1898 / 106 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 May 1898 18:00:01 GMT) scan diff

“der Privatbauspekulation lähmen würden.

Bilanz. Wenn wir hier aus allgemeinen Staatsfonds, aus sozial- olitishen allgemeinen Rücksihten im Juteresse der Arbeiter vorgehen,

fo würde es falsch sein, dadurh Schenkungen an. die Betriebs-

verwaltungen zu maten. Das ift der eine Gesichtspunkt; der andere ift aber der er ift

nah meiner Meinung ebenso wihtig, wenigstens an vielen Orten —,

daß wir nit so billige Wohnungen bauen dürfen, welche die Thätigkeit

Wir können doch nur in fehr geringem Maße das Baubedürfniß aus Staatsmitteln befriedigen, und wenn wir so verfahren, daß wir die Privatbauspekulation ab- \hrecken, folhe Unternehmungen an den betreffenden Orten zu machen, fo können wir mögliherweise mehr Schaden anrichten als Nutzen.

Deswegen bin ih der Meinung, daß der Versuch, den wir jeßt machen, nach Fallenlassen der Amortisation im übrigen zu einer einigermaßen angemessenen Verzinsung zu kommen, die äußerste Grenze bezeichnet. Würde es nicht gelingen, dies Ziel zu erreihen, dann müssen wir andere Maßregeln ergreifen, und dann muß in höherem Maße, als bisher, aus den Mitteln der Betriebsverwaltung selbst gekaut werden. Das wird sich aber finden. Nach den Erklärungen, die ih von beiden Ressorts bekommen habe, und nah den Erfahrungen- die wir gemaht haben, hoffe ih allerdings, daß wir auf der jeßigen Grundlage ans Ziel kommen.

So ist es allerdings von großer Bedeutung, daß die Verwaltung dahin flrebt, diese jeßige Grundlage nun auch wirklich vollständig durchzuführen, weil ih hierin mehr als eine bloße Betriebsmaßregel erblide; es ist eine im höchsten Maße fozialpolitishe Maßregel, daß wir dauernd auf diesem Gebiet fortschreiten können. Der Staat kann aber unmögli das Baubedürfniß im allgemeinen befriedigen. Wenn Anforderungen jeßt an uns kommen, dahin gehend, daß wir bei den Baugenofsenschaften, denen wir Kapitalien geben, niht mehr darauf sehen sollen, ob es sich um ftaatlihe Unterbeamte und im Staatsdienst stehende Arbeiter handelt, daß wir jeden sonstigen Ar- beiter zulafsen sollen ohne eine Grenze, dann kommen wir auf ein Gebiet, welches zu lösen der Staat garniht im stande ift. (Sehr richtig! rechts.) Das würde Konsequenzen der allerbedenklihsten Art haben, und daher kann man ih auf folche Vorschläge nicht einlassen. (Sehr richtig! rets.)

Es ift angeregt worden, daß wir das Rentengeseß au auf solche Arbeiterhäuser ausdehnen möchten. Das is} eiue Frage, über die man diskutieren könnte, wenn sie hier mal ernftlih angeregt würde. Sh will aber darüber zur Zeit hinweggehen; ih halte dies für eine \{chwierige und fast unlösbare Aufgabe.

Nun hat man in der früheren Diskussion sich darüber namentli beklagt, daß wir zu opulente Wohnungen bauen. Jch felbst bin im Anfang darüber sehr bedenklih gewesen, daß in so großer Zahl vier- zimmerige Wohnungen hergestellt find. Jh habe geglaubt, für diese Klassen seien Wohnungen mit vier Zimmern weder üblih, noch dringendes Bedürfniß. Es is mir aber namentlich von den Herren von der Eisenbahn-Verwaltung eingewandt worden, daß gerade diese vierzimmerigen Wohnungen {sich ganz gut rentieren, und daß gutgelohnte Arbeiter und Beamte, die vielleiht {on einen etwas höheren Gehalt beziehen, geneigt sind, für eine vierzimmerige Woh- nung die Ausgaben zu machen, welche die Koften decken. Ift das wirklich der Fall, dann kann es ja nur erwünscht sein, folche Wohnungen herzustellen; denn je befser die Leute wohnen, desto lieber kann es uns ja nur sein. Das ist aber eine Frage, die man bei allen Neubauten im Auge behalten muß. Ih glaube im Großen und Ganzen, daß es da, wo die öôrtlihen Verhältnifse es angezeigt erscheinen lassen und wo sich solche Baugenofsenschaften bilden, das Richtige ift, wenn ibnen der Staat dreiprozentige Darlehen giebt. Im großen Ganzen werden dieselben doch etwas billiger bauen und auch fo disponieren, daß fie 39/9 Reinertrag herauswirthschaften. Alle die übrigen Sorgen, die dabei in Betracht kommen, haben wir dabei nicht, und es wird ih daher gewiß empfehlen, wenn die Verhältnisse des Orts es irgend angezeigt ersheinen lafsen, mit der Gewährung von Darlehnen an Baugenofsenshaften fortzufahren.

Meine Herren, man hat wohl dagegen eingewandt, daß die Bau- genofsenshaften, welhe entweder die Genofseunshaft oder die einzelnen Mitglieder zu Eigenthümern machen, in einer für die Arbeiter und Beamten selbft bedenkliGen Weise die Freizügigkeit beshränken. Das fkarn aber doch, wenn die Baugenofssenschaften an Orten mit großen ftaatlihen Betrieben mit einer erheblihen Zahl ftaatliher Arbeiter und Beamten errichtet werden, mit Recht wohl niht eingewendet werden. Wird ein solcher betheiligter Beamter verseßt oder will der Arbeiter seine Betriebs- ftelle ändern, von dem Ort wegziehen, so wird er immer Gelegen- heit haben, seine Wohnung oder seinen Antheil leicht wieder einem anderen in gleiher Lage zu vergeben. Jh glaube also, dieser Einwand, den man sonst vielleicht mit gewissem Rechte macht, kann namentlih in der Nähe von großen Orten, wo immer die Nachfrage nah dergleihen Wohnungen vor- handen ift, niht in Betracht kommen.

Wir haben doch mit den bisher bewilligten 9 Millionen shon recht erfreulihe Erfolge erzielt; wir haben etwa 930 Wohnungen gebaut, und wir werden natürlich mit diesen neuen fünf Millionen mindestens dasselbe leiften können. Die Berg- werksyerwaltung, die zuerst die Durhführung am \{hwierigsten ansah, ift neuerdings, namentlich durch veränderte Einrichtung in den Bau- rifsen, dahin gelangt, daß sie, ebenso wie die Gisenbahnverwaltung, in der Lage sein wird, einen angemefsenen Zinssaßy zu erreichen.

Wenn gefragt i nach den Schlafhäusern und der Wunsch aus- gesprochen ift, daß der Staat für die unverheiratheten, in feinen Betrieben arbeitenden Arbeiter in dieser Beziehung Sorge tragen möge, s9 möchte ih hervorheben, daß die Bergverwaltung das \{on sehr ausgiebig gethan hat und darin fortfährt. Die Bergwerks- verwaltung hat große Schlafhäuser eingerihtet mit Kücheneinrihtung u. \, w., wo die unverheiratheten Arbeiter sehr angemessen unter- gebraht werden. Die Herren von der Eisenbahnverwaltung haben ein Bedürfniß noch nicht so dringend empfunden ; aber daß großes Gewicht darauf gelegt werden muß, die unverheiratheten Arbeiter möglihft gut unterzubringen, ift keine Frage.

Meine Herren, man hat dabei noch ein Zweites zu beachten. Das Aftervermiethen an unverheirathete Leute in den Familien halte

ih moralisch und sonst für nachtheilig. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Soweit man das irgend verhindern kann, muß man es thun, und wir werden gut thun, das Syftem, das viele Baugenossenschaften an- genommen haben, au unsererseits möglihs durchzuführen, daß wir in die Bedingungen des Miethsyertrages ausdrücklich einschreiben,

daß ein folhes Einnehmen von aftermiethenden jungen Leuten un- zulässig ift.

I empfehle dana die ganze Vorlage zur Annahme und hoffe, meine Herren, daß, wenn die jeßige Grundlage sih als durchführbar erweist, dies niht die leßte Vorlage in dieser Richtung sein wird. (Bravo! rets.)

Nach der ersten Lesung des genannten Geseßentwurfs folgt die Berathung des Berichts über die Bauausführungen und Beschaffungen der Eisenbahnverwaltung während des Zeitraums vom 1. Oktober 1896 bis dahin 1897.

Berichterstatter Abg.Schmieding (nl.) beantragt, den Bericht

durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären. Abg. von Riepenhausen (kons.) weist auf verschiedene Er- sparnisse bei den Bauausführungen von Eisenbahnen im Gesammt- betrage von über vier Millionen Mark hin, die zum theil beim Oberbau erzielt seten. Ersparniß sei etwas Gutes, aber angesihts der zahlreichen Unglüdsfälle müsse man sich doch fragen, ob nicht der Finanz-Minifter die Sparsamkeit auf Kosten der Sicherheit des Be- triebes etwas zu weit getrieben habe. Bei den hohen Eisenbahn- übershüssen könne doch alles geshehen, was zur Betriebsficherheit aöthig sei. Die Verwendung alten Materials für Sekundärbahnbauten könne man ja zulassen, wenn es noch gut sei, aber es dürfe au damit nicht zu weit gegangen werden. Wenn der Staat bei ECisenbahnbauten Ersparnisse mache, so sei es eigentlich billig, daß die Interessenten einen entsprechenden Antheil an den von ihnen aufgebrahten Grund- erwerbökoften zurückerhalten. Schließlich wünsht Redner, R die bewilligten Eisenbahnbauten etwas \chneller als bisher zur Ausführung gelangen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Mit dem Wunsch, den der Herr Abg. von Niepenhausen am Schluß seiner Ausführungen vorgebracht hat, kann ich mich im all- gemeinen nur einverstanden erklären. Auch ih habe den Wunsch, daß der Ausbau der genehmigten Bahnen in möglihst kurzer Zeit erfolgt. Ih hake mih aber {on so häufig über die Gründe ausgelafsen, welche die Grfüllung dieses Wunshes mit Schwierigkeiten verknüpfen, daß i hier darauf heute niht weiter eingehen möchte.

Es sind ja in den leßten Jahren bei einer großen Reihe von Bahnbauten Ersparnisse in ziemli erheblihem Betrage erzielt worden. JFch kann hier mittheilen, daß ungefähr in den leßten 10 Jahren an der kreditierten Summe vielleiht 50—55 Millionen Mark erspart find. Aber, meine Herren, am Grunderwerb ist nichts erspart worden, namentli nicht erspart worden bei allen denjenigen Bahnen, bei denen der Grunderwerb in natura seitens der Interessenten gestellt worden ist. Ift da etwas erspart worden, so ist diese Ersparniß ja naturgemäß auh direkt den Interessenten zu gute gekommen,

welhe den Grund und Boden ihrerseits gestellt haben. Die Ersparnisse sind gemacht an den Baukosten, und zwar wesentlich infolge der sehr vorsihtigen Aufftellung der Kosten- anshläge und Projekte.

Die Herren werden \ich erinnern, daß in fcüheren Jahren häufig starke Ueberschreitungen unserer Baukredite stattgefunden hatten, und daß daran sich sehr dringende Ermahnungen an das Arbeits-Ministerium knüpften, derartige Ueberschreitungen zu vermeiden, daß dann ferner au daran sich die, wenn auch nicht formelle, so doch thatsächlihe Vereinbarung geknüpft hat, daß der Bahnbau niht eher begonnen werden möge, bis eine sorgfältige Veranschlagung bis ins leßte Ende hinein vorliege. Das ist geschehen, das Resultat ist, daß wir zumeist Ersparnisse haben erzielen können.

Diese Ersparnisse sind aber niht, wie Herr Abg. von Riepen- hausen andeutete, dadur erzielt, daß nun der Herr Finanz-Minister fortwährend die Zügel gegenüber dem Arbeits-Minister in der Hand gehabt und zurückgehalten hat. Das i} durchaus unrichtig. Der Arbeits-Minifter is in der Beziehung bei der Ausführung der neuen Bahnen von dem Herrn Finanz-Minister in keiner Weise beeinflußt worden.

Die Ersparnisse sind aus den allervershiedensten Gründen erzielt worden. Sie sind erzielt worden, wie gesagt, durch vorsihtige Vor- anshläge; fie sind aber auch dadurch erzielt worden, daß man zur rechten Zeit das Material beschafft hat, daß man in Bezug auf die Unternehmer vorsichtig gewesen if, eine fortlaufende sorgfältige Auf- siht der Bauten stattgefunden hat und aus einer ganzen Reihe von anderen Gründen.

Herr von Riepenhausen hat einzelne Beispiele aus der großen Tabelle, die gegeben worden if, herausgegriffen, und hat sich ins- besondere dahin geäußert, daß es befremdlih ershiene, daß bei der Bahn Wilhelmsburg—Hamburg an der Position „Insgemein“ des Anschlags sehr erhebliche Ersparnisse erzielt worden seten. Ja, meine Herren, das war ein Bahnbau, der mit sehr großem Risiko verknüpft war; mit einer großen Brücke überschritten wir die Elbe, der Baugrund auf Wilhelmsburg war unzuverlässig. Es war taher nothwendig, den Titel Insgemein bei dieser Gelegenheit etwas besser zu dotieren. Derjenige, der mit den Verhältnissen dort einigermaßen vertraut ist, wird mir zustimmen, daß dazu alle Ver- anlafung vorlag. Es dient nah meiner Auffassung den ausführenden Technikern zum nicht geringen Ruhm, daß sie bei diesem Bau noch Ersparnisse haben erzielen können.

Der Herr Abg. von Riepenhausen hat an seine Ausführungen ferner eine Anregung geknüpft, dahin gehend, daß die Staatsregierung doch in Erwägung nehmen möge, in all den Fällen, in denen erheb- lihe Ersparnisse erzielt worden seien, von diesen Ersparnissen den Interessenten, die Grund und Boden (Zuruf des Abg. von Riepen- hausen-Crangen: Baares Geld !) die baares Geld gegeben haben, etwas zukommen zu lassen. Meine Herren, ich kann namens der Staatsregierung gegenüber dieser Anregung eine endgültige Erklärung niht abgeben. Meines Erachtens würde aber ein derartiges Verfahren niht gerechtfertigt sein. Es steht einmal mit den allgemeinen ftaatlihen Grundsäßen niht im Einklang und würde zweitens zu einer Menge von Berufungen führen, die ja kaum abzuweisen sein würden. Denn es ift doch nicht abzusehen, warum dann nicht auch diejenigen Interessenten, die Grund und Boden gegeben haben denen hat der Grund und Boden au baares Geld gekoftet (sehr rihtig!) dabei berüdsichtigt werben follen. Eine ähnlihe Anregung ift ja in der vorigen Woche auch vom Herrn Abg. von Eynern in Bezug auf Remscheidt - Solingen vorgebracht worden. Kurzum, es würde uns das in ein Chaos von Verhandlungen führen, was meines Grachtens doch im allgemeinen Interefse vermieden werden möchte. (Sehr rihtig!)) Ich kann mih daher meinerseits für diese Anregung nit begeiftern.

Abg. Groth (nl.): Die Konsequenzen eines solchen MEtOO lafsen sih garniht übersehen. Der Minister muß also hier sehr vor-

tig sein. Für den Umbau des Bahnhofes in Kiel sind 5660000 „6 ausgeworfen worden. Für den zehnfach gestiegenen Verkehr reihen die

dortigen Bahnhofsverhältniffe bei weitem ñiht mehr aus. N Umsicht der Beamten is} es zu danken, daß bei En fiarken Ana bei der Eröffnung des Kaiser Wilhelm-Kanals alles ohne einen Unfall glatt abgegangen ist. Bis zur Eröffnung des neuen Bahn- hofs werden aber noch 14 Jahre Lens en, wenn in der big, herigen Weise fortgefahren wird. Ih itte daher den Minister diese Arbeiten mehr zu beschleunigen. Auch in Hamburg bedürfen die Bahnhofsverhältnisse einer Verbesserung. Da die in Hamburg ein- mündenden Eisenbahnlinien sämmtlich von Privaten gebaut worden Fig so liegen die Bahnhöfe sehr weit aus einander. Eine geringe Abhilfe st ja dur die Verbindungsbahn geschaffen worden, das genügt aber noch nicht. Jnnerhalb der Stadt sind noch Niveauübergänge vor- handen. Und die Bahnhofsverhältnisse selbs! Wenn man von Berlin aus auf dem Dammthor-Bahnhof ankommt, glaubt man nah einer kleinen Stadt zu kommen, aber niht nah der großen Stadt Hamburg; und eng sind dort alle Räumlichkeiten. Die Verbindungszüge zwischen dem Klosterthor-Bahnhof und dem Altonaer Bahnhof gehen viel zu langsam, Eine radikale Verbesserung der Verhältnisse kann nur dur den Bau eines Zentralbahnhofs erreiht werden. Wenn meine Freunde auch der Ansicht sind, daß zu den Bahnhofsbauten die Gemeinden nit so stark herangezogen werden dürfen, so erscheint hier doch eine Heran- ziehung der Stadt Hamburg angezeigt, damit die gesammten Verkehrs- verhältnisse in Hamburg dur einen Zentralbahnhof verbessert werden. Es heißt, daß die Verhandlungen darüber an dem engherzigen Stand- punkt des Finanz-Ministers gescheitert seien ; ih halte diese Vorwürfe aber für ungerechtfertigt. Jch bitte den Eisenbahn - Minister, endlich auf eine Verbesserung der unhaltbaren Bahnhofszustände tn Hamburg einzuwirken.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Meine Herren! Es hat niemand ein dringenderes Interesse, eine baldige Umgestaltung der Bahnhofsverhältnisse in Kiel sowohl wie in Hamburg herbeizuführen, als der Eisenbahn-Minister ; denn die Eisen- bahnverwaltung ift diejenige, die unter den derzeitigen Zuständen am meisten leidet. Einen Grund, warum der Umbau des Bahn- hofs Kiel bis jeßt nicht zur Vollendung gekommen ift, hat der Herr Vorredner {hon angeführt. Das waren die Schwierigkeiten der Verhandlungen bezüglih der Umgestaltung und namentlich auch bezüglich der Ueber- und Unterführung der Straßen u. st w. Nachdem diese Schwierigkeiten beseitigt sind, war der Bahnhof im laufenden Betriebe umzubauen, und dieser Umstand ist hauptsählich Schuld daran, daß der Umbau bis jeßt noch nit vollendet worden ist, sondern wahrscheinliß noch eine fernere Bauperiode von 5/4 bis 11/2 Jahren erfordert. Es wird indessen mit aller zulässigen Beschleunigung an der Vollendung dieses Bahnhofs gebaut. i

Was die Hamburger Frage betrifft, so kann ih dem Herrn Abg. Groth bestätigen, daß zur Zeit Verhandlungen zwischen der preußt- schen Staatsregierung und dem Staate Hamburg gepflogen werden, und zwar auf Grund eines vorliegenden Projekts, und daß ich die Hoffnung hege, daß in niht zu ferner Zeit die Verhandlungen zu einem befriedigenden Resultat führen werden. Der Herr Ab- geordnete ift aber im Irrthum darüber, daß irgendwie der Herr Finanz- Minister in der Beziehung etwa einen Einfluß geübt haben möchte, der in Bezug auf das Zustandekommen einer Vereinbarung zwischen den beiden Staaten zu Schwierigkeiten Veranlassung gebe. Das ift nicht der Fall, die Shwierigkeiten beruhten meistentheils auf der Ver- \chiedenheit der Auffassung über das, was nothwendig und zweckmäßig, berührten allerdings auch in natürlicher Folge die Geldfrage.

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Wir müssen dem Minifter den Wunsch einer Beschleunigung der Eisenbahnbauten noch viel nachdrückliher aussprehen. Für die Umbauten der Bahnhöfe in Oppeln, Breslau, Stettin, Stendal und Buckau find die Mittel im Jahre 1890 bewilligt worden, und noch jeßt find die Arbeiten nit fertig gestellt. Der Bericht über die Bauausführungen hat für den Landtag eigentlich keinen Werth, da er nicht klar ergiebt, welche Leistungen in dem betreffenden Berichtsjahre von der Verwaltung emacht sind. Ein Privatunternehmer muß in seine Bilanz auch die osten für die Bauausführungen aufnehmen, die er noch nicht bezahlt hat. In - Stettin i seit der Bewilligung des Umbaues noch nicht die Hâälfte der bewilligten Kosten verbaut worden. Mit dem Neubau dieses Bahnhofs hat die Bauverwaltung auch kein Meisterstück geliefert; das wird sih heraus\tellen, wenn der Bau erft ganz vollendet ist. Die Tunnel sind z. B. viel zu eng für den zeit- weise auf diesem Bahnhofe ftattfindenden Mafsenverkehr. Da die Verhandlungen mit dem Stettiner Magistrat längst abgeschloffen find, liegt hier die Schuld für die Verzögerung allein bei der Staats- verwaltung, aber nicht bei den L N sondern an dem System, bei der Spiße der Bauverwaltung. Sind dort überhaupt die erforder- lichen tehnischen Kräfte vorhanden? Der Bau des neuen Abgeord- netenhauses, der au verzögert ist, zeigt einen {önen und würdigen Vorbau und eine \{chóne Vorderfacade, aber weiter hinten zeigen die Seitenfaçcaden gewöhnlichen Pegau und ordinärften Kasernenftil. Das liegt uh an einem Eingriff der Zentralverwaltung, Wenn die im Bau befindlichen ! va mog verzögert werden, wird auch die Fnangriffnahme neuer Bauten verzögert. Es muß in der Bauver- waltung mit anderem Geifte gearbeitet werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Fch bin der Meinung, daß wir in dem Geiste fortfahren, in dem wir bisher die Bahnbauten ausgeführt haben, nämlih in dem Geifte, daß mit der größten Sorgfalt die Projekte aufgestellt und mit der möglihsten Energie und Beschleunigung sie naher ausgeführt werden. Das ift bisher Prinzip gewesen und wird auch in Zukunft Prinzip sein, unter jedem Minister, der an der Spitze des Arbeits-Minifteriums steht.

Der Baubericht ift ein Rechenshaftsberiht und kanu deswegen auch nur mit festen Zahlen renen, niht aber mit Uebershlägen, die {ich erfüllen können, oder die nahher durch die Thatfahen widerlegt werden. Es if wiederholt darauf hingewiesen worden, daß der Rechenschaftéberiht nur die abgerehnete Summe giebt, niht aber die wirklich verausgabte, sondern daß die in einem gegebenen Zeitpunkte wirklih verausgabten Summen erheblich höher sind als diejenigen, die im Rechenschaftsberiht angeführt werden konnten. Es i} des- wegen im Text des Bauberihtes au angegeben, inwiefern that- \ächlich die Bauten ausgeführt oder im Rülkstande sind. Ich glaube auch kaum, daß anders verfahren werden kann, es sei denn, daß in der Kolonne der Vormerkungen über den thatsäch- lihen Stand der Bausausführungen in dem einzelnen Falle vielleiht etwas ausführlicher verfahren werden kann. Das kann für

den nähsten Bauberiht in Aussicht gestellt werden,

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichs-A

¿ 106.

Zweite Beilage nzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin,

Donnerstag, den 5. Mai

1898,

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Was nun speziell die Ausführung der Stettiner Bahnhofsanlagen betrifft, fo müßte eigentlih der Herr Abg. Broemel wissen, daß die im Großen und Ganzen fertig sind. (Abg. Broemel: Das habe ich ja selber gefagt!) Bitte, Herr Abg. Broemel, Sie haben gesagt, es fländen noch eine ganze Reihe von Anlagen zurück, das wäre ja im Baubericht angegeben. Sie müßten aber persönlich wissen, daß der Bahnhof in der Hauptsache und soweit das Publikum interessiert ist, fertig is; Sie müßten auch persönlich wissen, welche Schwierigkeiten sich der Ausführung dieses Bahnhofs wie aller Bahnhöfe entgegenstellen, weldze im laufenden Betrieb ausgeführt werden müssen. Sie haben das ja auch Jhrerseits anerkannt, indem Sie sich über die Leistungen der Lokalbaubeamten durhaus lobend ausgesprohen haben, haben dann aber einen sehr \{chweren Tadel ausgesprochen gegen die Zentral- inftanz, der nach keiner Nichtung irgend welhen Grund hat. Die Zentralinstanz hat die Bauausführungen nach keiner Richtung hin verzögert. Sie greift überhaupt nicht in die Bauausführung ein; fle thut nur ihre Pflicht, indem sie die Projekte ihrerseits technisch und wirtb\{haftlich revidiert. Diese Pflicht kann sie auch nicht über- tragen auf die Lokal- und Provinztialinstanzen; sie würde damit ihre Existenzberechtigung vollständig vernichten.

Meine Herren, auch das fernere Beispiel, welhes der Herr Abg. Broemel uns als Bewéis für seine Behauptung entgegengehalten hat: die Auéführung des Geshäftsgebäudes für das Abgeordnetenhaus, ist rneines Erachtens nicht maßgebend und beweisführend. Eine Ver- zögerung in der Ausführung ist doeh keinesfalls dadur herbeigeführt worden, daß die Seitenfaçaden niht in Haustein ausgeführt worden find, fondern das ist eine Maßnahme gewesen, die aus Sparsamkeits- rüdcksihten und in voller Uebereinstimmung mit der Baukommission des Abgeo1dnetenhausfes ausgeführt worden ist. (Sehr richtig !)

Wenn Sie also einen Tadel auszusprehen haben, so haben Sie in erster Linie diesen Tadel gegen die Baukommission zu richten und nit gegen die Zentralinstanz. Aber, wie gesagt, eine Verzögerung ist in dieser Beziehung nah keiner Richtung hin eingetreten.

Was nun den Dresdener Bahnhof anbetrifft, so möchte ih doch den Herrn Abg. Broemel bitten, sich für eine gere{te Beurtheilung eiwas näher darüber ¿u informieren, wann die Projekte aufgestellt und die esten Bauraten bewilligt worden sind. Ih möchte darauf ver- zichten, auf diese Frage hier näher einzugehen, glaube aber nit, daß er dann zu einem von den thatsächlichen Verhältnissen bei den preußischen Bauten wesentlich abweichenden Ergebniß kommen wird. Im allgemeinen kann ich nur die Vorwürfe, die der Herr Abg. Broernel gegen die Zentralinstanz der Bauverwaltung ausgesprochen hat, auf das entschiedenste zurückweisen. (Bravo! rets.)

__ Abg. von Hellermann (kons.) bringt vershiedene Wünsche aus feinem Kreise Bubliß in Bezug auf den Eisenbahnverkehr und die Grioeit erung des Bahnhofs in Bubliß zur Sprache.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß die Bahnhöfe in der Regel fo gelegt werden, daß später eine Erweiterung möglich ift.

Abg. Möller (nl.): Die Bauausführungen sind allerdings ¿urüdgeblieben hinter den Bewilligungen im Landtage. Selbst 7 bis 8 Jahre, sogar noch länger bleiben die Bauausführungen liegen. Früher find häufiger Uceberschreitungen der Anschläge, sogar bis zu 15 %o, vorgekommen, und deshalb werden jeßt die Anschläge forg- fältiger bearbeitet; aber man geht darin wohl etwas zu weit, denn die Aufstellung ter Projekte dauert oft 2 Jahre. In 1 bis 14 Jahren nach der Bewilligung muß wenigstens mit der Bauausführung be-

gonnen werden. Nach einem Etatsvermerk will die Verwaltung 135

Techaikerstellen in Zukunft wegfallen lassen, wir sind aber noch lange niht bei dem Zeitpunkt angekommen, wo wir in unseren Eisenbahn- neubauten einen gewissen Stillstand eintreten lassen können. Wir müssen auch die Vollbahnen noch weiter ausbauen. Daß der Staat fih den Erwerb der privaten Kleinbahnen vorbehält, ist rihtig; wenn aber dann die Unternehmer nur ihre Kosten erseßt erhalten sollen, ohne etwas zu verdienen, so werden si keine Unternehmer mehr für den Bau von Kleinbahnen finden.

Minisier der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ih möchte do angesihts der Ausführungen des Herrn Abg. Möller in theilweiser Ergänzung dessen, was ih den Aus- führungen des Abg. Broemel gegenüber erwidert habe, hier noch kurz einige Ziffern geben, die meines Erachtens aufklärend wirken werden in Bezug auf die Ausführung der Bahnbauten innerhalb der leßten Jahre.

Der Bestand an Baugeldern beträgt nah tem vorliegenden Bau- bericht 405 Millionen ich nenne nur die runde Summe wovon durch den Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1898/99 4736 000 M gelös{cht werden, und von den also verbleibenden 400 Millionen ent- fallen auf Bauausführungen 366 Millionen, auf Betriebsmittel 34 Millionen. Darin sind enthalten für neue Bahnen, deren Bau noch nicht in Angriff genommen werden konnte, weil die geseßlichen Vorbedingungen, die an den Bau geknüpft sind, noech nicht erfüllt waren, im Ganzen 54 Millionen; die Erfüllung war zwar sicher gestellt, die ausführlihen Vorarbeiten aber noch uicht beendigt bei 76 Millionen, Ferner hat die landes- polizeiliße Prüfung noch nicht zu einem festen Ergebniß geführt bei 10 Millionen, und endlich waren für etwa 5 Millionen Kornlager- häuser noch in der Ausführung begriffen. Von den verbleibenden 220 Milltonen entfallen auf die in der Hauptsache bereits vollendeten Bauausführungen 60 Millionen, auf noch im Bau befindliche, und zwar auf neue Bahnen 73 Millionen, auf zweite Geleise ungefähr 17 Millionen und auf \onstige Bauten ungefähr 70 Millionen, sodaß im Ganzen auf die noŸ im Bau befindlihen Ausführungen 160 Millionen entfallen. Die Summe is alfo nicht so ershreckend, wie fie im ersten Augenblick erscheinen könnte.

Wenn man sih die Summe von 405 Millionen noh offener Krebite zergliedert, so kommt \{chließlich beraus, daß bei 160 Millionen noch die Ausführung niht begonnen hat, ohne daß ein besonderer, für die Eisenbahnverwaltung auch nit zu beseitigende Hinderungsgrund vorliegt, daß also bei diesen 160 Millionen, bei denen die Bewilligungen der leßten Jahre {wer ins Gewicht fallen, die Eisenbahnverwaltung noch nicht in der Lage gewesen ist, den Bau zu beginnen.

Fch möchte ferner hier nochmals darauf verweisen, daß die Staats-

eisenbahnverwaltung in den leßten Jahren in größerem Umfange als bisher ihre Bauten durch Privatunternehmer hät ausführen lassen. Es if ja die Regel und fast die ausnahmslose Regel daß der Staat niht in Negie baut, sondern seine Bauten an die Privatunternehmer vergiebt. Wir haben aber in den leßten beiden Jahren auch den Versuch gemacht, Generalentreprisen für ganze Nebenbahnen einzuleiten. Es sind, wenn ih nit irre, 9 Nebenbahnen in Generalentreprise vergeben worden. Welche Er- fahrung wir in dieser Beziehung machen werden, muß erft die Zukunft lehren; aber ih bitte dabei zu berücksihtigen, daß die Vergebung in Generalentreprise au dann erst stattfinden konnte, nachdem wir ver- läßlihe Vorarbeiten selber ausgeführt haben, die für uns den unum- gänglihen Maßstab bildeten, ob die Forderungen des General- entrepreneurs rihtig waren oder nit.

Meine Herren, ih habe mich inzwishen auch mal danach um- gesehen, wie lange denn die Bauzeit für den Bahnhof Dresden ge- wesen ist. Da habe ih aus dem mir vorliegenden Material ersehen, daß die erste Geldrate in der sächsis{chen Kammer im Jahre 1889/90 bewilligt worden ist, und daß \chon mehrere Jahre vorher die Vor- arheiten gemacht sind. Aber wenn man felb# von diesem Zeitpunkt an rechnet, ergiebt sich au eine Bauperiode von etwa zehn Jahren. Allerdings ift dabei ja zu berücksihtigen, daß im Laufe der Zeit auch beim Dresdener Bahnhof das Bedürfniß nach sehr erheblichen Erweiterungen des Projekts #iŸ herausgestellt hat. Wenn ih nicht irre, ist die ursprünglihe Forderung der sächsishen Regierung 34 Millionen geroesen, und wie ich mich zu exinnern glaube, werden bei der Abrehnung sich etwa 58 Millionen herausstellen. Also ich glaube, daß mit diesem Beispiel niht gerade Schlußfolgerungen uns gegenüber gezogen werden können.

Wenn nun der Herr Abg. Möller darauf zurückgekommen ift, daß man den Bau von Kleinbahnen ich nehme an, wohl auch von Nebenbahnen mehr als bisher der Privatunternehmung überlassen foll, so darf ich wohl daran erinnern, daß ich in der ersten Lesung des Etats bereits ausführlih die Ziffern gegeben habe, die für Aus- dehnung des Baues von Kleinbahnen und Nebenbahnen sprehen. Wenn wir im einzelnen Falle an die Ertheilung der Konzession die Bedingung geknüpft haben, daß sich der Staat das Recht vorbehält, innerhalb einer gewissen Frist und die kürzeste Frist, die dabei normiert worden ist, waren 5 Jahre die Bahn zu erwerben, so ist diese Be- dingung einmal die Folge einer Anregung gewesen, die hier aus dem Hause selbst, ih glaube, auch durch den Herrn Abg. Möller, mir zu theil ge- worden ist; zweitens war es aber das einzige wirksame Mittel, eine betreffende Gegend in den Besiß einer Bahn zu bringen, deren Aus- führung eigentlih Aufgabe der Staatseisenbghnverwaltung gewesen wäre, an die die Staatseisenbahnverwaltung uñter den gegebenen Ver- hältnissen in dem betreffenden Zeitpunkt aber noch nicht herantreten konnte. Um nun dur eine Verweigerung des Ausbaues der Staats- bahn und Verweigerung der Privatkonzessionierung nicht die Interessen der betreffenden Landestheile zu schädigen, is dieser Ausweg ecingeschlagen. Ich stimme mit dem Herrn Abg. Möller darin voll- ständig überein, daß dies eine Ausnahmemaßregel ift, zu der man si nur unter ganz bestimmten Vorbedingungen entschließen kann, die aber, wenn diese Vorbedingungen vorliegen, doch ¿weckmäßig ist und für alle Theile befriedigende Resultate ergeben hat.

Insbesondere wird das fast überall bei den Kleinbahnen zu- treffen. Bei den Kleinbahnen wird die Frage meistentheils so liegen, daß die Kleinbahnen innerhalb der näthsten 5 Jahre es nicht sehr gern sehen werden, wenn der Staat sie zu den Baukoften übernimmt und infolge dessen also die Kreise und Gemeinden, welche das Risiko bei den Kleinbahnen zu tragen haben, entlastet würden. Bei den Nebenbahnen das gebe ih zu liegt die Sache anders. Aber das Beispiel, welhes der Herr Abg. Möller in Bezug auf die Nebenbahnen angeführt hat, die Frage der Konzessionierung der Bahn von Treuenbrießen über Brandenburg, Rathenow nah Neustadt ist meines Erachtens gerade ein Beispiel dafür, daß unter den Um- ständen, unter denen die Bahn gebaut werden follte, dem Staat wohl faum etwas Anderes übrig bliebe, als sich den Nückkauf innerhalb einer bestimnten Frift vorzubehalten. So lange es nicht feststeht, daß der Staat selbs die von ihm projektierte zweite Ringbahn-Linie Treuenbriezen—Nauen ausführt, kann die Bahn unmöglih auf die Dauer in den Händen der Privatverwaltung verbleiben. Indessen glaube ih, hierauf heute niht näher eingehen zu sollen, da ich vor- ausfetze, daß morgen bei Berathung des Se?undärbahngeseßes sh noch reihlih dazu Gelegenheit bieten wird. Auch in Zukunft werden nur mit der größten Vorsicht und unter Erwägung aller obwaltenden Verhältnisse ähnlihe Bedingungen an die Konzessionierung der Klein- oder Nebenbahnen geknüpft werden.

Abg. Freiherr von Erffa (kons.): Die Frage der 135 Techniker- stellen können wir bei der nächsten Etatsberathung besprehen ; wir müssen eben abwarten, ok die Stellen entbehrlich fein werden. Die Voranfschläge müssen sehr forgfältig aufgesteUt werden, wenn es auch ein wenig länger dauert. Herrn Broemel gefällt vielleiht der neue RNeichétagspalast, über dessen Schönheit man abér streiten kann. Wir sind hier einfahe Leute und brauchen nicht in einen folhen Palast zu ziehen. Herr Broemel follte sich nit die Hinterseite des Abgeordneten- hauses ansehen, fondern die wiuklih {öne Vorderseite. Die Ansichten des Abg. von Riepenhausen über die Rückzahlung von Grunderwerhs- koîten theilen meine Freunde nicht, denn diese Kosten werden von vornherein à fonds perdu gegeben. Ich bitte den Minister dringend, dieser Anregung des Abg. von Riepenhausen nit zu folgen.

Abg. von Riepenhausen : Allerdings giebt es keinen rechtlihen Anspruch auf Nückzahlung, wenn etwas à fonds pordu gezahlt ift; ih habe au nur gebeten, in Ausnahmefällen, wenn hohe Kosten für Grunderwerb gezahlt sind und Ersparnisse gemacht werden, den Inter- essenten etwas zurückzuzahlen. Der Jnteressent giebt sein Geld im Vertrauen auf die Richtigkeit der Voranshläge der Verwaltung; wenn dann ciwas erspart wird, ist die Rückzahlung wohl der Erwägung werth. Der Stettiner Bahnhofsbau geht allerdings sehr langsam vor sich. Wann follen denn die kleinen Bahnhöfe an die Reibe kommen, z. B. das Hol¡gebäude auf Rügen? Im Lande ift vielfa die Meinung verbreitet, daß der Finanz-Minister in diesen Eisenbahn- sahen sehr viel mitzureden hat. Der Finanz-Minister {üttelt mit dem Kopf, aber im Lande meint man das allgemein. Wir haben von der Eisenbahn } Milliarde Uebershuß, und der Staat nimmt

“nah Belieben, ist völlig unmöglich.

ihn sehr gern, aber da können wir doch eine Beschleunigung der Bahnbauten verlangen. Die Kleinbahnen legen den Kreisen große Kosten auf und rentieren sih nicht.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Diese Bitte kann ih leider niht erfüllen (Heiterkeit) aus dem ganz einfahen Grunde, weil die Ausführungen, wie der Herr Minister der öôffentlihen Arbeiten \chon erklärt hat, lediglich in dessen Hand liegen. JIrgend eine Schwierigkeit, irgend ein ODreinreden in die Art der Bauausführungen hat seitens der Finanz- verwaltung nie stattgefunden. Es könnte höchstens dann, wenn mal die allgemeinen Verhältnisse des Geldmarktes so wären, daß wir nicht im ftande wären, zu einigermaßen angemessenen Preisen die Anleihen unterzubringen, der Zeitpunkt kommen, wo der Herr Finanz-Minister in diefer Beziehung mit dém Herrn Minister der öffentlihen Arbeiten in Verbindung tritt. Da wir aber, solange ih Minister bin, glücklicherweise solhe Zeiten nie gehabt haben, auh gar keine Aussicht it, sie zur Zeit zu bekommen (Heiterkeit), so kann ih auf die Frage der Bauausführungen garnicht einwirken.

Ich kann jedoch vielleiht Herrn Abg. von Riepenhausen etwas trösten : an den kolossalen Geldbezügen, die das Ministeriumder öffentlichen Arbeiten gegenwärtig von der General-Staatskasse macht, sehe ih doch, daß mit den Bauten gegenwärtig sehr ftark vorangegangen wird. (Heiterkeit.) Aber ih habe mich dadurch nicht entfernt veranlaßt gesehen, den Herrn Minister zu bitten, etwas langsamer mit den Geldausgaben vorzugehen (Bravo !), und ih werde auch in Zukunft garnicht daran denken. Es wäre das auch vom finanziellen Standpunkt ganz un- vernünftig; denn au ih bin der Meinung, daß ein angefangener Bau fo schnell als mögli zu vollenden ist, das ist in den meisten Fällen finanziell auch fehr nüßlih. Und daber ist es nah meiner Meinung niht klug und das thut auch der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten niemals —, an 100 Stellen zuglei anzufangen und alles langsam zu betreiben. (Sehr rihtig!) Das geschieht aber au nicht in der Eisenbahnverwaltung, das kann ich auch nah den Mittheilungen, die ih bekomme, vollständig übersehen. Aber, meine Herren, das müssen wir doeh auch nit verkennen: der Staat hat doch nur eine bestimmte Organisation von tehnishen Beamten, die bei den Ausführungen mit- wirken; die Zahl dieser Beamten plößlich in die Höhe zu schnellen Bon der Arbeiterfrage sehe ich dabei noch ganz ab, aber fie is auch für die Landwirthschaft von der allergrößten Bedeutung (sehr richtig), und wir können da nicht bloß gehen nach den Wünschen der an einem bestimmten Unternehmen Nächstinteressierten, wir müssen dann die Gesammtverhältnisse des Landes dabei im Auge haben.

Nun möhte ich {ließli noch bemerken, daß ih sehr glücklih gewesen bin, von Herrn von Riepenhausen zu hören, daß wir eine halbe Milliarde Uebershuß haben. (Heiterkeit.) Es wäre sehr an- genehm, wenn das wahr wäre, es ist aber leider nicht der Fall. (Abg. von Riepenhausen: Einkommen!) Auch nicht! Ih habe das ja s{chon vollkommen nahgewiesen, mehr als etn Mal, daß, wenn man rihtig rechnet, es nit eine halbe Milliarde Uebershüsse sind, sondern 175 Millionen. Das if aber noch lange keine halbe Milliarde. Jh habe auch vielfach auseinandergeseßt, daß diese 175 Millionen eigentlich auch nicht mehr existieren; denn sie sind längft zu anderen Zwecken verausgabt. (Große Heiterkeit.)

Abg. Broemel bemerkt, daß der Stettiner Bahnhof durhaus noch nicht den Eindruck eines fertigen Werkes mahe. Wenn man bet dem neuen Abgeordnetenhause die Verbindung des Sandsteinbaues mit dem Ziegelbau sehe, so sehe man von Sparsamkeit sehr viel, von Schönheit garnihts. Redner wiederholt ferner, daß der Bericht in seinen zahlenmäßigen Nachweisen kein richtiges Bild gebe. Daß die Verwaltung mit dem Geist der Sorgfalt weiter arbeiten wolle, sei ein ganz allgemeiner Say; es komme auf dessen Anwendung in der Praxis an.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Meine Herren! Jch kann nur wiederholen, daß ih kaum nah anderen Grundsäyen in Zukunft verfahren kann, als das bis jeßt ge- schehen ist.

Ich bin aber gern bereit, wenn ih im nächsten Jahre Ge- legenheit dazu bieten würde, an einem bestimmten Beispiele, welches mir vorgehalten wird als eine Verzögerung, wie sie anscheinend nit gerechtfertigt sei, den Beweis zu liefern, aus welhen Gründen die Verzögerung eingetreten is. Man kann im allgemeiken kaum über die Frage debattieren, ob die Staatéeisenbahnverwaltung mit der nôthigen Gründlichkeit und Beschleunigung die Bahnen ausführt oder nicht. Man kann das nur an der Hand individueller thats\ächlicher Verhältnisse erörtern. Jn eine derartige Erörterung der Bauten einzutreten, werden Sie mich jeder Zeit bereit finden. Ich kann dem Herrn Abg. Broemel daher nur anheimgeben im nächsten Jahre Herr Aba. Broemel is ja Mitglied der Budgetkommission einen dahin gehenden Antrag zu stellen. Ich habe mi nur mit aller Entschiedenheit dagegen gewehrt, daß der Zentralinstanz die Schuld der Verzögerungen zugeschoben würde, weil Herr Abg. Broemel der Zentralinstanz daraus einen fehr harten Vorwurf gemacht hat. Mich dagegen zu wehren, war daher meine Pflicht, hon mit Nücksiht auf meine Mitarbeiter, von denen jeder bemüht ist, die Sachen in der Zentralinftanz möglichst zu fördern.

Meine Herren, ih habe vorhin gesagt: der Bahnhof in Stettin ift der Hauptsahe nah fertig. Das if er auch. Wenn wir im Recchenschaftsberiht des Bauberihts noch einzelne Bauausführungen angeführt haben, die noch nicht vollendet seien, so habe ih gemeint, daß der Herr Abg. Broemel, der in Stettin ja zu Hause ist und so viele Verbindungen hat, von jedermann hätte erfahren können, wie weit diese Bauausführungen gediehen fecien. Der Meinung bin ich auch heute noch. Auf der anderen Seite kann ich nur wiederholen : niemand hat ein größeres Interesse, die Bauten rasch auszuführen, weil sie dann auch öfkonomisch ausgeführt und die Ziele, die mit diesen Bauten erstrebt werden, rasch verwirklicht werden, als die Staatseisenbahnverwaltung selbs. (Bravo!)

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