1898 / 116 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 May 1898 18:00:01 GMT) scan diff

ein begründetes Bedenken gegen die Vorlage wird geltend gemacht werden Tönnen. Viel \{chwerer ist mir von Anfang an erschienen der Ein- wand, daß die Vorlage dem rechtmäßigen Inhaber der Pfründe den Nießbrauh des Pfründenvermögens entzieht, der ihm von Gottes und Rehts wegen zukomme. (Hört! Hört!) So, glaube i, darf ich wohl den Einwand, wie er von ernsten Männern er- hoben ist , formulieren. Man i} außerhalb dieses hohen Hauses weiter gegangen. Man hat diefen Uebergang der Verwaltung des Pfründenvermögens geradezu als einen Rehtsbruch bezeihnet. Jch muß dankbar anerkennen, baß das hier in der Kommission nicht ge- {ehen ist. Herr Graf von der Schulenburg hat die Güte gehabt und die Gerechtigkeit geübt, daß er ausdrücklich dieses Wort vermieden hat. Ich bin ihm von Herzen dafür dankbar. Denn das versteht sich von selbst: läge ein solher Rechtsbruch vor und könnte ich mich davon überzeugen, so würde ih der erste sein, der seine Hand davon abzöge; die ganze Staatsregierung würde sh außer stande erklären, eine Vorlage, die einen Rehtsbruch enthielte, hier zu vertreten; mögen für die Kirche und das Einkommen der Pfarrer die materiellen Vortheile noch fo verlockend, noch so groß sein, wir würden fie ablehnen. Das versteht sich von felbst. Diese Auffassung, daß mit einem Rechtsbruh gehandelt würde, muß ih auf das entschiedenste zurück- weisen. Aber fo viel war doch auch aus den Einwendungen der verehrten Herren Gegner der Vorlage herauszuhören, daß sie in der Entziehung der Pfründenverwaltung eine gewisse Ungehörigkeit sehen, einen ungerechtfertigten Eingriff in alte und geheiligte Rechte, ein Stück von einem leihtfertigen Umspringen in einer fozialistisch an- gehauchten Weise mit alt hergebrahhten, gewissermaßen \tiftungsmäßigen jura quaesita, mit.dem jus quaesitum des Nießbrauchers der Pfründe. Aber auch in dieser milderen Form is der Vorwurf nicht begründet. Der Vorwurf beruht auf einer gleihmäßigen Verkennung sowohl des gegenwärtigen als des in der Vorlage vorgesehenen zukünftigen Nehts- verhältnisses der Pfründe. Meine Herren, auch im anderen Hause war der Vorwurf von einem Manne erhoben worden, vor dem die Staatsregierung und ich darf wohl sagen mit dem ganzen Lande den höchsten Respekt hat, dem sie Hochachtung und Verehrung zollt. Wenn ein Mann wie Herr von Köller sich der Vorlage gegen- über auf sein Gewissen beruft, so konnte und durfte die Regierung darüber nit leihtfertig hinweggehen und sich mit einem bloßen Achselzucken begnügea. Das haben wir auch nicht gethan. Wir sind noch einmal ernstlich mit uns zu Rathe gegangen, ob wir uns nit vielleich doch geirrt haben. Aber, meine Herren, auch die gewissen- hafteste Prüfung hat uns nicht überzeugen können, daß die Vor- lage einen Eingriff in das System, in das Recht des Pfründenvermögens enthalte. Sie enthält augenscheinlich keinen Eingriff in das Eigenthum des Pfründenvermögens, weder thatsählich noch rechtlih. Meine Herren, das ergiebt sich {Gon aus folgenden, gewiß Überzeugenden Thatsahen. Erstens bleibt das Pfründenvermögen nah wie vor Pfründenvermögen mit der aus\{ließ- lien Bestimmung seiner Einkünfte zum Nutzen des Pfarramts. Die Pfründe geht niht in die freie Disposition der Pfarrgemeinde über, sodaß sie darüber beliebig zu anderen Zwecken verfügen könnte. Das Eigenthum und die Bestimmung der Pfründe bleiben unberührt. Diese Thatsache allein reiht nah meiner Meinung hin, um den Versuch, in der Vorlage auch nur einen Anklang an sozialistische Velleïtäten zu sehen, als grundlos zu widerlegen. Nein, meine Herren, es handelt fi um die Entziehung der Verwaltung des Pfründenvermögens aus der alleinigen Hand des Geistlihen und um ihre Uebertragung auf das Organ der Kirchengemeinde, in unserer evangelishen Landeskirche also auf den Gemeinde-Kirchenrath. Nun, meine Herren, ist von vershiedenen Seiten gesagt worden auch Herr Graf Klinckowstroem deutete es an —, mit dem Pfrüntenvermögen hätten die Gemeinden nichts zu thun, es gehörte niht den Gemeinden, sondern der Kirche, wie es auch der Deutsche Orden seiner Zeit gehalten habe. Ich kann in diesem Moment nicht kontrolieren, ob die Gründung der Gemeinden und Gotteshäuser dur den Deutschen Orden wirklih rehtlich so festgelegt ist; aber ih gebe zu und in der katholishen Kirhe und im kanonishen Recht haben wir Analogien dafür —, es mag so gewesen sein. Bei uns is es aber doch nicht ganz so, und das Landrecht läßt keinen Zweifel darüber, daß die Gemeinde als Etgenthümerin des Pfarrvermögens anzusehen is, Die grundstürzende Neuerung, die man in dieser Uebertragung der Verwaltung hat finden wollen, be- steht gegenüber den geltenden kirchlichen und ftaatsgeseßlichen Vor- christen absolut niht; denn, meine Herren, die Kirhengemeinden- und Synodalordnung vom Jahre 1873, die man doch als Grundgesetz unserer jeßigen \taatsgeseßlich sanktionierten landeskirchlihen Vers fassung bezeichnen darf, sagt in § 22, daß grundfäßlih die Verwaltung des Pfarrvermögens und des Pfarrwittwenthums durch den Gemeinde- Kirchenrath zu erfolgen haben; fie erkennt es mit ausdrücklichen Worten an, und dies Reht wird durch das Staatsgeseß vom 25. Mai 1874 pure bestätiyt. Es beißt da ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten es kurz verlesen:

Der Gemeinde-Kirchenrath übt die ihm in der Gemeinde- ordnung zugewiesenen Rechte in Betreff der Vertretung der Ge- meinde in vermögensrechtlicher Beziehung und bei Verwaltung des Kirhenvermögens, einschließli) des Vermögens der kirlihen Lokalstiftungen, sowie des Pfarr- und Pfarrwittwenthums - Ver- mögens.

Ja, meine Herren, das ist thatsählich und rechtlich zunächst der Grundsatz, auf dem die Vorlage beruht; also grundsäßlih und rechtlich hat der Gemeinde-Kirchenrath jeßt {hon die Verwaltung des Pfarr- vermögens, allerdings mit einer Beschränkung, nämli mit der aus dem Rechte des jeweiligenPfründeninhabers sich ergebendenBeschränkung. Wenn nun aber, meine Herren, die evangelische Kirhengeseßgebung, die Ihnen hier vorliegt, und um deren \staatsgeseßlihe Sanktionterung es sich jeßt handelt, diese Beschränkung jeßt aufheben will, dann müssen Sie doch sagen, daß dies lediglich tas jeßt hon bestehende grundsäßlie Recht der Kirchengemeinden- und Synodalordnung ausdehnt, daß es sich nur um eine Zweckmäßigkeitsfrage handelt, und zwar um eine Frage der kirchlichen Zweckmäßigkeit, Nun kann man über die Zweckmäßigkeit dieser Maßregel in der That verschiedener Ansicht sein. Meine Herren, für die Staatsregierung ist dieser Punkt niemals conditio sine qua non gewesen. Mein Herr Kommissarius hat das auch in der General-Synode ausdrücklich ausgesprohen, und der hoh- verehrte Herr von Leveßow, der ja das Zweckmäßigkeitsbedenken theilt, hat in der General-Synode den bekannten Antrag gestellt, um gerade

Stellung g2nommen, daß wir gesagt haben: Für uns fällt das nicht entscheidend ins Gewicht; für uns liegt der ganze Schwer- punkt für die Hergabe der Staatsmittel in ganz anderen Dingen, nämlich in der Festhaltung des Charakters dieser Zuschüsse als Bedürfnißzushüfse, und auch noch in anderen Dingen, auf die ih vielleiht nacher noch kurz eingehen kann. Aber dieser Punkt war für uns eine offene Frage; das ist ausdrücklich gesagt worden, wir können es aus den ynodalverhandlungen darlegen, es ift au in der Kommission anerkannt worden: Wir sind es nicht gewesen, fondern das Kirchenregiment und die kirchlihen Organe, die erklärt haben: Wir brauchen diesen Uebergang der Verwaltung des Pfründen- vermögens von dem Pfarrer auf die Gemeinde als Regel unter ber Vorausfezung, daß gewisse Ausnahmen zugelassen werden. Das haben die kirchlihen Organe beschlossen, Also, meine Herren, die Kirche hatte hier vollständig freie Hand, und die Vertretungen der evangelishen Landeskirhe Haben dieses Verbleiben der Ver- waltung der Pfründe bei dem jeweiligen Pfründeninhaber abgelehnt. Jch finde es nun begreiflih, wenn Herr von Leveßow und die Herren, die mit ihm für seinen Antrag gestimmt haben, sagen: Wir find niht überzeugt, wir bedauern das. Wie oft müssen wix in politischen Dingen bedauern, daf das, wofür wir eintreten, nicht in allen Theilen durhgeht! Da kommt die Frage der Zweckmäßigkeit : wie groß ist nun das Gewicht der abweihenden Anschauungen, die von der anderen Seite in den Gesetzentwurf hineingezoaen werden ?

Nun, meine Herren, da ist für mich Bdr allen Dingen bedeutungs- voll, daß hier die legitime Vertretung der evangelischen Landeskirche diesen Beschluß gefaßt hat, und zwar motiviert durch Mitglieder des Kirchenregiments, auss{chließlich aus Gründen des kirchlihen Interesses. Nun, meine Herren, wir haben im wesentlihen übereinstimmende Kirchengeseße, und es scheint mir bedenklih, daß der Landtag diesen Beschlüssen der Synoden mit der Motivierung entgegentreten solle: Der Landtag könne die Anschauungen der kirhlihen Organe über die kirhlihe ZweckEmäßigkeit dieser Maßregel nicht theilen, seine kirhlichen Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit dieser Maßregel seien so groß, daß er deshalb seine staatliche Genehmigung versage. Das hieße von Staatswegen einen Druck auf die evangelishen Kirhenorgane ausüben und die kirchlihe Selbstverwaltung, die Fähigkeit der evange- lischen Kirhe zur Selbstverwaltung in Frage stellen. Das wäre eine staatlihe Bevormundung der kirhlichen Selbstverwaltung, wie sie stärker niht gedaht werden kann; so wird sie empfunden werden. Ih glaube, auch die lebhaftesten Verfehter eines bureau- kratischen Staatskirhenwesens sind noch niht soweit gegangen, eine solhe Beeinflussung der kir{lihen Verwaltung zu fordern, nahdem wir nun einmal in einer Reihe von Staatsgesegen eine synodale Ver- fassung sanktioniert haben. Und, meine Herren, das sollten Sie thun, das sollte das Herrenhaus thun, das stets für die kirchliche Selbst- verwaltung eingetreten if! Noch vor wenigen Fahren baben wir darüber verhandelt: Wir haben die Juitiative ergriffen, einen Theil der, wie man damals sagte, klirrenden Fesseln, die die Staatsgesepge noch der kirhlichen Selbstverwaltung auferlegten, zu beseitigen. Wenn jemals hier ein Geseh gemacht worden is, was der evangelishen Kirche eine selbständige Verwaltung in größerem Umfange sichert, die Gemeindeorgane heran- zieht und nah meiner Ueberzeugung auch nothwendig darauf hinwirken wird, das innere kirchlihe Leben zu stärken, so ist es diese Borlage. Das ift der ideale Gesichtspunkt der Vorlage, der auf den Synoden aufs stärkste betont worden ift, und ih muß sagen, daß ich dem mit ganzem Herzen zustimme. Nein, meine Herren, wenn das Herrenhaus der evangelischen Kirche, der treuesten Verbündeten aller staats- erhaltenden Kräfte, jeßt sagen sollte: Jhr seid niht im stande ge- wesen, die kirchlihe Zweckmäßigkeit Eurer Beschlüsse zu übersehen, wir, ein quasi Staatsorgan verstehen das besser, so würde das eine Verstimmung geben, die auf das heilsame Verhältniß zwischen Kirhe und Staat, was sich doch bei uns, wir können es nicht anders sagen, wenigstens anbahnt seit den leßten 20 Jahren,“ in der allervernihtendsten Weise zurückwirken würde. Ich kann nur mit dem tiefsten kirhlihen Ernste, dessen ich fähig bin, davor warnen, diesen Weg zu gehen.

Meine Herren, es is ja mögli, daß die kirhlichen Organe sich über die kirchliche Zweckmäßigkeit irren. Aber, meine Herren, abweichende kirchlihe Gesichtspunkte hätten in den Synoden geltend gemacht werden müssen; es war daher recht von Herrn von Leveßow, daß er in der Synode seinen Antrag gestellt hat. Da gebörte er hin, aber hier im Herrenhaus kann man jeßt, glaube ih, wenn man einigermaßen \sich den geseßlihen Kompetenzen der staatlihen und kirhlihen Organe fügen will, mit diesem Antrag niht wieder kommen. Meine Herren, darüber kann kein Zweifel sein: wie die Dinge jeßt liegen, bedeutet die Ablehnung der Kirchengeseße durh das Herrenhaus den Fall des ganzes Entwurfes. Meine Herren, das heißt nihts Anderes, als in diesem Augenblick, den ih überdies politisch für den denkbar ungünstigsten halte, die ganze Vorlage für immer oder doh wenigstens für unabsehbare Zeit in die Ferne und Ungewißheit zu rücken. Das wäre eine so verhängnißvolle Sache, daß die Mehrheit dieses hohen Hauses doh vor der furhtbaren Verantwortung in dieser Beziehung Halt machen wird. Nun, meine Herren, ift ja der Versuch gemacht worden, durch den Antrag der Herren Grafen von Klinckowstroem und von Schöning ein Provisorium zu konstruieren und auf diese Weise für die Geistlihen wenigstens den Staatsfonds zu retten, den die Finanzverwaltung und das muß ih ausdrücklich hinzufügen mit einer bis dahin noch nicht dagewesenen Liberalität im Interesse des Zustandekommens der Vorlage zur Verfügung gestellt hat. Meine Herren, ih erkenne vollständig an, daß dieser Versuch ein Provisorium zu \{hafen, aus dem ernsten Bestreben hervor- gegangen ift, die Ziele des Geseßes wenigstens einstweilen zu erreichen, und die Bedenken, die dagegen geltend gemacht sind, zu beschwichtigen. Aber, meine Herren, ih glaube niht, daß dieser Versu ausführbar ist. Jch glaube, daß es unmöglih if, diesen Weg zu gehen. Meine Herren, Herr Gräf von Klinckowftroem hat {on angedeutet und ich muß ihm in biesem Punkt beistimmen als Mitglied dieses hohen Hauses —, daß es höht unerwünscht ist, wenn Dinge von so großer Tragweite, wie diese Vorlage es ist, erst in der leßten Minute an das Herrenhaus herantreten (sehr richtig!) ; aber wenn Sie einige Billigkeit walten lassen, so müssen Sie uns, der Kirchenverwaltung das Zeugniß geben, daß wir niht {uld daran sind. Wenn Sie sih erinnern wollen, meine Herren im vorigen Jahre hatte das Abgeordnetenhaus eine von Herrn von Heydebrand ein- gebrahte Resolutiou angenommen, die in ganz allgemeinen

diesen Punkt aus dem Gese herauszubringen, Dazu Haben wir die

| nun gewähren zu können. Unmittelbar nach dem Schlusse des Land» tages find wir an die Arbeit herangetreten. Wir haben uns gesagt : das bisherige System, wonach Zulagen gegeben werden ohne voll, kommene Prüfung der Leistungsfähigkeit, das muß dahin führen, daß wix diesen Fonds alsbald ershöpfen. Die Geistlihen haben kein Interesse an einer geordneten Pfründenverwaltung, weil sie die staat. lie Alterszulage ohne weiteres zur Ergänzung auf das Normal, einkommen erhalten. Daß dieser Zustand auf die Dauer nit be, stehen kann auch aus finanzpolitishen Gründen, das ist im Ah, geordnetenhaus und in der Denkschrift bereits au ausgesprochen, und i glaube nit, darauf hier weiter eingehen zu sollen. Alfo, wir mußten ein neues System finden, und auf dieses System find wir allmählih gekommen, und zu unserer Freude fanden wir bei der Finanz - Verwaltung das größte Entgegenkommen. Das Finanz - Ministerium erkannte alsbald an, daß ein System gefunden sei, bei dem die staatlichen Leistungen zu einem gewissen Abs{luß gelangen. Es wurde der ganze Betrag, der nah den Berechnungen nicht durch das Pfründeneinkommen gedeckt war, bon der Finanzverwaltung zugestanden. Ja, darüber hinaus ist vom Abgeordnetenhaus noch ein weiterer Betrag hinzugefügt worden. Eg kaxn und foll, was im Gese ausgesprochen ist, die Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht bloß nach finanziellen Gesichtspunkten beurtheilt, sondern auch die ganze kirhlihe und wirthschaftlihe Lage mit in Be- traht gezogen werden. Das alles ist erreiht. Meine Herren, daß wir jeßt dieses Geld zurückweisen sollten, möchte ih doch für aus, geshlossen halten. Der Antrag wie ihn die Herren Graf von Klinckowstroem und von Schöning formaliert häben ist un- annehmbar. Jch kann das mit absoluter Gewißheit hier erklären. Die Herren haben das auch herausgefühlt. Eine eminent s{chwere, ja unmöglihe Aufgabe ist es, in kurzer Zeit, in einer Nacht einen \olhen Antrag aufzubauen in einer so \chwierigen und fkomplizierten Materie. Das 1tößt \ch{on auf tehnische Schwierigkeiten, die die Wenigsten werden überwinden können, Ich habe mi daher nicht darüber gewundert, daß ih, nachdem ih den Antrag durchgelesen habe, mir habe sagen müssen: so, wie der Antrag hier ist, ist die Sache garniht auszuführen. Nun, meine Herren, ih sehe von den tehnishen Schwierigkeiten ab. Vielleicht wird auch mein Herr Kommissar nachher die Güte haben, wenn wir auf die Einzelheiten" kommen, darauf näher einzugehen. Aber der Vorschlag i {hon deshalb für uns niht annehmbar, weil bei dem Wegfall der Alterszulagebeiträge die \taatlihen Mittel niht aus- reihen würden, um den Vorschlag durchzuführen. Wir würden alt- bald nit auskommen und einem sich steigernden Defizit gegenüber- stehen. Also schon deshalb i} der Vorschlag nicht ausführbar. In dem Antrag ist zwar nit gesagt, wer eigentlih die Zulagen vertheilen foll; ih nehme aber an, daß der Antrag so gedacht ist, daß wir an den Ober-Kirchenrath die betreffenden Quoten überweisen, daß der Ober-Kirchenrath sie wieder auf die Konsistorien entsprechend vertheilt und daß dann diese unter Zuziehung des Regierungs-Präsidenten nah der Leistungsfähigkeit die Vertheilung vornehmen \ollen. Da {tehen die Konsistorien, da steht der Ober-Kirhenrath sehr bald vor dem Defizit. Die Sache ist \{chon aus diesem Grunde mit 6 Millionen niht zu machen, und eine Erhöhung des Staatsfonds i auëgesclo\sen, Meine Herren, wenn man auch auf den Antrag eingehen wollte, so würde doch die Last wieder voa Jahr zu Jahr steigen, #2 lange wir niht die Regelung der Kirchengeseße haben. Nun sagt zwar Herr von Klinckowstroem : Die Kirchengeseze müssen ja kommen; die Kirchen müssen das ja machen, wenn wir diesen Entwurf annehmen. Aber meine Herren, die Staatsregierung nimmt diesen Entwurf nicht an. Sie kann ihn auch nicht annehmen, {on deshalb nicht, weil die Vorausfeßung au dieses Entwurfs ist, daß doch die eigentliche Trägerin der Last die Pfarrgemeinde ift, die nun wieder entlastet werden foll durch die Staatebeihilfen. Der Staat kann aber nah unserer bestehenden Geseßgebung den Kirhengemeinden gar keine Lasten dieser Art auflegen. Der Staat kann das nicht thun, das kann nur die kirhlihe Geseßzgebung. Schon deshalb is staatskirhenre{tlich der Antrag nach dieser Richtung hin für die Staatsregierung unannehmbar, und Sie können thatsählich mit diesem Antrag nichts erreichen, als daß die Staatsregierung zu ihrem tiefsten Bedauern würde erklären müssen: Ja, hier liegt der Antrag, aber3wir können ihn nit aus- führen, weil er uns unausführbar ersheint. Dazu kommt, wie ih hon ausgeführt habe : so lange der Antrag so besteht und nit die Kirchengeseße cin ähnlihes System, wie wir es jegt haben, annehmen, würde der Zustand immer wieder eintreten, daß die staatlichen Bei- hilfen in infinitum wahsen müssen. Darauf läßt si die Finanz- verwaltung nicht ein. Vas hat der Herr Finanz-Minister mit der allergrößten Bestimmtheit erklärt, und ih habe das au für richtig befunden.

Meine Herren, Sie müssen do anerkennen, daß es doch das Verkehrteste wäre, wenn der Kultus-Minister sich ledigli auf den Standpunkt stellen wollte, nur immer fo viel Geld wie möglich zu bekommen. Jch habe die Pflicht, die finanziellen Rücksichten, soweit sie auf großen Gesichtspunkten beruhen, ebenfalls zu prüfen, und wenn ih mi überzeuge, daß eine Darlegung richtig is, so muß ih beistimmen, und ich stimme hier dem Herrn Finanz-Minister voll- kommen bei: es muß zu einem Abschluß kommen. Das jeßt ungesunde, falsche System darf niht weiter fortbestehen. Also auf eine Annahme dieses Antrags und Bereitstellung der Mitltel, wie sie der Antrag vorausfeßt, ist bei der Königlichen Staatsregierung niht zu rechnen- Meine Herren, Sie dürfen sich nit verhehlen, für uns, für die Finanzverwältung war es ein vitales Jnteresse, einen Abschluß herbei- zuführen, den bisherigen Zustand zu Ende zu bringen. Fällt diese Vorausfeßzung weg, dann fallen alle Bedingungen weg, unter denen der Herr Finanz-Minister uns die 6 Millionen zur Disposition ge stellt hat.

Nun, meine Herren, sagen Sie, es können ja die sech8 Synoden wieder synodale Beschlüsse über neue Geseßentwürfe herbeiführen. Ja, meine Herren, wer steht Jhnen denn dafür, daß Sie noch einmal die Mitglieder der sech8 Synoden unter einen Hut bringen? Sie würden, wenn Sie jeßt die Sache wieder in Frage stellen, Gegensäße entfesseln, von denen garnicht abzusehen ist, wohin fie führèn. Ich erinnere Sie nur an Hannover! Meine Herren, darauf können Sie si verlassen, es giebt in unserem Vaterlande das wissen Sie ja auch alle zentrifugale Kräfte, die nur darauf warten, daß.das staatliche Herrenhaus den Synoden sagt: ihr habt eure fkirchlißen Interessen niht verstanden, wir ver- stehen sie besser! Was daraus werden würde, meine Herren, ist un- absehbar, aber Heilsames für unser Vaterland kann es sicher nicht

Zügen das verlangte, was wir glauben, in dieser Vorlage

sein. (Bravo!) Nun kommt noch hinzu, daß die Berufung der ver-

iden synodalen Organe nicht beim Staats-Ministerium liegt

| «f 1 beim Kirchenregiment. Nun würde ja, glaube ih, fi eine

: verständigung darüber erreihen lassen. Ih würde mich an das

\rhenregiment wenden und würde bitten und fragen : wollen wir General-Synode berufen, aber immerhin mache ich darauf aufmerksam, g ed sih selifam in einem Geseßzentwurf ausnimmt, wenn die Vor- gseyung da ausgesprochen ist, die eigentlich nach unserem Landes8- te keine Begründung hätte. Dazu kommt, daß nah meiner Ueber- ugung die kirlihen Behörden, die eigentlich die Ausführung des W trages besorgen sollen, viel zu sehr zurücktreten und der Regierungs- räsident zu sehr in den Vordergrund tritt, Er hat hier eine ganz dere Aufgabe. Nach unserem Entwurf hat der Regierungs-Präsident ht ein fiskalisches Interesse mehr, sondern nur noch das Interesse, le Gemeinde zu schüßen. Ueberhaupt ist das für uns die Haupt- de gewesen; die Gemeinden wollen wir {chühßen gegen eine Beloftung, ‘e sie niht tragen können. Wenn Sie unseren Entwurf nicht an- ehmen und Sie nehmen diesen Antrag an, würde im günstigsten Falle die Leistungsfähigkeit der Gemeinden wieder nah staatlichen nadsichten ermittelt werden, viel {ärfer als bisher, und die Ge- neinden würden es \chließlich sein, die den Ausfall zu tragen hätten; 4e würden immer mehr herangezogen werden, und würden gerade das (Gegentheil von dem erreichen, was sie haben erreihen wollen.

Meine Hz:rren, man könnte noch einwenden, es bestehe do ine gewisse Analogie mit dem für die katholisGen Gemeinden yrgelegten Entwurf bei dem Antrage der Herren Graf von (indowstroem und Schöning. Ja, meine Herren, darauf kann % nur erwidern, daß diese Analogie eine ganz und aus- ließlich ‘äußere ift, innerlih stehen au auf katholischer Seite die Oiyge vollständig anders. Dort haben wir die Zustimmung der sgitimen kirhlihhen Organe, der Herren Bischöfe, in deren Hand auch die Ausführung unter der erforderlichen Konkurrenz der Staatsbehörbden gelegt ist. Hier dagegen ift garniht gesagt, wer es machen soll, es soll, wie ih s{chon angedeutet habe, wahrscheinlich in die Hand unserer Konsistorien gelegt werden unter Mitwirkung des Regierungs-Präsi- denten; aber wie das si vollziehen soll, ist nicht ausgedrückt worden, das is unabsehbar, und {hon deshalb ist mir dieser Antrag viel zu unbestimmt und administrativ garniht verwendbar und ausführbar. 91 Sache steht so, daß wir uns fragen müssen, ob wir dem Kirchen- geseß zustimmen wollen, ob wir den vorgeschlagenen Weg glauben be- treten zu können, ob wir diese kirhlihen Zweckmäßigkeitsbedenken, die vir dagegen haben, glauben zurüdcktreten lassen zu können gegenüber der Nothlage unserer Kir{e, der cigenthümlichen Lage unserer Gesetz- gebung, gegenüber der Noth unferer Geisilichen, die im Lande auf das Gesep warten, deren Augen heute auf dieses Haus gerichtet sind in der Hoffnung, endlich, endlich werde man ihnen das gewähren, was fie solange erbeten haben. Meine Herren, darauf wird es ankommen, ob dieser Situation gegenüber diejenigen Herren, die ernste Bedenken haben, glauben diese Bedenken zurücktreten lassen zu können oder nicht.

Nun möchte ih doch auf einen Punkt noch aufmerksam machen. Meine Herren, ih kann ja die Möglichkeit nicht leugnen, daß in den Kirhengeseßen hier und da etwas steht, was sih vielleiht niht be- währt, Es ist denkbar, daß im Laufe der Zeit, in den nächsten Jahren, bei der Ausführung einzelne Bestimmungen sich wirklich als ein Miß- griff erweisen werden, unter dem kirchlihe hohe ideale Ziele leiden. Meine Herren, dann is doch der natürlihe Weg der, daß die kirch- liden Organe, die das Geseß beschlossen haben, kommen und sagen werden, so gehe es nicht. Wer wollte wohl dann im stande sein, solhe Korrekturen abzulehnen!

Meine Herren, die Resolution, die Freiherr von Manteuffel vor- geschlagen hat, {lägt den rihtigen Weg ein, einen Weg, den wir als selbstverständlih angesehen haben, daß die nähste General-Synode sagen wird, ob die Erfahrungen, die mit dem Geseße gemacht sind, lirchlih gute oder fkirchlih s{chlechte find. Wenn die Synode das sagte wir müssen ihr ja das Material unterbreiten und werden das auch thun und an uns heranträte, so werden wir mit Freuden ustimmen und sagen: Ihr habt Recht, wir wollen unsere Fehler ver- kssern, was damals versehen ift, korrigieren. Aber das ift do gering gegen die Chancen, die Sie aufgeben, wenn Sie jeßt die ganze Hilfe sür unsere Geistlichen ins Freie fallen lassen. Wir übernehmen, wenn diz Vorlage zu stande kommt, die volle Verantwortlichkeit. Jch bin doven überzeugt, daß die Sache gut laufen wird und daß sie der Kirhe zum Segen gereichen wird. Meine Herren, die ganze Vorlage ist aus dem aufrichtigen Bestreben erwachsen, der kirchlihen und geift- lihen Noth eine Abhilfe zu gewähren. Es sind kirhlihe Interessen und Gesichtspunkte gewesen, unter denen die Kirhengeseßze, die den zur Diskussion stehenden Staatsgeseßen zu Grunde liegen, gemacht und beschlossen sind. Die Staatsregierung ist von der Ueberzeugung durch- drungen, daß das Zustandekommen der Vorlage einen großen Fort- hritt in der gedeihlihen Gestaltung des Verhältnisses beider Kirchen dem Staate gegenüber bedeutet. Meine Herren, wir sind auch der gewissen Zuversiht, daß diese Geseßgebung, wenn Sie ihr Jhre Zu- stimmung ertheilen, mit Gottes Hilfe für ‘die Kirhe und für den Staat zum Segen gereihen wird, und deéhalb nehme ih keinen Anstand, Sie ebenso herzlich wie dringend zu bitten: stimmen Sie ju] und machen Sie endlih der Noth unserer Geistlihen ein Ende! (Bravo!)

Graf von der Schulenburg-Beetendorf (zur Geshäfts- ordnung): Die Bedenken der Mitglieder, welhe den Antrag des Grafen Klinckowstroem unterschrieben haben, dürsten denselben An- \pruch auf Beachtung haben, wie die Gegengründo des Kultus- Ministers. Da das Plenum einen solhen Antrag nicht gut in seiner (anzen Tragweite sofort würdigen kann, beantrage ih Zurückver- wisung der Vorlage an die Kommission,

Professor Dr. Reinke- Kiel kann sich von der Zurückverweisung

nts versprechen. BEGD reiberr von Du rant bemerkt, däß doch zunächst die General-

disl Pon beendet werden müsse. / räsident Fürst zu Wied spricht dieselbe Ansicht aus.

Professor D. Beyscchlag- Halle hält sich als Mitglied der Ga a E de für berehtigt, auch im Herrenhause für die Vorlage einzutreten, Das SE komme einem immer allgemeiner, immer ringender gewordenen Bedürfnisse entgegen. Große Bedenken freilich

habe die General-Synode gegen das Minimalgehalt von 1800 4 ge- habt, Der Umstand, daß ganz wider Erwarten im Abgeordnetenhause

le Regierung noch etwas Weiteres zugestanden habe gerevtiae aber zu der Hoffnung, daß dem Elend, in dem viele Geistliche thatsählich ihr Leben zubringen müßten wirksam werde gesteuert werden. Die Theorie, daß die Pfründe Eigenthum des Pfarrers sei, sei unhaltbar ; dur die Uebertra ung der Vermögensverwaltung auf die Gemeinde werde der Geistliche lediglich von einer a Bürde befreit. Nähme das Haus heute das Seles nicht an, sondern {öbe es auf die lange Bank, so würde nicht der Friedensftimmung in der Kirche gë- dient, vielmehr würde ein Schrecken durch die ganze evangelische Kirche

hindurchgehen. Durch die Vertagung würde die Vorlage, da in- zwischen das Abgeordnetenhaus erneuert würde, ganz unberechenbaren Schicksalen ausgeseßt werden. Graf von der Schulénburg-Beeßendorf erblickt in der Konstruierung der Alterszulagekassen“ eine neue Belastung der länd- lichen Kirhengemeinden. Auch werde s durch die Gemeinde- verwaltung des Pfarrvermögens weniger herausgewirthschaftet werden als dur die bisherige Art der Verwaltung, wenn sie sorgsam und pfleglih geführt worden fei. Durch die Gemeindeverwaltung werde das Pfründenvermögen bewegliher gemacht und so in seinem Bestande ershüttert werden; von dem alten guten Verhältniß zwischen Pfarrer und Gemeinde werde vielfah nihts mehr übrig bleiben. Historisch sei jedenfalls der Pfarrer der Pfründeninhaber. Der Antrag des Grafen Klinckowstroem biete einen gangbaren Mittelweg. Professor Dr. Reinke: Die vorgetragenen Bedenken sind in der Kommission schon auf das gründlichste erörtert und widerlegt worden. Nach der bestimmten Erklärung des Ministers hat der Gegenantrag nit die mindesten Chancen. Die Ablehnung des Geseyzes oder die Zustimmung zum Antrag des Grafen Klinckowstroem würde ein eflatantes Mißtrauensvotum gegen die Synode sein; vor einem so verhängnißvollen Schritt, der außerdem die Beseitigung des von allen Seiten als unerträglih erachteten Nothstands ins Ungewisse hinaus- schieben würde, müsse als vor einem gefährlihen Experiment auf das Dringendste gewarnt werden. Geheimer Regierungs-Rath Schwarbkopff führt gegen den Grafen von der Schulenburg an, daß:1612 Pfarren noch nicht 1500 4 Gehalt abwerfen, daß von den 7000 überhaupt in Betracht kommenden Stellen 4800 noch niht 3000 /( Gehalt bieten. Wie soll, fährt er fort, mit folhem Einkommen ein Geistlicher mit sechs Kindern standes- emäß auskommen? Daraus allein ergiebt ih \{chon, daß. das bis- ferttie Pfründensystem Bankrott gemacht hat. Der Pfarrer. hat son heute durhweg den Pfarrsiß verpachtet und denkt garniht mehr daran, den Besiß selbst zu bewirth\ Haften. In der ganzen Provinz Brandenburg stehen von 19000 ha G adbesiß nur 1100 ha in Selbstbewirth- schaftung. Diese Zahlen" beweisen, daß man die Verhältnisse nicht ganz rihtig beurtheilt, wenn man glaubt, die Gemeinden würden die Vermögensverwaltung niht ordentlich wahrnehmen können. Der An- trag des Grafen Klinckowftroem würde die Gemeinden in eine s{limme Lage bringen; er läßt das s{chwaukende Dienstalter der Geistlichen unberücksihtigt. Für die ostpreußishen Kirchengemeinden würde er einfa den Ruin bedeuten, denn auch mit einer noch fo starken Crhöhung der Kirchensteuer wäre ihnen nit zu helfen. Kardinal-Fürstbishof Kopp: Jh möchte darauf hinweisen, daß zwischen beiden Vorlagen eine Solidarität besteht, daß sie beide angenommen oder abgelehnt werden müssen. Keine Vorlage is mit folhem Wohlwollen von allen Seiten eingeleitet und ausgearbeitet worden wie diese ; jeßt, wo sie in das leßte Stadium ihres Zustande- kommens tritt, erwahsen ihr drohende Schwierigkeiten. Die Re- gierung ift der Anregung gefolgt, den kirchlichen Vertretungen ein möglichst großes Maß der Mitwirkung bei der Vertheilung der Bei- hilfen zu gewähren ; sie hat nur die Grundlinien festgestellt, inner- halb welcher sie die Ausführung der Vertheilung zu bewältigen ge- dachte. Als die Verhandlungen mit den Vertretern der T Kirche eröffnet wurden, stellte sh heraus, daß der für die evangeli Fen Geistlihen in Aussicht genommene Weg der Beihilfenvertheilung für die fkatholishen Geistlihen nicht gangbar war. Die bezüglichen Aeußerungen des Episkopats sind von der Regierung zum größten Theil berüdcksihtigt worden ; die Aufnahme der Hilfsgeistlichen und die Aufbesserung der Domherrengehälter ist abgelehnt worden. Der Gpiskopat hat seine Bereitwilligkeit, an der Ausführung mitzuwirken, dennoch erklärt und sich auf einige nur noch redaktionelle Wünsche beschränkt, welhe au im anderen Hause bereits zur Sprache #5 kommen find. Bei näherer Betrachtung beider Entwürfe ergiebt fich sofort eine große Verschiedenheit. Der eine Entwourf stügt ih auf ein Kirchengesez; der andere konnte einen solhen Unterbau nicht er- fahren, weil ihm die» eigenthümlihe Verfassung der evangelischen Kirche gegenüberstand; er erscheint deshalb flarer, aber soweit möchte id do nicht gehen, denselben solider zu nennen, denn er über- läßt die Schwierigkeiten der Ausführungen, die sich auch bei ihm ergeben, der Zukunft. Wenn ich nun aber auch die B eren der Herren Antragsteller niht leiht nehme, fo kann ich mi do dem Eindruck nicht ganz entziehen, daß es bloß dunkle Befürch- tungen und ein gewisser Pessimismus gewesen find, welche diese Bedenken hervorgerufen haben. Der Pessimismus i} aber der \hlehteste Rathgeber. Für die Ausführung des Geseßes nimmt die Staatsregierung das Vertrauen des Hauses in Anspruch. Es soll die Lage eines wichtigen Standes verbessert werden, und ein anderer Weg der Durchführung diefer Absicht ist nicht nahgewiesen. Für ewige Zeiten wird nie ein Gese gemaht, das hat auch der Frei- herr von Manteuffel in der Resolution zum Ausdruck gebracht, und ih {ließe mi derselben von ganzem Herzen an. Zu dem Antrage des Grafen Klinckowstroem fehlt die Legitimation der kirhlihen Autorität, und die Namen unter dem Antrage können mir diefen Mangel nicht erseßen. Vor noch nicht langer Zeit war die Nöthigung vorhanden, eine derartige \taatlihe Kirchengeseßgebung rückgängig zu machen. pi on von Leveyow: Kein Vorwurf is ungerechtfertigter als der, daß die General-Synode die Vorlage über das Knie gebrochen habe. Sie ist dort mit einer Gründlichkeit berathen worden, wie man fie nit in allen parlamentarischen Körperschaften findet. Nicht die General-Synode hat sich in einer Zwangslage befunden, sondern jeßt befindet sih das Herrenhaus dem Geseßentwurf gegenüber in einer Zwangslage. Amendieren ist niht mehr möglich; es heißt: „Ja“ oder „Nein“ sagen. Die Gemeinden werden ganz von den Kennloren abhängig; diese können ihnen viel oder auch wenig geben. Daß Be- fürhtungen nah dieser Richtung gerehtfertigt sind, beweist doh die Art der Ausführung des Lehrerbesoldungöge}e es. Thatsächlih aber bleibt der Pfründe, was ihr gehörte; es wird bloß von der Revenue des Pfarrers ein Theil zurüdbehalten, der ihm später wieder zu gute kommen soll. Eine gewisse Alteration des Pfründensystems und der Patronatsrechte liegt ja vor. Ohne diesen kleinen Ein riff in das Pfründensystem war aber die ganze Operation unausführbar, und ih persönlich halte diesen Eingriff für ganz unbedenklich. Die Unabhängigkeit des Pfarrers als Dieners der Kirhe wird freilich durch die Hebertehalins der Vermögensverwaltung auf die Gemeinde beeinträhtigt; er wird Diener der Gemeinde, anstatt Diener der Kirche zu bleiben. Das ift mir das Peinlichste an dem ganzen Gesey. Daß der Gemeinde-Kirhenrath die Pfründe besser ver- walten wird als der Pfarrer, bestreite ich von vornherein. Den Pfarrer entlasten wird man auf diese Weise nicht; denn er hat auh nachher als Vorsitzender des Gemeinde-Kirchenraths dieselbe Arbeit. Alle diese Erwägungen habe ih in der Synode geltend zu aae versucht, aber erfolglos. Meinem Standpunkt entspricht es, die Be- \chlüsse der General. Synode möglichst wenig der Kritik auszusehen. Deshalb kann ih nicht die Verantwortung dafür übernehmen, die definitive Ordnung der Frage auf längere oder kürzere Dauer hinaus- zuschieben. Ih emxpfehle daher troy aller Bedenken die Annahme der Vorlage. Seit zwei Stunden liegen die Dinge so, daß, wenn der Antrag Klinckdowstroem an die Kommission verwiesen wird, weder aus diesem Antrage noch aus der Vorlage etwas wird. Das will ih ver-

meiden.

Ge C des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Jch gestatte mir nur ganz wenige kurze Be- merkungen, zumal ich mich alsbald ins Staats-Ministerium be- geben muß.

J glaube, der Standpunkt, den Herr von Leveßow in seiner sehr klaren Darstellung am Schluß seiner Ausführungen eingenommen hat, ift der einzig richtige, ja der einzig zulässige. Jh muß sagen, ih bin einigermaßen erstaunt über die ganze Auffassung, aus der der Antrag des Grafen von Klinckowstroem hervorgeht; denn dieser An-

trag enthält zweifellos einen direkten ftaatlihen Eingriff in die Be-

fugnisse der Kirhenverwaltung, welhe primo loco, meines Erachtens,

darüber zu entscheiden hat, wie sie die Gehaltsbezüge und die ma-

terielle Lage der Geistlihen zu ordnen hat und nit der Staat.

Wir haben uns bloß zu fragen, meine Herren, wenn wir einen

korrekten Standpunkt, der allen Befugnissen gereht wird, einnehmen

wollen : Liegen hier in den Beschlüssen der kirhlihen Behörden, der

General-Synode und der Synoden der Provinzen solche s{chweren Be-

denken für den Staat, daß er seinerseits seine Mitwirkung ablehnen

muß? Der Antrag des Grafen von Klinckowstroem ordnet aber seinerseits

von Staatswegen ohne Nüksiht auf die Beschlüsse der Kirchenbehörden

in dem Artikel 3 die ganze Lage der Geistlichen, und das halte ih

für einen direkten Eingriff in die Kompetenz der kirchlihen Organe;

dazu follte nach meiner Meinung das Herrenhaus \ich am aller-'

wenigsten herbeilassen. (Sehr rihtig!) Das kann Konsequenzen. herbeiführen, meine Herren, {limmster Art.

Aber noch mehr, er reformiert die Beshlüfse der Kirhenbehörden

bezw. das dieselben zur Ausführung bringende Staatsgesey in pejus

für die Geistlihen, nämlich dadur, daß es ganz einfa die sämmt-

lihen Alterszulagen für widerruflihe Beihilfen erklärte. Der größte

Vorzug dieses Gesetzes liegt darin, daß in Zukunft keine noch so arme

und gering begüterte Gemeinde in dem ganzen preußischen Staate

mehr existieren wird, in welcher der Geistliche nit das klagbare Recht

besißt, einen festen, sicheren Nehtsanspruch, bis zu 4800 4 und freier

Wohnung hinaufzusteigen, Was das für die materielle Lage der

Geistlichen, aber au, meine Herren, ih möchte sagen, wenn ih den Aus-

druck gebrauchen darf, der vielleicht niht ganz richtig ist, nah der ideellen

Seite für die Geistlichen bedeutet, wie die Neigung, die geistliche Carrière zu betreten, wachsen wird, wenn eine solche Sicherheit ge-

geben wird, wie vielleiht die Klassen, aus denen die Geistlichen her- vorgehen, sih anders gestalten werden, das brauche ih Ihnen garnicht weiter auseinanderzufeßzen.

Nun, meine Heren, wirkt weiter entsheidend nah dem Regie- rungsentwurf das Konsistorium mit. Hier soll aber über die Leistungs-' fähigkeit der Gemeinden allein entshieden werden durch den zustän- digen Regierungspräsidenten. Ist das niht auch eine reformatio in pejus? Es ist mit Recht ausgeführt ich will das niht weiter erörtern —, daß die Gefahr einer übermäßigen Heranziehung der Ge- meinden durch den Antrag des Herrn Grafen von Klinckowstroem außerordentlich wächst gegenüber der Vorlage, daß man zweifellos mit dem vom Staate zu diesem Vorschlage zu bewilligènden Summen auf . die Dauer garniht ausreichen kann, und daß das Defizit zweifellos gedeckt werden muß durch die vom Regierungs- Präsidenten für leistungsfähig erklärten Gemeinden. Das find doch so bedenklihe Konsequenzen, daß ich meine, ganz abgesehen von der sogenannten Zwangslage und den bedenklichen Folgen, die ein Scheitern der Regierungsvorlage haben würde, man kann auch aus inneren Gründen auf ein folches Geseß nicht eingehen. Müßten wir aber, wenn das hohe Herrenhaus sich materiell an den Vorschlag des Herrn Grafen von Klinckowstroem anschlöfse, seitens der Regierung, wenn sie das glaubte verantworten zu können, die Sache, um die Rechts- lage von Staat und Kirche zu wahren, doch wieder an die Synode bringen, welhe Garantien haben Sie, meine Herren, daß die Synoden diese offenbare Vershlehterung der Lage der Geistlichen acceptieren werden, nachdem die Staatsregierung ihr helfen wollte, eine bessere Situation zu bekommen? Stellen Sie niht alles ins Ungewisse? Und wer weiß von uns, was in dieser Beziehung die Zukunft bringt, welche Mehrheiten wir haben werden in beiden Häusern des Land- tages, ob die Mittel noch stark find, in dieser Weise reihlih zu dotieren, selbst ob der Finanz-Minister, der dann die Sache führt, noch so geneigt ist, in der Weise entgegenzukommen. (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, ih glaube, wir können seitens der Staatsregie- rung die Anerkennung, die Se. Eminenz der Herr Kardinal in Bezug auf das wohlwollende Entgegenkommen des Staates ausgesprochen hat, mit gutem Gewissen acceptieren. Es ist in dieser Beziehung so wenig fiskalish, so large mit Rücksiht auf die hohe Wichtigkeit dieser ganzen neuen organishen Einrihtung was der Antrag des Herrn Grafen von Klinckowstroem nicht sein würde gehandelt, daß wir glauben, allerdings das ‘Zeugniß zu verdienen, wir haben hier durhaus nit kleinlich und engherzig verfahren.

Meine Herren! Jch habe {hon im anderen Hause gesagt, die Zeit drängte beim Abschluß dieses Gesetzes durch das späte Zusammen- treten der General-Synode und durch die lange und gründliche Bee rathung derselben derartig, daß ih im Finanz-Ministerium etwa nur drei Tage gehaktt habe, dieses ganze Gesey zu prüfen, und ih habe mich doch ents{lossen, nit zu sagen: ih bin außer stande, ein fo tief einshneidendes Geseß so schnell zu prüfen, es muß bis zur nächsten Session .nach den Wahlen vertagt werden; sondern ih habe alles aufgeboten, um wenigstens soweit klar zu werden, daß ih mir sagte: hier wird eine außerordentlihe Wohlthat für die Geisllichen erwiesen, hier werden sehr bedeutende Fortschritte gemacht, feste Zustände für die Geistlichen geschaffen, da kann man es nicht so genau auf die einzelnen Beträge ansehen, man muß das Geseß annehmen, wie es aus den Synoden hervorgegangen ist. Ich habe garnicht erwartet, daß das Gefeß hier im Hause so große Schwierigkeiten finden wird. (Heiterkeit.) Ich habe die Schwierigkeiten im anderen Hause gesucht, nicht hier. Jch erkenne zwar vollständig an, daß die Bedenken, die Herr von Leveßow in Bezug auf das Pfründenwesen dargelegt hat, von Bedeutung find, und ih leugne nicht, daß ih im ersten Anfange , als ih das Geseß sah, auch diese Gefühle hatte, und auch mir die Umwandlung des ganzen Pfründensystems im Anfange sehr unbequem hien. Aber so, wie Herr von Leveßow die Sache dargestellt hat, liegt die Sache doh niht. Er sagte: Bisher“ lebte der Pfarrer von der Pfründe. Nein, meine Herren, er lebte wesentliß {hon vom Staatszushuß. (Heiterkeit.) Die Pfründe hatte er au, aber ein großer Theil der Pfründen reichte längst nicht mehr aus. Der Pfarrer, sagte er, kann auf die Pacht verzihten. Das kann er allerdings, aber das that er meistens auf Kosten des Staats (Heiterkeit); denn um so höher wurden die Zuschüsse, je niedriger die Einnahmen von der Pfründe waren. Also sicher kann man niht davon \prehen, daß der Pfarrer vorher cin unabhängiger Mann und hinterher ich will mal sagen ein abhängiger Beamter der Gemeinde wäre. Nein, meine Herren, die Gemeinde leistet aus diesem Geseh nichts, sondern der Staat übernimmt alles. Wir übertragen in diesem Geseh der Gemeinde nicht die Befugniß, dem Pfarrer viel oder wenig zu! geben, sondern er \stimmtes fklagbares Reht auf bestimmte Summen. Wie er dadurch von der Gemeinde abhängig werden kann, is mir nicht

verständlih. Wenn er aber in Zukunft den Pächtern der Gemeinde

bekommt ein ganz ‘bes

C R S E E d E