1898 / 100 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Apr 1898 18:00:01 GMT) scan diff

iber dasselbe System nählih in Bayern und anderen Bundesstaaten eingeführt. Dies System ist nothwendig und zweckmäßig. Nothwendig ist es nicht nur, um der Eisenbahnverwaltung die Kontrole zu erleichtern, sondern aus einem viel s{chwerer wiegenden Grunde, nämlich um endlich die fort- Iaufenden Verunglückungen der Schaffner, welche bisher die Kontrole auf den Trittbrettern ausgeübt haben, zu beseitigen. Und in dieser Beziehung hat {ich die Einführung der Bahnsteigsperre durhaus be- währt. Sie is ferner zweckmäßig, um von dem Bahnsteig diejenigen Personen fern zu halten, die nicht zu reisen beabsichtigen, sondern aus sonstigen Gründen den Bahnsteig besuchen, entweder weil es für fie ein gewisses Interesse hat, zu sehen, wer mit den Zügen ankommt oder abfährt, oder um in ausgiebigem Maße die Angehörigen zur Bahn zu begleiten. Das leßtere ist eine in Deutschland tief eingewurzelte und liebe Gewohnheit, ist aber für den Betrieb eine unbequeme Last. Also, das System der Bahnsteig- \perre abzuändern, kann ich niht in Aussicht stellen. Es ist überall da, wo es längere Zeit besteht, vollständig zur Gewohnheit geworden und giebt zu Beshwerden keinen Anlaß. Dagegen habe ih mi be- reit erklärt, wenn mir bestimmte Beispiele, thatsähliche Momente dafür angegeben werden, daß die Bahnsteigsperre shlecht eingerichtet oder mangelhaft ausgeführt ist, in dieser oder jener Weise dann sofort Nemedur eintreten zu lassen. Diese Erklärung möchte ih auch heute wiederholen. Graf von Mirbach dankt dem Minister für seine Haltung gegen- über dem Verlangen der Seestädte nah einem billigen Tarif für den

Import von russishem Holz.

Graf von Zieten-Schwerin bittet um Abänderung der Bahnsteig-Sperreinrihtungen auf dem Bahnhof in Neustrelitz.

Graf von Klinckowstroem dankt dem Minister für die Abänderung des Weizentarifs in Ostpreußen, bittet aber noch um eine Ermäßigung der Abfertigungsgebühr für Getreide und weist auf die Wünsche der kleinen Müller in Ostpreußen hin, welche für alle Bahnstationen Ostpreußens denselben Tarif wünschten, den Königs-

berg habe. / Freiherr von Solemacher-An tweiler bemängelt einige Ver-

S auf dem Hauptbahnhof in Köln, namentlich wünscht er die edachung einer Halle.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Der Herr Präsident möge mir gestatten, daß ih troßdem eine kurze Erwiderung gebe. Das, was Herr Freiherr von Solemacher- Antweiler vor zwei Jahren angeregt hat, is von mir in die Hand genommen worden. Aber es bedurfte der Genehmigung durch den Etat. Nachdem die Position im Etat bewilligt worden, erfolgte die Ausschreibung, und Herr Freiherr von Solemacher-Ant- weiler wird es noch in diesem Jahre erleben, daß er unter einer ge- deckten Halle gehen kann.

Was den zweiten Punkt betrifft, so bedaure ih allerdings, im Augenblick keine Auskunft geben zu können, welche Gründe däzu ge- führt haben, ten Berliner Zug auf einem außenliegenden Gleise ein- laufen zu lassen und dadur für diejenigen, welhe auf der Stadtseite einen Zug benußen wollen, einige Unbequemlichkeiten entstehen zu lassen. Jch bin aber gerne bereit, der Anregung des Herrn Freiherrn

yon Solemacher entsprechend, eine Prüfung der Sachlage eintreten zu lassen, und das soll keine zwei Jahre dauern.

Herr von Bemberg-Flamersheim bedauert, daß die billigen nonentarie für die Arbeiter den Wegzug der Arbeiter von dem

ande begünstigten. Man müsse dem Arbeiter das Suchen des höheren Lohus gönnen, aber wenn der Arbeiter nach dem Lande zurückehre, omme er als anderer Mensch zurück, voller Unzufriedenheit.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren!! Diese Frage i} eine sehr umstrittene, fie wird beantwortet je nah dem Interesse der vershiedenen Gegenden. Während \ich Herr von Bemberg gegen die Begünstigung der Arbeiter- züge auf weitere Distanzen aus\spriht, haben die mittleren Provinzen des Landes, Hannover, Sachsen und zum theil auch Westfalen, sich ganz entschieden dafür ausgesprochen und erklärt, daß sie ohne einen Zuzug fremder Arbeiter überhaupt nihcht in der Lage wären, ihre landwirthscchaftlihen Arbeiten vollkommen zu ver- rihten. Ich erinnere an die bekannten Sachsengänger, die in großen Mengen, allerdings zum Schaden der östlihen Provinzen, aus dem Osten nach den mittleren und theilweise nah. den westlichen Pro- vinzen sich bewegen. Die Frage ist noch neuerdings eingehend erörtert worden, aber die betheiligten Ministerien einshließlich des Landwirth- \hafts-Ministers haben sich dahin erklärt, daß es nicht angängig sei, die bestehenden Vergünstigungen von 25 9% für derartige Arbeiterzüge aufzuheben. Es wird nah wie vor aker diesem Gegenstand, wie ich annehme, namentlich von seiten des Herrn Landwirthschafts-Ministers mit großer Sorgfalt nahgegangen werden.

Graf von Klinckowstroem bittet, auh diese Frage zum Nutzen der Landwirthschaft zu lösen.

Ober - Bürgermeister Bender- Breslau tritt dafür ein, daß Familien Preisermäßigungen gewährt werden, damit es den Familien- L die niht sehr reih sind, mögli sei, mit ihren Familien E “en von Klißing unterstüßt die Beshwerde des Herrn von Bemberg und dankt dem Minister dafür, daß er für die Schwellen mindestens 10 9/9 inländishes Material verwenden lasse. Vielleicht lasse sich dieser Prozentsaß noh erhöhen. Bedauerlich sei nur, daß ein großes Konsortium die Schwellenlieferung Übernommen habe, das mit aus- ländischen Arbeitern arbeite. Zu vermeiden sei das lange Lagern des Schwellenholzes im Walde. Er habe es bis zu zwei Jahren liegen sehen. Es verliere dadur seine Güte und dürfe niht abgenommen werden.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Ich bin in der glücklihen Lage, Herrn von Klißing genau das- selbe antworten zu können, was ich vorhin Herrn Freiherrn von Solemachher antworten konnte. Jh habe sofort, nachdem mir die Klage hier über den Küstriner Bahnhof mitgetheilt war, die An- weisung an die Direktion ergehen lassen, Bericht zu erstatten, Die Untersuchung ist angestellt, und der Bericht liegt vor.

Was die Hauptfrage anbetrifft, so is Herr von Klißing im Srrthum. Wir haben nicht vorgeschrieben, daß 10 09/6 inländischen Holzes geliefert werden müsse, das wäre bei manchen Kontrakten gar- niht ausführbar, fondern wir geben bis zu 10 % Prämie für das inländishe Holz, d. h. wir bezahlen für das inländische Holz 10 9% mehr als für das ausländishe. Wir haben aber in den lehten Sahren viel mehr als 1009/6 inländishes Holz verwendet. Jch habe die Nachweisung vor mir liegen. Danach sind eihene Schwellen 1895 33 9/6 aus dem Inland, 1896 20 %/9 und 1897 wieder 33 9/6 des ge- sammten Bezuges aus dem Inland genommen. Was die Kiefern anbetrifft, so wurden 1595 22 9/0, 1896 20 9% und 1897 21 9% bezogen. Die Buchen sind natürliÞh alle aus dem Snland bezogen. Was Herr von Klitzing angeführt hat, daß das ge-

\{lagene Holz in der Borke nit ohne Schädigung der Qualität lange liegen kann, so kann i das meinerseits nur bestätigen. Die Abnahme- beamten sind deswegen strengstens angewiesen, nah dieser Beziehung mit der größten Vorsicht zu verfahren und blaues Holz oder Holz das irgendwie stickig oder mit Pilzen besegt ist, niht zu acceptieren. J kaan natürli nit sagen, ob das Holz, das Herr von Klißing in einer Nachbarforst gesehen hat, für die Staatseisenbahn bestimmt gewesen ist oder für wen anders, daß aber der Frage die größte Sorgfalt zugewendet werden muß, erkenne ich vollständig an, und, wie gesagt, es sind in dieser Beziehung die strengsten Vorschriften er- lasen worden. Auch das kann ih bestätigen, daß dur Liegen ver- dorbenes Holz durch Imprägnierung nicht wieder gut gemacht werden fann, sondern den Schaden behält, wenn au die Folgen des Schadens durch Imprägnierung etwas wieder ausgeglichen werden.

Graf von Mirbach giebt der hölzernen Schwelle den Vorzug vor der eisernen ; in England, wo die Anforderungen an den Bau sehr große seien, habe si die erstere durhaus bewährt, Redner fragt, n dem ai die Erfahrungen in Frankreih mit Buchenshwellen ekannt seien.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Meine Herren! Die Resultate, die die französischen Bahnen mit den Buchenschwellen hon seit einer längeren Reihe von Jahren erzielt haben, sind mir vollständig bekannt. Es is au genau be- fannt, wie diese Buchenshwellen behandelt werden. Es ist aber nicht festgestellt, ob niht die Eigenschaft der französishen Buchen, - die hauptsählich aus bestimmten Standorten hierfür verwendet werden, in dieser Beziehung Vorzüge vor unseren deutshen Buchen hat. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, gehen dahin, daß je nah dem Standort die Qualität und Dauerhaftigkeit namentlih bei der Ver- wendung für Schwellen sehr verschieden ist. Buchen aus einzelnen Standorten halten fich ganz vorzüglih mit den Eichen um die Wette; Buchen aus einem anderen Standort, die anscheinend ganz gesund sind, sind nach einem Jahre faul und müssen herausgeworfen werden.

Neuerdings is nun ein Verfahren angewendet worden, welches eine längere Dauer der Buchen in Auësicht stellt und zu dem die be- treffenden Unternehmer das Vertrauen haben, daß sie eine ziemlich lange Garantie für die Haltbarkeit der buhenen Schwelle uns gegen- über übernommen haben. Auf Grund dieses Verfahrens sind erhebliche Abschlüsse in der leßten Zeit gemacht worden, und haben wir uns vorbehalten, über die Herkunft dieser buhenen Schwellen unterrihtet zu werden. Es i} anzunehmen, wie gesagt, daß sih dieses Verfahren bewährt, und daß es dann dazu führen wird, die buchene Schwelle in größerem Maßstabe zu verwenden, namentlich dort, wo große Buchhenbestände vorhanden find, als das bisher der Fall ge- wesen ist.

Aber, meine Herren, ih möchte dazu bemerken, daß jedes am rihtigen Orte verwendet werden muß, daß man an einzelnen Orten naturgemäß viel besser hölzerne Schwellen verwendet, an anderen eiserne, und zwar ist die eiserne Shwelle dort am Orte, wo man ein grobes und festes Kleinshlagmaterial zu verhältnißmäßig billigem Preise unmittelbar an der Bahnlinie hat. Die Erfahrungen, die in dieser Beziehung gemacht find, geben unter solchen Vorausseßungen der eisernen Schwelle immerhin noch ihre Existenzbereßtigung, wenn man au von der Auffassung, daß die eiserne Schwelle beim Oberbau allein selig machend sei, längst zurückgekommen ift.

Graf Udo zu Stolberg bittet, die Schwellenhölzer von den Éleinen Händlern zu kaufen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Ich habe leider vergessen anzuführen, daß die Eisenbahn- Direktionen angewiesen sind, in erster Linie von kleinen Händlern zu beziehen, soviel sie bekommen können. Aber die kleinen Händler fônnen uns das bedeutende Material, das wir nothwendig haben, nicht vollständig liefern. Wir nehmen von den kleineren Händlern sogar unnormalmäßige Schwellen, also Schwellen mit geringeren Maßen an.

Herr von Klißing betont nohmals, daß die Shwellenhölzer genau geprüft werden müßten vor der Abnahme.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Wir nehmen die Schwelle ab, ehe sie imprägniert wird; wir fönnen also sehen, ob eine Schwelle blau ist oder sonstige Schäden hat. Wir sehen aber die Schwellen, die die Kleinbahnen oder Privat- bahnen verwenden, nicht mehr blau, sondern {warz von der Im- prägnierung, etwaige innere Fehler find dann nicht mehr erkennbar.

Was die zweite Frage anbetrifft, warum wir so viel abhauen lassen, fo kann ih dieselbe dahin beantworten, daß die Schwelle ein Auflager haben muß, eine flahe Stelle, auf welcher die Schiene mit der Lasche u. #. w. ruhen kann, und dieses Auflaçger muß vom Scchwellenlieferanten hergestellt werden ; denn sonst müßten wir einmal das Holz mehr verfrachten, was davon abgehauen wird, und zweitens an der Imprägnierungsanstalt das Abhauen vollziehen lassen. Das wäre nicht zweckmäßig.

Freiherr von Stumm widerspriht der Ansicht, daß si die hölzerne Schwelle besser eigne als die eiserne.

Auf einige weitere Bemerkungen der Herren Graf von Mirbach, von Wiedebach und von Voß-Wolffradt erwidert der

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Die Bestimmung, daß keine kontraktbrüchhigen Arbeiter angenommen werden follen, daß die Löhne sh nah den Löhnen der Gegend richten müssen, ist \{chon eine sehr alte, und sie ist erst in den allerleyten Tagen den Direktionen neu eingeschärft worden.

Hierauf wird der Etat der Eisenbahnverwaltung bewilligt und die weitere Berathung des Staatshaushalts-Etats gegen 5 Uhr bis Donnerstag 12 Uhr vertagt.

Haus der Abgeordneten. 67. Sißung vom 27. April 1898.

Zur Berathung gelangt der Antrag der Abgg. von Mendel-Steinfels und Ring (kons.), betreffend Ma ß- regeln gegen Viehseuchen sowie Einführung der obligatorishen Fleischbescha u.

Nach der Begründung des ersten Theils dieses Antrags durch den Abg. von Mendel-Steinfels (kons.), über die bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, erhält das Wort

Abg. Ring (kons.): Die Geschäftsordnung verbietet mir zwar, als Antragsteller den zweiten Theil unseres Antrages zu begründen ; ih darf es aber wohl als Redner thun. Der Landwirthscha1ts-Minister hat uns früher in dieser Frage bestimmte Zusicherungen gegeben. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß die Einführung der obliga-

i torishen Fleishbe/hau dur polizeilihe Verordnung niht mögli ift.

Einen Geseßentwurf noch in diefer Session uns vorzulegen, wird aller- dings \chwierig sein. Leider ist unser Antrag erst spät zur Ver- handlung gelangt. Unser Antrag ist kein rein agrarisher, wie man in der Presse glauben mat. Die allgemeine obligatorishe Fleishbeshau ist eine Forderung der öffentlihen Gefundheitspflege. Besonders efährlih find die sogenannten Nothshlachtungen. Auch volkëwirth- haftlich ist die Maßregel nothwendig; es ist ein unhaltbarer Zustand, wenn die Fleishbeshau in dem einen Bezirk stattfindet und in dem andern niht. Wir wünschen, daß nur für gewerbsmäßig zum Verkauf gelangendes Fleish die obligatorische Fleishbeschau eingeführt werde. Um den Schein zu vermeiden, als wollten wir die Landwirthe auf dem platten Lande bevorzugen, haben wir uns entschlossen, jenen Sah zu \treihen. Wir haben damit nur sagen wollen, daß alles zur Veräußerung bestimmte Fleisch obligatorisch beschaut werden foll. Die Nothschlahtungen auf dem Lande sollen selbst- verständlich ebenfalls der Fleischbeschau unterliegen. Die obligatorishe Schlachtviehversicherung könnte nah Provinzen erfolgen. Andere deutshe Staaten sind uns {on mit gutem Beispiel voran- gegangen. Wenn das Haus heute unseren Antrag annimmt, die Fleishbeshau also auch auf dem platten Lande möglich ist, dann wird wohl auch die Regierung den Zeitpunkt für gekommen halten, mit bestimmten Maßregeln vorzugehen. Die Angriffe der Fleischerzeitungen gegen die Agrarier sind nun auch gegenstandslos geworden. Die Kontrole des Fleisches an den Grenzen ist angesidts des enorm ge- wachsenen Fleishimports unerläßlich. Der Import ist von 1893 bis 1897 um 2009/6 gestiegen, und doch findet bisher so gut wie gar keine Kontrole statt. Namentlich gilt dies von dänishem tuberkulösem Rindfleish. Dagegen müssen nicht nur die Landwirthe, sondern auch die Konsumenten Front machen. Seit sechs Wochen esse ih keine Wurst mehr. Auch von Holland werden wir mit Fleisch überschüttet; dort existiert nur in der Hälfte der Gemeinden die Fleischbeschau. Besonders gefährlih st|st aber die Einfuhr amerikanischen trihinösen Schweinefleishes. Von amerikanischen Zeitungen wird anerkannt, daß die do:tige Fleischbeschau geradezu \kandalôös und haarsträubend ist. Es ist vorgekommen, wie die „New-Yorker Staätszeitung" be- richtet, daß ein bestochener Fleishbeshauer vom Richter freigesprochen ist, weil die gesammte amerikanische Fleishbeschau unge|eßlih sei und also auch niemand bestraft werden könne wegen Uebertretung. Zur Konservierung des Fleishes werden chemishe Säuren verwendet, die den Magen verderben. Die Schweiz hat die Anwendung solcher Präparate direkt verboten. Von den verschiedensten amtlichen Seiten ist konstatiert worden, daß amerikanishes Fleis trihinös, verdorben oder sonst unbrauchbar ist. Die Untersuchung in den Seestädten, z. B. in Hambura, wird gewissermaßen rekordmäßig {nell vorgenommen, wenn die Mittheilungen des Fleishbeshauerverbandes richtig sind. Eine Kölner Firma hat lange Zeit verdorbenes Fleisch aus Serbien eingeführt. Belgien hat bestimmte Einfuhrstellen festgeseßt und be- stimmt, daß nur ganze Thiere oder ganze Viertel eingeführt werden. Das können wir auch thun. Solche Vorschriften haben aber nur einen Zweck, wenn sie vom Reich eingeführt werden.

_ Reichskanzler und Präsident des Staats-Ministeriums &SUrst zu Hohenlohe:

Meine Herren! Ich darf es meinen Herren Kollegen des Kultus und der Landwirthschaft überlassen, auf die Reden der beiden Herren Antragsteller, soweit sie es für nothwendig halten, des Näheren ein- zugehen. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes halte ih es aber für angezeigt, dem hohen Hause eine Erklärung abzugeben, und zwar in Bezug auf den zweiten Theil des vorliegenden Antrags.

Wenngleich die obligatorische Fleischbeshau in einer Reihe von Bundesstaaten, wenn auch in verschiedenem Umfange, bereits besteht, so bin ich doch der Ansicht, daß zum Schuß von Gesundheit und Leben der Bevölkerurg diese Einrichtung im ganzen Reih und zwar nah übereinstimmenden Grundsäßen einzuführen ift. (Bravo!) Es besteht deshalb die Absicht, dem Bundesrath den Entwurf eines Reichsgesetzes, betreffend die Einführung der obligatorishen Fleish- beschau im ganzen Reich, zur Beschlußfassung vorzulegen. (Bravo!) Selbstverständlich werden gegenüber der ausländischen Einfuhr von Fleisch und Fleishwaaren mindestens gleihwêrthige hygienishe Vor- sihtsmaßregeln zur Anwendung gelangen müssen wie gegenüber den inländishen Erzeugnissen g!eiher Art. (Bravo!) Bei der Vor- bereitung des Reichsgeseßes wird auch der Punkt der zwangsweifen Schlachtviehversicherung mit in Erwägung zu ziehen sein und ebenso eine zweckmäßige Verwerthung der Konfiskate. (Lebhaftes Bravo !)

Minister der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Ih möchte mir nach der Erklärung, die der Herr Minister-Präsident abgegeben hat, mit Rücksicht darauf, daß ih nit mehr allzu lange Zeit habe, im Hause zu verbleiben, erlauben, zu einer Bemerkung des Herrn Abg. Ring noch ein paar Worte zu sagen. Er hat gemeint, die Maßnahmen der Königlichen Staats- regierung in Bezug auf die Einführung der obligatorishen Fleisch- beshau und überhaupt in Bezug auf den sanitären Shuß gegenüber dem Fleishgenuß seien viel zu spät hervorgetreten. (Abg. Ning: Sehr richtig!) Nun, meine Herren, ich will das nicht bestreiten; ih will nur darauf aufmerksam machen: die Schuld der Meedizinal- verwaltung und auh der landwirthshaftlihen Verwaltung is} diese Verspätung niht gewesen. Wir haben seit Jahren auf die Ein- führung der allgemeinen obligatorishen Fleischbeschau gedrungen, und , zwar, weil wir darin ein sehr wesentlihes Interesse der öffentlihen Gesundheitspflege erblickt haben (sehr richtig !); ein um fo wesentliheres Interesse, als die Gefahren, die aus dem Genuß ungesunden Fleisches, durch Nothslachtung für den Genuß hergerihteten Fleisches entstehen, wesentlich den ärmeren Klassen der Bevölkerung zufallen (sehr rihtig !), während die reiheren und wohl- habend situierten Klassen der Bevölkerung diesen Gefahren weit weniger ausgeseßt sind. (Sehr rihtig!) Der Schuß der Armen und Bedrängten aber wird hier jedenfalls im Vordergrunde stehen müssen. (Bravo!)

Meine Herren, anfänglich stießen wir mit diesem Verlangen der Einführung der allgemeinen obligatorischen Fleishbeschau allerdings in weiten Kreisen der Bevölkerung, auch in landwirthschaftlichen Kreisen, auf mannigfahen Widerstand. Ich glaube, daß dieser Widerspruch wesentli beruhte auf einer Uebershäßung der mit der Fleischbeschau allerdings verbundenen Belästigungen und Kosten. Aber, meine Herren das darf ih mit Freuden konstatieren —, allmählich hat man si, ih fkann sagen, in allen Kreisen der Bevölkerung, über- zeugt, daß. die allgemeine Fleishbeschau eine durchaus rationelle, ja nothwendige Maßregel i \o rationell vnd nothwendig, daß man ihr auf. die Dauer überhaupt einen erfolgreichen Widerstand nicht wird entgegenseßen können. Das lehrt uns au das Beispiel der süddeutschen Siaaten; das zeigen auch die Er- fahrungen, die wir in der Provinz Hessen-Nassau gemacht baben, o seit vier Jahren diese Fleishbeshau ganz gut und ohne jegliche Schwierigkeit funktioniert.

Meine Herren, als MediFnal-Minister begrüße ich daher den Antrag mit Freude. Ich freue mi; daß er im wesentlichen auch die Zustimmung des Staats-Ministeriums erlangt hat, und ih kann nur der Erklärung des Herrn Minister-Präsidenten darin beistimmen, daß

wenn wir einmal hier helfen wollen wir müssen helfen! wir hann auch gründlihe Arbeit machen. Dazu aber werden wir dann nicht ein Landesgeset, fondern ein Reichsgeseßt herbeizuführen haben. Nur damit ist eine gründliche Abhilfe herbeizuführen, au {hon um des- willen, weil nur damit an den Grenzen die Kontrole so energisch wird hergestellt werden können, und so durhgreifend, wie es im Interesse der Volksgesundheit dringend wünschenswerth ist.

Meine Herren, ih glaube, unter diesen Umständen werden Sie das Zutrauen zur Staatsregierung haben können, daß sie es {ih angelegen fein lassen wird, die Herbeiführung des in Aussicht stehenden Reid sgeseßes mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu be- \{leunigen. (Bravo !)

; E sür Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- ein:

Meine Herren! Jch gestatte mir, der Auffassung der Königlichen Staatsregierung darüber Ausdruck zu geben, daß sowohl der Herr Referent wie der Herr Abg. Ring bei der Begründung der Anträge, soweit ih es habe verfolgen können, durchaus zutreffende statistische Zahlen und zutreffende Mittheilungen über den Umfang der Ver- seuhung im Inlande und im Auslande gegeben haben, auch nah keiner Nichtung hin weder gegen die Staatsregierung noch gegen aus- wärtige Staaten irgendwie aggressiv sich geäußert haben. Jch kann zwar niht auh alles, was vorgebracht ist, als richtig anerkennen. Z. B. weise ih darauf hin, daß sich die Nichtigkeit der Mittheilungen, welhe ter Herr Abg. Ning über die Crichinenshau in Hamburg gemacht hat, meiner Prüfung und Beurtheilung entzieht.

Meine Herren, der zweite Theil des Antrages is bereits vom Herra Reichtkanzler und vom Herrn Kultus-Minister beantwortet. Mir liegt noh ob, die Antwort der Staatsregierung auf den ersten Theil der gestellten Anträge mitzutheilen. Mit Erlaubniß des Herrn Präsidenten darf ih diese Antwort verlesen. Ich werde, soweit nöthig, dann später die einzelnen Punkte erläutern.

1) Die Königliche Staatsregierung ist bereit, in eine erneute Prüfung der Frage einzutreten, ob die zur Zeit bestehenden Vor- schriften über die Einfuhr von Vieh aus seubenverdächhtigen außer- deutschen Ländern zum Schuy der heimischen Viehzucht gegen Ver- seuchung genügen, und wird nöthigenfalls cine Aenderung der Be- stimmungen bei der Reichsregierung beantragen.

2) Die Königliche Staatsregierung wird auf Grund der Erfahrun- gen, welche mit der Seuchenvershleppung im Inland gemact sind, die bestehenden Seuchenabwehrbestimmungen revidieren und dabei eine Vereinheitlihung derselben und deren möglichst gleichmäßige Hand- habung in allen Bundesftaaten erstreben.

3) Die Königliche Staatsregierung wird beim nächsten Landtag die Gewährung von Staatsmitteln zum Zweck der pathologischen Seuchenbekämpfung und für die Anstellung praktisher Versuche be- antragen.

(Bravo!)

Meine Herren, ih mache jeßt einige allgemeine Bemerkungen auf das umfassende Material, welches hier vorgetragen ist; im einzelnen tief einzugeben, ersheint mir niht nöthig. Ich halte das um deswillen nit für erforderli, weil ih {hon im Eingang meiner Darlegungen ausgeführt habe, daß, soweit ich den Darlegungen habe folgen können, dieselben im wesentlichen den thatsählihen Verhältnissen entsprechen. Aber zwei allgemeine Gesichtspunkte glaube ih doch bier in den Vorder- grund der Darlegungen stellen zu follen.

Bei der ersten Aeußerung, die ich auf agrarem Gebiet hier im Abgeordnetenhause gemaht habe, hob ih schon hervor, wie s{chwierig es für die landwirthshaftlihe Ver- waltung sei, auf agrarem Gebiet zielbewußt und einkeitlich vorzugehen. Das agrare Gebiet gehört auch dem Gebiet der Veterinär- verwaltung an. Jh wies {hon damals darauf hin, daß auf diesem Gebiet zum großen Theil Reichsregierung, Reichsvertretung, Reichs- verwaltung bez. Geseßgebung und Verwaltung zuständig seien. Ich hob ferner hervor, daß ein großer Theil der maßgebenden Fragen, auf geseßlichem Gebiet wie auf dem der Verwaltung, zur Zu- ständigkeit der Einzelstaaten gehôre, daß also die verschiedenen Bundeéëftaaten Deutschlands mit ihren Volksvertretungen eben- falls auf diesem Gebiete sowohl mit ihrer Gesezgebung wie mit ihrer Verwaltung mitwirken. Meine Herren, wir besißen ein Reichs- Viehseuchengesey, zu diesem Reichsgeseß eine Bundesraths- instruktion; daneben haben in Ausführung dieser Gesetzgebung die einzelnen Bundesstaaten wieder Gesezge und Ausführungs- bestimmungen erlassen, welhe an sich verschieden sind und ver- \{hicden ausfallen mußten, weil die Verwaltungsorganisation der einzelnen Bundesstaaten eine fehr verschiedenartig geordnete ist. Naturgemäß werden alle diese Bestimmungen nun auch wieder sehr verschieden gehandhabt. Daraus erklärt es ih, daß es in hohem Grade \chwierig if, eine vollständige Konformität auf dem Gebiet der Gesetzgebung, der Verwaltung und in der Handhabung der Gesetze herbeizuführen.

Nichtsdestoweniger kann ih anerkennen, daß, wenigstens solange ih die Verwaltung geführt habe, bei Anträgen an die Reichsverwal- tung leßtere in jeder Beziehung möglichst weit entgegengekommen ift.

Meine Herren, wenn also auch das Ziel verfolgt wird, eine möglichst konforme Gesetzgebung, Verwaltung u. |. w. herbeizuführen, so wird dies Ziel doch {chwerlich vollständig erreiht werden.

Ich verlasse diesen Punkt und gehe auf einen anderen Punkt genereller Natur über. Jch erkenne die Nichtigkeit der Darlegungen des Herrn Abg. von Mendel über den Umfang der Verseuhung in den außerdeutschen Ländern an, soweit ih seinen Darlegungen gefolgt bin. Herr von Mendel hat aber auch schon darauf hingewiesen, daß es unmöglich sei, das Deutsche Reich mit einer chinesischen Mauer zu umgeben, und hat die Gründe gegen solches Vorgehen eingehend be- sprohen. Wenn die Thatsache der Verseuhung der auswärtigen Under, Rußland, Dänemark, Schweden, Amerika u. |. w., im vollsten Umfange anzuerkennen ist und Sie dahei erwägen, wie umfangreihe Verkehrsbeziehungen, namentlich an den Landesgrenzen, mit unsern Nachbarn stattfinden, fo ist es unvermeidlich, daß aus diesem Verkehr auf veterinärem wie sanitärem Gebiet auch recht erheblihe, nicht ganz zu verhütende Gefahren erwahsen. Wäh- rend Nußlands Vieheinfuhr nah Deutschland vollständig gesperrt ift, ist an der Grenze gestattet, daß im Grenzverkehr Fleishwaaren, namentli Schweinefleisch, aus Rußland zur Befriedigung des Bedürfnisses der Grenzbewohner eingeführt werden. Aus Rußland wurden infolge dessen im vorigen Jahre in den Grenzbezirk 3 188 800 Pfund Schweine- fleish eingeführt. Nun besteht die Bestimmung, daß jeder nur 2 kg Fleish und jedes Mitglied der Familie nur einmal am Tage solches

Fleis herüberholen darf. Sie können ih dana ein Bild darüber machen, wel umfangreiher Verkehr an der russischen Grenze stattfindet (Unruhe rets. Rufe: Mißbrauch!), um dieser Erleichterung theilhaftig zu werden, und welhe Gefahr dieser fortwährende Verkehr bezügli der Einschleppung von Thierkrankheiten aus dem stark verseuchten russischen Gebiet mit sich bringt. Diese Befugniß für den Grenzverkehr dient wesentlich dem Interesse der preußischen Unterthanen und is daher {wer zu beschränken oder ganz zu beseitigen. Daraus ergiebt sich, wie s{chwer eine Absperrung gegen das Ausland namentli dann ist, wenn die Grenzgebiete territorial aneinander grenzen.

Daneben weise ih auf den gesteigerten Gesammtverkehr mit dem Ausland zu Wasser und zu Lande, mit Menschen, Thieren und Waaren aller Art hin, der selbstverständlih die Verseuhungsgefahr erheblih vermehrt, aber s{chwerlich ohne große - wirthschaftliche Nachtheile für uns wesentliz zu unterbinden fein dürfte. Ich habe diesen Gesichtspunkt auch früher {on hervorgehoben und glaube, daß man mit diesen Verhältnissen rechnen muß. Mit der Aeußerung des Herrn Abg. von Mendel, daß unter den gegebenen Verhältnissen es im Interesse der Gesammtproduktion und Konsumtion Deutschlands unmöglich sei, Deutschland mit einer chinesischen Mauer zu umziehen, daß es daher auh unthunlich, auf diesem Wege die Verseuhungsgefahr durch das Ausland zu beseitigen, kann ih mich danach nur einverstanden erklären.

Meine Herren, die Königliche Staatsregierung ist verpflihtet und bereit, solhe Maßnahmen, welche geeignet sind, unsere werthvollen Vieh- bestände möglichst immun zu erhalten, zu ergreifen, wenn sie durh- führbar und an si zulässig und erfolgversprehend sind, aber Un- möglihes darf niht gefordert werden, und dahin rehne ih auch ab- solute Absperrung gegen das Ausland. Vollständige“ Immunität kann und wird man nie erreichen.

Der Herr Geheimrath Küster wird Ihnen nachher mittheilen, in welchem Umfange wir [bereits die Grenzsperre gegen das Aus- land durchführten, Sie werden daraus entnehmen, daß in den leßten Jahren die Staatsregierung sehr energisch den Schuß gegen die Seuchengefahr aus dem Ausland zur Ausführung gebracht hat.

Meine Herren, nun erübrigt mir vielleiht nur noch, drei Punkte

"aus den Darlegungen des Herrn von Mendel herauszugreifen.

Der erste Punkt betrifft den Import amerikanisher Pferde nah Deutschland. Herr von Mendel hat darauf hingewiesen, daß auf 10 000 Pferde in Hamburg eine Erkrankung an Noß von 30,11, in Berlin von 4,32 festgestellt sei. Jn Schlesien ist der Erkrankungssayß nur 3,77, im Elsaß nur 2,60. Herr von Mendel sagte dabei ausdrücklich, daß er zwar den Beweis, daß diese stärkere Verseuchung an Roß in Hamburg auf den Import amerikanisher Pferde zurückzuführen sei, niht zu erbringen vermöge, daß aber doch diese Zahlen zu denken gäben und den Verdacht rechtfertigten, daß aus Amerika Roy importiert werde. Die Immunität der immer zahlreiher aus Amerika eingehenden Pferde ist scit Jahr und Tag einer strengen, \orgfältigen Ueberwahung unterworfen. Es if} richtig, daß die aus Amerika importierten Pferde aber dasselbe is der Fall bei den aus England zu uns gelangenden Pferden vorübergehend durch den Klimawechsel, durh die Seereise u. |. w. in einen drusigen Zustand gerathen. Diese Erkrankungen sind forgfältig überwacht, eine irgend gefährlihe Kontagiosität hat nicht festgestellt werden können, namentli auch nicht Nogterkrankung.

Meine Herren, die deutshe Reihsregierung erachtet es niht für geboten und rathsam, besonders auch in Betracht unserer Vertrags- und wirthschaftlichen Beziehungen nicht für zulässig, mit Sperr- maßregeln oder mit sonstigen prohibitiven Maßregeln gegen die ameri- kanische Pferdeeinfuhr vorzugehen, fo lange niht zu erweisen ist, daß der Import veterinärgefährlih sei. Herr von Mendel selbst hat ein» geräumt, daß der Beweis, daß dieses stärkere Vorkommen des Rotzes in Hamburg auf den Import amerikanisher Pferde zurückzuführen ift, nicht zu erbringen sei.

Meine Herren, dabei ist allerdings zutreffend darauf hingewiesen, daß die anderen Staaten uns gegenüber viel {ärfere Quarantänemaßregeln haben als wir; es ift auch ferner zutreffend, daß in den auswärtigen Staaten mehr oder weniger prohibitiv wirkende Eingangszölle be- stehen. Aber, meine Herren, nah verschiedenen Richtungen find wir durch die Handelsverträge gebunden (aha! rechts), diese Verträge müssen wir respektieren, so lange fie bestehen, und das zu thun, ift die Reichsregierung gewillt.

Nun, meine Herren, gehe ich über zu dem Import von Schweinen in den oberschlesischen Industriebezirk. Es i} aàllerdings wiederholt in Auésicht geftellt, daß man entweder mit einer weiteren Ermäßigung des diesem Industriebezirk gewährten Schweineeinfuhr-Kontingents oder *vielleiht sogar mit dessen vollständiger Beseitigung vorzugehen gedenke. In diesem Jahre war das nah den übercinstimmenden Be- rihten aller Behörden, sowohl der Berg: wie der politishen Behörden nicht thunlih, weil die Verhältnisse in dem oberschlesishen Industrie- bezirk infolge einer Mißernte an Kartoffeln, zum theil auch an Ge- treide und mit Nücksicht auf die Lohnverhältnisse für in hohem Grade bedenklih erachtet wurden.

Nun, wiederholt is der Verdaht ausgesprochen, daß, während der Import lediglich zum Konsum im Industriebezirk bestimmt ift, jede Schweinefleischausfuhr von dort verboten is, und danach ist das Kontingent au bemessen, troßdem nah Breslau, nah Berlin u. \. w. gegen das ausdrückliche Verbot Schweinefleisch aus den Industrie- bezirken exportiert werde. Es if mit Sorgfalt diesen Verhältniffen nachgegangen, es hat aber kein Uebertretungsfall konstatiert werden können (hört! bört! lints), es würde event. zweifellos Bestrafung er- folgt sein. Mein verehrtes Vis-à-vis \{chüttelt den Kopf. Jch habe wiederholt darauf hingewiesen: die Staatsregierung ist auf die Berichte ihrer Behörden angewiesen, darauf müssen wir uns verlassen, und darauf stüßen sh auch diese Behauptungen.

Meine Herren, ferner if sorgfältig der Gesundheitszustand der importierten Schweine in den Schlachthäusern überwaht. Erkran- kungsfälle sind seit Jahr und Tag geringer geworden, da man in Ruß- land bezw. in Sosnovice- eine forgfältigere Kontrole bei der Einfuhr nach Deutschland führt.

Meine Herren, Herr von Mendel betonte: daß der Import aus dem Auslande hauptsächlich die Ursache der Verseuhung sein müfse, werde dur die stärkere Verseuchung nah der Grenze hin erwiesen, sowohl nah Osten, Süden wie Westen hin. Jh kann das zugeben, führe es aber mit darauf zurück, daß es unmöglich ist, den Grenz- verkehr so zu regeln und zu überwachen, daß die Gefahr ver-

mieden wird. Nun wende ih mich zur Geflügelzuht und zur Geftügelcholera.

Es ist unbestreitbar, daß die Geflügelholera an manhen Orten dem heimischen Geflügel erheblihen Schaden zugefügt hat, und daß die- selbe aus dem Ausland eingeshleppt wird. Seit die Anzeigepflicht zur Durchführung gelangt ift, fie besteht erst seit kurzer Zeit, ist es möglich geworden, den Schaden annähernd festzustellen, der doch immerhin ein erheblicher ift. (Hört, hört!) Festgestellt ist aber au, daß die zum Schuß gegen die Einschleppung der Krankheit getroffenen Maß- nahmen in vershiedenea Richtungen wirksam \sich erwiesen haben. Es steht jeßt in Aussicht, noch in nächster Zeit das Treiben der Gänse, was wesentlich zur Verbreitung der Krankheit beiträgt, gänzlih zu verbieten, Es haben eingehende Verhandlungen darüber stattgefunden, ob, wo und wie bezw. mit welchem Erfolg die Geflügeleinfuhr an der Grenze einer etwa ahttägigen Quarantäne zu unterwerfen set. Es stellten sich indessen sehr erheblihe Schwierigkeiten in der Aus- führung heraus, auch machten sich Bedenken geltend, welche wesentli au das Interesse der Landwirthschaft nahe berührten. Jch bin nicht in der Lage, die Verhältnisse erschöpfend darzulegen. Wenn darauf hin- gewiesen ist, daß in Königsberg durch eine Verordnung {hon die Aus- führung angeordnet gewesen, dann wieder aufgehoben sei, so beruhte dies auf Mißverständnissen.

Der Regierungs-Präsident in Königsberg war verreist, wurde dur einen Regierungsbeamten vertreten, als von Berlin die Weisung zur Einführung von Bestimmungen zur Abwehr gegen die Seuchen- einschleppung erging. Jn der Verfügung war ausdrüdcklih gesagt, daß ¿ur Zeit Quarantänemaßnahmen nicht ausgeführt werden sollten. Troßdem hatte der Regierungsbeamte die Verfügung mißverstanden und in einer Polizeiverordnung die Quarantäne für den Negierungs- bezirk Königsberg angeordnet. Derartige Verordnungen müssen fofort dem landwirthschaftlichen Minister vorgelegt werden. Dadurh und dur Zeitungen wurde mir der Vorgang bekannt und dann sofort die ergangene Anordnung wieder aufgehoben, und zwar auf telegraphishem Wege, Diese Angelegenheit is dann in der Presse sehr aufgebauscht und zu allerlei Angriffen benußt. Meine Herren, ih kann versichern : die Königliche Staatsregierung is auf das ernsteste gewillt, der zweifellos unserer Geflügelzuht drohenden Gefahr dur Einschleppung der Geflügelholera möglichst entgegenzutreten. Jh habe schon angedeutet, daß auch im Interesse der Landwirthschaft Gründe vorliegen, die ein zu scharfes Vorgehen wenigstens zur Zeit sehr bedenklih erscheinen lafsen. Es ist zu bedauern, daß in dieser für die Landwirthschaft so \{chwierigen Zeit auh solche Schäden eintreten. Bis jeßt is aber der eingetretene Schaden ein übermäßig hoher noch nit gewesen. Die Regierung beabsichtigt, möglihs Abhilfe zu hafen. (Unruhe rets.)

Mit Herrn von Mendel erkenne ich an, daß die Geflügelzucht eine große Bedeutung hat. Herr von Mendel weiß aber auch, daß die Staatsregierung sowohl dem Schuß wie der Förderung der Geflügelzuht große Aufmerksamkeit schenkt.

Meine Herren, die Darlegungen, die ih Ihnen aben gab, bezogen sih auf Schußmaßregeln gegen Verseußhung durch Viehimport aus dem Ausland. Herr von Mendel hat au eingehend mit Maßnahmen zur Seuchenverhütung fich beschäftigt, auf die Nothwendigkeit der Einheitlihkeit der Verwaltung u. \. w. hingewiesen. Es wird zweckdmäßig sein, das Ergebniß der weiteren Diskussion über die ge- machten Vorschläge zunähst abzuwarten. Uebrigens wird rücksihtlich dieser Punkte, weil fie vielfah speziell in das Gebiet der Geseßgebung und Verwaltung eingreifen, der Regierungskommissar Geheime Rath Küster im Laufe der Diskussion weitere Auskunft ertheilen.

Geheimer Regierungs-Rat ü i i ifti t bee Hie Vieh d leidet Les giebt eine statiftishe Ueber ia für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer-

Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich noch einmal das Wort ergreife. Jch habe einen wesentlichßen Punkt wenigstens scheint er mir wesentliÞ übersehen.

Der Herr Abg. von Mendel hat am Eingange seiner Darlegungen darauf hingewiesen, daß wir dur statistishe Erhebungen haben fest- stellen können, daß die Viehzuht sich in Deutshland in den leßten Jahren außerordentlih gehoben habe. Das ist durhaus zutreffend, besonders trifft das auch auf dem Gebiete der Rindviehzuht zu. Umsomehr ist das überraschend, weil wir vor wenigen Jahren ih meine, es war 1893 eine so große Futternoth hatten, daß im Süden und Westen der Monarhie die Viehbestände de- zimiert wurden. Herr von Mendel hat an diese Darlegungen die Bemerkung geknüpft, daß er zu der Ansicht gelangt sei, daß Deutschland troy der Zunahme seiner Bevölkerung, die ja um Millionen in den letzten Jahren sih vermehrt habe, im stande sei, seinen eigenen Fleischbedarf zu deen.

Im Anschlusse an die Berehnungen des Abg. Mendel theile ih mit, daß der Dekonomie-Rath Boysen in der „Milchzeitung“ vom Jahre 1898 eine ähnlihe Berehnung veröffentliht hat. Er stellt die eigene Fleishproduktion Deutschlands und den Fleishimport vom Auslande fest und nimmt an, daß der Fleischkonsum in ganz Deutschland fo groß wie in der Stadt Berlin sei, was nach meiner Meinung viel zu hoch ges{chäßt ist und über die von Mendel’she Annahme erheblich hinaus- geht, weil in vielen Gebietstheilen Preußens namentlich im Osten der Freishkonsum ein oft geradezu minimaler i} (sehr richtig 1). Ich glaube daher, daß Herr Oekonomie-Rath Boysen seinen Berehnungen einen zu hohen Konsumfaktor zu Grunde gelegt hat. Bei dieser Berehnung kommt Herr Boysen zu dem Ergebniß, daß zur Deckung des deutschen Bedarfs bis jeßt nur 2,68% fehlen, die der ausländishe Import decken müsse. Jh nehme daher mit Herrn von Mendel an, daß wir wohl im stande find, unseren gesammten Fleishbedarf bei Schweinen is das jeßt {hon zweifellos der Fall selbst zu decken. Daß Deutschland auf diesem Gebiet sih unabhängig von dem Jmport des Auslandes stelle, halte ich wirth\{chaftlich und politisch für hoch- wichtig. Daß wir auch unsern Getreidebedarf selbs decken können, habe ih {hon bei anderem Anlaß behauptet und näher begründet, und bin’ troß erfolgter Angriffe nit widerlegt.

Wir wollen daher fleißig fortfahren, unsere deutshe Viehzucht zu heben, wozu wir sehr wohl in der Lage sind. (Sehr richtig ! rechts.) Dabet gebe ich darin dem Herrn Abg. von Mendel allerdings Recht, daß es große Gebietstheile in Deutschland giebt, wo die Ausdehnung der Nindviehzucht ohne Schädigung der übrigen Landwirthschaft kaum möglich ist. Jh lege mit dem Herrn Abg. Mendel Werth darauf, daß man über die Bestrebungen zur Hebung der Rindvtehzuht die Hebung unseres Ackerbaues keinenfalls vernahlässigen darf, beides muß pari passu gehen. (Sehr richtig! rets.)

Also au in dieser Beziehung kann ih den Darlegungen des

Herrn Abg. Mendel vollständig beitreten. Jh glaube und erhoffe,

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