1898 / 94 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Apr 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Durchschnitts- preis für Durch- 1 Doppel- | sGnitts- zentner preis

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t C N Frankenstein i. Schl. S Schönau a. K. Halberstadt . . Eilenburg C

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Limburg a. L. . Dinkelsbühl. Schweinfurt . Biberach. x Ueberlingen. . Scchwerin i. M. . Braunschweig . Altenburg

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16,20 15,80 16/50 1400 16,00 14,80

- No: Hafer. 15,80 16,20 14,609 15,20 15,00 15,25 14,60 14,80 17,00 17,00 17,00 17,50 14,00 16,00 17,50 17,60 16,67 15,00 15,00

_——— 16 65 16,00 16,20 16,40 16,50

16,00 16,60

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14,50 16,50 17,00 16,50 17,50 15,20 f

| 14,76 BEmexrbuüungen.

16,20 15,20 15,50 15,20 17,50 17,50 16,00 18,50

15,75 18,00 16,50 18,00 16,00 17,60 17,20 15,00 17,00 17,50 15,50 15,60

15,80 14,60 14,75 14,40 16,50 17,00 14,00 16,60 16,00 14,75

16,00 16,30

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14,17

16,20 15,00 16,52 16,32 15,62

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14,32

16,25 15,50 16,97 16,25 16,46

16,33

1500 15,00 14,80 16. 4.

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet. Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist; ein Punkt (.) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 63. Sißung vom 20. April 1898.

Auf der Tagesordnung steht die Jnterpellation der Abgg. Szmula und Genossen: i

„Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß in den ö ft- lihen Provinzen speziell in der Provinz Schlesien sowohl bei Groß- als Kleingrundbesißern ein derartiger Mangel an ständigen Dienstboten und landwirthschaftlihen Arbeitern vorhanden ist, daß die Landwirthe niht mehr im stande find, rechtzeitig und rationell ihre Felder zu bestellen und abzu- ernten? Auf welhe Weise gedenkt die Königliche Staatsregierung diesem Uebelstande abzuhelfen, sofern die Zulassung russisher und öfterreihischer Dienst- und Arbeitskräfte nah wie vor nicht den Be» dürfnissen entsprehend gestattet wird ?“

Nach der Begründung der Jnterpellation durch den Abg. Szmula (Zentr.), über die bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, nimmt das Wort der

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hamme r- stein:

Meine Herren! Die Beantwortung der Interpellation wird eine Reihe von einzelnen Punkten berühren müssen. Theils desbalb, ‘um Teinen dieser Punkte zu übergehen, theils aber au, weil ich Werth darauf legen muß, daß die Antwort rücksichtlich einzelner Punkte genau präzisiert und niht mißverstanden wird, habe ich mich ent- shlossen, die Antwort niederzushreiben, und ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubniß, dieselbe verlesen zu dürfen. Selbst- verständlih bin ih bereit, im Laufe der Diskussion zu den einzelnen Punkten die erforderlihen weiteren Erläuterungen zu geben.

Meine Herren! Der Königlichen Staatsregierung ist bekannt, daß in den östlihen Provinzen , speziell auch in der Provinz Shlesien, sowohl beim Groß- wie beim Kleingrundbesit v or- übergehend Mangel an landwirthsaftlihen Arbeitern und in einzelnen dieser Landestheile auch an ständigen Dienstboten ein- getreten ift.

Die Königliße Staatsregierung is gewillt, wie bisher, au fernerhin polnische, russishe und galizishe Landarbeiter zuzulassen und da, wo dafür ein Bedürfniß erwiesen wird, das Verbleiben dieser ausländishen Arbeiter in den östlichen Pro- vinzen anstatt, wie bisher, bis zum 15. November künftig bis zum 1. Dezember jeden Jahres zu gestatten.

(Heiterkeit.)

Wenn und soweit die Zulassung russischer bezw. galizisher ITandwirthschaftlicher Arbeiter dem Bedürfniß nicht genügt, haben die Betheiligten die Heranziehung anderer außerdeutsher Arbeiter zu erstreben.

2) Um die Verwendung von Sträflingen, Korrigenden 2c. bei TJandwirthshaftlichen Arbeiten zu erleihtern, wird die Königliche Staatsregierung die reglementarishen Bestimmungen über die Be- [chöftigung von Sträflingen und Korrigenden mit landwirthshaft- lihen Arbeiten einer Revision unterwerfen,

3) Villigen Wünschen auf Zulassung schulpflichtiger Kinder zu Iandwirthshaftlichen Arbeiten hat die Königliche Staatsregierung hon jeßt Rechnung getragen und wird das auch fernerhin thun,

4) Die General-Kommandos sind zuständig, im aktiven Militär- dienst stehende Mannschaften zu dringenden landwirthschaftlichen Arbeiten Erntearbeiten 2c. zu beurlauben. Begründeten Anträgen werden dieselben wie bisher zu entsprechen bereit sein, soweit dies militärische Interessen irgend gestatten.

5) Durch die Allerhöchstenorts genehmigten Bestimmungen, betreffend die Uebungen des Beurlaubtenstandes, wird bei der Wahl des Zeitpunktes für Abhaltung von Uebungen das Interesse der am meisten betheiligten bürgerlihen Berufskreise, besonders auch das der Landwirthschaft, wie bisher, so au künftig möglichst berüdsihtigt werden.

6) Die Dienstvorschriften über Marschgebührnisse an zur Ent- [laffung gelangende Mannschaften werden in der Richtung revidiert werden, ob dur diejelben dahin zu wirken ist, daß die dem land- wirthschaftlißen Beruf angehörenden Mannschaften sich ihrem früheren Beruf, und zwar thunlichst in ihrer Heimath, wieder zu- wenden.

7) Die Erfahrungen mit dem Versuch der Einrichtung mili- tärisher Arbeitsnahweisebureaux in den Garnisonorten sind noch niht umfangreih genug, um über ihren Nutzen und die Art der Einrichtung ein abschließendes Urtheil zu gewinnen; ihr Zweck ist aber wesentlich mit, die zur Entlassung gelangenden Mannschaften aus dem landwirthshaftlichen Beruf dem leßteren, und zwar mög- Iihft in der Heimath der Entlassenen, zu erhalten.

8) Die Königliche Staatsregierung wird beim Bundesrath be- antragen, daß dem nächsten Reichstage ein Gesetzentwurf zur Ver- abschiedung vorgelegt werde, durch welchen das Gewerbe der Ge- findevermiether und Stellenvermittler konzessionspflichtig gemacht wird.

(Bravo! rets.)

9) Die Arbeiterwohlfahrtépflege auf dem Lande bedarf der thunlichsten Förderung. Ueber diese Frage wird ein Benehmen mit den landwirthschaftlihen Interessenvertretungen in die Wege ge- leitet werden, um diese vorwiegend dem Gebiet der Selbsthilfe an- gehörende Aufgabe auch staatlicherseits zu fördern.

10) Zu erwägen wird sein, ob und eventuell dur welche Maß- nahmen eine Beschränkung der Auswüchse des Rechts auf Frei- zügigkeit (hört, hört! links), welches eine Entvölkerung des Landes und eine ungesunde Bewegung der ländlihen Bevölkerung nach den Industriebezirken und nah den Städten gezeitigt hat, zu erstreben sein wird.

(Bravo! rechts.)

11) Abhilfe gegen die beregten Mißstände zu gewähren, ist nit allein Aufgabe des Staates, vielmehr muß auch die Selbsthilfe kräftig mit eingreifen. Unter Selbsthilfe is, wie Herr von Mendel dies in der Sißung des Abgeordnetenhauses vom 28. Januar d. J. weiter ausführte, das selbstthätige Eingreifen der Landwirthe bezw. ihrer Vertretungsorgane, soweit erforderli unter Mitwirkung des Staates, besonders nah Bedarf auch in finanzieller Hinsicht zu verstehen.

12) Endlich wird der Staat bei öffentlihen Arbeiten, soweit das nothwendia, um Arkeitermangel vorzubeugen, auf zeitweise Heranziehung auswärtiger Arbeitskräfte Bedacht nehmen.

Meine Herren, ih ‘enthalte mich jeßt, auf die sahlichen Aus- führungen des Herrn Abg. Szmula näher einzugehen; aber einzelne Punkte bin ih doch genöthigt sofort zu berühren und Widerspruch dagegen zu erheben.

Der Herr Abg. Szmula hat im Eingang seines Vortrags aus- geführt, es sei bei Einbringung der Interpellation ein Regierungs- kommissar ershienen und habe die Erklärung abgegeben, daß die Staatsregierung zur Zeit die Juterpellation zu beantworten nicht in der Lage sei; derselbe habe dabei darauf hingewiesen, daß über die thatsählihen Verhältnisse bezw. die zu ergreifenden Maßnahmen noch Verhandlungen {weben. Der Herr Abg. Szmula bezeichnete es als unerhört, daß dadur die Erledigung der geradezu gefahrdrohenden Frage verzögert fei. Nicht ein Regierungskommissar, sondern der Unter-Staatssekretär des Landwirthschafts-Ministers hat in Vertretung des Ministers die beregte Erklärung abgegeben, (Bewegung.) Unzutreffend is ferner, daß die Minister sih der Beantwortung der Interpellation oder auch der Theilnahme an der Berathung un- berechtigterweise entzogen haben; denn sowohl der Herr Minister des Innern, als ich waren dur eine Staatsministerialsizung behindert hier zu ersheinen. Sachlih, glaube ih, hätte es kaum einen Zwedck gehabt, während die Verhandlungen über die Frage bei der Staats- regierung noch nicht abgeschlossen waren, schon eine Antwort zu er- theilen, die nur eine unvollständige Erledigung der Sache herbeigeführt haben würde.

Der Herr Abg. Szmula hat wie ih glaube, in ironischer Richtung den Ausdruck gebraucht „Bescherung mit dem Nord- deutshen Bund*. Meine Herren, ih glaube, nicht weiter festzustellen zu sollen, daß er mit der Auffassung, die ih durch diese Aeußerung kundgegeben hat, nicht allein hier im Hause, sondern in unserem deutshen Vaterlande isoliert steht. (Widerspruch des Abg. Szmula.) JIch glaube, daß wir in ganz Deutschland dankbar dafür sind und sein müssen, daß uns endli ein deutsches gemeiñsames Vaterland, und zwar zunächst durch die Gründung des Norddeutschen Bundes beschert wurde. (Abg. Szmula: Das habe ih nicht gesagt, Herr Minister!) Der Herr Abg. Szmula hat, so habe ich ihn verstanden, den Ausdruck gebraucht: „Bescherung mit dem Norddeutschen Bunde“. (Abg. Szmula: Nein!) Meine Herren, dann hat der Herr Abg. Szmula die Art der Beseyung der Landraths- ämter berührt und sein Bedauern darüber ausgesprochen, daß immer mehr nit anfässige Beamte als Landräthe angestellt werden. Jh kann dem Herrn Abg. Szmula darin Recht geben, daß es erwünscht ist, da, wo solche vorhanden sind, ansässige Grundbesitzer zu Landräthen zu ernennen. Aber T hatsache ist, daß häufig solhe Personen niht vorhanden find, und daß dann die Regierung genöthigt is, Berufslandräthe zu ernennen, die aber, wie es neuerdings von der Staatsregierung ausgiebig gehand- habt wird, auch mit den Berufépflichten in praktischer Beziehung, namentli mit der Ausbildung in der Landwirthschaft, näher bekannt

gemaht werden. Uebrigens ist es mir unverständli, wie man direkt diese Frage mit der Arbeiternoth in Verbindung bringen kann, es sei denn, daß man die Landräthe entweder unter die landwirthsc;aftlichen Arbeiter oder vielleiht gar unter das Gesinde bringen will. (Oh! oh! rechts und im Zentrum.)

Dann hat der Herr Abg. Szmula die Interpellation gegen ihren Wortlaut erweitert. Es heißt hier:

Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß in den öôft- lichen Provinzen speziell in der Provinz Schlesien ein Arbeitermangel vorliegt ?

Der Abg. Szmula hat aber ausgeführt, daß ein solher Arbeiter- mangel nit allein in den östlichen Provinzen, fondern in der ganzen Monarchie bestehe. Jch habe garnichts dagegen, daß diese Frage ebenfalls erörtert wird; aber in der Interpellation war sie niht an- geshnitten. Jch gebe zu, daß in manchen Beziehungen der Arbeiter- mangel in der Landwirthschaft nit allein im Osten, sondern auch im Westen der Monarchie besteht; namentli trifft das zu bei dem landwirthschaftlißen Gesinde.

Meine Herren, einstweilen enthalte ih mi, auf die fahlihen Darlegungen weiter einzugehen. Ich glaube, es ift zweckmäßiger, daß ih einstweilen den weiteren Verlauf der Diskussion abwarte, und dann auch mißverständlihe Auffassung berichtige.

__ Auf Antrag des Abg. Letocha (Zentr.) tritt das Haus in die Besprehung der Interpellation ein.

Abg. Sieg (nl.): Die Klagen des Interpellanten sind nit neu. Der Arbeitermangel in der Landwirthschaft ist seit Jahren vor- handen, weil der Wanderungstrieb und die Neigung, ih die Welt anzusehen, größer ist als die Neigung, etwa? mehr Geld zu verdienen. Wenn ih Arbeiter den Winter über beschäftigt habe und ihnen au mehr Geld biete, fo ziehen sie doch, sobald der Frühling kommt, in die Welt. Diesen Trieb wird keine geseßgeberishe Maßregel eindâmmen. Wir im Osten können uns in feiner Weise für die Ausdehnung der Zulassung der polnishen und galizischen Arbeiter aussprehen. Die Ausweisungen von 1885 haben eine Be- rechtigung gehabt, um die Nationalität, welhe im Often herrschen soll, festzustellen. Die Zustände der Zeit vor 1885 wollen wir nicht wieder haben. Die Zusicherung des Ministers, daß die Arbeiter vor- übergehend bis 1. Dezember jeden Jahres zugelassen werden scllen, begrüße ih mit Freuden. Durch die Zulassung der fremden Arbeiter wird die Gesindefrage niht gelöst. Die Leute wollen in das feste Gesindeverhältniß niht hinein, sondern wollen ihren freien Sonntag haben. Die Beschränkung der Freizügigkeit wird sehr s{chwierig sein. (Zuruf des Ministers für Landwirthschaft 2c. Freiherrn von Hammerstein: Auswüchse!) Dadurch wird die Frage aller- dings etwas vershoben. Die Auswüchse der Freizügigkeit werden befonders durch die Gesindevermiether gefördert. Die Zulassung fremder Arbeiter ist an Bedingungen geknüpft, die nicht immer zu erfüllen sind, z. B. bezüglich der Wohnuvgen. Ich könnte dem Minister Domänen nachweisen, wo die Arbeiterwohnungen sehr {lecht sind. Bei einer Revision meiner Arbeiterwohnungen und der Wohnungen der benahbarten Domäne ist der Bericht zu meinen Gunsten ausgefatüen. Wenn ich als Amtsvorsteher die Versügung des Regierungs-Präsidenten streng befolgen wollte, dürfte ih die Arbeiter- wohnungen der Domâne nicht mehr bewohnen lassen. Jch werde das aber nicht thun, weil ih das ni4ht für den Verhältnissen entsprechend halte. Die Landwirthschaft ist das nationalste Gut, welhes wir haben; das muß unter allen Un:ständen erhalten werden.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Ich benuye gern die Gelegenheit, auszusprehen, daß der Abg- Szmula mir durch Vorlegung des Stenogramms bewiesen hat, daß fein Ausdruck ,Bescheerung“ sih auf die Freizügigkeit und nicht auf den Norddeutshen Bund bezegen hat, dem diese Bescheerung zu danken sei. (Bravo !)

Abg. Gamp (fr. kons.): Die Erklärungen des Ministers enthielten ja einige Lichtpunkte, aber sie entsprehen durhaus nicht den Wünschen der Landwirthschaft. Es besteht zwishen der Regierung und der Landwirthschaft eine Differenz darüber, ob der Nothstand ein vorübergehender oder dauernder ist, Der Minister spra vos einem vorübergehenden Arbeitermangel. Die Begründung der Vor- lage wegen Aenderung der JInvalidenversiherung von 1897 be- weist, wie groß der Nothstand in den öfllihen Provinzen if. In Ostpreußen nimmt die Zahl der arbeitskräftigen Personen ständig ab, während die Zahl der nicht arbeitsfähigen Personen unter 16 und über 60 Jahren ständig zunimmt. 1895 ergab sich für Oft- preußen bereits ein Arbeitermangel von 52000 Köpfen. In den leßte 10 Jahren hat die Provinz Ostpreußen 300 000 Arbeiter mebr an dex Westen abgegeben, als von dort her nah Ostpreußen gekommen sind. Da- her die große Z1hl der Altersrentner in Ostpreußen und den östlichen Provinzen gegenüber den wenigen Altersrentnern in Berlin und des industriellen Provinzen. Der Wegzug der Arbeiter aus deim Osten entspringt dem Aufs{wung der Industrie und der Sac sen gängerei nah den mittleren Provinzen. Bet den großen moralischen und ethischen Bedenken, welche gegen die Sachsengängerei spre sollte man diese leßtere einshränfken, namentli dadur, daß n höhere Anforderungen an die Unterbringung der Sachsengänger t

und die Arbeitgeber derselben zu den Kosten der Armenpflege hera#'

jeht. Die minderjährigen Arbeiter follten im Elternhause bleiben z inge 9 1 j und nicht anderweitige Arbeitsstätten aufsuhen. Die Löhne für die minderjährigen Arbeiter müßten an die Eltern gezahlt werden. Freilih die Naturallöhnung wird man nit mehr aufrecht erhalten können. Professor Lujo Brentano hat allerdings behauyvtet, daß die Industriebezirke jeßt mehr Mannschaften zum Militär stellen als die Landwirthschaft ; er rechnet nach der Quadratmeile. Thatsache ist aber, daß von den 2 Millionen Einwohnern Ostpreußens 13 550 Mann ausgehoben sind, daß dagegen Berlin und Brandenburg mit 4} Millionen Einwohnern nur 17 400 Mann stellten, während nach dem Verhältniß mindestens 30000 Mann gestellt werden müßten. Ja Ostpreußen werden hauptsächlih Kavalleristen und Artilleristea ausgehoben, die drei Jahre dienen müssen, und besonders werden dort die Gardisten ausgehoben, die niemals wieder in die Heimath zurück- gehen. Die Einrichtung von Arbeitsnahweise-Bureaux ist unpraktisch gewesen und hat mehr geschadet als genüßt. Bezüglich der Be- schäftigung von Gefangenen und Korrigenden werden nicht bloß die reglementarishen, sondern vielleicht auch die gefeßlihen Vorschriften geändert werden müssen. Die Gefangenen dürfen nur 10 Stunden beschäftigt werden, sie müssen mehrmals in der Woche Fleisch erhalten, werden also besser behandelt als die freien Arbeiter. Statt der Ge- fängnifistrafen sollte man Strafarbeit einführen, wobei man aller- dings sich alles bureaukratishen Formelwerks enthalten müßte. Die Staatsbetriebe sollten die Gefangenen beschäftigen; namentli sollte die Eisenbahnverwaltung die Bahnunterhaltung dur Gefangene vor- nehmen lassen und die jeßt dabei beschäftigten Arbeit:-r der Landwirthschaft ¡überlassen. Die verwahrlosten Kinder follte man auf dem Lande unterbringen. Die Gesindevermiether, wie fie jeßt ihr Gewerbe betreiben, sind ein Krebsshaden für die Arbeitgeber und für die Arbeite. Sie müßten unter eine strenge polizeiliße Kontrole gestellt werden. Es liegt nicht im Interesse der Arbeiter, in ungesunden und theueren Wohnungen in den großen Städten zu wohnen. Das Schlafstellenwesen sollte energisch bekämpft werden. Die Zulassung der Beschäftigung \chul- pflihtiger Kinder ist etfreulich. Man könnte vielleicht das \hul- pflihtige Alter um ein Jahr vermindern, man könute dafür iFort- bildungéshulen im Winter einrihten. Wenn in Oberschlesien Arbeitermangel herrscht, so ift das vielleiht eine Folge der ntedrigen Löhne, die viel geringer sind als die Löhne in Pommern. Die nationale Seite der Arbeiterfrage hat cine große Bedeutung. Herr Szmula will die fremden Arbeiter ar sässig machen. Haben wir niht schon genug widerstrebende Elemente in Preußen? Es giebt ein Mittel, die östlichen Provinzen wieder zu kolonisieren, indem man die Alters- und Invalidenrenten kapitalisiert und dadurch den Fn- validen die Möglichkeit giebt, sich Grundbesiy zu erwerben, Es wäre ein großes nationales Werk, wenn man die angesammelten Kapitalien in dieser Weise nußbar mate. Ferner sollte man eine ähnlidze Kolonisation, wie in Posen und Westpreußen, auch in anderen Provinzen durhführen. Wenn die Produkte der Landwirthschaft fo entwerthet werden, wie es jeßt der Fall ift, dann fann sie au nicht mehr für ihre Arbeiter sorgen wie früher. Ich kann die Negierung nur bitten, die Frage nicht mit den Beschlüssen, die sie gefaßt hat, für erledigt anzusehen. Es handelt ih dabei um eine ¿Frage, die für das ganze Staatsleben von größter Wichtigkeit ift

Abg. Gothein (fr. Vag.): Wenn Ostpreußen fo viele Inyvaliden- rentner hat, fo liegt das an der Neigung der dortigen Grundbesitzer, die alten, nicht mehr arbeitsfähigen Arbeiter noh als beihäftigt zu bezeichnen, um ibnen die Rente zu verschaffen, mit deren Bewilligung man sehr freigebig gewesea ist. Die Arbeiternoth ist namentli in Schlesien nit vorübergehend, sondern dauernd; es fehlen die Arbeiter nit bloß in der Landwirthschaft, fondera auch iy der Industrie. Auch wenn es der deutsch:n Industrie s{lecht ging, sind die Arbeiter weg- gegangen, freilich niht nach dem Westen Deutschlands, sondern ins Ausland. Die Auswanderung, die jeßt etroas zurückgegangen ist, rekrutiert sih bauptsählich aus den ländlichen Bezirken und war am stärksten zur Zeit, als die Landwirthschaft die höchsten Preise er- zielte. Der Arbeitermangel herrs{t hauptsäclih in den Bezirken, wo der Großgrundbesitz überwiegt. Die Jahre der hohen Getreidepreise hat der Großgrundbsiß benußt zur Vermehrung seines Besitzes. Die Kolonifation des Ostens, die freilih lange Zeit beanspruchen wird, kann allein der Arbeiternoth abhelfen, Die Kapitalisierung der Invalidenrenten, um den Rentnern den Ankauf von Grundbesitz zu erleichtern, ist ein anscheinend annehmbarer Gedanke, dessen Ausführung aber doch auf große Schwierigkeiten stoßen wird, weil die Invaliden der Industrie \{chwerlich auf das Land gehen werden. Wenn wir einen strengen Winter gehabt hätten, dann hätten wir in Oberschlesien eine große Kohlennoth gehabt, weil es nit mö.lih gew-sen wäre, wie früher, galizishe Schlevper in den Bergwerken zu beschäftigen. Jh bin im höchsten Grade frappiert darüber, daß ein Geseß zur Beseitigung der Auswüchse der Freizügig- keit vorgelegt werden foll. Worin bestehen denn tie Auswüchse, welche beschnitten werden sollen? Die Beschnetdung der Auswüchse der Vereinéfreiheit hat im ganzen Lande die größte Aufregung hervor- gerufen. Was denkt sich der Minister unter dieser Beschneidung der Auswüchse der Freizügigkeit? Mit folhen Plänen fördert man das Anwachsen der Sozialdemokratie.

Abg. Jansen (Zentr.) bespriht den Mangel an Arbeitern, an männlihenmi und weiblihem Gesinde besonders in seiner Heimath- provinz Schlesien, bleibt aber auf der Tribüne im einzelnen unver- ständlih, Er bedauert, daß troß der langen Berzögerung der Beantwortung die Antwort so kurz ausgefallen sei.

Abg. Freiherr von Richthofen - Mertshüß (kons.): Es handelt sih um eine der wichtigsten Fragen dieses Jahrhunderts, die durch die Interpellation aufgerollt worden ist. Ich kann dem Vorredner nicht Unrecht geben, wenn er sagt, daß man eine etwas ausführlichere Ant- wort seitens der Regierung hätte erwarten können, zumal die Antwort sich um mehrere Wochen verzögert hat. Es hätte wohl etwas mehr gesagt werden können, als daß vorübergehend ein Arbeitermangel eingetreten sei. Ein Arbeitermangel ist in der Landwirthschaft vorhanden, aber niht bloß im Osten, sondern bis weit in den Westen hinein. Die Kalamität wird mit jedem Jahr s{limmer. Jeden Tag kommen in diesem Jahre 1000 bis 1500 Sachsengänger durch den Bahnhof Kohl- fart ; überhaupt gehen aus den östlihen Provinzen die Leute im Alter von 20 bis 40 Jahren nah dem Westen und in die Städte. Wenn die Zahl der Altersrentner im Osten fo groß ist, so liegt das daran, daß die Grundbesizer glauben, für ihre alten Leute sorgen zu müssen; sie beschäftigen sie, weil die Altersrente zu ihrer Ernährung nicht ausreiht, In Westfalen wohnen jeßt weit über 100 000 Polen, welche in den Kohlenwerken beschäftigt sind; alle diese Arbeiter sind ter Land- wirthschaft entzogen worden. Die Stein-Hardenberg?’\{he Gesetzgebung hat dur die Schaffung des Bauernstandes die Landwirthschaft gefördert. Aber dur die Deklaration von 1816 wurden die nicht spannfähigen Besißungen als nit regulierungöfähig erklärt und eingezogen. Da- dur wurde die Zahl der seßhaften Arbeiter vermindert, Die Land- wirihe suchten ihren Betrieb rentabel zu mahen. Dec Wegfall des Flahsbaues, die An\chaffung der Dreschmaschinen nahm den Arbeitern die Winterarbeit. Die baaren Löhne. die in der Stadt gezahlt werden, haben für die Arbeiter etwas Verlockendes. Jch bin der Meinung, daß die Naturallöhnung noch etwas mehr ausgestaltet werden muß, Der landwirthschaftlihe Zentralverein für Ostpreußen hat 1892 den Versuch gemacht, Arbeiter aus Westfalen nach Ost- preußen zurüdzuführen. Damals zeigte e ih, daß die Arbeiter troß der höheren Löhne im Westen ihre Er- sparnisse aufgezehrt hatten. Ungenügende Bezahlung der ländlichen Arbeiter liegt also niht vor. Es geschieht auch sonst viel für die

rbeiter in den östlihen Provinzen. Die Zusammenlegung des Militärs in den Großstädten ist niht ohne Einfluß geblieben. Wer äwet oder drei Jahre dort gedient hat, kehrt nicht ufe auf das Land urück. Die Stellenvermittler sind jeßt wirklich eine wahre Landplage geworden, Die Agenten werben mehr Leute an, als sie eigentlich brauchen ; sie lassen sich Gebühren bezahlen und nehmen sogar Kaution. Dazu kommt die fozialdemokratishe Agitation. Wir gehen der Zeit ent- gegen, wo die Sozialdemokraten aus den Städten auf das Land kommen werden. Es ift zu bedauern, daß dié soztaldemokratishen Agitatoren eine Föcdernng finden ‘bei den Angehörigen der Freisinnigen Volkspartei,

die in einer Weise agitiert, daß die Agitation der Sozialdemokratie garnichts dagegen ist. Dieses Zusammenwirken von verschiedenen Gründen politischer, wirths{aftlider und historisher Art hat den Miß- stand hervorgerufen. Wenn die Landwirthschaft so wentg berücksitigt wird, wie das gegenwärtig geschieht, dann muß die Arbeiterfrage um fo s{ärfer wirken. Zur Prosperität der Landwirthschaft in den sechziger und siebziger Jahren trugen noch andere Faktoren als die Getreidepreise vel, namentli die Schafzucht, der Napsbau 2c., die jeßt zurückgedrängt sind Sobald die Industrie fich hob, trat ein Arbeitermangel ein bei der Landwirthschaft. Als 1885 die 30 000 russischen Arbeiter aus, gewiefen wurden, entstand kein Arbeitermangel. Damals hatten wir noch eine nationale Wirthschaftspolitik. Bei der jeßigen Lage halten wir es fUr nothwendig, daß galizische, russishe und sonstige ausländische Arbeiter eingelassen werden. Es muß dabei fo weit gegangen werden als es mögli ist im nationalen politischen Interesse. Die Arbeiter müfsen im Lande gelassen werden für die Zeit vom 1. März bis 1. oder 15. Dezember, wie die \chlesi\sche Landwirthschaftskammer beantragt hat. Zum Gesindedienst follten Arbeiter auf ein Jahr zugelassen werden aber niht in gemishtsprachlihen Bezirken. Wir wünschen zu betonen, daß die ganze Maßregel nur einen vorübergebenden Charakter haben soll. Die Negierung sollte erwägen, ob für öffentlihe Azbeiten italienisbe, s{chwedishe oder holländische Arbeiter zugelassen werden können. Auf die einzelnen Borschläge kann ih nit eingehen. Für die Wohlfabrtépflege der Arbeiter soll au etwas geschehen, aber die Grenze dafür liegt in der Leistungsfähigkeit; auf diesem Gebiet darf man au nicht generalisieren. Erfreulich ist es, daß für die Soldaten die entlassen werden, Arbeitsnachweise eingerihtet werden sollen, damit Ne in die Heimath zurückehren. Daß die Konzessionspflicht ‘für die Gesindemakler eingeführt werden soll, ift ebenfalls erfreulih. Aber bis die'e Konzession eingeführt fein wird, vergeht noch einige Zeit. In Bayern is für die Gesindevermittler eine Gebührentaxe eingeführt. Jn vielen Fällen verleiten die Gesindevermiether das Gesinde zum Kontraktbruh. Es wäre eine itrafrehtlice Bestimmung erwünsht, welche sowohl den Arbeiter wie den Arbeitgeber trifft. In Bezug auf das Meldewesen, die Wohnungs- frage und die Armenlast könnten andere Bestimmungen getroffen werden. Herr Gothein würde in cin tFreudengeschrei ausbrehen, wenn wir erklärten, daß wir die Freizügigkeit aufheben wollen. Das wollen wir aber niht, wir wollen nur die Auswüchse derselben ein- \{ränken. Eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit kann dech nit eingeführt werden, wenn nit die Freizügigteit beshränkt wird. Die Freisinnige Volkspartei sollte, wenn sie rompromisse s{ließt, fich überlegen, gegen wen fie vorgeht. Wir wollen die Freizügigkeit nit einshränken, aber es ist besorgnißerregend, wie die Zahl der Arbeits- losen in den Großstädten anwächst, Wie wird es erst fein, wenn durch irgend welch;e Verwickelungen die Industrie einmal zurüdck- geht! Die von der Regierung angekündigten Maßregeln zusammen können ja die Mißstände etwas mildern, aber nicht ganz beseitigen. Mit der inneren Kolonisation könnte au ein Versuh gemacht werden, Die Arbeiterfrage darf niht mehr von der Tage2ordnung verschwinden sie ist die akuteste Frage der Gegenwart. Wenn wir jeßt au hohe Getreidepreise haben, fo haben die Landwirthe davon nit viel, weil diese hohen Preise nicht gezahlt werden für das wegen Arbeitermangel nicht rechtzeitig eingebrahte Getreide. Es besteht eine Interessen- gemeinschaft zwishen den Arbeitern und den Landwirthen, die erhalten und gefördert werden muß,

_ Minister für Landwirthschaft 2c. stein:

Es will mir s{cheinen, als wenn jeßt der rihtige Moment ge- fommen wäre, daß wieder die Staatsregierung in die Debatte ein- greift, um gewissermaßen das Ergebniß der bisher gepflogenen Ver- handlungen nah der diesseitigen Auffassung zu resumieren. Bevor ih das thue, gestatte ih mir zunähst noch eine ganz kurze Bemerkung bezüzlih der Aeußerungen des Herrn Abg. Sieg. Derselbe sagte: die Staatéverwaltung versäume auf ihren Domänen mituntér ebenfalls die Herstellung geeigneter Wohnräume für die Saisonarbeiter. Fh

Freiherr von Hammer-

berihtige diesen Vorwurf dahin, daß den Domänenpächtern die Er- |

rihtung der für solhe Zwecke nothwendigen Baulichkeiten und zwar in der Negel als superinventarishe Gebäude gestattet, die späterhin dann abgenommen werden, aber die Domänenpäthter haben die Ver- antwortung und die Pflihßt, für das Unterkommen ihrer Saison- arbeiter selbst zu sorgen. Der Vorwurf, welcher gegen die Staats-

gewesen, zum theil auch der Herr Abg. Freiberr von Richthofen, alierdings mit einer gewissen Beschränkung. Der Herr Abg. Szmula beantragt, daß, da die Kalamität akut sei, augenblicklich nur durch uneingeshränkte Zulassung russisch- und galizish-polnisl/er Saison- arbeiter und Dienstboten, männliher wie weiblicher, zu helfen set. Das ift konsequent, und wenn nur wirth \{aftliche, nicht auch politische Gesichtspunkte zu berücksihtigen wären, so wäre damit wenigstens vorüber- gehend Abhilfe zu gewähren, Die Königliche Staatsregierung und mit thr wohl die Mehrheit dieses Hauses sind aber der Meinung, daß politische s{hwerwiegende Gründe hindern, fo weit zu gehen. (Sehr rihtig! rechts.) Der Herr Abg. von Nichthofen, welcher mit seinem Vorschlag etwas weiter geht als die Staatsregierung, erkennt doch an, daß eine voll- ständige Ocffnung der Grenze undenkbar ift; er will nur Dienstboten, und zwar nit dauernd, sondern jedesmal auch nur für ein Jahr zu- lassen, bezüglih der Saisonarbeiter im wescntlihen dem Vorschlage der Königlichen Staatsregierung zustimmen.

Meine Herren, die Gründe, aus denen die Staatsregierung glaubt, hierauf nicht eingehen zu können, sind heute nicht weiter zu erörtern; die sind in den in leßter Zeit wiederholt hier gepflogenen Verhandlungen genügend dargelegt worden. Die Königliche Staats- regierung hat die große politische Gefahr der unbeschränkten Ein- wanderung russi’her Polen und Galizter eingehend dargelegt und be- wiesen, daß damit die Gefahr immer größer werde, daß das deutsch- nationale Element aus den Ostmarken völlig verdrängt werde. Dem Antrage des Herrn Abg Szmula kann demgemäß nicht ftattgegeben werden, auch die Anheimgabe des Abg. Fretherrn von Richthofen geht aus demselben Grunde zu weit.

Nun hat der Herr Abg. Freiherr von Richthofen auch zur Er- wägung gestellt, ob es nit zulässig erscheine, die russisch- bezw. galizisch-polnishen Saisonarbeiter schon am 1. März jeden Jahres und bis zum 15. Dezember jeden Jahres zuzul1ssen. Meine Herren, thatsählih kommen dieselben vielfah {on vor dem 1. April, wie das die Nachweisungen der Königlichen Landräthe ergeben. Die Königliche Staatsregierung würde au vielleicht die Frift der Zulaffung bis zum 15, Dezember erstrecken; aber das findet um deswillen Schwierig- keit, weil die russishe Regierung, welche ausnahmsweise den Saison- arbeitern für den Uebertcitt nah Deutschland unentgeltliche Saisons arbeiterpässe ertheilt, dieselben zur Zeit nur bis zum 1. Dezember erthcilt. Es if immerhin zweifelhaft, ob es zweckmäßig is, zu ver- suchen, cine Aenderung hierin zu beantragen.

Kurz ih will tiefer auf die Sache nicht eingehen die Staats- regierung ist also der Meinung, daß den erwähnten Anträgen nicht entsprohen werden darf, und verweist unter Ziffer 1 der mitgetheilten Antwort auf die Möglichkeit der Heranziehung anderer ausländischer Arbeiter und Dienstboten , wie das jeßt {hon in anderen Theilen der Monarchie geschieht, wo ähnliche s{wierige Verhältnisse vorliegen. Die Landwirthe selbst haben dort die Sache in die Hand genommen. Ich möchte glauben, daß es niht Aufgabe der Staatsregierung ist, in dieser Beziehung die nöthigen Schritte zu 1hun, daß vielmehr die Landwirthe felbst die Sache in die Hand nehmen müßten; die König- lihe Staatsregierung wird dazu ihre Unterstüßung, soweit thunlich, nicht versagen.

Nun ist der Vorwurf, daß die Staatsregierung das Schwer- gewicht dieser Frage nicht anerkenne, speziell von den Herren Abgg. Gamp und von Richthofen damit begründet, ‘daß im Eingang der s{riftlich abgegebenen Erklärung das Wort „vorübergehend“ si be- finde. Herr von Richthofen hat aber uns {hon felbst dasjenige aus- geführt, was mit dem Wort: eVorübergehend" hat bezeihnet werden

sollen. Herr von Richthofen führte zutreffend aus, daß, wenn mal der Zuzug zur Industrie abnehme, weil die Industrie mal ins Stocken

regierung in dieser Beziehung gerihtet wurde, is daher nach meiner /

Auffassung nicht berechtigt.

Meine Herren, der Hauptgesihtspunkt, der bet den bisherigen Verhandlungen hervorgetreten ift, ist, daß eigentlih von allen Seiten ter Staatsregierung vorgeworfen wird, daß sie anscheinend die Wichtigkeit dieser Frage niht vollltändig und nit genügend anerkenne. Meine Herren, diesen Vorwurf muß ih entschieden als unberechtigt zurückweisen. Eine sachlide Begründung darauf werde ich gleih fommen ift von verschiedenen Rednern versucht, abet nah meiner Meinung nicht logish durchgeführt; dagegen bin ih in der Lage, den Beweis anzutreten, daß {hon seit Jahren die Staatsregierung dieser Frage die sorgsamste Aufmerksamkeit zugewandt hat, ih verweise nur auf die Rentengütergesezgebung, auf die Arbeiterfürsorge, auf die seit Jahren geduldete Heranziehung auswärtiger Arbeitskraft, Ver- besserung der Wohnungs- und Bildungsverhältnisse u. st. w. Daraus ist doh zu entnehmen, daß die Staatéregierung die Bedeutung diefer Frage son lange erkannt hat und daß sie ihre Bedeutung wahr- lih in der gegenwärtigen Zeit nach keiner Richtung unterschätt. Ich erkläre ausdrücklih, daß die Staatsregierung ebenso wie die sämmtlichen Redner es tief beklagt, daß die an sh son so s{chwierige Lage der Landwirthschaft besonders auch im Osten der Monarchie durch die allgemeine Arbeiterkalamität noch erhöht wird.

Dem Herrn Abg. Szmula gegenüber habe ih {on ausgesprochen, daß unter der Arbeiternoth die Landwirthschaft in der ganzen Monarchie mehr oder weniger {wer leidet, und daß fast überall die Dienst- botennoth eine besonders drüdckende ist; besonders für rein landwirth- schaftlihe Arbeiten, Viehpflege und Wartung, Gespannarbeit u. Fe find brauchbare Dienstboten chwer, oft garniht zu bekommen, und das mag vielleiht im Osten noch s{chlimmer wie im Westen sein. Ich erkläre bestimmt, die Königliche Staatsregierung übersieht voll- ständig Ernst und Bedeutung dieser Situation und is gewillt? nah allen Richtungen, soweit sie dazu im stande ist, auf dem Wege der Gesetzgebung, auf dem Gebiet der Verwaltung u. s. w. hbelfend ein- zugreifen.

Aber, meine Herren, ich bin mit größter Spannung der heutigen Verhandlung in der Richtung gefolgt, bezw. hatte mi der Hoffnung hingegeben, daß die Verhandlung über die heutige Interpellation neben den Maßnahmen, welche die Regierung {on in Aussicht ge- nommen hat, vielleiht noch beachtenswerthe andere Rathschläge und Wünsche zur Abhilfe zu Tage fördern werde. (Zurufe.) Ih werde auf den einzigen Punkt zurückommen, den der Herr Abg. Gamp als etwas Neues vorgetragen hat, übrigens haben sih. nach meiner Auf- fassung alle Redner fast aus\{hließli} mit Maßnahmen befaßt, die bereits in der Antwort der Staatsregierung als Gesichtspunkte hervor- gehoben find, nach denen die Staatsregierung helfend vorzugehen be-

absichtigt bezw. empfiehlt.

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j gerathe, daß dann vorübergehend kein Arbeitermangel vorhanden set,

daß aber, wenn die Jndustrie wieder die Nachfrage nah Arbeitern steigere, dann wieder im Osten wie im Westen ein Mangel an land- wirthshaftliGßen Arbeitskräften einzutreten pflege. Meine Herren, das ist es, was mit dem Worte „vorübergehend“ hat gesagt werden follen.

Meine Herren, ih habe mih mit der Frage beschäftigt, ob unter

{ normalen Verhältnissen in Deutschland bei der stets stark zunehmenden

Bevölkerung das regelmäßige Arbeitsbedürfniß von der vorhandenen Arbeiterbevölkerung vollständig befriedigt werden könne, wenn in der Industrie in den Städten, in der Landwirthschaft, im Gewerbe u. f. w. eine rihtige Vertheilung der Arbeitskräfte als ausführbar fih er- weise. (Zuruf im Zentrum: ja, wenn!) Ih bin der Meinung den Beweis kann ich natürlich niht führen, es ist das meine in- dividuelle Ansicht —, daß dann ein allgemeiner Mangel an Arbeit3- fräften in Deutschland zur Zeit niht vorhanden sein würde. Solcher Mangel könnte troßdem vorübergehend doch eintreten, wenn beis spiel8weise große Staatsarbeiten ausgeführt werden, immense Eisen- bahn-, Lokal- und sonstige Bauten, wenn die Bauthätigkeit in den Städten außergewöhnlih zunimmt, wenn plößlich in umfangreichen Landes- theilen von der extensiven Landwirthschaft zur intensiven übergegangen würde und dadurch das Bedürfniß an Arbeitern plôövlih erheblich ge- steigert würde. Es würden dann aber vorübergehend Lüden eintreten. Der Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht is meines Erachtens niht zu erbringen, weil der Umfang des Arbeitsbedürfnisses nicht fest- zustellen sein dürfte, wohl der Umfang der vorhandenen Arbeitskräfte. Ich folgere aus dieser Ansicht, daß immerhin eine rihtigere Ver- theilung der vorhandenen Arbeitskräfte anzustreben fcin dürfte, eine rihtigere Vertheilung der vorhandenen Arbeitskräfte ¿wischen Stadt und Land, Landwirthschaft und Industrie. Ist das erreihbar, dann würde wahrscheinlich unsere um Millionen jährlich zunehmende Be- völkerung ausreichen, um das regelmäßige Arbeitsbedürfniß zu befriedigen. Meine Herren, au dieser Gesichtspunkt rehtfertigt, daß man den Arbeitermangel als einen dauernden nit bezeichnet. So folgere ich, daß aus dem Umstande, daß in dem Eingange der Erklärung der Arbeitermangel als vorübergehend bezeichnet ist, so weitgehende Schlüsse niht zu folgern sind, wie das von verschiedenen Rednern gesehen ift, und namentlih daß daraus nicht zu entnehmen ift, die Staatsregierung verkenne deshalb den Ernst der Lage.

Meine Herren, ih komme jeßt auf ein, vom Herrn Abg. Gamp vorgeschlagenes Mittel, das einzige, welches, soweit ich der Verband- lung gefolgt bin, außer dem von der Staatsregierung bereits in An- regung gebrahten Mittel vorgeshlagen wird, abgesehen von dem Vor- schlage des Herrn Abg. Szmula, der einfach die Grenze für den Arbeiterzuzug öffnen will.

Herr Abg. Gamp fagt: fo und fo viel jährlich zahlt die Aliers-,

| die Invaliditäts-, die Unfallversiherung den Arbeitern an Rente.

Am konsequentesten, meine Herren, ift der Herr Abg. Szmula ' Diese Rente soll kapitalisiert und das Kapital soll denjenigen Renten-

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