1872 / 277 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Nov 1872 18:00:01 GMT) scan diff

ustiz-Minister Dufaure erklärte, die Regierung sei mit der age8orduung Mettetal einverstanden.

Der Antrag Benoist d’Azy lautete: i:

»Die Nationalversammlung {ließt si, indem sie die aufdem Bankett von Grenoble gepredigten Lehren verwirft, dem Tadel an, welchen der Präsident der Republik gegen sie {leudert; und geht zur Tagesordnung über. « i A Bei der Abstimmung wurde zunächst die einfache Tagesordnung, welche Edgar Quinet und Genoffen vorschlagen, mit 490 gegen

33 Stimmen, dann der Antrag Benoist d'Azy mit 377 gegen

279, dann der Antrag Jaurès, welchen an dessen Statt Herr Lepêère wieder aufnimmt, mit 446 gegen 190 Stimmen ab- gelehnt. Bei der Abstimmung über den Antrag Meitetal, mit welchem fich Dufaure noch cinmal Namens der Regierung ein- verstanden erklärte, enthielten sich 277 Abgeordnete aller Schat- tirungen, darunter Kerdrel, Aumale, Changarnier und das Gros der Linken der Stimmabgabe. Der Antrag Mettetal ward mit 263 gegen 116 Stimmen angenommen.

21. November. Das linke Centrum hat, von der Nothwendigkeit, &rankreich eine feste, ständige Regierung zu geben, durchdrungen, fast einstimmig beschlossen, der National- versammlung einen Geseßentwurf über die erforderlichen kon- stitutionellen Reformen vorzulegen. Leßtere betreffen die Ber- längerung der Regierungsgewalt des gegenwärtigen Präsidenten der Republik, die Ernennung cines Bize-Präsidenten, die theil- weise Erneuerung der Nationalversammlung, die Errichtung einer zweiten Kammer und die Verantwortlichkeit des Ministeriums. Ueber den Tag, wann - dieser Geseßentwurf ne werden soll, ist noch keine definitive Bestimmung getroffen.

Spanien. Madrid, 17. November. In der Sißung des Kongresses vom 18. kündigte der Justiz - Minister any daß die Jury noch vor Ende des Monats eingeführt sein werde. Alle Artikel des Projektes hinsichtlih des Anlehens und der Hypothekenbank wurden genchmigt; ebenso wurde ein Amendement angenommen, welches bestimmt, daß kein Senator oder Deputirter der gegenwärtigen Legislatur Mitglied des Verwaltungsrathes dieser Bank werden könne.

Der »Tmparcial« vom 17. meldet: »Gestern früh haben Polizei-Agenten in Barcelona cinen Adjutanten des Cabecilla Castells verhaftet, welcher in ciner Verkleidung da- hingekommen war, um Leute für die carlistischen Banden an- zuwerben.«

Aus Anlaß der Ernennung des Generals Hidalgo sollen 200 Artillerie - Offiziere um ihren Abschied resp. ihre Stellung zur Disposition eingekommen sein Die auf Befehl Hidalgo's im Spital von Vittoria verhaftet gehaltenen Offiziere seien als Gefangene auf Ehrenwort in ihre Wohnungen ent- lassen worden. Hidalgo veröffentlicht im yTmparcial« einen Brief, worin er erklärt, daß er an den Mordthaten bei der Meuterei von 1866 keine8wegs Theil genommen, sondern s\o- gar einem Offizier, dessen Namen er nennt, das Leben ge- rettet habe.

»El Oriente« von Sevilla meldet, daß aus Anlaß der Verhaftung des Generals Contreras das Gerücht verbreitet war, daß am 13. November, Nachmittags 4 Uhr, eine républi- kanische Erhebung in Sevilla hätte stattfinden und die Jnitiative dazu von cinem Bataillon der dortigen Garnison ausgehen sollen. Jn Jres und San Fernando sind deshalb Vorsichts- maßregeln getroffen worden. In Cordova fürchtete man eben- falls Unruhen und in Despenaperros hatten sich zwei Banden thatsächlich erhoben. Nachträglich erfährt man, daß General V tas auf Befehl der Regierung wieder in &reiheit gesetzt wurde.

Italien. Rom, 20. November. Die »Italie« meldet: Das Ministerium veröffentlicht kein Grünbuch. Die Nachricht von der Errichtung einer Strafkolonie auf Borneo ist unbe- gründet. Es 1 unrichtig, das der französische Botschafter dem Vatikan eine Note Remusats überreichte, worin über die anti- republikanische Propaganda des hohen französischen Klerus ge- klagt „wird. Der Botschafter lenkte nur die Aufmerksamkeit des päpstlichen Hofes auf bestimmte Agitationsfälle und ver- langte Abhülfe. Der Präfekt von Rom verbot am 24. No- vember das beabsichtigte Meeting, welches das allgemeine Stimmrecht verlangen sollte.

2 November. (W. T. B) In dem der Deputirten- kammer vorgelegten Gesetzentwurf über die LELEQO On Körperschaften ist außer demjenigen, was von der »Italie« bereits veröffentlicht wurde, ferner bestimmt, daß die än die

Mitglieder religiöser Körperschaften zu gewährenden Pensionen

sih innerhalb eines Minimalbetrages von 150 Francs und eines Maximalbetrages von 600 Francs bewegen sollen. Aus- ländische religiöse Körperschaften, welche in Rom eine Nieder- lassung haben, können zu Gunsten der ihnen gehörenden Kir- cen innerhalb einer Frist von 2 Jahren insofern Stiftungen errichten, als sie diesen Kirchen ihre Güter abtreten. Nach Ab- lauf dieser Frist wird die Regierung mit den Regierungen des Auslandes, welchen diese religiösen Körperschaften angehören, Über die Bestimmungen verhandeln, nach denen die Immobilien derselben in Rente zu konvertiren sind. Alle Ordens8häuser, welche der Siß eines Ordensgenerals8 oder cines Generalproku- rators sind, sollen das Recht der juristischen Persönlichkeit, so- weit dies ihr Eigenthum und die Verwaltung ihrer Güter angeht, behalten. Die Regeln und Gelübde der Mönchs8orden werden der Gesehgebung des Staates gegenüber für rechtlich unwirksam und unverbindlich erklärt.

—_ N der heutigen Sißung der Deputirten- kammer interpellirte Ferrari die Regierung wegen des Verbotes des Mea von Rom gegen die Ab- haltung eines Meeting, welches die Einführung des allge- meinen Stimmrechts fordern sollte. &errari mißbilligt diesen Schritt und E versichern zu können, daß dasselbe zu keinerlei Gefahr irgend einer Ruhestörung Anlaß gegeben haben dürfte. Der Ministerpräsident Lanza erwiderte, das Mecting sei unter- sagt worden, weil erwiesenermaßen in demselben die bestehende Regierungsform und die Staatsgrundgescete bekämpft werden sollten. Der Minister fügte hinzu, die öffentliche Meinung in Italien sei gegen dieses Meeting gewesen. Der Finanz-Minister Sella brachte alsdann einen Gesetzentwurf, betreffend die Unter- stüßung der durch die Uebershwemmung heimgesuhten Ge- meinden, ein.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 20. Novem- ber. Der »Golos« veröffentlicht das Ausgabc-Budsget des Justiz- Ministeriums für das Jahr 1873. Dasselbe beläuft sih auf die Summe von 10,746,695 Rbl.

Schweden und Iortvegen: Christiania, 17. Novem- Der König Oscar 11. wird am 20. d. M. nah Dram- um die Eisenbahnstrecke »Vikersund-Kröderen« zu

ber. D men reisen, röffnen.

Dánemark, Kopenhagen, 19. November. Der König hat den verschiedenen Hülfs - Komiten in den Provinz- städten bedeutende Summen zugeschickt, um der ersten Noth

vorläufig abzuhelfen. Das Ministerium des Innern hat so- fort nach dem Eintreffen der ersten Nachrichten über die Sturmfluth auf telegraphischem Wege und später \{hriftlich allen Amtmänriern in den betreffenden Aemtern den Auftrag ertheilt, persönlich den veranlaßten Schaden und die entstan- denen Unglücksfälle zu untersuchen und einen möglichst schnellen Bericht über den Umfang derselben einzusenden.

Amerika. New-York, 20. November. Ein in New- |

Jersey ausgebrochenes Feuer hat die dort befindlichen Tabaks- Depots in Asche gelegt; der Verlust soll eine Million Dollars

betragen. i Boston, 20. November. Die Stadt ist abermals von der durch dieselbe

einer Feuersbrunst heimgesucht worden; angerichtete Schaden wird auf 350,000 Dollars angeschlagen.

Berichte aus Havanna über New-York, 6. d., melden die Niederlage ciner Insurgentenschaar in der Nähe von Tri- nidad. Von den Insurgenten wurden 43 getödtet und die Übrigen auseinandergesprengt. Den leßten offiziellen Nach- richten zufolge scheint der Feldzug gegen die Jnsurrektion cinen günstigen Verlauf zu nehmen.

Aus Mexico wird über Havana, 6. November, ge- meldet : Die Wahl führte zu der fast einstimmigen Erwählung von Lerdo de Tejada zum Präsidenten. Die wenigen Stim- men, die gegen ihn abgegeben wurden, vertheilen sich auf ver- schiedene andere Kandidaten. Seit einigen Tagen hat der neugewählte Präsident keine der ihm übertragenen außer- ordentlichen Gewalten mehr ausgeübt. Porfirio Diaz hat seine eigene Unterwerfung und die Uebergabe der unter seinem Kommando stehenden Truppen angezeigt. Das betreffende Dokument ist vom 23. Oktober aus der Nähe von Durango datirt. Der General verspricht, selbst nach der Hauptstadt zu kommen. Damit ist die Pacificirung des Landes vollständig.

Australien. Nachrichten von den Fidschi-Inseln vom 30. August melden, daß dic Feindseligkeiten gegen die Eingeborenen begonnen haben, weil sie einen Gefangenen ge- waltsam befreit hatten. „Die Weißen stürmten den Ort Viti Leva und zerstörten das Städtchen durch Feuer. Weitere Händel stehen zu befürchten, da fünf mächtige Stämme der Eingeborenen in Aufruhr sind.

Landtags - Angelegenheiten.

Berlin, 22, November. In der gestrigen Sißung des Hauses der Abgeordneten nahm in der Berathung über die Uebersichten von den Staatseinnahmen und Ausgaben des Jahres 1871 nébst der dazu gehörigen Denkschrift und den Motiven für die darin nachgewiesenen Etats8überschreitungen der Finanz - Minister Camphausen nach dem Abg. Richter (Hagen) das Wort:

Ich hatte eigentlich erwartet, es würde sich noch ein anderer Red- ner melden. Der geehrte Herr Vorredner hat sich auf viele Gebiete verirrl, auf die ich ihm nicht folgen werde. Ich habe geglaubt, daß wenn über eine Institution, wie die Ordens8verleihungen es sind, in der Weise aus der Mitte des Hohen Hauses Betrachtungen erhoben werden, wie wir sie eben haben vernehmen müssen, daß wohl aus dem Hause elbst eine Einwendung erhoben werden würde; ich für meine Person will es mir versagen. Der geehrte Herr Vorredner hat dann Ausgaben in verschi:denen Verwaltungen bemängelt, da muß ih mir auch versagen, meiner- seits heute es zu übernehmen, darüber diejenigen Bemerkungen zu machen, die, wie ih nicht zweifle, von den Chefs der betreffenden Ver- waltungen seinerzeit werden erhoben werden können.

Er hat nur eine Bemerkung gemacht, die mein Ressort zunäst betrifft, und die ich nicht unerwidert lassen will, er hat nämlich davon gesprochen, daß die Mehrausgaben in einigen Verwaltyngen einen ständigen Charakter hätten und bat damit begonnen, folche Mehr- au8gaben hervorzuheben zunächst bei der Domänenverwaltung.

Nun, meine Herren, wenn Sie eincn Blick werfen auf die Ueber- sicht; die Jhnen vorgelegt ist, so finden Sie bei der Domänen - Ver- waltung, daß da zwar formell eine Mehrausgabe von 152,471 SBIE registrirt ist, daß aber in dersclben Uebersicht angeführt ist daß Porto- und sonstige Frachtgebühren für dienstliche Sendungen lediglich hier- her übertragen worden sind, so daß um den entsprechenden Betrag diese Mehrausgabe si verringert. Ferner ist bei dieser selben Ver- waltung das geltend zu machen, daß bei den vermischten Ausgaben Beträge zu verausgaben waren , die sich im Voraus nit überschen ließen. Nun, meine Herren, kann ja die Grage entstehen, will man die Ausgabenfonds bei den verschiedenen Verwaltungen von vorn- herein so reihlich dotiren, daß Ueberschreitungen zu vermeiden wären, oder will man, was unserer alten, knappen preußischen Finanz- weise mehr entsprach, die Ausgabenfonds knapp fefistellen und die Verwaltung in die Lage bringen, daß sie jeden Thaler; den sie darüber verausgaben will, der nachträglichen Genehmigung unterwerfen muß. Unfer altes System hat darauf beruht, die Fonds sebr karg abzugrenzen. Jch will nicht behaupten, daß darin nit eine Aenderung wird eintreten können; ich glaube es aber nicht als cinen A Vorwurf für die Verwaltung betrachten zu sollen; wenn in rüheren Perioden ihre Fonds so mäßig zugefchnitten Ivarenj« daß es eben nicht gelingen wollte, damit zu reichen.

Endlich, meine Herren, hat der gechrte Herr Vorredner im Ein-

gange seines Vortrages noch verschiedene Ergänzungen geivün{t, die bei dieser Uebersicht künftig eintreten mêchten. Was diesen Punkt be- trifft, so kann ich heute nur sagen, daß ich ihn ernstlich in Erwägung nehmen werde. __ Auf die Bemerkungen, welche der Abg. Richter (Hagen) in der Berathung über die allgemeine Rechnung über den Staatshaus8haltsetat des Jahres 1868 nebst einem Vorbericht und den Bemerkungen der Ober-Rechnungskammer gemacht hatte, entgegnete der Regierun; s-Kommissar, Geh, &inanz-Rath Hoffmann:

Meine Herren! Daß die Frage, wie das Grundeigenthum zu behandeln ist, das bei der Gründung des Norddeutschen Bundes im Jahre 1867 von den einzelnen Partikularstaaten mit den Verwal- tungen, die auf den Bund übergizngen, übertragen worden is, daß die Verhältnisse in Bezug auf dieses Grundeigenthum noch nicht ge- ordnet sind, darunter leidet Niemand mehr als die preu- ßische Verwaltung. Der Herr Abg. Richter hat ganz richtig citirt, daß vor einigen Jahren, um ad interim cin leitendes Prinzip in die Behandlung dieser Frage zu bringen, das Staats - Ministerium sich mit der Reichsverwaltung über den Grundsaß verständigt hat, daß alle diese Grundstücke im Eigenthum der Partikular - Staaten bleiben, daß, wenn sie für den Dienstzwecck, dem sie in der Reichsverwaltung dienen, entbehrlich werden, sie an die betreffenden Partikular-Staaten zurückzugeben sind. Das ist ganz richtig. Nicht richtig is daß nah diesem Grundsaß heute nicht mehr verfahren würde. Es wird noch heute unabänderlih an diesem Grundsaß festgehalten und nah demsclben verfahren, und wenn etwa in einem einzelnen éxall eine ausführende Behörde einen Verstoß gegen diesen Grundsaß machen sollte, so is die Ober-Rehnungskammer in Gemeinschaft mit dem Rechnungs- hofe für das Deutsche Reich bereits in der Lage gewesen, falsche Ver- berige für Grundstück-Veräußerungen in dieser Beziehung zu

erichtigen.

Darauf, wie diese Frage materiell nah den verschiedenen Seiten hin für die Zukunft zu ordnen sein wird, glaube ih hier nicht ein- gehen zu sollen. er Herr Abg. Richter hat thatsächlich richtig an- geführt, daß ein Gesebß für die Reichsgeseßgebung in dieser Beziehung vorbereitet wird. Es wird also dort der Ort sein, diese Frage zu er- örtern. Th kann hinzufügen, daß in diesem Gesehentwurf auch

die Frage, wie in Bezug auf Festungsgrundstücke und in B entbehrlid werdende Sestungsgrundstücke im Falle des Eingehers M Festungen zu verfahren ist, Gegenstand Bestim,

mung ist.

Der Wunsch, den der Herr Abgeordnete Richter ausgespro hal, daß die Nechnungen über die Verwendung der sogenannten A possedirten- Fonds der Ober -Rehnungsfammer und S Landesyer, tretung vorgelegt werden mögen, is, wenn mich meine Erinnerun, nicht täuscht, heute niht zum ersten Mal von ihm ausgespro s worden. Es i| aber auch, so viel ih mich erinnere, ‘; diesem Hause wiederholt fonstatirt worden; daß nach Lage des bezüglichen Geseßes und nah Lage der Verhandlungen, die grade j, diesem Hause über das Geseh stattgefunden haben, man allerseitz darüber einverstanden war, daß nur solche Kontrole über die Ver, wendung dieser Fonds durcch die Ober-Rechnungskammer und die Landesvertretung nicht einzutreten habe. Also der Zustand, in den wir uns thatsächlich besinden, ist in Uebereinstimmung mit dem Ge. seß und mit der Art wie das Geseü von den geseßgebenden Gewalten bei seinem Erlaß aufgefaßt worden ist.

Der Herr Abg. Nichter hat einige Ausstellungen gemacht in Bezu; auf die Art, wie die Bemerkungen der Ober - Rechnungskammer zu den Rebnungen für das Jahr 1868 aufgestellt worden sind, und hat angeführt, daß bei einzelnen Bemerkungen Überhaupt Zahlen gar nicht angeführt seien. Nun, meine Herren, ih glaube, das hat cinen guten Grund, nämlich den, daß dic Ober - Rechnungskammg bei diesen Bemerkungen nur auf Prinzipien hat aufmerksam maden wollen, daß also hier die Bemerkungen ohne Zahlen von Bedeutung waren, daß die Zahlen vielleiht von verschwindender Geringfügigfeit waren.

Wenn ferner das als ein Mangel gerügt worden is daß bei eit zelnen Punkten dieser Bemerkungen gesagt sei, es {weben über die Herstellung eines richtigen Verhältnisses bei diesem und jenem Punkte Verhandlungen, so wird dem Herrn Abg. Richter, der ja die Req nungen so sorgfältig siudirt, bekannt sein, daß diese Aeußerung si) häufig in den Verhandlungen der Ober-Rechnungskammer Wiederholt und wiederholen mus, denn die Ober-Rechnungskammer muß ihre Thätigkeit für jedes Jahr an einem bestimmten Deitpunfkt {ließen und was bis zu diesem Zeitpunkte nicht erledigt is das bleibt eben für sie Gegenstand fernerer Verhandlungen, und diese Verhandlungen spinnen sich in jedem ferneren Rechnungsjahre fort, | und was in einem Jahre unerledigt bleibt, das wird in der folgenden Rechnung erledigt. Wenn der Hr. Abg. Nichter im Allgemeinen’ in Bezug auf die Art, wie die Bem-rfungen redigirt sind, einen Ausdru gebraucht hat, der beinahe etroas Wegwerfendes haf, so überlasse ich die Wahl seiner Ausdrücke seinem Geschmack; sofern darin aber cin Vor- wurf gegen die Autsthätigfkecit der Ober-Rechnungsfkammer liegt, ertlôre ih bestimmt: dieser Vorwurf ist unbegründet. Die Ober-Rechnungs- kammer das is eine so bekannte Thatsache, von Neutem auszusprechen brauche verwaltet ihr Amt mit einer Sorgfalt, einer Gewissenhaftigkeit, die Jeder Zeit dem Staate zum Nußen und dem preußischen Staatsdienste zur Ehre gereicht hat.

einer besonderen

Dem Hause der Abgeordneten i} folgender , in der vorigcn Session unerledigt gebliebener , Nechenschaftsbericht über die Verwendung des zur Gewährung von Beihülfen an An- gehörige der Reserve und Landwehr durch das Reichs» gesecß vom 22. Juni 1871 (Reihs-Geseßblatt Seite 20D) bereit gestellten Fonds wieder vorgelegt worden:

Vor den durch das Neich8geseß vom 22. Juni 1871 zum Zwet der Gewährung von Beihülfen an Angehörige der Neserve und Land wehr zur Verfügung gestellten Summe von 4 Millionen Thlrn, welche der Bundesrath nah Verhältniß der Bevölkerung auf die cin zelnen Bundesstaaten repartirt hat, ist auf Breußen ein Antheil von 21494492 2blen Ca E

Die Staatsregierung hatte sich darüber {lüssig zu machen, na welchen Grundsäßen die Beihülfen zu gewähren und welche Organe mit der Vertheilung derselben zu betrauen sein würden. i

Was die exste Frage anlangt, so handelte es sich zunächst um die Feststellung cines Maßîtabes für die Nepartition auf die einzelnen Landestheile der Monarchie. Daß das in denselben unter den Ar gehörigen der Reserve und Landwehr hervortretende Bedürfniß der angemessenste Vertheilungsmaßstab scin würde , konnte nicht vertannt werden, es fehlte indessen für die Bestimmung des Umfanges desselben an cinem zutreffenden Anhalte, und es hätte, um cinen solchen zu gewinnen, eingehender Ermittelungen bedurft; welche ohne Zeitverlust nicht zu beschaffen gewesen wären. E E

Die Staatsregierung beschloß deshalb, vorab drei Viertheile des Unterstüßungsfonds nach dem Verhältnisse zu vertheilen, in welchem in den einzelnen Provinzen Mannschaften, Aerzte und Offiziere des Bee urlaubtenstandes aus Anlaß des leßten Krieges za den Fahnen ein- berufen waren, den Rest aber zurüczubehalten, um später cine Aus- gleihung nach Maßgabe des inzwischen festzusiellenden Bedürfnisses vornehmen und denjenigen Landestheilen einen Zuschuß gewähren zu können, für welche sich cin solcher als nothwendig erweisen werde.

Die Vertheilung erfolgte auf dic Provinzialverbände, die beiden Kommunalverbände der Regicrungsbezirke Cassel und Wiesbaden den Stadtkreis Frankfurt a. M. und die Hohenzollernschen Lande, Dieser Maßregel lag die Erwägung zu Grunde, daß die Provinzial und Kommunal-Landtage, welche zur Zeit der Vertheilung gerade versammelt warcn, vorzugsweise befähigt sein würden, ent weder selbst oder durch gewählte Kommissionen cine fachgemäße Repartition auf die engeren Verbände (Kreise, Amtsbezirke, Städte) vorzunehmen, und zugleich zweckentsprechende Normen für dic Ge währung der Beihülfen nach Maßgabe der wirthschaftlichen BVerhält- nisse der einzelnen Landestheile festzuitellen. Es wurde dabei weiter erwogen, daß die nach Vorschrift des Geseßes vom 27, Februar 1850 (Geseß-Samul. - S. 70) ègebildeten Unterstüßungskommissionen ver möge ihrer während der Dauer des Ärieges erlangten Kenntniß von den persönlichen und Vermögensverhältnissen der Landwchr- und Reservistenfamilien die ?geeignetsten Organe für die Prüfung der an den Beihülfefonds zu erhebenden Ansprüche, sowie [ur die Bs urtheilung des innerhalb ihrer Bezirke vorhandenen Untecstüßungs- bedürfnisjes scin würden. E

Demgemäß wurde mit Allerhöchster Genehmigung an die Pro- vinzial-Landtage und an die Kommunal -Landtaze der Negierung®- bezirke Cassel und Wiesbaden, sowie an den Kreist2g des einem wei teren Kommunalverbande nicht angehörigen Kreises Frankfurt a. M. bie Aufforderung gerichtet, je eine Kommission zu wählen, welche den Maßstab für die Untervertheilung mit Rüctsiht auf die in den ver schiedenen Theilen der Provinzen vorwaltenden verschiedenartigen Ver- hältnisse feststellen, die Untervertheilung selb bewirken , und die von ihr zu bezeichnenden Organe mit den nöthigen Direktiven für die Be willigung der Beihülfen versehen sollte.

Diejer Aufforderung haben sämmtliche Landtage entsprochen, der Provinzial - Landtag von Schlesien jedo mit der von der Staats regierung gebilligten Modifikation, daß die soeben gedachten Funktionen der Landes-Deputation Übertragen worden sind 8

Den Vorsiß in den provinzial- beziehungsweise fommunalständi- schen Kommissionen führen die Ober - Präfidenten resp. deren Stell- vertreter.

In-den Hohenzollernschen Landen wurde durch die Orts8vorsteher (Bürgermeisicr, Stadtschultheiß, Vogt) eine Kommission für die Erle- digung jener Geschäfte gewählt, welhe aus je einem Mitgliede für jeden Ober-Amtsbezirk besteht und unter dem Vorsibe des Präsidenten der Regierung zu Sigmaringen zusammengetreten ist.

Tbei den auf diese Weise geschaffenen Provinzialorganen der

Kreis ihrer Thätigkeit EOne und zugleich empfohlen wurde y dic

oben erwähnten Kommissionen für die Unterstüßung der Familien der zum Dienste cinberufenen Reserve- und Landwehrmannschaften mit der Untervertheilung der Beihülfen zu betrauen ; sind denselben gewisse Grundsäße, nach welchen der Absicht des Geseßes entsprechend diese Vertheilung zu bewirken sein werde, mitgetheilt. Es ist ins- besondere darauf hingewiesen worden ; daß nur da von einer Unter- slübung , sei es in der Form eines Darlehns , oder in der eines Ge- schenkes die Rede fein dürfe, wo es sich um einen durch die längere Abtwpesenheit im Heeresdienste herbeigeführten Verlust handele, der die Wiederaufnahme des bürgerlichen Berufes ohne den Hinzutritt einer Sub- vention unmöglich mache oder doch in hohem Grade erschwere. Dabei wurde empfohlen, die Beihülfen in dec Regel in der Form von Dar- lehnen, in der Form von Geschenken aber nur in dringenden Fällen

daß ih sie bier faum |

und nit über den Betrag von 50 Thlr. hinaus zu bewilligen und tür die Darlehne eine mäßige Verzinsung und eine dem Zwecke der Bewilligung entsprechende, angemessene Rückzahlungsfrcist vorzuschreiben.

Jn Uebereinstimmung mit diefen Grundsäßen haben die ständischen Kommissionen den mit der Prüfung der Unterstüßungsgesuche befaßten Organen nähere Vorschriften über die Behandlung und Erledigung der Anträge ertheilt, und denselben zugleich die Feststellung des Ums- fanges des nah der ersten Vertheilung noch unbefriedigten Unterstüßungs- bedürfnisses aufgegeben. Einem jeden Kreise und Amtsbezirke wurde ebenso wie einer jeden freiseximirten Stadt ein bestimmter Antheil an den Unterstüßungsfonds ü erwiesen, aus welchem die beantragten Beihülfen nah Maßgabe der Dringlichkeit der Berhältnisse der Bitt- steller zu gewähren waren. Jn einzelnen Provinzen hatten dic pro- vinzialständischen Kommissionen den Organen der Kreise, Amtsbezirke Und Städte für die selbständige Bewilligung eine Grenze gezogen, dergestalt; daß Beihülfen, welche Über diese Grenze hinaus in Untrag gebracht waren, nur dur die Provinzial-Kommission selbst bewilligt werden

irften.

N m eine möglichst s{leunige Erfüllung der Absicht des Gesetzes vom 22. Juni 1871 zu erreichen, hatte die Staatsregierung den großen Städten über 50,000 Einwohner, welche vorzugêiveise als die Heerde des Unterstüßungsbedürfnisses angeschen werden durften, vorab einen Antheil direkt überwiesen, und diesen nah dcm Antheile der be- treffenden Provinz überhaupt und nah dem Verhältnisse der Be- völkerung jener Städte abgemessen. Die Verwaltung und Verwen- dung desselben sollte jedoch âà conto der Provinzialfonds crfolgen, so daß die zur Deckung des Bedürfnisses der aroßen Städte erforder- lichen- Zuschüsse aus diesen Fonds zu leifien ivaren. Es empfingen nah dem so eben bezeichneten Mafistabe: Berlin 65,600 Thlr, Bres- lau 13/700 Thlr. Cöln 11,200 Thlr. , Königsberg in Pr. 8300 Thlr., Magdeburg mit Sudenburg 7400 Thlr. Danzig 6900 Thlr, Aaczen 6100 Thlr., Stettin 6000 Thlr. Elberfeld und Barmen je 5800 Thlr., Düsseldorf 5700 Thlr., Posen „und Crefeld je 4800 Thlr., Altona 3900 Thlr. und Hannover 2,200 T E

Welche Summen bei der ersten Vertheilung von etwa drei Vier- theilen des auf Preußen entfallenen Unterstüßungsfonds den cinzelnen oben bezcihneten Verbänden Überwiesen sind, ergiebt si aus Kolonne 2 der beiliegenden Nachweisung. Danach sind zunächst 1,670,300 Thle. repartirt worden. Für die Vertheilung des Restes waren, wie Ko- lonne 3 ersehen läßt, zusammen 707,510 Thlr. ¡quidirt, ein Betrag; der aus dem zurückbehaltenen Bestande nicht mehr gedeckt werden fonnte. Eine verhältnißmäßige Reduktion war deshalb geboten und es sind den Verbänden bei der zweiten Vertheilung diejenigen Sum- men überwiesen, welche Kolonne 4 nachweist.

Die danach nicht zur Hebung gelangten Beträge ergeben sich aus Kolonne 5. Zu der Nachweisung ist crläuternd zu bemerken, daß die Provinz Pommern anfänglich cinen Nachshuß von 10,055 Thlr. für genügend erklärt hatte, daß sie jedoch, nachdem derselbe gezahlt war, neue und, wie die Prüfung ergab, gerech|fertigte Ansprüche erhob, so daß es unabiweisbar ersien, der Provinz noch eine weitere Summe von 2090 Thlr. zu überweisen. Die verhältnißmäßig sehr hohe Summe, mit welcher die Rheinprovinz nicht zur Hebung gelangt ift), erklärt sih daraus, daf, nachdem die zweite Vertheilung bercits ent- worfen tvar, die Nach-Liguidation der Provinz berichtigt und noch cin Mehrbedarf von 26,615 Thlr. angemeldet wurde, auf den bei dieser Vertheilung feine Rücksicht mehr genommen werden fonnte.

Es liegt in der Absicht der Staa Sregierung, auch die hiernach nicht zur Hebung gelangten Beträge noch zahlen zu lassen. Dieselben können zum Gesammtbetrage von 83/318 Thlr. aus dem Haupt- Extraordinarium der General-Staatskgsse entnommen werden. Nachweisung über die Vertheilung des Fonds zur Gewährung

von Beihülfen an Angehsrige der Reserve und Landwehr.

DR Ne S E B E C M E I Se Die U T db C G T van a a Lr p

E 2 3; 4, 5, Erste Nach- Zweite [Nicht zur Ver- sliquidirte] Ver- | Hebung

theilung. | Beträge ktheilung. gelangt.

De Tb Thlr. Dle

Bezeichnung der Verbände.

Provinzial-Verbände | T E 240,100? Brandenburg 276,900 M S 113/309 Schlesien 286,200 Posen 137,800 Sachsen 176/7001 Schleswig-Holstein 9712004 Hannover 57/200 Westfalen 150,600 Rheinprovinz 309,300 j

Kommunalständische Verbände| Cassel Wiesbaden

Stadtkreis Frankfurt a. M. . 3,700 E |

Hohenzollernsche Lande 6,500 080 580 0)

Summa?!1/870(3C0] 707/510] 623,700] 83,810 Der auf Preußen entfallende Antheil beträgt. . 2/194/,492 Thlr.

Davon find repartirt : 1) Vertheilung 2) Vertheilung

207,420 92, ») 12/055

111,584 46/000 30,000 19,000 19,050 50,200

Li 7,021 Î

189,700 17,720 81/400 7,900 12/05 S ——

102,000 9584 42,100 3,900 27,400 2,600 17,500 1,600 17,500 1,600 45/915 41253 74,2001 33,621

6,000

9/300

5/500 500 4,850 450

33,900 20,900

1,870,300 Thlr. 623,700» O OOO 5

Es bleibt Bestand 492 Thir. Die Nach-Liquidationcn sind nicht befriedigt auf Höh von SBLOS 9 Es sind mithin zu dieser Befriedigung noch erfor- derlich 83/318 Thlr.

Dazu gehört folgender Entwurf eines Gesebes, betreffend

ie den Angehörigen der Reserve und Landwehr geleiste- ten Beihülfen.

Wir Wilhelm, von Gottcs Gnaden König von Preußen 2c. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtags der Mon- archie, was folgt:

F. 1. Die Forderungsreckte , welche der Staat in Ausführung des Reichsgeseßes vom 22, Juni 1871 (Reichs-Gesebblatt Seite 271) Angehörigen der Reserve und Landwehr gegenüber durch dic Gewäh- rung von BVeihülfen in Form von Darlehnen erworben hat, gehen Kraît dieses Gescbßes auf die PBrovinzialverbände der Ptonarchie be- ziehung8weise die Kommunalverbände der Regierungsbezir®e Cassel Und Wiesbaden , den Stadtkreis Frankfurt a. M. und die Hohen- zollernsche Lande in dem Umfange über, in welchem die Darlehne durch die Organe dieser Verbände bewilligt worden find. i

Dasseibe gilt hinsichtlih der eForderung8recchte welche der Staat

dadurch erwirbt, daß weitere Darlehne an Angehörige der Reserve Und Landwehr ais dem dur Quschüsse aus der Staatskasse bis auf den Gesammtbetrag von 2,577,810 Thlr. zu ergänzenden Beihülfe- Fonds gewährt werden. F. 2. Die Fonds, welche durch die Rückzahlung der im §. 1 bezeichneten Darlehne gebildet werden , sind zur Verwendung für P enadige Zwecke im Interesse der betreffenden Landestheile be- immt.

F. 3. Die Verwaltung des für die Hohenzollernschen Lande zu bildenden Fonds wird bis zur Einführung einer kommunalen Ver- tretung in- denselben durch Königliche Verordnung- geregelt.

Urkundlich 2c.

Die Motive hierzu lauten :

Nachdem durch das Reichsgeseß vom 22. Juni 1871 (Reichs- Geseßblatt Seite 271) den Bundesregierungen ein Fonds von vier Millionen Thalern zur Gewährung von Beihülfen an Angehörige der Neserve und Landwchr zur Verfügung gestellt war, hatte die Staatsregierung aus den Gründen, welche in dem den beiden Häusern des Landtages vorgelegten Rechenschaftsberichte entwickelt sind, die Vertheilung des Preußen zugefallenen Antheiles auf die Provinzial- Verbände der Monarchie, die beiden Kommunal-Verbände der Re- Perungsbezirke Cassel und Wiesbaden, den Stadikreis Frankfurt a. M. Und die Hohenzollernschen Lande beschlossen und die weitere Ausfüh- rung des Gescßes den LTganen dieser Verbände übertragen.

Indem auf solche Weise die Vertheilung der Beihülfen zum

Gegenstande der provinziellen Selbsiverwaltung gemacht wurde, durfte die Erwartung gehegt werden, daß die Absicht des Gesebes am ehesten erreiht werden würde. Ein solches Resultat war um so sicherer,

eröffnet werden konnte, daß demnächst diejenigen Beträge; welche von den darlehnsweise bewilligten Beihülfen wieder eingingen, ihnen zur eigenen Verwaltung und Verwendung für gemeinnüßige Zwecke be- lassen werden würden.

Die Staatsregierung hat keinen Anstand genommen, \ich ihrer- seits für eine derartige Verhcißung zu entscheiden, sie hat jedoch die Erfüllung derselben selbstredend von der Zustimmung der Landes- vertretung abhängig machen müssen.

Durch den vorliegenden Geseßentwurf- soll diese Zustimmung herbeigeführt und die definitive Ueberweisung der in Form von Dar- lchnen bewilligten und demnä wieder zurückfließendèn Beträge an die Verbände ausgesprochen werden.

Durch eine solche Maßregel werden die lebteren in die Lage geseht; eintretenden Falles wiederum solche Beihülfen zu bewilligen, wie die- selben in Folge des Gesches vom 22. Juni 1571 haben gewährt werden können.

Wie hoch sich diese Summen berechnen, auf welche der Staat nach der Absicht des Geseßentrourfes 2u Gunßfien der Verbände ver- zichten soll, läßt sich zur Zeit nicht feststellen, weil die Prüfung und Entscheidung über die auf Gewährung von Beihülfen eingegangenen Anträge noch nit beendet is, mithin auch nit übersehen werden fann, welche Beträge beim Abschlusse des Verfahrens in der Form von Darlehnen bewilligt sein werden, und weil außerdem mit Sicher- heit angenommen werden darf, daß von diesen Beträgen verschiedene wegen ungenügender Zahlungsfähigfkeit der Darlehnsempfänger nicht zur Wiedereinziehung gelangen werden. Nach den eingegangenen Berichten läfit sih indessen die Annahme rechtfertigen; daß von dem Beibülfcfonds im Durchschnitt etwa die Hälfte darlehnsweise veraus- gabt worden ift.

Als die gecignetste Form der Ueberweisung empfiehlt si die im F. 1 ausgesprochene Cession der Gorderung®rechte des Staates an die Verbände. Durch eine solhe werden die Staatsbehörden von der Wiedereinziebung der Darlchne entbunden , und es wird den Ver- bänden die Gelegenheit eröffnet, diese Wiedereinziehung durch dieselben Organe, welche die Vertheilung vorgenommen haben, zu bewirken.

Im §, 2 is über die Verwendung der zu bildenden Unterstüßungs- fonds disponirt. Es empficblt si nit, den Verbänden eine be- stimmte Grenze zu ziehen. Dér Zweck, welchem die Fonds nach den vorstehenden Bemerkungen vorzugsweise dienen sollen, wird voraus- sichtlich nur selten der Erfüllung bedürfen. Um daher eine zu erheb- lihe Ansammlung der Fonds zu verhüten, erscheint es gerathen, auch die Verwendung zu anderweitigen gemeinnüßigen Zwecken im Juteresse der betreffenden Landestheile zuzulassen.

Einer Bestimmung über die Art der Verwaltung der Fonds be- darf es nur für die Hohenzollernschen Lande, welche zur Zeit eine kfommunale Vertretung noch nicht besißen. In den übrigen Landes- theilen fann dieselbe den Provinzial- und Kommunal - Landtags- Versammlungen beziehungsweise deren Organen und bezüglich des A Frankfurt a. M. der Kreisversammlung überlassen

leiben.

Zie die Verwaltung in Hohenzollern einzurichten sei, ist im §. 3 Königlicher Verordnung vorbehalten. Es wird beabsichtigt, ein Organ zu beschaffen, welches ausVertretern der einzelnen Ober-Amts- bezirke besteht, die nah Analogie der Vorschrift im §. 71 des Gesetzes, betreffend die Ausführung des Bundesgeseßes über den Unterstüßungs- wohnsiß vom 8. März 1871 (Gesez-Sammlung Seite 130), von den Ortsvorstehern (Bürgermeister, Stadtschultheiß, Vogt) gewählt werden und unter dem Vorsiße des Präsidenten der Regierung zu Sigma- ringen zusammentreten sollen, i

Die Nr. 47 des » Preußischen Handels-Archivs« hat folgenden Jnhalt: Gesebßgebun g: Großbritannien und Frankrcich : Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen Großbritannien und Franf- reich vom 5. November 1871. Oesterreich: Errichtung cines Ansage- postens zu Piano di Fiugazza und Auflassung der Zollamts-Erxpositur in Campo - Silvano. Ermächtigung des Nebenzollamts 1. Klasse zu Liebau zur Austrittsbehandlung von Quer. Dänemark: Verord- nung, betreffend die Benußung dex in Verbindung mit Telegraphen- stationen errichteten Signalstationen. Costarica: Zollfreie Waaren- Ein- Und Ausfuhr zu Limon. Hayti: Erhöhung der Einfuhr- und Ausfuhrzölle. Statistik: Oesterreich: Handel und Industrie von Nieder - Oesterreich während des Jahrcs 1871 (Fortseßung). Nieder- lande: Uebersicht des Handels und der Schiffahrt von Java und Madura während des Jahres 1871 im Vergleich zum Vorjahre. Mittheilungen: Landsberg a. W. Danzig. Breslau. Glogau. &ranffurt a. M. Magdeburg. Bielefeld.

Statistische Nachrichten.

St. Petersburg, 18. November. Nach dem » Regierung®- Anzeiger « belief fich die israeliti#}che Bevölkerung in den zchn Provinzen des chemaligen Königreichs Vollen am 1. Januar 18/2 auf 814,923 Personen, Davon lebten in Warschau 86,65,

In England gab es, den »Mittheilungen für die öffentlichen Versicherungs-Anstalten« zufolge, zu Ende des Jahres 1870 124 Ge- sellshaften, welche Lebens- und Rentenverficherung betrieben. Davon haben gemäß der im Jahre 1870 ergangenen Lifo Insurance Com- panies Act (der sog. Cave’schen Bill) 104 Gesellschaften und außerdem 4 neue dem Handelsamte einen Geschäftsbericht eingereiht. Diese 108 Gesellschaften hatten im Jahre 1870 zusammen 14,153,419 Bfd. Sterl. Einnahmen, 11,628,111 Pfd. St. Ausgaben und bei Jahres- {luß einen Gesamt - Aftivbestand von 92,333,223 Psd. St. Die Einnahmen bestanden in Prämien 9,743,600, N für Annui- täten 254,133, Zinsen und Dividenden 4,040,175, ® erfchiedenes 115,511 Pfd. Sterl. Die Ausgaben waren folgende : Policenforderungen 8/200,993, Verfallgelder, baare Dividenden 2c. 1,063,087, Annuitäten 356,867 ¡ Unkosten , Dividenden 2c. 1,870,392; Verschicdenes 106,772 Pfd. Sterl. é

Die französischen Lebensversicherungs-Gesellschaften hatten zu Ende des Jahres 1871, wie das Central-Börsen- und Handelsblatt in Nr. 63 vom 12. September berichtet, einen Kapital - Versicherungs- bestand von 973 Millionen Frs. in 97,481 Versicherungen. Jn den Jaßren 1819 bis 1859 wurden bei den französischen Gesellschaften 334 Millionen Frs., in den Jahren 1860 bis 1869 gagegen 1183 Millio- nen, im Jahre 1860: 44, im Jahre 1869: 202 Millionen Frs. ver- fichert. Jn der Periode 1819 bis 1859 enltfiel auf eiae Versicherung durch s{nittlich cin Betrag von 8800 Frs, im Jahre 1869 dagegen ein solcher von 14,400 Frs. Die vorstehende Angabe über den Kapitai- Versicherungsbestand der Gesellschaften zu Ende 1871 entspricht jedoch nicht einer Uebersicht, welche die »Rundschau der Versicherungen« dar- Über giebt. Dieser zufolge waren zu dem genannten Zeitvunkte ver- fichert bei den Gesellschaften : ;

Kapital Renten

_ Do Frs. Co. d’assur. générales .…….-.……...... 295,304,120 6,488,228 La Nationale : i 394,174,226 IL’Union P E C C A C A0 E G E G 90,731,088 LO O e i tin 100,852,173 Caisse paternelle 80,994,835 L'Urbaine —— Le Crédit viager Caisse générale des familles .….... Le Monde

1363,965 478,549 702,436

41,988,968 1,193,620 35,205,344

321,866 Summe 1039,250,754 10,548,664 Die Kapital - Versicherungssumme übersteigt hiernach die in der ersten Quelle angegebene um 66 Millionen Frs. wobei noch von zwei Gesellschaften dic Angaben fehlen. Vielleicht rührt die Differenz daher, daß in der ersten Quelle nur die Kapitalversicherungen auf den Todesfall gemeint sind, obwohl nach den Nachrichten der Rundschau nur bei einer Gesellschaft, der Union, die Lebens- und die Todesfall- Versicherungen getrennt find.

*) Darunter 13,251,208 Frs, Versicherungen auf den Lebensfall.

4 will ihm nit

| bewährte sich in vollem Maße.

Kunst und Wissenschaft.

Berlin, 21. November. Von den drei kflcineren dramatischen

ivenn diese Verbände nicht lediglich als Mandatare des Staates die | Werken, welche das Königliche Schauspiel vorgestern zur Auffüh-

Geschäfte zu führen ‘hatten, sondern; wenn ibnen Zugleich die Ausficht | rung brachte, waren zwei Novitätcn,

L eines »Am Klavier« neu ein- studirt. Das Charafterbild »Des Königs Vetter« na dem Fran- zösischen des Th. de Banville, frei bearbeitet von A. Winter, zeigt manche Analogien in Stoff und Behandlung mit desselben französi- schen Dichters »Gringoire«, das dem Repertoire {hon angehört. Der Held ist in beiden ein von seinen Jdealen erfüllter, aber an materiellen Gütern- Mangel leidender Dichter: diesmal der durch seine Comödien unter der Regierung König Ludwigs XIV. berühmte Dichter Dufresny, cin Enkel König Heinrichs IV. und einer dur ihre Schönhcit ausge- zeidneten Gärtnerin, dessen Leben®schicksale in humoristischer Weise auch Le Sage im »diahle boiteux« dargestellt hat. Leichtlebig, hat er sein Vermögen verschwendet und der Érirag einer dichterishen Arbeiten reicht nicht einmal hin, die Shulden bei seiner Wäscherin zu bezahlen. Zwar hat er soeben einen verzweifelten Versuch gemacht; seine Lage zu verbessern ; er ist auf der Promenade den Pferden des Königs in die Zügel gefallen, hat aber auf seine vorgeschüßte Vetterschaft hin nur ein Almosen erhalten. Der Dichter, vielleicht auch der Bear- beiter bat sih in diesem Punkte nit streng an die Geschichte gehalten, welche berichtet, daß Dusfresny bereits eine einträglichc Stellung als Königlicher Parfinspektor besaß, wozu ihm seine nahe Verwandtschaft verholfen, daß er diese aber durch Spiel und Vershwendung wieder eingebüßt hatte, worauf er später nochmals ausgiebige Unterstüßungen von Hofe genoß. Er war also jedenfalls dem Könige nicht mehr unbekannt. Seinen leichtsinnigen Charakter läßt ihm auch der Dich- ter. Dufresny seßt das Wenige c ufs Spiel, gewinnt und vergeudet den Gewinn gleich darauf wieder, indem er si eine Equipage miethet und ivie der König mit sechs Pferden dur die Stadt fährt. So betritt er/ wieder aller Mittel baar, sein ärmliches Studirzimmer. Diesmal rührt sein Mißgeschick auch die anmuthige Angélique; sie will ] nur seine Schuld für die Wäsche erlassen, sondern ihm sogar eine Summe leihen, um ihn aus péinlihster Verlegenheit zu reißen. Da erscheint endlich sein ges{wäßiger Freund Desmarres Hr. Karlowa) aus dem Marionetten - Theater, um ihm die freudige Nachricht zu bringen, die er aus dem Munde des Prinzen Conti hat, daß der König auf Veranlassung der Madame de Maintenon, die an seinem neuesten Lustspicl ein besonderes Gefallen gefunden, ihm eine größere Summe habe anweisen lassen, und Dufresny, über- glückli, reiht darauf Angélique, der glühenden Verehrerin seiner Dichtungen; die Hand. Wenn troß der Bemühungen des Hrn. Kahle als Dufresny und dem anmuthigen Spiel des Frl. Kühle als poctisch beanlagte Wäscherin Angélique das kleine anspruhlose Werk sich nicht einer allgemeinen Theilnahme Seitens des Publikums zu erfreuen hatte, so dürfte dafür weniger das in leicht fließenden Alexan- drinern geschriebene Original als die deutsche Bearbeitung in Prosa veraniwortlih sein. Dem Spiel der genannten Darsteller wurde durch Hervorruf die gebührende Anerkennung nicht versagt.

Es folgte neu einstudirt ein einaftiges Lustspiel »Am Klavier«, welchem ebenfalls ein dem &Sranzösischen entlehntes von Grandjean bearbeitetes Motiv zu Grunde liegt ußd das früher cin gern gesehenes Repertoirstük der biesigen Hofbühne gewesen. Hr. Liedtke {uf als Lieder - Komponist Jules Franz in glücklicher Verschmelzung eines genial ungebundenen Wesens mit offenem, treuherzigen Charakter eine echte, lebenswahre Künstlerfigur. Frau Erharit hatte bei einer wohlgetroffenen , mit aristokratischer Feir heit durchgeführten Auf- fassung ihrer Rolle in derselbén Gelegenheit, zu zeigen, daß sie im Besiß einer wohlges{ulten Sopranstimme, die sie selbs am Klavier begleitete, auch in dieser Beziehung künstlerischen Anforderungen zu genügen vermöge. IJhre Gesangs-Vorträge wurden mit allseitigem Veifall belohnt. Frl; Taglioni war cine anmuthige Kammerzofe.

Den Schluß des Abends bildete ein einaftiges Lustspiel » Die Gouvernante« von G. v. Moser, dem bühnengewandten Verfasser von »Hypothekennoth« und Stiftungsfest.« Der Ruf, der dem kleinen Schwank von früheren Aufführungen in Wien und Leipzig voraufging, Der Verfasser hat mit der ihm eigenen Kenntniß dessen, was von der Bühne hier wirkt, ohne eigentlichen Fortgang der Handlung zwei Intriguen geschickt incinander verflohten: Leopold Fels, Neffe des gleiwnamigen Gutsbesißers, kehrt na län- gerer Abwesenheit, während deren erx sich verheirathet hat; mit der jungen ¿Frau zu scinem Onfel, dem Gutsbesißer &els, zurü, stellt dieselbe aber in seiner Laune nicht als folche, sondern als die von Frau Fels sen. für cine befreundete Familie engagirte _Gou- vernante vor. Als solche ist aber die Geliebte des jungen Pastors - Strehlen auf dessen Verwendung engagirt worden. Es ergeben sich nun aus diesen incinandergreifenden Ver- wickelungen eine Reihe höchst komischer Situationen, wie das durch den enttäuschten Pastor - abgehaltene Examen der ver- meintlichen Gouvernante , die Eifersucht der Tante gegen die junge Frau, welche der Ansicht ist der Onkel wisse um den Scherz, während er nur über das Verhältniß der erwarteten Gouvernante zu dem Pastor aufgeklärt if u. st. w. Alle Mißverständnisse werden endlich durch die Ankunft der wirklichen Gouvernante gelöst. Der Erfolg war bei der vortrefflichen Komik , mit der Hr. Döring und Fr. Frieb-Blumauer (Gutsbesißer Fels und Frau) ihre Rollen durch- führten, ein vollständiger. An dem allgemeinen Beifall, mit dem diese Novität begrüßt wurde, hatten aber nicht minder Hr. v. Hoxar als Leopold und Frl. Keßler als Margaretha Fels und Hr. Goriß als Pastor Strehlen wohlberechtigten Antheil. 5 /

Das Septemberheft der von Dr. J. H. Müller berausgeg. »Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte« hat folgenden Inhalt: Ueber den Einfluß der Stadt Berlin auf die deutsche Literatur unter König Friedrich 1, von Prof. K. Biedermann. Aus dem Gedenfbuck des Hermann Weinsberg, mitgeth. von L. Ennen. Fürslliche Verlobung und Hochzeitsfeier im Anfange des 18. Jahrh. (die des Fürsten Georg Alhrecht von Ost-Friesland und der Prinzessin Christine Luise von Nafsau-Jdstein), mitgeth. von Dr. E. Friedländer. Das Cölner Rathsprotokoll vom 2E. Juli 1553. Referat über an Stadtbuch von Augsburg, hrsg. und erläutert von Dr. Chrift.

teyer. 2 Das Werk »Die gesammten Naturwissenschaften «, für das Verständniß weiterer Kreise und auf wissenschaftlicher Grund- lage bearbeitet von Dippel, Gotilieb, Gurlt, Koppe, Mädler, Masius, Moll, Nauck, Nöbggerath; Quenstedt, Reclam, Reis, Romberg ¡ Zech, eingeleitet von Hermann Masius, erscheint jeßt im Verlage von G. D. Bädeker in Essen in dritter, neu bearbeiteter und bereicherter Auflage. Die erste Auflage dieses Werks, welches dazu bestimmt ist, in anziehender Form und faßlih klarer Darstellung naturwissenschast- liche Kenntnisse in den weitesten Kreisen zu verbreiten, war Hum- boldt dedizirt / dessen Andenken die Einleitung gewidmet ist. Das Werk erscheint in 3 Bänden, von denen der erste die Mechanik (Prof. Dr.=Zech in Stuttgart) drei Lieferungen umfassen und in der vierten die Physik und Meteorologie in neuer Bearbeitung von Dr. Reis in Mainz beginnen wird. Demnächst folgt die Chemie und chemische Techno- logie von Prof. Dr. Gottlieb in Graz. Jm 11. Bande werden Phy- siologie (Prof. Dr. Reclam in Leipzia) Zoologie (Prof. Dr. Masius) und Botanik (Prof. Dr. Dippel in Darmstadt, im 11]. Bande Wtine- ralogie (Prof. Dr. Quenstedt in Tübingen) Geologie und Seone Prof. Dr. Nöggerath in Bonn), das Meer (Dr. N. Romberg in Bremen) und die Astronomie (Prof. Dr. Mädler in Hannover) be- handeln: Die Darstellungen sind durch 950 saubere Holzschnitte ver-

anschaulicht. Gewerbe und Handel.

Die Handelskammer zu Worms a. Rh. hat ihren Jah- resberiht für die Jahre 1869 1871 veröffentliht. Wir entnehmen demselben Folgendes : i : i

Das Geschäft in Wein war während der drei Jahre 1869—71 ein ziemlich lebhaftes. Da in der Pfalz leichtere Rebensor- ten gepflanzt werden, wie im Rheingau und in anderen Gegenden, so war der Ertrag der Weinernte in der Pfalz, wenn auch mittelmäßig, doch im Verhältniß besser wie sonstwo, und es wurden, da die Nachfrage stark war, nicht unbedeutende Quantitäten Wein ausgeführt. Der Ausfall am Jmport [ragene Weine mußte ge- deckt werden, und namentli wurden die leichteren Sorten zur Fabri- kation deutscher Shaumweine immer Bn gesucht. Der Export nah Amerika war ziemlich lebhaft E die hohen Zölle der Vercinig- ten Staaten demselben noch immer eine enge Schrauke ziehen. Die