1872 / 259 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Nov 1872 18:00:01 GMT) scan diff

suchten in den angrenzenden Bergen Schuß, während andere fich in der Stadt in geheimen Schlupfwinkeln verbargen. Am Dienstag wurden die Rädelsführer der Sunniten ergriffen und eingekerkert. Am Abend waren die Unruhen noch immer nicht unterdrückt , denn die Schiiten schaarten sih zusammen und verübten Wiedervergeltung gegen ihre Feinde, indem sie mehrere von den Sunniten bewohnte Häuser und Dörfer in und um Serinagur in Asche legten.

Landtags - Augelegenheiten. j;

Berlin, 1. November. Die Ansprache, welche der Minister des Innern, Graf zu Eulenbur b in der gestrigen Sitzung des Herrenhauses vor der Abstimmung über die Kreis- ordnung hielt, lautet wörtlich:

Meine Herren! Sie stchen im Begriff darüber zu beschließen, ob *

die Gesepesvorlage für diese Session als beseitigt angesehen werden soll, oder niht. Wenn Sie die Geseßesvorlage im Ganzen verwerfen, so ist sie damit für diese Session beseitigt; fie kann nicht mehr an das Abgeordnetenhaus gebracht werden. Fällt Jhr Beschluß so aus, so würde unter anderen Umständen vielleicht die Demission des Ministeriums, speziell desjenigen Ministers, der mit der Führung dieser Angelegenheit betraut ist; die Folge sein. Sie werden uns zu- Fans daß wir, wenn wir irgend eine Förderung der Sache darin erkennten, keinen Augenblick Anstand nehmen würden, unsere Demis- sion zu den Füßen Sr. Majestät niederzulegen; allein die Sache steht in diesem Falle anders. Se. Majestät haben die Ueberzeugung, daß das Zustandekommen einer auf den Prinzipien der Regierungsvorlage beruhenden Krei8ordnung eine Nothwendigkeit i und în Eee Ueber- zeugung würden Sie jedem neuen Ministerium dieselbe Aufgabe stellen; die uns obgelegen hat.

__ Wenn Sie den Entschluß fassen, die Vorlage abzulehnen, so roird die Session unmittelbar geschlossen und eine neue Session einberufen werden, in welcher die Kreisordnung zu den ersten Vorlagen gehören wird. Wir sind von der Nothwendigkeit der Durhführung derselben unter voller Zustimmung Sr. Majestät "so Überzeugt; daß wir diese Aufgabe nicht fallen lassen, sondern versuchen werden, die Lösung der- (a zu erreichen durch alle Mittel, welche die Verfassung uns ge-

attet.

Die neue Geschäft8ordnung für das Haus der Abgeordneten. lautet:

I Zusammentritt des Hauses der Abgeordneten und Prüfung der Wahlen.

Zusammentritt des Hauses. §. 1. Beim Eintritte einer neuen Legislatur-Periode tritt nah Eröffnung der beiden Häuser des Landtages (Artikel 76 der Verfassungs-Urkunde) das Haus der Ab- geordneten Unter dem Vorfiß seines ältesten Mitgliedes zusammen. Das Aml des Alterspräsidenten kann von dem dázu Berufenen auf E Lebensalter ihm am nächsten stebende Mitglied übertragen verden.

___Für jede fernere Session derselben Legislatur-Periode seßen die Präsidenten der vorangegangenen Session ihre Funktionen bis zur vollendeten Wahl des Präsidenten fort (§. 7).

Der Nor unte ernennt provisorish, für die Frist bis zur Kon- stituirung des Vorstandes (§. 8), vier Mitglieder zu Schriftführern.

Bildung der Abtheilungen. §. 2. Das Haus wird durch vat in sieben Abtheilungen möglichst gleicher Mitgliederzahl ge-

eilt.

__ Jede Abtheilung wählt mit absoluter Stimmenmehrheit einen Vorsißenden und einen Schriftführer, sowie Stellvertreter für beide.

Die Abtheilungen bestehen fort, bis das Haus auf einen durch 50 Unterschriften unterstüßten Antrag ihre Erneuerung beschließt. Die- selben sind ohne Rückficht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder ‘beschlußfähig. (ÿF. 29.) ;

Prüfung der Wahlen. §F. 3. Die Vorprüfung der Wahlen geschieht in den Abtheilungen; jeder Abtheilung wird eine möglichst C N der einzelnen Wahlverhandlungen durch das Loos zu- getheilt.

__H§. 4. Findet die Abtheilung ein erhebliches Bedenken, oder liegt eine Wahlanfehtung oder voù Seiten cines Mitgliedes Einsprache vorj so ist der Sachverhalt dem Hause zur Entscheidung vorzulegen.

Der Bericht über alle Wahlen, bei denen auf Beanstandung oder Ungültigkeitserflärung seitens der Abtheilung angetragen wird, ist \chriftlich zu erstatten. i Ä Wahlanfechtungen und Einsprachen, welche später als vierzehn Tage nach Eröffnung des Hauses und bei Nachwahlen, die während einer Session stattfinden, LaS Feststellung des Wahlergebnisses beim Abgeordnetenhause eingehen, bleiben E s

F. 5. Wahlen, bet denen keiner der obigen Fälle eintritt, werden vom Präsidenten nachrichtlih zur Kenntniß des Hauses gebracht, und wenn bis dahin der vierzehnte Tag (§. 4) noch nicht B erkoen, cin st- weilen als gültig betrachtet; nach Ablauf der vierzehntägigen Frist sind fie definitiv gültig.

_§. 6. Bis zur Ungültigkeitserklärung ciner Wahl hat der Ge- wählte Siß und Stimme im Hause.

Mitglieder, deren Wahl beanstandet wird, dürfen in Beziehung auf ihre Wahl alle ihnen nöthig scheinenden Aufklärungen geben, nicht aber an der Abstimmung Theil nehmen.

11, Vorsteher und Beamte des Hauses.

Wahl der Präsidenten. §. 7. Wenn die Wahlen eincr be- \{lußfähigen Anzahl von Mitgliedern des Hauses (Artikel 80 der Verfassungs-Urkunde) als gültig anerkannt sind, wählt das Haus den E sodann den ersten und hierauf den zweiten Vize « Präfi-

en. j uu Wahlen erfolgen durch Stimmzettel nach absoluter Stimmen-

eit.

„Hat si eine absolute Mehrheit nit ergeben, so sind diejenigen fünf Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben, auf eine engere Wahl zu bringen. Wird auch bei dieser Wahl keine ab- solute Mehrheit erreicht, so sind diejer e beiden Kandidaten, welche die meisten Stimmen in der engeren Wahl erhalten haben, auf eine zweite engere Wähl zu bringen. Tritt in dieser leßten Wahl Stimmen- e ein, so entscheidet das Loos, welches durch die Hand des Präsidenten gezogen wird. Bei Ausmittelung derjenigen Kandidaten, welche nach den vorstehenden Vorschriften auf die engere Wahl zu bringen sind, entscheidet bei Stimmengleichheit ebenfalls das Loos,

Wahl der Schriftführer. §. 8. Jn einer einzigen Wahl- handlüng erfolgt demnächst nach relativer Stimmenmehrheit die Wahl von acht Schriftführern.

Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos, welches durch die Hand des Präsidenten gezogen wird.

Dauer der Amtsführung. §. 9. Der Präsident und die Vize-Präsidenten werden zu Anfang einer Legislatur-Periode das erste Mal auf 4 Wochen, dann aber sür die übrige Dauer der Session gewählt. Jn den folgenden Sessionen einer Legislatur-Periode erfolgt die Wahl sofort für die ganze Dauer der Séssion.

___ Die Wahl der Schriftführer geschieht für die Dauer jeder Session, jedoch kann der Gewählte nah Ablauf von 4 Wochen zurücktreten.

Konstituirung des Hauses. §. 10. Die Konstituirung des Hauscs und das Ergebhiß der Wahlen wird durch den Präsidenten dem Könige und dem Herrenhause angezeigt.

Der Präsident & 11. Dem Präsidenten liegt die Leitung der Verhandlungen, die Handhabung der Ordnung und die Vertre- tung des Hauses nah außen ob. Er hat das Recht, den Sißungen ein O und Kommissionen mit berathender Stimme beizu-

ohnen.

Die Vize-Präsidenten vertreten den Präsidenten in Behinderungs8- fällen nah der Reihenfolge arer Erwählung.

F. 12, Der Präsident beschließt über die Annahme und Ent- lassung des für das Haus erforderlihen Verwaltungs- und Dienst- Persomals7 so wie über die Ausgaben zur Deckung der Bedürfnisse des Hauses innerhalb des geseßlich festzustellenden Voranschlages.

Die Schriftführer. §. 13. Die Schriftführer haben für die Aufnahme des Protokolles und den Druck der Verhandlungen zu sorgen, daher auch die Revision der stenographischen Berichte zu über- wachen, Sie lesen die Schriftstücke vor, halten den Namen®°nufruf,

vermerken die Stimmen und haben den Präsidenten in der Besor- gung der äußern Angelegenheiten des Hauses zu unterstüßen.

__ Die Quästoren. §. 14. Der Präsident ernennt für die Dauer seiner Amtsführung aus der Versammlung zwci Quästoren für das Kassen- und Rechnungswesen. Ï

Behandlung der Vorlagen, Anträge und Petitionen.

§. 15. Die Vorlagen der Regierung oder des Herrenhauses,

sowie alle förmlich (§. 20) eingebrahten Anträge von Mitgliedern des Hauses werden dur den Präsidenten zum Druck und zur Verthei- lung an die Mitglieder befördert. Hiernächst tritt der in den Fg. 16 bis 30 vorgeschriebene Geschäftsgang ein. ; ___a) Jm Plenum des Hauses. §. 16. Die erste Berathung über Geseßentwürfe erfolgt frühestens am dritten Tage, nachdem der Geseßentwurf gedruckt und in die Hände der Mitglieder gekommen ist, und ift auf eine allgemeine Diskussion über die Grundsäße des Entwurfs zu beschränken. :

Nach dem Schlusse der ersten Berathung beschließt das Haus, ob ie Fomnison mit der Vorberathung des Entwurfes zu be- trauen ist.

Die allgemeine Diskussion kann auch auf einzelne Abtheilungen des Entwurfs gerichtet und abtheilungsweise zu Ende geführt werden.

§. 17. Die zweite Berathung erfolgt frühestens am zweiten Tage nah dem Abschlusse der erfien Berathung , und wenn eine Kommission eingeseßt ist, frühestens am dritten 290! nachdem die ‘156 «l glb nträge gedruckt in die Hände der Mitglieder gekom- men sind.

die Diskussson eröffnet und geschlössen, und die Abstimmung herbei- geführt. Auf Beschluß des Hauses kann die Reihenfolge verlassen, in gleicher Weise die Diskussion über mehrere Paragraphen verbun- den oder über verschiedene zu demselben Paragraphen gestellte Ab- änderungs-Vorschläge getrennt werden.

C ALGPD or age zu einzelnen Paragraphen können in der Zwroischenzeit und im Laufe der Verhandlung eingereiht werden. Sie bedürfen feiner Sue bee :

_ Nach dem Schlusse der zweiten Berathung stellt der Präsident mit Zuziehung der Schriftführer die gefaßten Beschlüsse neben der Vorlage zusammen.

th Diese Zusammenstellung bildet die Grundlage der dritten Be- rathung.

ê Wird der Entrourf in allen seinen Theilen abgelehnt, so findet eine weitere Berathung nicht statt. :

F. 18, Die dritte Berathung erfolgt frühestens am ziveiten Tage nach dem Abschlusse der zroeiten Berathung, beziehungsweise nah der Vertheilung der Zusammenstellung. (§. 17) j

Ee zu einzelnen Paragraphen können in der Qwischenzeit und im Laufe der Verhandlung eingebracht werden. Sie bedürfen der Unterstüßung von 30 Mitgliedern.

Die Diskussion erfolgt zunächst über die Grundsäße des Ent- wurfs nach i 104 des §. 16, und hieran {ließt sich unmittelbar d: N ber die einzelnen Paragraphen nach Maßgabe

17

Am S(hlusse der Berathung wird Über. die Annahme oder Ab- lehnung des Geseßentwurfs abgestimmt. Sind Verbefserungs8anträge angenommen worden, so wird die Shlußabstimmung ausgeseßt , bis das Bureau die Beschlüsse zusammengestellt hat.

F. 19. Eine Abkürzung der im §. 17 bestimmten Frist, ins- besondere auch die Vornahme der ersten und zweiten Berathung in derselben Sißung, kann bei Feststellung der Tage8ordnung (§. 33) oder überhaupt an einem früherem Tage, als an dem der Berathung, mit Stimmenmehrheit , eine Abkürzung der Übrigen Fristen GF 16 und 18) nur dânn beschlossen werden, wenn ihr nicht 15 anwesende Mitglieder widersprechen.

Das Haus kann wie am Schlusse der ersten g: 16) fo in jedem Stadium einer folgenden Berathung bis zum Beginn der Frage- stellung den eun oder einen Theil desselben zur Bericht- erstattung an einc Kommission verweisen , welche sich nur mit dem ihr überwiesenen Gegenftande zu beschäftigen hat.

F. 20. Alle von Mitgliedern des Hauses ausgehenden Anträge müssen von mindestens 15 Mitgliedern unterzeichnet und mit der Eingangsformel :

»Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, u. st. w.« verschen sein. J

Sind diese Formen nicht beobachtet, so wird der Antrag als Petition behandelt.

Sind diese Formen dagegen beobachtet, so erhält in einer folgen- den Sißung, jedoch frühestens am dritten Tage, nachdem der Antrag gedrucft in die Hände der Mitglieder gefommen ish der Antragsteller das Wort zur Begründung. Hieran liest sid, wenn der Antrag cinen Geseß-Entwurf umfaßt, sofort die erste Berathung.

Eine Abkürzung der Frist ist mit Zustimmung des Antragstellers unter den im §. 19 vorgeschriebenen Bedingungen zulässig.

g. 21. Anträge, welche keine Geseß-Entwürfe enthalten, be- dürfen nur einer einmaligen g und Abstimmung. Ab- änderungsvorschläge hierbei bedürfen der Unterstüßung von 30 Mit- gliedern. Uebrigens finden alle Bestimmungen über die Behandlung von Geseßentwürfen auf sie Anwendung.

Die Berathung und Abstimmung Über: einen derartigen Antrag fann, und zwar auch ohne daß er gedruckt vorliegt, in derselben Sißung, in welcher er eingebracht is unter Zustimmung des Antrag- stellers stattfinden, wenn kein Mitglied widerspricht. j

g. 22. Jeder Antrag kann zurücgezogen, jedoch von jedem anderen Mitgliede wieder aufgenommen werden. Er bedarf alsdann keiner- weiteren Unterstüßung.

F. 23. Anträge der Regierung sind, auch wenn sie Geseß- entwürfe nicht enthalten , nach den Vorschriften der Fg. 16 bis 19 zu behandeln, wenn nicht mit Zustimmung der Regierung das im §. 21 , bestimmte abgekürzte Verfahren beschlossen wird.

_b) Jn den Kommissionen. §. 24. Für die Bearbeitung derjenigen Geschäfte, welche li die Geshäft8ordnung, 2) dic eingehen- den Petitionen, 3) die Agrarverhältnisse/ 4) den Handel und die Ge- werbe , 5) die Finanzen und Zölle, 6) das Justiswesen: 7) das Ge- meindewesen ; 8) das Unterricht8wesen, 9) den Staats8haushalts-Etat, 10) die Prüfung der Allgemeinen: Nehnungen über den Staat8haus- halt betreffen, werden beider Kommissionen nach Maßgabe des sich herausfstellenden Bedürfnisses gewählt :

Außerdem kann das Haus für* einzelne Angelegenheiten die Bil- dung besonderer Kommissionen beschließen. : vitd Die Kommissionen sind in der Regel aus 14 Mitgliedern zu

ilden.

Alle Abtheilungen wählen die gleihe Zahl von Kommissions- mitgliedern durch Stimmzettel nach absoluter Mehrheit ihrer anwesen- den Mitglieder. Die Wahl kann sich auf sämmtliche Mitglieder des Hauses erstxecken. Trifft die Wahl mehrerer Abtheilungen den- s Abgeordneten, so hat diejenige Abtheilung den Vorzug, welcher

er Gewählte angehört. Sonst hat die Wahl der ihrer Nummer nah

voranstehenden Abtheilung den Vorzug. Die Abtheilung, deren Wah, in dieser Weise ungültig wird, hat, so bald als thunlich; eine Ersaß, wahl vorzunehmen.

Ferner kann, unter Genehmigung des Hauscs, der Präsident Kommissarien ernennen, welche beauftragt werden, Über einzelne Ab- Ee des Staatshaushalts - Etats Jnformation einzuziehen und zu

iesem Zwecke nöthigen Falls mit Vertretern der Staatsregierung zu verhandeln und dem Hause Bericht zu erstatten.

§. 25. Anträge von Mitgliedern des Hauses, welche cine Geld- bewilligung in fe \{ließen, oder in Zukunft herbeizuführen bestimmt sind, können, sofern sie niht durch Tagesordnung: beseitigt werden, nur dann zur Abstimmung gelangen, nachdem eine Kommission mit ihrer Vorberathung betraut worden ist Und einen. Bericht Über die- selben abgestattet hat. |

F. 26. ' Die Kommissionen konstituiren sich, indem sie aus ihrer Mitte einen Vorsißenden, einen Schriftführer und Stellvertreter für Beide wählen. ‘Sie sind beshlußfähige sobald mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend is.

Nach geschlossener Berathung wählt die Kommission aus ihrer Mitte einen Berichterstatter, der die Ansichten und Anträge der Kom- mission in einem Bericht zusammenstellt. Dieser Bericht wird ge- druckt und m/ndestens drei Tage vor der Berathung im Hause an sämmtliche Abgeordnete vertheilt; auch den Ministern in einer an-

gemessenen Anzahl von Exemplaren übersandt,

Ueber jeden einzelnen Paragraphen wird der Reihenfolge nach

Die Kommissionen sind auch befugt dur den piwabiien Be- richterstatter ohne s{riftlihen Bericht im Hause mündlichen Bericht erstatten zu lassen. Das Haus fann aber in jedem Falle schriftlichen Bericht verlangen und zu diesen Behufe die Sache an die Kom- mission zurüverweisen. S

Wird einer Kommission die Doeberetng cines von Mitgliedern des Hauses gestellten Antrages überwiesen, so nimmt der Antrag- fels und falls der Antrag von mehreren Mitgliedern au8gegangen s das zuerst unterzeihnete Mitglied, auch wenn es nicht Mitglied der Kommission ist, an den Berathungen derselben mit berathender Stimme Theil. :

Eine Auss{ließung der Oeffentlichkeit der Kommission8-Verhand- lungen für die Nicht-Mitglieder der Kommissionen fann nur das C24 auf Antrag der Kominission oder sonst nach Maßgabe des

. 34 beschließen. s i i

§. 27. Petitionen, welche mit einem elenPanoe in Verbindung stehen, welcher bereits ciner Kommission überwiesen ist, können leßtere durch Verfügung des Präsidenten Überwiesen werden; jedoch wenn die Petition bereits an die Petition8-Kommission abgegeben is nur auf Antrag derselben. 5

Jedes Mitglied der Petitions-Kommission kann nach achtwöchent- licher Amtsführung seinen.Ersaß durch Neuwabl in Anspruch nehmen.

Der Inhalt der cingehenden Petitionen ist von der Kommission allwöchentlih durch eine in tabellarisher Form zu fertigende Zu- sammenstellung zur Kenntniß der einzelnen Mitglieder des Hauses zu bringen. Zur weiteren Erörterung im Hause gelangen diejenigen Petitionen, bei welchen pn solche Erörterung entweder von der Kom- mission oder von 15 Mitgliedern des Hauses angetragen wird. :

Geht der Antrag von der Kommission aus, so hat sie über die von ihr zur Diskussion verwiesene Petition einen Bericht zu er- statten; geht der Antrag von Mitgliedern des Hauses aus, so tritt das Verfahren des §. 21 ein. “5

In gleicher Art werden von den Fah-Kommissionen odex den für besondere Vorlagen gewählten Kommissionen die ihnen zuge- wiesenen Petitionen behandelt.

Ein Bescheid des Hauses muß jedenfalls erfolgen.

§. 28, Die Minister oder die von ihnen beaustragien Staats- beamten fönnen den Abtheilungen und Kommissionen mit berathender Stimme beiwohnen. Von dem Zusammentritt der Kommissionen, wie von dem Gegenstand der Verhandlungen muß dem Ministerium Kenntniß gegeben werden.

§Ç. 29. Die Kommissionen und Abtheilungen regeln ihre Tages- ordnung selbst; außerdem is der Präsident befugt, für die Abthei- lungen Sihungen anzuberaunen. i

§. 30. Sind die Gegenstände der Verhandlungen durch die Kom- aue vorbereitet, so wird solhes dem Präsidenten mitgetheilt, welcher die Einbringung derselben auf die TageLordnung verfügt, und den Tag der Verhandlung feststellt. (§. 33.)

1V, Behandlung der Interpellationen. : F. 31, Interpellationen an die Minister müssen bestimmt for. mulirt und von 30 Mitgliedern unterzeichnet dem Präsidenten des Hauses überreicht werden, welcher dieselben dem Staats-Ministerium abschriftlih mitiheilt und dasselbe in der nächsten Sißung des Hauses zur Erklärung darübcr auffordert; ob und wann es die Tnterpellation beantworten werde. Erklärt das Ministerium sich zur Beantwortung bereit, so wird an dem von ihm bestimmten Tage der Jnterpellant zu deren näherer Ausführung verstattet. L

C82 Nn- die Beantwortung der Tnterpellationen oder deren Ablehnung darf sich eine sofortige Bêsprehung des Gegenstandes der- selben amidlieden, wenn mindestens 50 Mitglieder darauf antragen. Die Stellung eines Antrages bei dieser Besprehung is unzuläjsig. Es bleibt aber eem Mitgliede des Hauses überlassen, den Gegen- stand in Form eines Antrages weiter zu verfolgen.

V, Geschäftsvorschriften für die Plenarsißungen.

a) TageSordnung. §. 33. D'e Tagesordnung sür das Plenum wird durch den Präsidenten vor dem Schlusse jeder Sihung für die nächste Sißung verkündigt. Wenn fi e ein Widerspruch er- hebt, so entscheidet das Haus durch einen Beschluß darüber, ob der Widerspruch begründet ist, Die Tage8ordnung wird sodann den Mit- gliedern des. Hauses und den Ministern durch den Druck mitgetheilt,

In der Regel findet in jeder Woche, an einem ein für alle Mal Dor n Tage, eine Sihung stalt, in welcher an erster Stelle die zur Erörterung im Plenum gelangenden Petitionen und die von Mitgliedern des Hauses gestellten Anträge erledigt werden.

Auf die TageLordnung dieser Sipung werden die Petitionen und die vorliegenden Anträge in der Neihenfolge gebracht, in welcher sie ur Behandlung im Plenum vorbereitet, beziehentlich eingegangen sind. Eine Abweichung von der Regel, so wie eine Aenderung der Reihenfolge in Bezug auf die einzelnen Nummern der Tagesord- nung fann nur beschlossen werden, tvenn nicht, bei Petitionen von mindestens 30 Mitgliedern , bei Anträgen von dem Antragsteller, widersprochen wird. :

b) Die Sipungen des Hauses. §. 34. Die Sizungen des Hauses sind öffentlich. Das Haus tritt auf den Antrag seines Prä- identen ¡ oder von zehn Mitgliedern, zu einer U Sißzung zu- sammen, in welcher dann zunächst über den Antrag auf Auss{luß der Oeffentlichkeit zu beschließen ist. i

Coo O Präsident eröffnet und {ließt die Sißung7 er ver- kündet Tag und Stunde der nächsten Sißung. o

c) Sißungs-Protokolle. §.36. Das Protokoll jeder Sißung liegt während der nächsten Sißung zur Einsicht aus, und wird, wenn dagegen bis zum Schluß der SißUng kein Einspruch erhoben- ist, als genehmigt erachtet. i l E

§. 37. Das Protokoll muß enthalten: 1) die gefaßten Beschlüsse in wörtlicher UOILNY 2) die Interpellationen in wörtlicher Fassung, nebst der Bemerkung, ob sie beantwortet sind; 3) die amt- lichen Anzeigen des Präsidenten. 5

g. 38. Wird gegen die Fassung des Protokolls Einspruch er- hoben, welcher sich durch die Erflärung der darüber zu hörenden Schristführer nicht heben läßt , so befragt der Präsident die Versammn- lung; im Fall der Einspruch für begründet erachtet wird, muß noch während der Sißung cine neue Fassung der betreffenden Stelle vor- gelegt werden. 5

Ç. 39. Das Protokoll wird von dem Präsidenten und zwei S@rift- führern vollzogen. s :

d) Rede-Ordnung. §, 40. Kein Mitglied darf sprechen, ohne vorher das Wort verlangt und von dem Präsidenten erhalten zu haben. Will der Präsident |ch an der Debatte betheiligen, so muß er den Vorsiß abtreten.

g. 41. ie Minister und die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten E 60 der Verfassungs - Urkunde) müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Auch den Ussistenten muß N Bars der Minister -oder ihrer Vertreter das8 Wort ertheilt werden.

« §. 42. Sofortige Zulassung zum Worte können nur dfejenigen Mitglteder verlangen, welche zur Geschäfts - Ordnung reden wollen Persönliche ‘Bemerkungen sind erst nach dem Schlusse der Debatte oder im Falle der Vertagung derselben am Schlusse der Sizung gestattet. Faktische Bemerkungen sind unzulässig.

Pl g. 43. Die Redner sprechen von der Rednerbühne oder vom

aße.

Den Mitgliedern des Hauses is das Vorlesen schriftlich abge- faßter Reden nur dann gestattet; wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

. 44. Die Anmeldung zum Werte erfolgt, nachdem die Be- rathung über den betreffenden Gegenstand eröffnet ist, {riftlich bei demjenigen Schriftführer, welcher die Rednerlijte zu führen und die Reihenfolge zu überwachen hat, und als solcher durch den Präsidenten verkündigt if In der Anmeldung wird bemerkt, ob für oder gegen den Antrag gesprochen werden soll. Wenn mehrere Redner beim Be- ginne der Diskussion si gleichzeitig zum Worte melden, so wird für sie die Reihenfolge durch das Loos bestimmt. i

So lange es möglich is, wird mit den Rednern, welche für und wider sprechen wollen, gewechselt. Ahn:

Bei der allgemeinen Diskussion kann jedem Mitgliede nur einmal das Wort gestattet werden.

g. 45, er Präsident is berechtigt , die Redner auf den Gegen- stand der Verhandlung zurückzuweisen und zur Ordnung zu rufen (§. 60). Jst das eine oder das andere ín der nämlichen Rede zweimal ohne Erfolg geschehen und fährt der Redner fort, sich vom Gegenstande

óder von der Orduung zu entfernen, so kann die Versammlung auf

die Anfrage des Präsidenten ohne Debaite beschließen daß ihm das

Wort über den vorliegenden Gegenstand genommen werden solle,

wenn f zuvor auf diese Folge vom“ Präsidenten aufinerksam ge- acót ist.

M x 46. Nimmt ein Vertreter der Regierung nach dem Schlusse

der Diskussion das Wort, so gilt diese aufs Neue für ‘eröffnet.

Antragsteller und Berichterstatter erhalten; wenn sie es verlangen, das Wort, sowohl am Beginn, wie nach dem Schlusse der Dis- fussion.

o) Abänderungs-Vorschläge und Unträge auf Tages- Ordnung. §. 47. Abänderungs-Vorshläge (Amendements) “oder Anträge auf motivirte Tages-Ordnung können zu feder Zeit vor dem Schlusse der Verhandlungen gestellt werden. Dieselben müssen mit der Hauptfrage in wesentlicher Verbindung stchen und werden dem Präsidenten \{riftlich übergeben.

Die Ana, derselben kann nur in der Reihenfolge der Redner stattfinden. [le Verbesserungs8-Anträge, die nicht bereits ges druckt vertheilt wurden, sind unmittelbar nach ihrer Einreihung zu verlesen.

F. 48. Ueber Amendements und Anträge auf motivirte Tages- ordnung, welche dem Hause niht gedruckt vorgelegen haben, muß, sofern jie angenommen werden, in der nächsten Sißung nach deren erfolgtem Dru und Vertheilung nochmals ohne Diskussion abge- stimmt werden. Dies findet auch dann Anwendung, wenn solche

‘Amendements odec Anträge bereits in dem Kommissionsbericht als

Minoritäts-Anträge erwähnt sind. Vilden die angenommenen Ammen- dements einen Theil der dem Hause vorzulegenden gedruckten Zusam- menstellungen (F§. 17 und'18, so bedarf es eines besondern Abdruck3 derselben nicht. Jn diesem Falle muß der Abftimmung über das Ganze eine nohmalige Abstimmung über diejenigen angenommenen Anträge vorhergehen, welche dem Hause no@ nicht gedruckt vorgelegen haben. Bei Amendements zu Petition9berktchten ist eine wiederholte Abstimmung jedoch nur dann erforderli, wenn ein besonderer An- trag hierauf gestellt und von wenigstens 50 Mitgliedern unterstüßt roird. Neue Amendemcnts sind dann nicht mehr zulässig.

§, 49. Der Antrag auf Tages-Ordnung kann zu jeder Zeit ge- ellt werden und bedarf feiner Unterstüßung. Nachdem ein Redner für und cin Redner gegen denselben gehört worden, erfolgt darüber der Beschluß der Versammlung. Jm Laufe derselben Diskussion darf der cinmal verworfene Antrag auf Tages-Ordnung nicht wiederholt werden.

Die Anträge auf motivirte Tages-Ordnung (§. 47) sind vor den übrigen Amendements zur Abstimmung zu bringen.

Ueber Anträge der Regierung kann nicht zur Tages-Ordnung übergegangen werden.

h Schluß und, Vertagung dexr Debatte. F. 50, Der Schluß ber Diskussion erfolgt durch den Präsidenten nah Erschöpfung der Rednerliste oder auf Beschluß des Hauses, §. 51. Der Anirag auf die Vertagung oder auf den Schluß der Debatte bedarf der Unterstüßung von 30 Miigliedern. Wenn folche erfolgt, so wird die Rednerliste verlesen, und demnächst ohne weitere Motivirung des Antrages und ohne Diskussion über denselben abgestimmt.

C. 52. Nach ges{lossener Diskussion stellt der Präsident die Fra- gen; über die Stellung derselben fann- das Wort begehrt werden, das Haus beschließt darüber. Sind mehrere Fragen vorhanden, so hat der Präsident solche sämmtlich der Neihenfolge nach vorzulegen. Die Fragen find so zu stellen, daß sie cinfah durch Ja oder Nein beant- wortet werden fönnen. Bei Stimmengleichheit wird die Frage als verneint angesehen. :

F; 53. Die Theilung der Frage kann jeder Einzelne verlangen. Menn über dercn Zulässigkeit Zweifel entstehen, so entscheidet bei Anträgen der Antragsteller, in allen anderen Fällen das Haus.

g) Abstimmung. §Ÿ. 54. Unmittelbar vor der Abstimmung ist die Frage zu verlefen. i

§. 55. Die Abstimmung geschieht durh Aufftehen oder Sigen- bleiben. Die absolute Mehrheit entscheidet.

If das Ergebniß nah der Ansicht des PVräsidenten oder eines der beiden fungirenden Schriftführer zweiselbaft, so wird die Gegen- probe gemacht. Liefert auch diese noch kein sicheres Ergebniß , so erfolgt namentliche Abstimmung.

d. 56. Sogleich nah Beendigung dieses Geschäfts verkündct der Vorsißende das Ergebniß der Abstimmungen.

§. 57. Auch aufer dem Fall des §. 55 kann beim SFluß der Berathung vor der Aufforderung zur Abstimmung auf namentliche Abstimmung angetragen werden; der Antrag muß von wenigstens 50 Mitgliedern unterstüßt werden.

§. 58. Der Práäsident erklär: die Abstimmung für geschlossen, sobald der namentliche Aufruf sämumllicher Mitglieder des Hauses erfolgt und nach Beendigung desselben dur Rekapitulation des Alphabets Gelegenheit zur nachträgligen Abgabe der Stimme gegeben is}. Ee

F. 59. Bei allen Abstimmungen hat jedes Mitglied des Hauses das Recht, seine von dem Beschlujse der Mehrheit abweichende Ab- stimmung furz motivirt \chriftlich dem Büreau zu übergeben, und deren Aufnahine in die stenographischen Berichte ohne vorgängige Verlesung in dem Hause, zu verlangen. :

VI. Ordnungs8bestimmungen.

g. 60. Wenn ein Mitglied die Ordnung verleßt, so wird es von dem Präsidenten mit Nennung des Namens darauf zurücgewiesen. Das Mitglied is berechtigt, dagegen shriftli4 Einspruch zu thun, worauf das Haus, jedoch erst in der nächstfolgenden Sipung, darüber ohne Diskussion entscheidet, ob der Ordnungsruf gerechtfertigt ist.

g. 61. Wenn in der Versammlung stôrende Unruhe entsteht, \o fann der Präsident die Sipung auf bestimmte Zeit ausseßen oder ganz aufheben. Kann sich der Präsident kein Gehör verschaffen, \o bedeckt er sein Haupt und isi hierdurch die Sißung auf eine Stunde unterbrochen. ; i Ordnung in den JZuhörer-Räumen.

g. 62. Dem Präsidenten des Hauses steht die Handhabung der Polizei im Sißungs8gebäude und in den Zuhörer-Räumen zu.

§. 63. Wer von der Tribline Zeichen des Beifalls oder Miß- fallens giebt, oder sonst die Ordnung oder den Anftand verleßt, wird auf der Stelle entfernt.

§, 64, Entsteht cine s#örende Unruhe auf der Tribüne, so kann der Präsident anordnen, daß Alle, die sich zur Zeit darauf befinden, die Tribüne räumen.

VII. Urlaub, Ausscheiden und Neuwahl der Mitglieder:

Urlaub8gesuche. §. 65. Für die Abwesenheit eines Mitgliedes bis zur Dauer von acht Lagen ist der Prâfident Urlaub zu ertheilen berechtigt; für eine längere Zeit darf nur das Haus denselben bewil- ligen. Gr begetGe auf unbestimmte Zeit sind unstatthaft.

Ueber die Veurlaubungen wird ein Negister geführt.

Ausscheiden und Neuwahl. §F.66 Wenn aus irgend ciner Ursache die Stelle eines Abgeordneten erledigt wird, so macht der Präsident dem Minister des Jnnern davon Anzeige, damit dieser in der kürzesten Frist die Neuwahl veranlaßt.

VIII. Adressen und Deputationen.

Adressen. §. 67. Wird beantragt, eine Adresse an den König zu richten (Artikel 81 der Verf.-U.); und haben der oder die Antrag- steller dem Hause einen formulirten Entwurf zu der Adresse über- reicht, so findet die weitere Behandlung in derselben Art, wie bei allen anderen Anträgen (§§. 20. 21) ftatt.

Beschließt das Haus) die Vorberathung des-Entwurfs ciner Kom- mission zu Überiragen, #so wird diese aus dem Präfidenten bei dessen Behinderung dem Vize-Präfidenten des Hauses als Vor- fißenden und 21 von den Abtheilungen zu wählenden Mitgliedern ebildet,

G Liegt ein Entwurf zu einer Adresse nicht vor, so ist L von einer in gleicher Weise zusammenzuseßenden Kommission zu fertigen und ohne weiteren Bericht dem Hause ju Überreichen.

Deputationen. §. 68. Soll die Adresse durch cine Deputa- tion überreicht werden, so bestimmt das Haus auf den Vorschlag des Präsidenten die Zahl der A ad das Loos bg@zeichnet sie. Der Prälident ist jedesmal Mitglicd der Deputation und führt allein

das Wort, / i IN. Allgemeine Vestimmuüngen.

F. 69. Die Geseßesvorlagen werden nach erfolgter Beschlufinahme

dem Herrenhause mitgetheilt. Die von dort eingegangenen Geseßes-

vorlagen werden, sofern fic unverändert angenommen sind, der Stagts-

regierung eingereiht und das Herrenhaus wird davon benachrichtigt. |

Wird dagegen die Geseßesvorlage nur mit Aenderungen angenommen, so gebt dieselbe an das Herrenhaus zurü.

Wenn eine von der Regierung aus8gegangene Geseßesvorlage von dem Hause abgelehnt wird; so wird die Staatsregierung davon benachrichtigt.

Wird dagegen eine von dem Herrenhause ausgegangene Geseßes- vorlage abgelehnt; so wird diesein hiervon Nächricht gegeben.

F. 70. Geseßesvorlagen, Anträge und Petitionen find mit dem Ablaufe der Sißungsperiode, in weicher sie eingebracht und noch nicht zur Beschlußnahme gedichen sind, für erledigt zu erachten.

| loser Willkür erscheinen lassen.

| Kopie der überkommenen Muster desselben, bi l | keit \{chwierig. Wie in Bezug auf Formen und Dekoration,

Die Ausstellung älterer kunstgewerbliher Gegen- | feine Schwierigkeit. Zu den großen Vorzügen der anmuthigen

| und graziösen dekorativen Wirkung kommt bei den Möbeln | dieser Zeit noch ein sehr wesentlicher hinzu: für die Benußung

stände 1m Königlichen Zeughause. - - , IX, , , Das IX. Zimmer, welches die Erzeugnisse aus der, ziem-

li derz Periode Ludwig XIV. in Frankreih entsprechenden | Zeit König Friedrich 1. von Preußen enthält, gewährt einen | Anblick der stattlich feierlichen, ceremoniösen und imposanten | Pracht, welche Schwulst und Ueberladung in den Formen und | Unverloren in allen |

Ornamenten allerdings nicht auss{ließt. Dre Erzeugnissen der Epoche erscheint hier die Technik in der Be-

handlung aller irgend zur Verwendung kommenden Materia- |

o G,

lien, des Holzes, der Bronze, des Perlmutters, des Elfenbeins; | die Kunst der Mosaik, des Schnizens, Gießens, Ciselirens, Ein- | Aber die Gewerbtreibenden selbst find nur vorzugs§- |

legens8. weise Holländer oder zu den, vom Kurfürsten Fried- rih Wilbelm nach Berlin gezogenen, protestantischen , darin so geschickten Franzosen gehörig, welche die Aufhebung des Edikts von Nantes aus der Heimath vertrieben hatte. Und doch war es wieder ein Deutscher gewesen, welcher die in dieser Epoche zuerst auftauchende und zu hoher Vollendung gebrachte, kunstgewerbliche Technik, die Herstellung von Kunst- und Prachtmöbeln von ener nach seinem Namen bezeichneten kost- barsten eingelegten »Boule-Arbeit« in Paris zur Geltung und Aufnahme gebracht hatte. Ein vom Grafen Pourtalès zur Ausstellung geliehener Schreibtish und mehrere ähnliche Stücke geben schöne Proben dieser Technik der eingelegten Arbeit in Messing, Schildkrot 2c.

Nus dem Königlichen Schloß zu Charlottenburg entistam- men einige interessante Möbel, Spiegel, Schrank und Tisch, welche die NamenSzüge der Königin Sophie Charlotte als ihrer einstigen Besißerin tragen. Das Metall an ihnen is Zinn; die Flächen sind mit Schildkrot und gefärbtem Elfenbein sehr

geschickt, sehr reich und zierlich in mannigfachen Ornament- | Aber die Totalwirkung dieser Buntheit, | 6 te (aus Schloß Monbijou) als Träger von chinesischen und alt-

mustern eingelegt. ) i 1g di )e der Verein mit dem etwas todten stumpfen Grund des Me-

talls ist feine sehr glückliche. -— An der Rückwand des Ge- |

maches if eine glänzende Gruppe von den mächtigen silbernen und vergoldeten Prachtgefäßen zusammengestellt , welche sonst inmitten ciner bis zur Decke gethürmten Masse von ihres- gleichen die cine Wand des Rittersaals im Königlichen Schloß \chmüccken. Jene feinere Durchbildung der Formen und Zier- rathen in ihrer phantasiereichen Erfindung , wie sie die ver- wandten Geräthe der cin Jahrhundert zurück liegenden Epoche auszeichnete, findel man in diesen Arbeiten allerdings nicht.

Sie sind ihrer Natur nah mehr auf einen dekorativen Massen- | i iesen b i i wurden. Qwei sehr bedeutende Schöpfungen der reinen Kunst

effekt angelegt und gearbeitet , dessen gediegener Pomp dur eine nen Gefäßes nichts verliert. Der kleine überreiche und zierliche Kunstschrank an der Querwand gehört dem Königlichen Museum. Ein Paar Stücke der kunstreichsten und geschmackvollsten Broncearbeit sind zwei eingelegte, mit Sülberzierrath und Knöpfen beschlagene Neisekassetten des Königs in dieser Ab- theilung ersier hinterer Ec. Außer den Masken sterbender Krieger und dem Bronzemodell des Monu- mentes des Kurfürsten Friedrih Wilhelm, dem Bildniß der Königin Sophie Charlotte haben in diesem Zimmer zwei bewundern8würdige Kunstwerke ihre funden, die einer späteren Zeit des 18. Jahrhunderts ange- hôren: Die Büste G lucks in gebranntem Thon von dem be- rühmten Houdon ausgeführt und die eines nicht genannten Gelehrten des 18. Jahrhunderts von einem unbekannten Mei-

ster, beide im Besive der Königlichen Bibliothek ; die zweite Büste |

leider weiß angestrichen. Houdons Werk ist eine ganz außer- ordentliche Schöpfung, in welchem sich die keckste, lebendigste, naturalistische Behandlung der Erscheinung des von den Pocken- narben ganz zerfressenen Antlizes mit der edelsten shwung- vollsten Auffassung und dem ergreifenden Ausdruck des ganzen geistig-künfstlerischen Wesens des Meisters auf merkwürdige und vollkomniensie Weise verbindet.

Noch einer Broncearbeit von G. Ley gèb e ift hier beson- ders zu gedenken, des großen Porträtmedaillons des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. i /

Von hier zum nächstén Zimmer erscheint die Kontinuität der Entwicklung einigermaßen unterbröchen. Es fehlt zwischen der Periode Friedrichs L, in welcher der Barokstyl mehr und mehr ausklingt, und der Friedrichs 1, in welcher das Rococo bereits zur vollsten Blüthe entwickelt erscheint, fast gänzlich jener Uebergang, welcher in dem französischen Kunstgewerbe

er Style Regenco bildet. Es wurde hier bereits erwähnt, daß und aus welchen Ursachen die der lehteren Zeit entsprechende

eriode König Friedrich Wilhelm k. weder hier noch in den Königlichen Schlössern durch besondere. Werke vertreten sein konnte. Wenige Stücke nur, wie in der Fehsternische der reich geschnitte Tisch (Bes. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz) und einige Stühle (Prof. C. Becker) gehören dieser Zwischenzeit an. j i

Desto vollständiger, gewinnender, reicher und schöner ift die Ausstellung in den Zimmern X. und XL, welche uns die funstgewerblichen Leistungen aus der Zeit von 1740—1780 veranschaulicht. Für keine andere boten Berlin und Potsdam eine ähnliche Fülle der charakteristischen Erzeugnisse und von gleicher Schönheit wie für diese. Die Masse der musterhaften Tunstgewerblichen Erzeugnisse, welhe für Styl und Kunstweise des Rococo bezeichnend find, ist in den Schlössern Potsdams zumal unerschöpfslih. Französische und italienische Arbeiter und Künstler waren es zwar zuerst, welche die Aufträge des König Fricdrich811. auszuführen berufen wurden. Aber auch einheimische haben sich an deren Beispiel und Muster hexangebildet in dieser langen Zeit der Schulung und Uebung. Erwuchsen döch zwei der größten Künstler der zweiten Hälfte des Jahrhunderts dem œisigen Boden Berlins: Daniel Chodowiecki und Gottfr.

adow.

m steifen Pomp, jene feierliche Schwerfälligkeit, welche noch der Formengebung und Ornamentation der kunst- gewerblichen Erzeugnisse des Zeitalters Ludwigs XV. eigen war, sehen wir in dieser Periode völlig beseitigt und überwunden. Es8 scheint das freieste Spiel geistreicher und phan- tastischer Laune an die Stelle des festen Gesetzes, welches sonst die Entwickelung der Formen und des Ornamentes regelte und gleichzeitig die Grazie an die Stelle des wuchtigen Pompes getreten zu sein. Die Strenge der Linien ist aufgelöst, ja an- \cheinend auch der organische innere Zusammenhang der Form. Das freie Belieben scheint allein bestimmend zu sein, Und doch

ewisse baroce Schwerfälligkeit und Ueppigkeit des einzel--

Aufstellung ge- |

wird man gewahr, daß diese anscheinend absolute Freiheit wieder ihr Gesez in sich Hat, welches den reizenden Bildungen der Epoche ihren bestimmten Rhythmus und ihre innere Har- monie giebt, die. sie keineswegs als zerfahrene Produkte fesjel- Aber diese Geseße verbergen \pielenden Schein, und machen Nachschöpfung in dem gleichen sein Ca S als eine zur Unmöglich-

unter dem jede wirkliche welche mehr zu

si mehr dadurch Styl,

welche fie mit spielender Leichtigkeit behandeln , kennen die Meister dieser Periode auch in Bezug auf die Technik jeder Art

erweisen sie fich in unvergleichlihem Grade praktisch geeignet ; und, während sie vor Allem dem höchsten Glanz der Wohnungs8- aussftiattung zu dienen bestimmt, find sie unübertroffen in Be- zug auf Bequemlichkeit im Gebrauch.

Durch die geschmacckvoll aus8gewählte Zusammenstellung der \s{chönsten Möbel dieser Periode längs der Seciten- und Rückwände ‘der Zimmer IXK. und X. is ‘in denselben fas untex allen der effekt- vollste und gefällige Totaleindruck, eine Gesammt- Physiognomie erreicht, welche schon an sich ganz geeignet sind, für diese Zeit und ihren Kunststyl wirksame Prôpaganda zu machen ; Tann doc feine der anderen hier durch ihre kunst- geiverblichen Erzeugnisse repräsentirten Epochen fich, Dank den glülichen Umständen, welche, wie erwähnt , hier für die des Ro-roco zusammentreffen, in Bezug darauf sih mit dieser messen.

Große, an allen Seitenflächen kunstvoll geschweifte Pracht- kommoden und Tische mit eingelegtem Boule- und Perlmutter-

und arrangirte

| schîinuck, Schränke mit darauf gelegten graziösen ZJierrathen in ! t D

Goldbronze ; cin Mobiliar, Stühle und Divan mit weißen geblümten Atlaspolstern und goldenen Gestellen , cin anderes mit seladongrünem Atlas bezogen, das Gestell aus Silber und versilbertem Holz von der reichsten und elegantesien Schniß- arbeit, die dazu gehörigen silbernen Kandelaber ; große kostbare Standuhren mit prachtvollen Gehäusen „aus Ebenholz , resp. Boule-Arbeit und Goldzierrath; die zwei prachtvollsten davon Geschenke der Marquise von Pompadour an den König; Spiegel und franzößische, in hohem Grad gefällig - anmuthige Deklorationsbilder aus Watteau's Schule in den s\ch{lanken, launenhaften und so trefflich zur Umgebung stimmenden goldenen Umrahmungen; vergoldete geschnißte Holzkonsoken

meißner Porzellanvasen von der s{hönsten Vollendung der Arbeit ; auf ciner Etagère ein vollständiges Service aus der Königlichen Manufaktux in jener Zeit ihrer höchsten künst- lerischen Leistungsfähigkeit für das Neue Palais zu Potsdam angefertigt; zwei Schreibtishe und das Notenpult König Friedrichs I. mit der Platte“ aus Schildkröt , mit ein- gelegtem Perlmutterzierrath; das Klavier des Königs, dessen schr einfacher Kasten auf sehr graziós geschwungenen Beinen ruht das (und freilich noch manche unerwähnt gebliebenen) find die Hauptstücke, welche in diesen beiden Zimmern gruppirt

dieser Epoche sind ferner darin aufgestellt: die Bronzegruppe von Gottfried Schadow, König Friedrich, von seinen Wind- hunden umgeben, darstellend, und jene Büste Karls RIL., welche in des Königs Arbeitszimmer zu Sanssouci auf der Erde zu

sichen pflegte.

In dem Schran® Nr. 45 aber finden wir eine große Auswahl vollendeter Arbeiten der Kleinkunst und der Luxusgewerbe. Drei Dosen mit Brillanten und zart rosen- farbenen Steinen beseßt, erregen hier durch die Pracht und Fein- heit dieser ihrer Dekoration und ihrer gesammten farbigen Erschei- nung die größte Bewunderung; nicht minder zwei Uhren, von den nach Berlin berufenen Gebrüdern Huaut gefertigt; mehrere mit Brillanten beseßte Stöcke resp. Stoknöpfe aus des Königs Gebrauch; reizend gemalte Fächer, Spangen , Diademe, Juwelenschmuck verschiedenster Art und in reicher künst- licher Fassung; Kanne und Schale von Rauchtopas und Achat-Sardonyx. Unter den zahlreichen, auf Emaille und Eifenbein ausgeführten Miniaturmalkereien befinden sich au einige meisterhafte Arbeiten von Chodowiecky's Hand. Proben der gefälligen und graziösen Dekoration gegebener Wand- und Thürflächen durch goldnes (geschnißtes Holz- oder aufgelegics Stuck-) Ornament geben die beiden in der Fenster- nische aufgestellten Thürflügel aus dem Schloß Charlottenburg. Dort auch befinden fh noch mehrere zierlich gearbeitete Möbel und ein großes meisterhaft geschnißtes venetianisches Lese- oder Notenpult. (Bes. Prof. Becker.)

Mit der Regierung Ludwigs XVI. in Frankreich, in Preußen unter König Friedrich Wilhelm IL, tritt eine schr ent- schiedene Reaktion des allgemeinen Geschmacks in den Kunst- gewerben wie in der Architektux gegen die freie malerische Launenhaftigkcit der vorangegangenen Periode ein. Es ist wie eine Ernüchterung von dem Rausch, der in Willkür aus8gearteten, über die volle technische Virtuosität verfügenden Phantasie, welche in den Erzeugnissen des Hoch- rococo dominirte. Die geschweiften Formen weichen mehr und mehx den geradlinigen; die spielende Freiheit einer scchema- tischen Regelmäßigkeit. Die antiken Architekturglieder werden wieder überall, aber nicht mit dem ät malerischen Sinn der Renaissance angewendet, sondern mit einem anspruch8vollen Schein der Strenge, mit der Prätension der korrekten Klassi- zität, welhe man dadurch gewonnen zu haben meinte. Die nächste Folge, welche außer der bedeutend unerfreulicher und langweiliger werdenden Erscheinun der Produkte der Kunstgewerbe, daraus speziell für die Möbel resultirt, ist die Unbequemlichkeit derselben für den praktishen Ge- brauch. Da indeß die Tradition der Technik in der Behand- lung aller Materialien der kunstgewerblichen Erzeugnisse noch nit, wie 20 Jahre später in Deutschland, völlig untergegangen ist, so bleibt auch den besseren Luxus-Arbeiten dieser ernüchterten Epoche ein gewisser stattlicher Glanz und eine s{chöne Gediegen- heit der Ausführung unverloren.

Wir finden im X11. Zimmer Erzeugnisse aller Gattungen (meist aus unsern Königschlössern) zusammengestellt, welchen dieser bestimmte Charakter der Epoche klar aufgeprägt ist: Tische, Kommoden, ein hoher kunstvoll gearbeiteter Schrank mit trefflichen Goldbronze-Arbeiten als Zierrath ihres zum Theil ( und dann sehr geschickt) As musivisch eingelegten Holzwerks; Stühle und Sophas von antikifirenden Formen und Dekorirungen von bereits sehr bedenklicher Unbequemlichkeit für die, welche darauf fißen sollen; PVorzellanvasen und Geschirre, welche gerade die E Eigenart diescs Materials verleugnend antike Formen zu kopiren trachten; andere Thongefäße jenes vielbeliebten Wedgewood-Porzellans8, welche mit flachen Relief- darstellungen von Gestalten und Gruppen im Sinn dex Antike ibre Gefäßwände s{mücken. Von der dennoch unverminderten künstlerischen Kraft dieser Zeit geben die rein plastishen Arbei.

ten derselben Zeugniß; hier neben den, in ven früheren Zim«