1872 / 292 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Dec 1872 18:00:01 GMT) scan diff

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Schulinspektors, welcher Atheist sei, Angriffe gegen die Regie- rung. Auf die E des Unterichts-Ministers , Jules Simon, daß er mit den zuständigen Räthen in weiteres Ver- nehmen treten werde, wurde das deshalb gestellte Amendement wieder zurückgezogen.

Spanien. Madrid, 6. Dezember. Der heutigen amt- lichen Zeitung zufolge haben sich in Andalusien keine neuen Banden gezeigt und in Estremadura is die Republikanerschaar unter Aguilar bei Montemolin zersprengt worden. Der Ge- meinderath der unruhigen Grenzstadt Bejar hat seine Thätig- keit wieder aufgenommen und die Arbeiter kehren in die Fa- briken zurück. Auch den Carlisten haben die königlichen Trup- pen eine schwere Niederlage beigebracht. Der Oberst Villacampa stieß auf die 300 Mann starke Bande des Mariano Lopez, welche in dem Kampfe vollständig geschlagen wurde. Der Führer selbs mit seinem Sohne is unter den Gefallenen; dreißig Carlisten wurden verwundet , und. eine Anzahl Gefan- gener nebst großem Vorrath an Waffen und Munition fiel in die Hände der Sieger.

Îtalien. Rom, 4. Dezember. Die Kammer hat gestern in einer einzigen Sißung den Etat des Kriegs8-Ministe- riums durchberathen und denselben nah den übereinstimmen- den Vorschlägen des Ministers und der Kommission im vor- läufigen Gesammtbetrage von 184 Millionen 618,585 Lire ge- nehmigt. Der vom Abgeordneten Merizzi erhobene Vorwurf, daß das Kriegs8budget die Steuerkraft des_ Landes Übersteige, ward vom Referenten und den Ministern des Jnnern und des Krieges abgewehrt. Die äußerste Linke ließ durch den Ab- geordneten Nicotera erklären, daß sie alle vom Kriegs-Minister vorgeschlagenen Ausgaben votiren werde, vorausgeseßt, daß das Geld richtig verwendet werde. | i

Auf der Tagesordnung der Privatkommission d De tirtentämmer siand gestern die Fort- sezung der Verhandlungen Über die Hülfe für die Uebershwemmten. Der Minister eröffnete dieselbe mit der Mittheilung aus verschiedenen Provinzen, in denen die Flüsse von Neuem übergetreten sind und Schlimmes zu befürchten ist. Alle Mitglieder des Komites stimmten für sofortige Geld- bewilligung an die Regierung und der Finanz-Minister erklärte sih bereit, vorläufig auf eigene Verantwortung eine Million Francs auszuzahlen: Jm Plenum der heutigen Sizßung theilte der Minister mit, daß am Morgen die Nachrichten aus No- vara und Alessandria sehr beunruhigend lauteten, im Laufe des Tages aber der Regen nachgelassen habe und daß der Tanaro zwar noch stark ánges@wollen sei, aber feiñe Besorgniß mehr einflöße. Jn der Provinz Reggio dagegen steige der Po stündlich, ebenso in Pavia, und heute früh habe er die während der Nacht aufgeworfenen leichten Schugwerke zerstört und eine Strecke Landes zwischen der Eisen- bahn und der Provinzialstraße übershwemmt. Noch schlimmer find die Nachrichten von der Etsch, welche zusechends wächst. In Trento ist sie während sech8s Stunden um 11 Fuß gestiegen. Man müsse freilih dabei in Betracht ziehen, daß der Sirocco weht, und daß die Etsch als a Da leiht anschwillt. Hier- auf verlas der Minister die im Laufe des Tages von Osftiglia eingetroffenen Depeschen, worin der Jngenieur Cavaletto be- richtet, daß in Folge der Anschwellung des Po die Arbeiten bei Ronchi haben eingestellt werden müssen. Die Lage der Dinge, so {loß der Minister, is allerdings sehr beunruhigend, aber es gereicht mir zum Trost, die Kammer versichern zu dürfen, daß überall alle möglichen Vorkehrungen getroffen find, um, soweit es in Menschenhand steht, dem Unglücke vorzubeugen.

Die Hauptpunkte des ministeriellen Berichts, welcher am 30. v. M. gleichzeitig mit dem Geseßentwurf über die reli- giösen Genossenschaften in der Kammer ausgegeben ward, wäh- rend der Anhang zum Entwurf wohl ers am Ende dieser Woche zur Vertheilung kommt, sind folgende:

Der Bericht geht auf das Königliche Dekret vom 2. November 1870 zurüdck, welches die damalige Kammer auflöste und Neuwahlen anordnete. Dieses Dekret sprach die Nothwendigkeit aus, das Gese vom 7. Juli 1866, nach welchem der Staat die religiösen Genossen- schaften nicht als juristische Personen anerkennt, und das Geseß vom 15. August 1867, soweit es die Unterdrückung der todten Hand be- trifft, auf Stadt und Provinz Rom auszudehnen. Die An- wendung dieser Geseße is seitdem abhängig geworden vom Garantiegeseße und der Aufgabe, die sih die Regierung gestellt; Be- stimmungen über das Vermögen zu treffen, welches man nicht dem Staat zuwenden, sondern der Kirche belassen will Und welches nicht in den Händen von Korporationen bleiben kann, denen man den Charafter einer juristishen- Person zu entziehen die Absicht hat. M der Auslösung der religiösen Genossenschaften, welche als

rivatvereinigungen immerhin bestehen können, betont der Bericht die Nothwendigkeit, mit den in Rom vorliegenden Thatsachen zu rechnen, die in ihren Konsequenzen in gewissen Beziehungen über die Grenzen des Staates hinausgehen, In Ausführung des Garantie- geseßes, welches dem Papste völlige Freiheit gewährt, alle Verrich-

tungen seines geistlichen Amtes auszuüben, müsse man festhalten, daß |

der in Rom wohnende General eines Ordens der Vermiitler der päpstlichen Autorität über den Orden sei und daß mithin die Vertretung der Orden beim heiligen Stuhl aufrecht erhalten werden müsse. Der Grundgedanke* des Gesehes vom Jahre 1866 werde respektirt , wenn man, indem man die Klöster, welche Wohnung eines Generals seien, bestehen lasse, ihnen gleihwohl die Stellung einer juristishen Person entziehe und ihre Güter in eine spezielle Stiftung zum Zweck ihres Unterhalts umwandele, Dabei komme der Staat nicht in die Lage, den Orden als solchen anerfennen zu müssen; er erkenne nur die Stiftung an, ohne sih um die spezielle Lebensweise in religiöser Ge- meinschaft zu kümmern. Natürlich stehe es dem Ministerium zu, die in eine besondere Stiftung umzuwandelnden Klöster zu bezeichnen, wobei einzig die Stadt Rom, nit die Provinz in Betracht komme. Die Güter der Genossenschaften in der Provifiz sind den allgemeinen Bestimmungen über Liquidation und Konversion unterworfen und die exceptionellen Verfügungen des Entwurfes betreffen nur die Genossenschaften in der Stadt Rom (mit Ausschluß der Generals- wohnungen). Unter dem Gesichtspunkte, daß das Vermögen der Genossenschaften der römischen Kirche verbleiben solle, mußten die früheren Geseße, die ohnehin mehr eine sozial-politische als finanzielle Bedeutung hätten, dahin modifizirt werden, daß der Kirche so viel Rente gutgeschrieben werde, als mit der aus dem Verkauf der Güter erlösten Summe erworben werden fönne, daß der Abzug von 39 pCt. zur Bestreitung der vom Staat bei der Konversion übernommenen Lasten und Verpflichtungen hinfort wegfalle und daß der Staat einen bei der Schlußliquidalïon etwa sih ergebenden Uebershuß nicht für sih behalte. Die Vorschläge über eine verschic- dene Art der Konversion seien dur die Erwägung eingegeben, daß der Staat Seitens der unterdrückten Genossenschaften vielfache Hinder- nisse finden werde, daß Rom der Mittelpunkt des Katholizismus sei, daß die Zahl der vom Geseße Betroffenen groß und die Summe des gewissenhaft zu verwaltenden Vermögens sehr hoch sei. Es werde eine spezielle Kommission und eine spezielle Kasse geschaffen werden. Bis zur geschehenen Liquidation, für welche ein Jahr E wird, und bis zur elsebung der Pensionen solle fein Kloster aufgehoben werden. Die Pensionen seien in Anbetracht der besonderen Verhält- nisse Roms höher bemessen. Hinsichtlich der auswärtigen Justitute, die unter den veränderten Rechtsverhältnissen als innere zu betrachten eien, werde aus Rücksichten der Billigkeit die Lösung vorgeschlagen, daß dieselben ihrem Zwecke entsprechende Stiftungen machten, Nach zwei Jahren höre der Staat auf/ sie als juristische Personen zu be- trachten. Der Schluß des Berichtes weist den Vorwurf zurü, als ob die Regierung in Rom nicht im Befiß ihrer vollen Autorität sei, weil sie die bestehenden Gesehe jüber die religiösen Genossenschasten

und das Kirchenvermögen nur mit Einschränkungen in Wirksamkeit

treten lasse. Dieser Vorwurf beruhe auf dem Jrrthum daß die

Gleichheit der Bürger vor dem Gesepe die Gleichheit des Geseßes im

anzen Staate erheische, und auf dem weiteren Jrrthume, daß Rom

1d in nichts von jeder anderen Stadt Jtaliens oder Europas unter- elde.

Aus Florenz wird berichtet, daß durch Dekret des dortigen Präfekten vom 1, Dezember das sogenannte Fascio Operajo, der Arbeiterbund tosfanischer Zone , aufgelöst wor- den ist. Diese Maßregel wird durch die dem Dekrete vorge- druckten Erwägungen gerechtfertigt, aus denen hervorgeht, daß der Umsturz al Bey sozialen und politischen Ordnung der Zweck des Bundes if. Es werde dieses ganz unzweideutig in seinen Cirkularen und Manifesten , namentlich aber in den Statuten der Gesellschaft ausgesprochen, die sich grund- säßlich denen des Londoner Arbeitervereins anschließen. In Folge des Dekrets" löste die Quästur am 1. d. M. Abends den Arbeiterbund auf und machte um die nämliche Zeit in den Privatwohnungen der Mitglieder, welche für die cinfluß- reichsten gelten, Haussuchungen und sequestrirte Cirkulare, Briefe, Korrespondenzen und geheime Papiere, die sich auf die Gesellschaft selbst und auf andere ihres Gleichen bezogen. Der Quästor hat dann alles den Gerichten übergeben und soll den Mitgliedern des Bundes der Prozeß gemacht werden. Auch in

arma ist durch Dekret des Präfekten die Societa Fraterna degli Operaj (der Arbeiter-Bruderbund) aufgelöst worden.

Griechenland. Athen, 9. Dezember. (W. T. B.) [Ein französishe8 Evolutions8-Geschwader ist heute im Piraeus eingelaufen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 8 Dezember. Ueber die Resultate der versuch8weisen Einberufung Beurlaubter, die in diesem Jahre ausgeführt worden ist, meldet der »R, J.« Folgendes: Die Jahl aller Einzuberufenden

belief fich auf 13,486 Mann; davon erschienen 12,723 Mann, | i; h) [5 j also Apt, s die Sahl der Nibler\iencuen nur 763 Mann, der, frei von aller in Amerika herrschenden Korruption,

Mann oder 6 pCt. betrug. Die meisten nichterschienenen Leute

atten sich eigenmächtig in andere Gouvernements begeben, in | (

denen keine Einberufung stattgefunden ; fie hatten daher nichts | M : L i L - l von ihrer Eb Una erfabren, Bei Die ällgetitnia Ein- feine Gelegenheit verabsäumte , seine geistige Bildung zu för.

berufung wird die Zahl der Nichterschienenen sicher weniger

Allgemeinheit halber Allen bekannt werden muß. |

Am - ersten Tage der Bekanntmachung der Einberu- fung waren 8 pCt., und in den ersten vier Tagen 8 pCt. erschienen; der dritte Tag brachte gewöhnlich die meisten Eintreffenden. Dienstuntaugliche waren 18 pCt.; die wenigslen hatte der Kreis Jekaterinosslaw (3,5 ÞCt.), die meisten der Kreis Riga (34 pCt.) Von der Masse der Einberufenen

. ROR » A i ÿ j f j Nj | wurden 5051 Mann nach dex ärztlichen Besichtigung in die | 2,166,994,677 Dollars. Abgetragen wurden während de

Heimath entlassen und 7672 zu zweiwöchentlicher Uebung ihren Truppengattungen zukommandirt; darunter befanden sich 7061 Infanteristen, 145 Kavalleristen und 466. Artilleristen. Die Resultate der Uebungen waren überall, besonders aber bei der Kavallerie und Artillerie befriedigend. Die Führung der Leute sar vollkommen tadellos. Von den 12,723 Mann waren 36 pCt. Ackerbauer, 15 pCt. Handwerker, 4 pCt. dem Kaufmannsstande Angehörige, 28 pCt. Tagelöhner und 17 pCt. im Dienste bei Behörden und Privatleuten stehende Personen.

Sweden und Ikorwegen. Stockholm, 4. Dezem-

ber. Der Verein für freiwillige Pflege Verwundeter und | Kranker im Felde hatte am 29. November in dem Lokale der | Militärgesellschaft scine Jahre8versammlung , bei welcher der |

König, der vor seiner Thronbesteigung in derselben Wort- führer gewesen, zugegen war, und sein Bruder , der Herzog von Dalarne, Prinz August, zum ersten Mal als Wort- führer fungirte.

Dánemark. Kopenhagen, 6. Dezember. Bei der

gestern im Folkethin g stattgehabten Vorlegung des ZJoll- man erst am 11. vollständig Herr zu werden vermochte. Der

geseßes äußerte der Finanz-Minister, daß die Gesammt- |

Zolleinnahme nach dem jeyt geltenden Zolltarif

//100,000 Rdl. sci und dieselbe nach dem Vorschlage |

6,990,000 Rdl. betragen würde. Diese Verminderung der Ein- nahmen würde man, selbst bei Wegfall der Schiff8abgaben, hinnehmen können, ohne sich zur Erhöhung der Einnahmen anderer Posten genöthigt zu sehen. Wolle man ferner Herab- sezungen vornehmen, so müßten die Finanzen einen Ersaß for- dern, in welchem Falle in erster Reihe eine Erhöhung der Branntweinsteuer vorzunehmen wäre.

Nach dem leßten 13. Berichte des Central-Komites sind bis jeßt im Ganzen 512,312 Rdl.- für die Ueber- schwemmten eingegangen. s

Amerika. Monatsbericht. Aus dem am 5. November stattgehabten großen Wahlkampf ist die republikanische Partei sieg-

| rei hervorgegangen, und zwar mit einer Majorität, wie sie bis

jeßt keine derartige Wahl aufzuweisen gehabt hat. Nur die Wieder- wahl Lincolns im Jahre 1864 kommt ihr einigermaßen gleich, doch ist bei diesem Vergleiche nicht zu üÜberschen, daß die demo- kratisch gesinnten Südstaaten sih damals nicht an der Wahl betheiligten, und daß demzufolge eine große Anzahl Stimmen, welche die Majorität wesentlih reduzirt haben würden, in Weg- fall kamen. Bon den 368 Elektoralstimmen gehörten in diesem Jahre 300 der republikanischen Partei an, so daß die Wiederwahl Grants am 4. Dezember, dem Tage, an welchem die Wahlmänner sich in den Hauptstädten der verschiedenen Staaten zur Vornahme der eigentlichen Präsidentenwahl zu versammeln haben , gesichert war. Nie zuvor ist der Wahl- kampf bei einer Präsidentenwahl ein so erbitterter gewesen und niemals beruhte diese gegenseitige Erbitterung in so hohem Grade auf Persönlichkeiten. Hätte sich der Wabhlkampf wie gewöhnlich auf die einander gegenüberstehenden Parteien beschränkt, so würde er zweifels8ohne gleichfalls ein harter gewesen sein, in diesem Jahre käm aber der Qwiespalt in der republikanischen Partei und die Verbindung eines Theiles der- selben mit ihren alten Feinden, den Demokraten, hinzu, um dem Kampfe eine ungeahnte Schärfe zu verleihen und das Resultat wenigstens für einige Zeit unsicher zu machen. Wenn nun troßdem die Republikaner mit einer so außerordentlichen Majorität gesiegt haben, so wird der Grund hiervon in ande-

| ren Ursachen zu suchen sein, als denen, welche unter gewöhn-

lichen Verhältnissen bei einer Präsidentenwahl den Ausschlag geben. Wie bereits früher erwähnt, hatten in diesem Jahre die Verhältnisse eine besondere Achnlichkeit mit denen im Jahre 1860, als Lincoln zum ersten Male erwählt wurde. Die vollen Souveränitätsrechte der einzelnen Staaten wurden jeßt, wie damals, von der demokratischen Partei vorzugsweise betont und dieser Ursache ist es wohl zuzuschreiben, daß das Bolk der Vereinigten Staaten sich lebhafter als sonst der Jahre nach 1860 erinnerte, in Grant den siegreichen Feldherrn wäh

rend des Rebellionskrieges E und sih vergegenwärtigte , daß

durhch ihn und die republikanisce Partci das Land vom Untergange gerettet worden war. Man gedachte Lincolns und Sewards, der Siege bei Vicksburg, in der Wilderniß und am

Appomattox , der Aufregung jener blutigen Kriegs8jahre und des allgemeinen Jubels bei dem Eintreffen der Nachricht von Lee's Kapitulation. Alle für Grant am 5. November gh, genetnen Stimmen muß man als den Tribut merikfaner für ihren siegreichen Feldherrn, sowie für die Partei ansehen, unter deren Herrschaft die Rebellion glückli beendet wurde und die Vereinigten Staaten als solche fi zu neuer Größe emporschwangen. Wenn auch allgemein anerkannt wurde, daß eine durchgreifende Reform in der Verwaltun der inneren Angelegenheiten wünschenswerth, ja nothwendig wäre, so überwog doch das Vertrauen auf Grant jede Rüt. sicht auf augenblickliche Mißstände von geringerer Bedeutung für das allgemeine Wohl, und daher die rege Betheiligung an der Wahl und die überraschende Majorität. - Uebrigens ging die Wahl im ganzen Lande mit einer Ruhe vor sich, an welche man hierorts nicht gewohnt ist , und praktisch wie die Ameri kaner sind, konnte man schon- an dem der Wahl folgenden Tage keine Spuren mehr von dem das Land während dey leßten Monate auf das heftigste ershütternden Kampfe wahr. nehmen. Alles bewegte fich wieder in den gewohnten Geleisen, der Sieg der Republikaner wurde als ein fait accompli hin. enommen, dem man sich unterwerfen müsse und über welches fich s ferner zu äußern unnüße Zeitverschwendung sein würde.

Etwaige Veränderungen im Ministerium dürften* woh kaum vor dem 4. März 1873, dem Zeitpunkt, an welchem die Periode der augenblicklichen Präsidentschaft abläuft, zu er warten sein.

Greeley, welcher schon am Tage nach der für ihn sg empfindlichen Niederlage die Leitung der »yNew-York-Tribune« wieder übernahm, welches Blatt er von nun ab zu einem völlig unparteiischen umgestalten wollte, ist am 29. November gestorben. In ihm verlieren die Vereinigten Staaten, wenn auch keinen Staatsman, so doch einen ihrer besten Journalisten und einen

in moralischer Beziehung immer einen hohen Rang einnahm, Als Drukerjunge nah New-York gekommen, arbeitete er dort anfangs mebrere Jahre in seinem Geschäfte , wobei er zugleich

dern. Später gab er sogenannte campaign papers heraus

als 6 pCt. betragen, weil die desfallsige Anordnung ihrer | und zu Anfang der vierziger Jahre gründete er die »New-

York Tribune«, welche bald die Stelle eines der ersten politi- schen Blätter der Vereinigten Staaten einnahm. Greeley war einer der Vorkämpfer des Abolitionis8mus und hat als solcher viel Gutes geleistet; er war in jeder Beziehung, ungeachtet aller seiner Sonderbarkeiten , einer der geachtetsten Bürger der

| Vereinigten Staaten.

Die Staatsschuld betrug am 1. Oktober nah Abzug des Baarbestandes in dem Schayamte der Vereinigten Staaten

Oktober 5,228,417 Dollars, so daß sich die gesammte Schuld am 1. November ,- ausschließlich des Baarbestandes , auf 2,161,766,260 Dollars belief. Die fünf Millionen, welche von dem Finanz - Minister zu Anfang Oktober zum Ankaufe von Bonds verwandt wurden, um dexr Klemme auf dem New- Yorker Geldmarkte abzuhelfen, können nicht als eine Abmin- derung der Staatsschuld angesehen werden , da diese Summe aus dem Reservefonds genommen wurde und demnächst au wieder an denselben abgeführt werden wird.

Nach den Berichten der Einwanderungs8kommissare erreichte die deutshe Einwanderung im Hafen von New-York in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres die Höhe von 110,888 Personen und übertraf die derselben Periode des ver: gangenen Jahres um 41,329 Personen.

Kaum ein Jahr nachdem der größte Theil Chicagos durch eine furchtbare Feuersbrunst in Asche gelegt wurde, is das Land abermals von einem ähnlichen, wenn auch nicht so großen Unglücksfalle betroffen worden. Am Abende des 9, November brach in Boston ein Feuer aus, welches si, aller Anstren- gungen ungeachtet, mit reißender Schnelle verbreitete und dessen

bedeutendste Geschäftstheil Bostons wurde zerstört und die Ver- luste betragen, so weit es sih bis jeßt hat ermitteln lassen, zwischen 80 und 1090 Millionen. Europäische Versicherungt-

| gesellschaften haben schwere Einbußen erlitten, so viel bekannt,

werden dieselben etwa 45 Millioner Dollars zu zahlen haben, doch bleibt zu erwarten, daß diese Summe schnell und prompt bezahlt werden wird. Anders steht cs mit den ameri kanischen Versicherung8gesellschaften. Die betheiligten New-Yorker Gesellschaften werden etwa 6", Millionen Dollars zu zahlen haben und dürfte es ihnen, wenn auch mit großen Schwiecrig- keiten gelingen, diese Summe zu decken, ohne daß einige ge nöthigt wären ihre Zahlungen einzustellen, dagegen haben von 28 in Boston und anderen Städten von Massachusetts domi- zilirten Gesellschaften , welche zusammen Versicherungen zur Höhe von 26,083,000 Dollars angenommen hatîten, 22 susyen- diren müssen ; sie werden vielleicht im Stande sein 50 pCt. der versicherten Summe zu zahlen. Der ohnehin durch die Wahl- campagne gedrückte Handel if durch diese neue Kalamität vollends zum Stillstande gelangt und dürfte sich erst wieder zu beleben anfangen, wenn die Ausfuhr von Baumwolle und Cerealien eine größere geworden sein wird, doch leiden dic Preise der hauptsächlichen europäischen Einfuhrartikel noch immer unter dem Drucke der massenhaften Ueberimportation während des Sommers, so daß die Audfuhraussichten für Europa keine8wegs als günstige zu bezeichnen sind.

Nach dem Berichte des Ministeriums für Ackerbau hat sih der Stand der Baumwolle von September bis. Oktober verschlehtert, so daß er, 100 als Mittelerndte angenommen, jeßt nur 82 beträgt; derselbe ist jedoch immerhin noch besser als im vergangenen Jahre, wo er nur 76 betrug, außerdem is das in diesem Jahre mit Baumwolle bebaute Areal um 13 pCt. größer als im vergangenen Jahre. In den einzelnen Staaten stellt fich_ die Baumwollenerndte folgendermaßen: Virginia 87, Nord-Karolina 90, Süd-Karolina 86, Florida 75, Georgia 88, Alabama 82, Mississippi 78, Louisiana 72, Texas 85, Arkansas 75, Tennessec 90.

Die Weizenernte ist in den einzelnen Staaten schr verschieden ausgefallen. Jn den Neu-England Staaten kommt sie dem gewöhnlichen Durchschnittsertrage gleich. Die Mittel- staaten haben etwa 35 pCt. weniger produzirt als im vergangenen Jahre, dagegen is} die Erndte in den südlichen Staaten um etwa 50 pCt, in Kalifornia um 75 pCt. höher als im Jahre 1871. Minnesota und Jowa hatten gute Ernten, Missouri und Kansas schlechte. Die aus den verschiedenen Staaten egen lenen Berichte weisen jedo eine Gesammtzunahme des Ertrages um 5 pCt. auf, und wird die gesammte Weizenernte bahtsGaali@ 240,000,000 Bushßel ausmachen, was, bei einem mit Weizen bestellten Areal von 20,000,000 Acres, 12 Bushel per Acre ergiebt und als voiler Durchschnittsertrag für Amerika angesehen werden kann. Die Qualität ist meistens besser als im vergangenen Jahre.

, Die Roggenernte wird in diesem Jahre etwa um 2 pCt, geringer als im vergangenen Jahre ausfallen, Die Qualität ist im Allgemeinen gut, :

| menfassen: wenig Politik,

von Gerste ist in den meisten Staaten größer d O re, mit Ausnahme von Missouri, Ohio und diana, dagegen ist die Qualität unter dem Durchschnitte. Jn ‘Hafer wird um etwa 3 pCt. mehr gewonnen worden doch wird der Gesammterirag 265,000,000 Bushekt nicht sin, steigen; dagegen wird die Maiß8ernte eine der größten a bie jemals gemacht worden sind. Nur aus fünf aaten wird eine geringere Ziffer als der Durchschnitt gemel- E alle Staaten im Durchschnitt beträgt die Ernte 108. det n Mexiko is der Präsident ad interim Verdo de Te- d if einstimmig zum Präsidenten erwählt und vom A se bestätigt worden. Derselbe. tritt sein Amt am 1. De-

m an. Das von ihm veröffentlichte Programm für seine

1 ; it läßt fich mit wenig Worten dahin zusam- hâtere E U Mia Administration. pat ana ll mit dem sehr im Argen liegenden Kriminal-

T laat werden. Jedenfalls ist Lerdo de Tejada augen- Vilich der fähigste Staatsmann Merikos, und wenn es ihm v en sollte die Ruhe im Junnern guch ferner aufrecht zu erhalten gun em Lande durch den Bau von Eisenbahnen bessere und P erere- Kommunikationsmittel zu verschaffen, sowie freund- j re Beziehungen zu den Vereinigten Staaten herbeizuführen, ne er in wenig Jahren die bisher durch Revolutionen x rissene Republik zu einem früher nie geahnten Wohlstande A en. Die feindlichen Generale haben sich sämmilich er- an zuleyt Porfirio Diaz, der sich bereits persönlich nah der quptstadt begeben hat. Wie es heißt, wird der Präsident die tievale Diaz und Trevinno wieder in die früher von ihnen hefleidet gewesenen Stellen in der Armee einseßen. Am 1. De- anber soll au die Eisenbahn von Mexiko nach Vera - Cruz öffnet werden, und wird man dann 1m Stande sein , diese Strede in 24 Stunden zurückzulegen, wozu früher unter den instigsten Umständen drei Tage ina Durch diese Eisen- hahn werden auch in Bezug auf Klima und Reichthum sich quêzeichnende Länderstrecken der Welk erschlossen werden. In den central-amerikanishen Republiken ist die Ruhe noch immer nicht als vollständig befestigt zu betrachten. So erwartete man in G uatemala den Einfall einer Schaar von Emigranten, welche sich in Honduras versammelt hatten und die vor der Revolution von 1871 herrschenden Zustände wieder herzustellen beabsichtigten. FUr den Augenblick \cheint indessen die Gefahr vorüber zu eit. Du Nicar agua kam es hei den Wahlen zu einem Kampfe zwischen der Polizei und dem Pöbel, welcher einige Gefangene zu befreien versuchte. u s sowie mehrere Leute aus der Menge blieben auf dem

M äsi e Bereit taa- 8 Bestreben des Präsidenten der Vereinigten S ten Tau Eni lumbien richtet sich darauf, dem Lande durch den Bau der Eisenbahn von Bogota nah dem atlantischen Meere einen höheren Aufschwung zu verleihen, doch hindert die ungünstige finanzielle Lage des Landes ein rasches Fortschreiten desselben. Auch auf die geistige Ausbildung des Volkes ist der Präsident, zunächst durch eine Verbesserung der Volksschulen einzuwirken bestrebt, und beabsichtigt die Regierung zu diesem Zwecke Lehrer in Deutschland zu engagiren und eine Anzahl junger Leute behufs ihrer Ausbildung auf Staatskosten eben-

D

ite an sind die Wahlen für die Deputirtenkammer,

vor kurzer Zeit aufgelöst worden war, weil die Regie- al das Volk appelliren wollte, 1m Ganzen günstig für die Regierung aus8gefallen. Unter den 122 Deputirten be- finden sich nur 24, welche der Opposition angehören, und 10 Radikale. Die Differenzen mit . der „argentinischen Republiï seinen, nachdem der argentinische Minister Tejedor sein nicht eben höfliches Schreiben an die brasilianische Regierung zurück- genommen hat, einer friedlichen Lösung entgegen zu gehen. Doch verlautet über den Stand der Verhandlungen, welche von dem argentinischen General Mitre und dem brasilianischen Minister des Aeußeren Correia geführt werden, nichts Zuver- lässiges. Wenn übrigens von brasilianischer Seite die kric- gerishen Vorbereitungen bisher noch db U T worden find, und namentlich den Panzerschiffen eine besondere Auf- merksamkeit zugewandt wird, so hat dies wohl nur die Bedeutung, daß Brasilien für alle Eventualitäten be- reit sein will. Die ursprünglichen Schwierigkeiten dex Grenz- regulirung zwischen der argentinischen Republik und Paraguay und Bolivia, in der die brasilianische Regierung das Schicds- rihteramt übernommen hatte, dürften indeß durch die Aus- söhnung zwischen der Ta De ei 4 ruE und Brafilien l igung nicht näher gekommen jein. : f N Ugen S eebsibunain Chili’8 mit Bolivia sind noch immer unterbrochen, doch scheint eine friedliche Er- ledigung der Grenzstreitigkeiten immer mehr an Aussicht zu gewinnen. Die im Herbste in Santiago abgehaltene Gewerbe- Ausstellung ist geschlossen worden. Dieselbe hat einen günstigen Erfolg gehabt, und ist für 1874 eine neue in Aussicht genommen worden. Qur Ausbeutung der im Süden Chili's entdeckten Kohlenlager haben sich mehrere Gesellschaften gebildet. Sollte das Unternehmen von Erfolg begleitet sein, so würde es für die fernere Entwickelung Chili's von der größten Bedeutung sein. In Peru beschäftigten sih die Regierung und der Kon- greß auf das angelegentlihste mit der Verbesserung der finan- ziellen Qustände des Landes. Dem Kongresse ist ein Gesezent- wurf vorgelegt worden, worin die Erhöhung der Einfuhrzölle auf Mehl, Maine; Tabak, Wein, Spirituosen, Kohlen und Luxusartifel. beantragt wird- Dagegen is die Konzession®- steuer für Druckereien aufgehoben, und die portofreie Beför- derung aller fremden Zeitungen im Gebiete der Republik angeordnet worden. Für die Legung eines submarinen Tele- graphen von Callao nach Panama hat der Kongreß eine Unterstühung bewilligt, au is bei der Regierung der Ber- einigten Staaten von Columbien zu diesem Zwecke eine Sub- vention beantragt worden. Was indessen die allgemeine Auf- merksamkeit im höchsten Grade in Anspruch nimmt ist die Ein- wanderungsfrage. Die Importation von Kulis, von denen in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 12,000 gelandet wurden, bringt

. großeUebelstände mit sich, und so hat sich die Regierung entschlossen,

eine Kommission zu ernennen, welche sich über die besten Mittel, die E uswanderung nah Peru zu leiten, berathen soll, Diese Kommission besteht aus se{chs Abtheilungen, je eine für Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Oesterreich und eine für Deutschland und England. Jn allen diesen Ländern sollen Agenturen behufs kostenfreier Beförderung der Aus- wanderer errichtet werden, doch dürften deutsche Auswanderung®- dage bis auf Weiteres vor der Emigration nah Peru auf as Na

ilichste zu warnen sein, i Pla d Ani 18. Oktober um 3 Uhr Morgens ein

iemlich heftiger Erdstoß in der Richtung von Süden nah ak atb obne jedoch viel Schaden anzurichkten,

Landtags - Augelegenheiten.

Berlin, 10. Dezember, Jn der gestrigen Sizuikg des Herrenhauses drântworiete der Minister des Jnnern, Graf

u Eulenburg, die Jnterpellation des Fürsten zu utbus in Betreff der Grundsäße, nah denen der Staat Diejenigen zu entschädigen gedenke, welche durch die Sturm- fluth vom 13. v. Mts beschädigt worden sind, wie folgt: Meine Herren! Die Interpellation, die ich_zugleich im Namen des im Abgeordnetenhause beschäftigten Herrn Finanz-Ministers be- antworte, überrascht die Regierung einigermaßen. Welche Klage wird geführt? Jch habe in der Erklärung, die ih im Abgeordnetenhause abgegeben habe, nicht verheißen, Grundsäße bekannt zu machen; nach denen die Regierung verfahren würde, ih habe nur verheißen; daß die Regierung überall und {nell da eintreten werde; wo

wirkliche Hülfe nothwendig sei. Das ist geschehen, Neben”

der Privatwohlthätigkeit, die sich ja im reihen Maße ent- faltet, sind auch Staatsmittel in Anspruch genommen, und ih fann versichern , daß Seitens der Regierungs-Präfidenten der betroffenen Provinzen, welche sich mit der Besichtigung und Fesistel- lung des Schadens, sowie mit der Gewährung der Hülfe beschäftigt haben, gleichlautendè Berichte dahin eingegangen sind; daß auch nicht ein einziges Jndividuum ohne Obdach, ohne Nahrung, ohne Feuerung, ohne Kleidung oder was sonst zum Lebenébedarf gehört, sich befindet; sondern daß überall dem augenblilichen Bedürfnisse hin- reichend und vollständig abgeholfen ist, Eine Furcht, daß in der nächsten Zeit etwa eine Aenderung- dieses Zustandes eintreten werde, is nirgends vorhanden. Es bleibt also nur die Frage übrig, mit welchen Mitteln wird der Staat noch in Anspruch genommen werden, um dasjenige Bedürfniß, welches nicht zum augenblicklichen zu renen ist, hinterher zu befriedigen. Da habe ich damals erflärt, und fann das heute nur wiederholen, daß der Staat bereit ¡sein wird, mit seinen Mitteln, sei es leihweise, \ci es geschenkweise, oder in welcher Form es sonst sei, überall da einzutreten , wo die Prästationsfähigkeit einzelner Personen Ge- meinden oder Landstriche bedroht ist, wo also der Schaden ohne eine Hülfe von Außen her nicht dauernd reparirt werden fann ; oder wo der Nahrungszustand durch den eingetretenen Schaden so geschwäct ist, daß eine dffentliche Hülfe nothweadig is. Wie nun in dieser Beziehung schon jeßt Grundsäße aufgestellt werden sollen, weiß ih in der That nicht. Es werden die Grundsäße zur Anwendung kommen müssen, welche bei allen Nothständen überhaupt maßgebend sind. Es fommt auf den Umfang des Schadens an und auf die Leistungsfähigkeit des Einzelnen. Denn zum Schenken ohne Weiteres ist der Staat doch nicht da. Er ist nur da, dann einzu- treten; wenn eigene Kraft oder die Kraft der Gemeinden und Ver- bände, die zum Helfen berufen sind, niht ausreicht. Daß der Staat Mittel gewähren wird, das habe ih Jhnen zugesagt, und das wird geschehen. Was sollte es bedeuten, wenn wir jeßt bereits mit einer Kreditforderung an den Landtag träten? Wir wissen nicht und fönnen unmöglich den Umfang des Schadens jeßt \{chon wissen, wir können die Verhältnisse der Einzelnen und der Gemeinden un- möglich jeßt hon überschen Dem dringendsten Bedürfnisse kann ab- Ee werden mit den Mitteln, die der Regierung zur Verfügung

ehen. Wir können nicht blos die disponiblen Mittcl verwenden, sondern auch Vorschüsse machen in der festen Voraussicht, daß der Landtag hinterher die gemachten Vorschüsse genehmigen wird, Tch sehe also nicht, wie Sie von uns jeßt {on die Auf- stellung von Grundsäßen verlangen können; die \sich auf schr allgemeine Redensarten beschränken müßten; ih glaube, Sie können sich mit der Versicherung beruhigen , daß im Augenblicke \{reiende Noth nirgend vorhanden is und daß in nächster Zukunft , sobald irgendwie der Umfang des Schadens im Allgemeinen und die Leistungs- fähigkeit der Einzelnen festgestellt ist, der Staat mit seinen Mitteln eintreten wird, um zerstörte Anstalten wieder herzustellen und die ruinirte Prästationsfähigkeit wieder auf den Fuß der Leistungsfähig- keit zurückzuführen.

In der Besprechung über diese Interpellation erwiderte der Minister des Innern dem Fürsten von Putbus:

Ich weiß eigentli nit, gegen wen der Vorwurf gerichtet ist. Denkt sich der Herr Vorredner vielleicht, daß, während hier die Kreisordnung berathen wird, ih nach Stralsund gehen könnte um nachzusehen, wie die Abbrüche; die das Meer verursacht hat, aussehen ? In Bezug auf die Beamten jencr Provinz muß ich hervorheben, daß ih namentlich die Herren Regierungs - Präsidenten von Schle8wig- Holstein und Stralsund als folie bezeichnen h f die mit ganz ausgezeichneter Aufmerksamkeit, mit Gtr Aufopferung und Sach- kenntniß an Ort und Stelle von dem Nothstande sich Überzeugt haben, und darüber nit nur vortreffliche und eingehende Berichte erstattet, sondern auch alles Dasjenige, wozu sie von der Regierung autorisirt worden find, mit Umsicht gethan haben. Tch muß deshalb cinen Vorwurf gegen diese Herren ganz speziell zurückweisen.

Nach dem L v. Thaden nahm der Finanz-Minister Camphausen das Wort:

Meine Herren! Jch befinde mich in dem Natheil, daß ih die fruheren Bemerkungen nicht vernommen habe, da meine Anwesenheit an einem anderen Orte nothwendig war.

Die Aeußerungen des geehrten Herrn Vorredners geben mir aber Veranlassung, auch von meiner Seite den Standpunkt der Regierung in dieser Frage etwas näher darzulegen. Da gehe ih nun davon aus, daß ein wirksames Einschreiten der Staatsgewalt, ein Feststellen der Grundsäße, nah denen dieses Einschreiten stattfinden soll, zur nothwendigen Vorausseßung haben muß die Kenntniß des That- bestandes; daß das Erste was zu geschehen hat, das sein mufy genau festzustellen: wie hoch beläuft sih der Schaden, wen hat er betroffen, sind die Betroffenen in der Lage, aus eigner Kraft sich wiederum emporraffen zu können , oder sind sie in der Lage, daß es richtigen Grundsäßen der Staatsgewalt entspricht, ihnen in diesem Streben beizustchen. Daß über dieje Erwägungen hin nicht die augenblickliche Noth fortdauere, dafür hat nicht allein die Privatwohlthätigkeit ge- sorgt, dafür hat auch die Staatsregierung gesorgt. Jch habe meiner- seits durchaus feinen Anstand genommen y sofort ausgedehnte, auf meine Verantwortlichkeit mit laufende Ordres zu ertheilen, ‘um den Nothständen ; die in dieser Beziehung \ich geltend machen möchten, sofort kräftig entgegenzutreten. Ebenso versteht es sich von selbst, nach dem ganzen Geiste, der die Staatëverwaltung erfüllt, da wo es der Billigkeit entspricht, mit Abgabenerlassen zu helfen, und soweit die Geseßgebung dazu autorisirt ist, in solcher Weise vorzugehen.

Ferner, meine Herren, wir gchen davon aus, daß wir noch in der gegenwärtigen Session dem Landtage einen Gesehentwurf unter- breiten oder uns eine Vollmacht von ihm erbitten werden, in der Weise zu verfahren, wie wir es nah genauer Kenntniß der Sach- lage für wünschenswerth halten werden. : :

Das kann i versichern, der preußische Staat is noch niemals in der Lage gewesen, einem eingetretenen Nothstand gegenüber fräf- tiger helfen zu können, als wie er es heute ift, und der ang teser Leistungen wird ledigli bestimmt werden von der richtigen Bemes- sung dessen, was durch Jntervention des Staats beseitigt werden darf, und was besser der eigenen Kraft der Betroffenen überlassen werden kann.

Auf dieJnterpellationde8Grafen von Krassow, die Maßnahmen zur Herstellung eines wirksamen Schußes der durch Ueberschwemmung bedrohten Küstengegenden betreffend, antwortete der Handels-Minister Graf von Jyenplißt:

Meine Herren! Zunächst Mauts ih, hat Herr Graf Brühl ganz ret, wenn er sagt daß ein näheres Eingehen auf diese Dinge leicht dazu beitragen könnte, die Privatwohlthätigkeit zu lähmen, und die Staatsregierung hat hier heute {on die äußerste Grenze dessen gesagt, was irgendwie Namens des Staats gesagt werden kann. Mein Wunsch wäre gewescn, daß die Herren Interpellanten die Geneigtheit

ehabt hätten, mündlich oder schriftlich ihre Wünsche oder B esidrerben über Versäumnisse dem betreffenden Minister vor- zutragen, ganz gewiß würden dieselben eine bereitwillige Aufnahme gefunden haben. Dies vorausgeschickt, erlaube ich mir noch ctwas weiter auf die Sache einzugehen. Jm Cösliner Regierungsbezirk ist der Sturm vorbeigegangen; auch die Hafenmole von Swinemünde, welche Millionen gekostet hat, hat “sih glücklicherweise gut ord und sind nur ganz unbedeutende Beschädigungen daran vorgekommen, welche theilweise jeßt schon in der Ausbesserung begriffen sind, oder deren Ausbesserung in nächster Zukunft bevorsteht, und dazu sind be- stimmte Verfügungen ergangen. Was nun den Stralsunder Re- gierungsbezirk betr ff}t, namentlich den Zir.gs| und den Dars, so

so sind drei Kommissarien , des Handels - Ministers, des Finanz- Ministers denn auch dieser ist dabei interessirt E ciner ffel {hen Forst und des landwirthschaftlichen Ministers, an Ort und Stelle gewesen und haben den Schaden genau in Augenschein genommen. Dieselben haben {on ihre Berichte an die drei Ressort - Minister er- stattet, die sh über das Weitere zu verständigen haben werden; i fann deshalb hier nur darüber etwas sagen, was mich betrifft, un da bin ich der Meinung, den Zingst und den Dars nit aufzugeben, sondern solche Veranstaltungen zu treffen; daß sie erhalten werden, wenn es us Geld fostet. PO bin auch wohl der Ansicht des Herrn Grafen v. Krassow, daß die Regierun Ar diese arme, aber für unsere Marine so wichtige evölkerung Alles thun muß, was möglich ist. Meine Herren! Es is ja nicht der erste Nothstand, den wir gehabt haben, in der rovinz Schlesien haben wir vor etlihen Jahren eine assers- noth gehabt, welche die hier vorgekommenen Schäden vollkommen er- reicht. Jch .tenke, daß diese nun ziemlich vershmerzt sind. JTch will noch hervorheben ; daß solche Unglücksfälle wohl auch als Gelegenheit zu nüglihen Meliorationen benußt worden sind, die vielleicht sonst nicht jo {nell ges{ehen wären und ih glaube, daß die Anträge des Grafen Krassow si wesentlich auf diesem Terrain bewegen.

„Ih kann Namens der Staatsregierung ein großartiges Beispiel anführen, bei Gelegenheit des Baues der Bahn Thorn - Insterburg. Diese wäre vielleicht ersi nach vielen Jahren gebaut worden ; wenn nicht das Jahr 1867 die günstige Gelegenheit zur Durchführung ge- boten hätte. Jch glaube, Sie können wirklich überzeugt sein; daß die Regierung; wie sie in Schlesien und in Preußen geholfen hat, auch hier helfen wird. :

Aber bestimmte Verfprechungen abzugeben über den Bodden bei Jas- mundoder über den Zingst und Dars, das sind wir heute nit im Stande. Ebenso wegen des Udarßer Wyck; in Beziehung auf leßteren scheint mir Hiddensoie in _ der Erhaltung wichtiger, ebenso daß das Geld, welches zur Stopfung des Durhbruches bisher verwendet worden ist, auc ferner gespendet werde; denn Hiddensoie scheint mir für das nördliche Fahrwasser auf Stralsund zu, wesentlich zu sein. Außer- dem mache ih darauf aufmerksam, daß dieser entseßliche Sturm gerade im Spätherbst gekommen is. Man kann doch aber jeßt nicht Häuser bauen; wenn dies im Monat Dezember zuweilen geschieht; so ist es verwerflih, denn solche Häuser stehen nicht. Es könnte also nicht vor Beginn des Frühlings begonnen werden.

Zweitens fann man jeßt auch nicht Deiche {ütten lassen, das ne in dieser Jahreszeit das Geld ins Wasser werfen, ohne Aussicht au Erfolg._ Aber es wird vorbereitet werden und geschehen, was nah Lage der Sache möglich ist. Jh kann ferner sagen, es versteht fi von selbst, daß wo Eisenbahner Und Chausseen durhchbro@en sind, diese von Staatswegen, oder von der betreffenden Gesellschaft hergestellt werden. T habe der Regierung zu Schleswig 20,000 Thaler für Chausseen Überwiesen, und wenn noch mehr gebraucht wird, so werden noch ein- mal 20/000 Thlr. bewilligt werden können und ih glaube, der Land- tag wird diese Ausgabe nicht bemängeln. Die Bahn, die bei Greifs- wald zerstört war, ist wieder in Gang und fahrbar, freilih eine Interimsbahn, die vollständige Herstellung wird erst im Frühjahr möglich n und ih muß der Berlin-Stettiner Eisenbahn das Lob spenden, daß sie hierbei mit fast unerhörter Energie eingegegriffen hat; ich weiß das genau, weil ih von hier aus einen höheren Eisenbahn- beamten hingeschickt hatte, um die Sache zu kontrolliren. Die Gesell- schaft ist mit aller Energie verfahren, so daß er nur zu überwachen hatte. Jh glaube, die Versammlung kann der Hoffnung leben, daß alle8, wa8 nöthig ist gesehen wird.

In der Schlußberathung über den Entwurf der Kreis- ordnung nahm in dex Generaldebatte der Minister des Innern Graf zu Eulenburg nach den Herren von Kröcher und Graf Mielzynski das Wort:

Herr von Kröcher stellt in Aussicht; daß seine Partei besiegt wer- den würde. T hoffe das auch; aber; meine Herren, ih wünschte, sie fühlte sih nit so besiegt, wie es nah den Worten des Herrn von Kröcher scheinen fönnte, als sci es eine Niederlage in allen ihren Prinzipien, als sei es der Ausgang eines Kampfes zwischen Konser- vatismus und Liberalismus, als sei Alles, was biLher besianden habe, bedroht. So steht die Sache nicht. Sie sind in einer Frage der Zweckmäßigkeit besiegt und v will Thnen das nachweisen. Worauf kommt es in dem ganzen Geseßentwurf an? Wir wollen dem lebendigsten Gliede des preußischen Staats8organi8mus, dem Kreise, eine Bedeutung geben, die er bisher nicht gehabt hat, wir wollen die Kräfte, die in thm \{lummern, entfesseln, wir wollen ihm volle fommunale Verwaltung und Beg Jun zuweisen, die er bisher nit hatte, weil wir glauben, daß das Bedürfniß nach Beiden gerade in den Händen des Kreises am Besten seine Befriedi- gung finden wird. Zu diesem Zwecke \{chlägt die Regierung Thnen vor, Aufhebung der gut8herrlichen Polizei, Wahl der Schulzen, Bil- dung von Amtis3bezirken, Bildung des Kreis-Aus\{u}es. Allen diesen E haben Sie feine prinzipielle Opposition entgegen geseßt.

ie sagen bloß, die vorgeschlagenen Formen paßten Ihnen nicht: egen die Natur der Institutionen habe ih Sie nicht in der pposition gefunden. Der ganze Streit dreht sich um die Qu- sammenseßung des Kreistages. Es kommt, wenn man einem Organe Befugnisse übertragen will , wesentlich darauf an, wie dieses Organ zusammengeseßt is, ob es die Aufgaben, die man ihm zu- weisen will , zu erfüllen im Stande ist, und deshalb ist, Sie mögen die Sache ansehen wie Sie wollen , die Zusammenseßunÿ des Kreis- tages der Kernpunkt der ganzen Frage.

Der Kreistag is die Vorschlagsbehörde für die Abgrenzung der Amtsbezirke, für die Beseßung der Aintsvorsteherstellen, für die Wahl des Landrathes , für die Bildung des Kreisausschusses, kurz, in ibm konzentrirt sich Alles; und ist dieser Körper richtig zusammengescßt, so if keine Gefahr vorhanden, daß das Geseß nicht zu dem Resultat führen sollte, welches die Regierung von ihm hofft. Was ist nun der Punft, um den es sich bei \der Zusammen- g ae Kreistage dreht? Die Rittergutsbesißer sollen nicht mehr als Rittergutsbesißer mit Virilstimmen im Kreistage erscheinen, sondern sollen ihre Rechte mit denen der kleineren Grundbesißer theilen, sie sollen mit den leßteren einen gleichen Strang ziehen : sie sollen ihre Rolle nicht mehr als Rittergutsbesißer, sondern als große Grund- besißer spielen. Der Begriff des Rittergut8besißers deckt die Realität des großen Grundbesipes nicht, und deshalb ist die Regierung bemüht gewesen, den großen Grundbesiß anderweit zu definiren. Sie hat ge- wisse Steuergrenzen zwischen großem und kleinerem Besiße angenom- men, und will dem großen Besiße die Hälfte der ländlichen Stimmen im Kreise geben, nachdem vorher die Städte nah Verhältniß ibrer Seelenzahl ausgesondert sind. Das is ein Opfer, welches den Ritter- gutsbeslhern zugemuthet wird. Sie werden, wo Sie bisher in großer Majorität sich befanden, jeßt nur eine Gleichberehtigung haben. Aber dieses Opfer, warum wollen Sie es nit bringen , nahdem Sie, vielleicht mit voller Berechtigung, gesagt haben: sie seien von jeher auf den Kreistagen auch die Vertreter des kleinen Grundbesipßes gewesen, sie hätten denselben nicht unterdrückt, sondern bei Jhren Kreistags-Beschlüssen stets auch die Jnteresscn des kleinen Grundbesißes im Auge gehabt. Sie haben das gethan aus Courtoisie es ist nicht der richtige Aus8druck aus Billigkeit8gefühl, geleitet von den hochherzigen Anschauungen, die zu den Pflichten einer unabänderlihen Majorität

gehören. Aber, meine Herren, warum wollen Sie ein Verhältniß,-

welches praktisch si so gestaltet hat, nicht geseßlich machen? Sie ver- lieren dadur nichts, Sie werden in der neuen Stellung Jhr Interesse u wahren stark genug sein, um so mehr, als der kleine Grundbesißer, Feen Interessen im Wesentlichen mit den Jhrigen identish sind, von dem Augenblicke an, wo er gleichberechtigt mit Jhnen sein wird, aus freiem Antriebe Jhnen zur Seite stehen und nicht bloß die Rolle des

Bevormundeten spielen wird. Von diesem Augenblicke an wird die

Gleichartigfeit der Jn'eressen des großen und kleinen Grundbesißes auch dem leßteren zum Bewußtsein kommen, was nicht gesdehen ist; so lange er das Bewußtsein hatte, formell nicht zu: seinem Rechte fommen zu können. Jn dieser Richtung hn die Desehgebung qu leiten, halte ih für ein großes politisches Bedürfniß. Es is e

offenbarer Fehler des deutschen Charakters, daß der niedriger Stehende das Höhere niht zu erreichen; sondern aa ziehen sucht, daß er es vorzieht, den besser Situirten zu beneiden und ea Oen als es zu versuchen, fe zu ihm emporzusbwingen. Vielleicht kann die Gesehgebung diesenl Febler mit der Zeit abhelfen, wenn sie auf dem Felde der politischen Be-