1826 / 56 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Mon, 06 Mar 1826 18:00:01 GMT) scan diff

216

tragishen Schönheiten dieses Stücks ihren Beifall nicht versagen fônnen ; alle aber stimmen darin überein, daß die Catastrophe nicht hinreichend vorbereitet, und über- haupt nicht so gestaltet ist, um großen Béifall auf ei- ner französishen Bühne einzuärhdten. Der bekannte Critifer Martainville sagt im Drapeau blanc: „dies Stück ist ein túchtiges, derbes Drama, das aus einem Schillerschen Stücke genommen ist, welches den Titel bürgerliches Trauerspiel mit Recht führt; denn wenn man im deutschen Werke auch einige tragishe Jnten- tioneu nicht verkennen fänn, so wimmelc es doch von bürgerlichen Lächerlichkeiten und niedrigem Geschwäk. Dies nennen die Anhänger der deutschen Litteratur, „„\ublime Gegensäße.‘“/ Der franzdösishe Bearbeiter, Hr. Gustav von Wailly, ist dem Original meistens treu geblieben. Einige Veränderungen sind nicht glücklich, z- B. hat der Ueberseßer aus dem deutschen Präsiden- ten, welcher im Original recht deutlich als der erste Minister des Fürsten bezeichnet wird, *- einen bkoßen Prásidenten, man 1deiß nicht wovon, gemacht. Das Journal des Debats glaubt, daß der Ueberseber hierin weniger seinem eignen Antriebe als der Weisung der Theater - Cetsur gefolgt ist. Wie es auch sein mag, so hat diese Veränderung eine Schwächung der Charaktere und der Situationen hervorgebracht und dem Ganzen eine matte Farbe gegeben- Die Scene, Lady Milford den Beillantenschmuck gebracht wird und worin sie erfährt, daß diese Steine mit dem Herzbl[ute der Landeskinder erkauft sind, ist gänzlih weggelassen. Wenn der Ueberseßer .dies gethan hat, um gehässige Anspielungen zu veumneiden, so hat er seinem Werke durch eine r{{cht übel angebrachte Delikatesse sehr ge- schadet. Braucht inan denn in einem Lande, wo die Güte und Wohlthätigkeit selbst auf dem Throne sißt, wo diese Tugärden ihren“ Einfluß zum Besten aller Unglücklichen t&glih äußern, dàs Gemälde von Lastern zu scheuen , - die der Zeit und dêm Orte so fremd sind? Die’ natúrlihe Folge dieser Weglassung ist, daß der Entschluß der Lady Milford, mit cinemmal aus Pflicht- gefühl allen Vorzügen des Reichttims-. und der Gunst zu entsagen ‘viel zu wasch ‘und: GWidend scheint, gar nicht hinlänglich motivirt, "und beinahe. unerfiärlich ist, weil er durch nichts vorbereitet und herbeigeführr ist. Der Uecberseßer hat ferner, man weiß nicht recht warum, aus dew Hofmarschall einen Groß - Seneschal gemacht. Er he aber nit vergessen sollen, daß die Seneschale nicht Hofbeamtè, soudern Justizbediente wa- ren, welchen ihre amtlihe Stellung keinesweges die Thüren der Hofzimmer öffnecre; auch diese Verän- derung ist eine Quelle von Unmwahrscheinlichfeiten. Glücklicher. hat es der Ueberseßer getroffen , indem -er die Rolle von Luisens Mutter ganz weggelassen hat, die auch in Deutschland einen höchst unangenehmen Eindruck hervorbringt. Was die Classicisten am meisten in Erstaunen seßt , ist die Kühnheit, welche der französische Schriftsteller gehabt hat, eine Person, wie die Lady Milford auf die franzôsishe Bühne zu bringen, und ‘sle räumen ein, daß der Verfasser dec Originals die damit verbundenen Schwierigkeiten sehr glücklich überwunden hat. Die große Scene zwischen ihr und Ferdinand ist ganz treu und sehr gut überseßt und hat iyren Effekt nicht verfehlt; wogegen der Eindruck der Scene zwischen Luise und Lady Milford in der Uebersebung sehr geschwächt ist. Der leßte Aft ist der- jenige, worin der Bearbeiter am meisten vom Original abgewichen ist ; er läßt Lady Milford ihr Vermögen dem

worin der

armen Miller abtreten, wodurch der Präsident bewogey wird, seine Einwilligung zur Ehe zwischen Ferdinanj und Luise -zu geben, und während Willer zum Notariu

Allgemeéêine

Seme fate, wo Peiner der ben o mai Q L (U Ps he Staats - Zeitung.

Luise von diesen Umständen unterrichtet ist, si{ch un) seine Geliebte, jedoch nicht mit Limonade sondern mi Thee vergiftet. Das Journal des Debats meint, di Hauptfehler des Stücks sei, daß zu viel Laster un Schlechtigkeit auf die Seite des Landesherrn und sein Umgebungen gelegt sei, während alle heroischen Tugen den, der Adel der Gefühle, die Wohlthätigkeit und dg Muth , si ein Rendezvous in den Herzen von zwi Frauen gegeben zu haben scheinen , deren eine die ers Tugend- ihres Geschlechts abgeshworen hat, und dj andere durch ihre Stellung im Leben“ und durch ih Erziehung nur berufen zu sein scheiat, die stillen Tuge den des häuslichen Lebens auszuüben. Der Uebersebz hat auch das Herbe der Original, Charaftere gemilder! sein Präsident ist nur ein stolzer, ehrgeiziger Mens und die ganze Lasterhaftigfeit des Präsidenten ist“ de niederträchtigen Sekretair beigelegt, von welchem" er di Schwachheit hat, sich leiten zulassen. Vielleicht ist di naci stehende Urtheil eines frühern Ueberseßers und Ve ehrers von Schiller hier von Einfluß gewesen: „D Îdee und die Ausführung des Stücks trägt einen en

|chiedenen Charafter von Feindschaft gegen die höhe

Classe der Gesellschaft, sie ist in einem falschen und g zwungenen Lichte dargestelle. Schiller konnte sich rúhm ein Ungeheuer hervorgebracht zu. haben, wie es in di Wesellschast nicht existirt. Die Verderbtheit des Prä denten ist bis zu einem Exceß betrieben , der alle vi nünftigen Gränzen überschreitet... Es war gar nid nöthig, ihm so derbe Verbrechen zuzuschreiben. M wird dadurch an die Bemerkung eines Mannes erinnei der bei der Vorstellung von Atreas und Thyestes à

-ßerte: „„Es würde doch sehr unangenehm sein, solch j

Menschen in der Gesellschaft zu bégegnen.“/ Uebersebung oder Bearbeitung ist übrigens, nach de Urtheile aller französishen Blätter, in sehr guten Vi sen geschrieben, und ist bis auf den leßten Aft mit gr ßem Beifall aufgenommen worden. Eine and Nachahmung des Schillerschen Stücks war vor einig oeit aus einem fleinen Theater als Melodrama , unt! dem Titel „„die Tochter des Musikers‘/ gegeben wordt in diejem Stücke ist aber Ferdinand® nicht der Mörd seiner Geliebten, da diese freiwillig ihrem Leben a neumodische Weise- durch Kohlendampf ein Ende mad

ri Cme 2

Lnge Schauf pie

Sonnabend, 4. März, Jm Schauspielhause: Zu Erstenmale wiederholt: „„Geheime Rache für geheim Schimpf,‘ Trauerspiel in 3 Abtheilungen , aus di Spanischen des Calderon úberseßt und für die Darsil lung bearbeitet, Hierauf: „Die Verstorbene, // Po in 1 Aufzug, von C. Lebrun, Fortseßung der Poss „Nummer 777.‘

__ Sonntag, 5. März. Jm Opernhause: „„Der Bi bier von Sevilla,‘ fomijche Oper: in 2 Abtheilung Musik von Rossini,

Im Schauipielhanse: „Das Käthchen von bronn „‘/ großes Ritter - Schauspiel in 5 Abtheilung nebst einem Vorspiel, genannt; „„Das heimliche O richt,// von H, v. Kleist. (Mlle, Carol. Bauer: Käthche!

Gedruckt bei Feister

und Eisersdorff. Nedacteur John.

Jihm ausgefertigte Bestallung AllerhöchstSelbst zu voll-

Paris.

] bei dem, Könige;

Me 93.

Berlin, Montag, den 6ten März 1826.

Amtliche Nachrichten.

L R Les At

Des Königs Majestät haben den bisherigen Regie- rungs-Rath Berent bei der Regierung zu Marien? werder zum Geheimen Regierungs-Rath aller- gnädigst zu ernennen, und die in dieser Eigenschafc für

ziehen geruhet.

Des Königs Majestät haben den bisherigen Re&h- nunge-Rath Rose zu Trier zum Regierungs-Rath bei der Regierung zu Côln allergnädigst zu eriennep, und e Patent für ihn Allerhöchstselbst zu vollziehen ge- ruyet.

:

Der bisherige Privatdocent Dr. von Bohlen in Königsberg in Pr. 1|st zum außerordentlichen Professor in der dortigen philosophishen Fakultät ernannt worden.

Der bisherige Oberlandesgerichts Referendarius Robert Barth ist zum Jastlz- Kommissarius bei den Untergerichten im Departement des Oberlandesgerichts zu Franffurt, mit Anweisung seines Wohnsißes in Arns- walde, bestellt worden.

Angefommen, Der Fürst von Lichnowsfky, von Breslau.

Durchgereis. Der Kaiserl. - Russische Feldjäger Joussew, als Kourier von St. Petersburg nach

Abgoreist. Der Landgräfl. Hessen - Homburgsche Hof-Marschall und außerordentliche Gesandte am Kais. Russ. Hofe, Eichen-Walduer von Freundstein, nach St. Petersburg. Ha

|

Deitungs- Nachrichten.

M08 [4 8.-d.

Paris, 27. Februar. Vorgestern war große Cour die Gräfin Appony wurde S. M., den Prinzen und Prinzessinnen vorgestellt.

Vor einigen Tagen erschien vor dem hiesigen Zucht- polizeigericht der Wirth eines Gasihofes und verklagte den Eigenthümer eines Elephanten, welcher in einem Anfalle von Wuth seiuen Stall zertrümmert, eincn Wagen und mehrere andere Gegenstände zerschlagen

hatte. Der Gastwirth verlangt? Schadenersaß. Der Advokat des Elephantenführers behauptete in seiner Vertheidigungsrede, die Wahrheit der Anführungen, die von beiden Seiten geschehen wären, könnte eigentlich nur durch Citirung aller Partheien in Person bewiesen wer- den. Er räumte ein, daß der Elephant einen Ausfall gethan habe, suchte aber zut beweisen, daß die bereits als Schadenersaß bezahlte Summe hinreichend sei, um die Verheerungen dieser nächtlichen Campagne wieder gut zu machen, Der Kläger hat übyigens,- fuhr der Advokat fort, den Charafter meines Clienten verläumdet, denn es ist befannt und Búffon hat es schon gesagt, daß der Elephant sanft, ernst und nicht zum Zdxne geneigt ist; übrigens muß der Kläger wohl das-schon, bezahlte Schmers

zengeld als hinreichend angeseheiï haben. sonst würde

den Elephanten nicht, . wis geschehen if; haben fortreisen, sondern wie er das Recht dazu. hatte; zur Sicherstels- lung seiner Forderung, einen Personal - Arrest erwirkt haben. Die ganze Verhandlung und besonders die Des fension waren für die Zuhörer sehr belustig-nd.

Eilf zur Seis von 1824 gehörende Rekruten sind überführt worde h muthtieh-“verstimmelt zu haben, um sih dem Militairdienste zu entziehn; sie sind dem-- nach zur Pionier-Straf-Compagnie auf der Jnsel Oleon abgeführt worden. "d _ Fünfproc. Rente 98983, Fr. 409 £. Dreiproc. 64 Fr. 25 C. 64, 27760 C. 99

London, 24. Febr. Der im Unterhause von Hrn: Ellice gestern gemachte Antrag: daß sämmtliche Petis- tionen gegen die Einfuhr fremder Seide an einen be- sonderen Ausschuß verwiesen werden sollten, wurde von Hrn. Williams lebhaft unterstüßt, wobei dieser zugleich das liberale Handels-System der Minister im Allgemei» nen angriff. Hr. Husfisson fand sich unter diesen Um- ständen um so mehr bewogen, sich umständlich über die- ses System auszusprechen, nachdem er sih zuvörderst gegen einige mehr persönliche Vorwürfe des Hrn, Wil- liams vertheidigt hatte. „Die Herren, sagte er, haben acsprochen , als wenn die Maaßregeln , gegen die ihre Vorträge gerichtet waren, niht im Parlament bespro- hen, nicht vor 18 Monaten Landesgeseß geworden wáä: ren. Sie scheinen hauptsächlich haben beweisen wollen, daß die Handelsprincipien, welche seit den leßten zwei oder drei Jahren im Parlaniente herrschten und darauf abzweckten, alle Handelsbeschränkungen zu entfernen und die Ausdehnung der Manufacturen, des Gewerb- fleißes, die Verwendung der Capitalien möglichst zu er- leihtern, an der gegenwärtigen Lage des Landes schuld seien. Es handelt sich also darum, ob die Verbote und das Restrictions - System wieder allgemein eingeführt und der geshehne Schritt zu einem bessern System der Handels : Politif wieder zurücfgethan werden solle oder nihe. Wir müssen, wenn leßteres statt flnden sollte,