-weißen Flahmuster wird dadur aufgehoben, daß einzelne Theile als Swhrägstreifen oder als Quadrate in shachbreitartiger Anordnung, mit wechselnden Farben, roth und grün getönt sind. „_ Motive und Charakter dieser gemalten Ornamente entsprechen vollständig den farbig bemalten Flahs{nißzereten an Möbeln und Bauschreiner-Arbeiten aus der ¿weiten Hälfte des 15. und dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Man wird aus dieser Inhaltsangabe ersehen, welche reie Mannigfaltigkeit an interessanten und mit künstlerishem Verständniß ausgewählten Proben der ältesten dekorativen deuts{hen Malerei aus kirhlihen und profanen Bauten auch dieses neue Heft des Werkes aufzuweisen hat. Dem Herausgeber wie der Verlagshandlung gebührt für diese Publikation seitens der Kunstfreunde um fo größerer Dank, als die darin dargestellten Denkmäler leider einer tägli fortschreiten- den Zerstörung durch den Faun der Zeit ausgeseßt find und ihre Er- haltung durch sorgfältige Reproduktionen deshalb zu einer von der Kunstwissenshaft immer dringender erhobenen Forderung wird. Auch die vortrefflihe Wiedergabe der Aufnahmen in vielfarbigem Litho- graphte-Druck gereiht der Wasmuth'schen Anstalt um Lobe. Das auf etwa 10 Hefte (groß Folio, mit je 8 Tafeln und erläuterndem Text) berehnete Werk kann au praktischen Nutzen stiften, indem es Architekten und Malern die besten Vocbilder für eine stilritige Aus- malung fkirchliher oder profaner JInnenräume romanishen und gothishen Stils darbietet.