1888 / 70 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Mar 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Erlaß Sr. Majestät des Kaisers und Königs an den Reichskanzler und Präsidenten des Staats-Ministeriums.

Mein lieber Fürs,

Bei dem Antritt Meiner Regierung ist es Mir cin Bedürfniß, Mith an Sie, den langjährigen viel- bewlibrten ersten Diener Meines in Gott ruhenden Herrn Vaters zu wenden. Sáe sind der treue und muth- volle Rathgeber gewesen, der den Zielen Seiner Politik die Form gegeben und deren erfolgreithe Duréführung gesichert hat.

Jhnen bin Jh und bleibt Mein Haus zu warmem Dank verpflichtet

Sie haben daher cin Reht vor Allem zu wissen, wéelhes die Gesiéchtäpunkte sind, die für die Haltung Meiner Regierung maßgebend sein sollen.

Die Versassungs: und Rechts-Ordnungen des Reiches und Preußent müßen vor Allem in der Ehrfurcht und in den Sitten der Nation si befestigen. Es sind daher die Erschütterungen möglithsi zu vermeiden, welthe häufiger Wethsel der Staatbeinrichtungen und Geseye veranlaßt.

Die Förderung der Aufgaben der Reiéhbregierung muß die festen Grundlagen unberührt lesien, au denen bisher der Preußische Staat sither geruht hat.

Jm Reiche sind die verfassungtmäßigen Rethte aller verbündeten Regierungen ebenso gewserhaft zu aéhten, wie die des Neichütags; aber von Beiden ist cine gleithe Achtung der Rechte des Katsers zu erheischen, Dabei ist im Auge zu behalten, daß diese gegenseitigen Rechte nur zur Hebung der bfsentlithen Wohlsahrt dienen sollen, weléhe das oberste Gesey bleibt, und daß neu hervortretenden, unzweiselhaften nationalen Be- dürfnissen stets in vollem Maße Genüge geleistet werden muß.

Die nothwendige und sithersie Bütgschaft für ungestörte Förderung dieser Ausgaben sehe Jh in der ungeschwädhten Erhaltung der Wehrkraft des Landes, Meints erprobten Heeres und der aufblühenden Marine, der dur Gewinnung überseeisther Besitzungen ernste Pfliéhten erwathsen find. Beide müssen jederzeit auf der Höhe der Ausbildung und der Vollendung der Organisation erhalten werden, welhe deren Ruhm begründet hat, und wel@he deren fernere Leistungsfähigkeit iert.

J bin entshlossen, im Reiche und in Preußen die Regierung in gewissenhafter Beobolhtung der Bestimmungen von Reichs: und Landes-Verfassung zu flihren. Diejelben find von Meinen Vorselhren auf dem Throne in weiser Erkenntniß der unabweitbaren Bedürfnisse und zua [senden \ähwierigen Ausgtben des gel: schaftlithen und staatlichen Lebens begründet worden unld missen allseitig geathtet werden, um Wre Krast url segenöreithe Wirksamkeit bethätigen zu können. j

J will, daß der seit Jahrhunderten in Meinem Hause heilig gehaltent Grundsay religibser Duldung au ferner alle Meine Unterthanen, weléher Religionbgemeinschaft und welchem Bekenntnisie sie auth cizéhbren, zum Sthuye gereiéhe. Ein Zezlicher unter ihnen steht Meinem Herzen gleith nelhe haben doth Alle gleith- mäßig in den Tagen der Gefahr ihre volle Hingebung bewährt.

Einig mit den Anshauungen Meines Kaiserlithen Herrn Baters, werde Jh warm elle Bestrebungen unterstützen, weléhe geeignet sind, das wirthschaftlicche Gedeihen der versthicdenen Gescllsheftükläßfen zu heben, widerstreitende Jnteressen derselben zu versöhnen und unvermeidlithe Missülmde nah Kräften zu mildern, ht do die Erwartung hervorzurufen, als ob es möglich sei, uth Eingreifen des Staats eilen Uebeln der Gck- {haft ein Ende zu mathén.

Mit den sozialen Fragen enge verbunden erathte Jh die der Erziehung der heranwalhsernden Zughd zugewäandte Pflege. Muß einerseits eine höhere Bildung immer weiteren Kretsen wuglinglih gema werden, so ist do zu vermeiden, daß durch Halbbildung ernste Gefahren geshafsen, daß Lebendarsptüthe geme? werden, denen die wirthsthaftlichen Kräfte der Nation nitht genügen können, oder deß durh cinseikze E stréebung vermehrten Wissens die erziehliche Ausgabe unberücksithtigt elbe.

Nur ein auf der gesunden Grundlage von Gottesfurcht in einsathet Sitte auswalhiendes wird hinreichend Widerstandskraft bestyen, die Gesahten zu überwinden, wellhe in einer Zeit rasthet shaftliher Bewegung, durh die Beispiele hothgesteigerter Lebensführung Einzelnet, für die Geiäannthei erwähsen. Es ist Mein Wille, daß keine Gelegenheit verslunmt werde, in dem d&entlidben Dienste dahin ew zuwirken, daß der Versuchung zu unverhältnismäßigem Aufwande entgegengetreten werde.

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